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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin-Brandenburg
Beschluss verkündet am 11.07.2007
Aktenzeichen: 8 V 8135/07
Rechtsgebiete: FGO, EStG


Vorschriften:

FGO § 69 Abs. 2 S. 2
FGO § 69 Abs. 3 S. 1
EStG § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Berlin-Brandenburg

8 V 8135/07

Aussetzung der Vollziehung (Einkommensteuer 2000)

In dem Verfahren

...

hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg - 8. Senat -

am 11. Juli 2007

beschlossen:

Tenor:

Die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 2000 vom 16. April 2007 wird bis einen Monat nach Bekanntgabe einer das Einspruchsverfahren beendenden Entscheidung ausgesetzt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Der Antragsteller erwarb am 6. Oktober 1998 98 800 Aktien der X.. AG - X.. -. Am 5. Mai 1999 erwarb der Antragsteller weitere 395 200 Aktien der X.. (Bestand per 5. Mai 1999 = 494 000 Stück). Diese Aktien werden in einem Girosammeldepot verwahrt.

Der Antragsteller veräußerte am 28. Mai 1999 18 525 Aktien der X.., am 16. November 1999 65 000 Aktien der X.., am 2. März 2000 20 610 Aktien der X.., am 4. Mai 2000 2 638 Aktien der X.. und am 14. Juli 2000 3 808 Aktien der X...

Für das Jahr 1999 erklärte der Antragsteller einen steuerpflichtigen Spekulationsgewinn aus dem Verkauf vom 28. Mai 1999 nach. Den Spekulationsgewinn berechnete der Antragsteller dabei auf der Grundlage der Anschaffungskosten für die am 6. Oktober 1998 erworbenen Aktien.

Der Antragsgegner gelangte im Rahmen einer bei dem Antragsteller durchgeführten Außenprüfung zu der Auffassung, dass die am 18. Mai 1999 - innerhalb der Spekulationsfrist des § 22 Nr. 2 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz in der im Streitjahr geltenden Fassung ( EStG) von einem Jahr - veräußerten Aktien der X.. aus den am 6. Oktober 1998 erworbenen Aktien stammten. Dementsprechend minderte die Prüferin den Bestand dieser Aktien auch im Hinblick auf die erste Veräußerung am 28. Mai 1999. Sie vertrat auf dieser Grundlage die Ansicht, dass die am 2. März und 4. Mai 2000 veräußerten Aktien zum Teil aus den am 5. Mai 1999 erworbenen Aktien stammten und daher im Jahr 2000 ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn in Bezug auf 5 335 und 2 638 Aktien, in Höhe von EUR 941 829,20 (Veräußerung vom 2. März 2000) und in Höhe von EUR 633 462,91 (Veräußerung vom 4. Mai 2000), entstanden sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Textziffer 12 und auf Anlage 2/1 des BP-Berichts vom 16. Oktober 2006 Bezug genommen.

Der Antragsgegner folgte den Feststellungen der Betriebsprüferin und erließ einen geänderten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2000. Die Antragsteller erhoben gegen diesen Steuerbescheid Einspruch, über den der Antragsgegner bislang nicht entschieden hat. Sie führen zur Begründung ihres Einspruchs an, die Veräußerung der Aktien am 28. Mai 1999 sei sowohl innerhalb der Spekulationsfrist für die am 6. Oktober 1998 als auch innerhalb der Spekulationsfrist für die am 5. Mai 1999 erworbenen Aktien erfolgt.

Daher könne im Hinblick auf die nachfolgend veräußerten Aktien nicht davon ausgegangen werden, dass die am 6. Oktober 1998 erworbenen Aktien veräußert worden seien.

Vielmehr sei bei den nachfolgenden Veräußerungen, die innerhalb der Spekulationsfrist bezüglich nur der am 5. Mai 1999 erworbenen Aktien erfolgt seien, davon auszugehen, dass insoweit zunächst die am 6. Oktober 1998 erworbenen Aktien veräußert worden seien. Der Antragsgegner vertritt hingegen die Auffassung, die Antragsteller hätten aufgrund der Ermittlung des Spekulationsgewinns für das Jahr 1999, dem sie die Anschaffungskosten der am 6. Oktober 1998 erworbenen Aktien zugrunde gelegt hätten, deutlich gemacht, dass im Rahmen dieser Veräußerung die am 6. Oktober 1998 erworbenen Aktien veräußert worden seien. An diese Einordnung seien die Antragsteller nunmehr gebunden.

Zur Begründung ihres Antrags wiederholen und vertiefen die Antragsteller ihren Vortrag im Einspruchsverfahren.

Die Antragsteller beantragen,

die Vollziehung des Bescheids über Einkommensteuer 2000 vom 16. April 2007 bis einen Monat nach Bekanntgabe einer das Einspruchsverfahren beendenden Entscheidung auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Er wiederholt und vertieft gleichermaßen seinen Vortrag im Einspruchsverfahren.

II. Der zulässige Antrag ist begründet.

Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung - FGO - kann das Gericht die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel bestehen, wenn bei der (überschlägigen) Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vergleiche: Bundesfinanzhof - BFH -, Beschluss vom 10. Februar 1967 -III B 9/66, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFHE - 87, 447, Bundessteuerblatt - BStBl. - III 1967, 182). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.

Der Antragsgegner dürfte im Ergebnis unzutreffend hinsichtlich der Veräußerung von insgesamt 7 973 Aktien von der Erzielung eines Spekulationsgewinnes im Sinne von § 22 Nr. 2 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in Höhe von EUR 1 575 292,11 ausgegangen sein. Nach den vorstehenden Vorschriften gehören zu den sonstigen Einkünften auch Einkünfte aus Veräußerungsgeschäften, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt.

Das Einhalten der Frist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist dabei unerlässliche Voraussetzung des gesetzlichen Besteuerungstatbestands. Dessen Verwirklichung setzt zunächst für jeden einzelnen steuerbaren Vorgang die Nämlichkeit des angeschafften und des veräußerten Wirtschaftsguts voraus. Daher lassen sich nur bezogen auf ein und dasselbe Objekt die Spekulationsfrist und die Wertveränderung im Privatvermögen festlegen (vergleiche: BFH, Urteil vom 24. November 1993 - X R 49/90, BFHE 173, 107, BStBl. 1994, 591 [ 592]). Bei Wertpapieren, die wie im Streitfall, einem Sammeldepot angehören, erfordert der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung für die Anwendung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG auf Wertpapiergeschäfte, dass nur solche Vorgänge erfasst werden, bei denen der Art und der Stückzahl nach feststeht, dass Anschaffung und Veräußerung innerhalb des Ein-Jahres-Zeitraums stattgefunden haben. Dabei ist die zeitliche Zuordnung von Anschaffungs- und Veräußerungsgeschäften unabhängig von Willensakten des Steuerpflichtigen oder der Finanzverwaltung vorzunehmen, und ist weder die sogenannte Fifo-Methode (first in, first out) noch die sogenannte Lifo-Methode (last in, first out) anzuwenden (siehe BFH, Urteil vom 24. November 1993 - X R 49/90, a.a.O. [492]). Vielmehr muss die Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestands des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG für Wertpapiere ausgeschlossen werden, die außerhalb der Spekulationsfrist angeschafft wurden (ebenso: BFH, Urteil vom 24. November 1993 - X R 49/90, a.a.O. [492]). Soweit auf dieser Grundlage ein Spekulationsgewinn im Sinne des § 22 Nr. 2 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG vorliegt, ist dieser Gewinn mit Hilfe von Durchschnittswerten zu ermitteln (siehe BFH, Urteil vom 24. November 1993 - X R 49/90, a.a.O. [492]).

Nach diesen Grundsätzen dürfte der Antragsteller im Streitjahr 2000 keinen Spekulationsgewinn § 22 Nr. 2 in Verbindung mit § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erzielt haben. Hinsichtlich der am 28. Mai 1999 veräußerten Aktien der X.. war die Spekulationsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sowohl bezüglich der am 6. Oktober 1998 als auch der am 4. Mai 1999 erworbenen Aktien nicht abgelaufen. Der Antragsteller erzielte daher insoweit im Jahr 1999 sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 2 EStG. Entgegen der Auffassung beider Beteiligter dürfte der entsprechende Veräußerungsgewinn jedoch nur mit Hilfe von Durchschnittswerten, bezogen auf den gesamten Aktienbestand, zu ermitteln sein. Denn es lässt sich nicht feststellen, welche Aktien tatsächlich aus dem Sammeldepot veräußert wurden. Dementsprechend dürfte aus diesem Umstand für zukünftige Veräußerungen zugleich folgen, dass nach der Veräußerung am 16. November 1999 jeweils nur ein entsprechender Anteil der Altaktien verblieben war (siehe hierzu: Jansen in Herrmann/ Heuer/Raupach, EStG, § 23 Anmerkung 154; Witt, Spekulationsgeschäfte bei Wertpapieren in Girosammelverwahrung, Der Betrieb 1994, 1644). Da das Verhältnis zwischen den am 6. Oktober 1998 und den am 5. Mai 1999 erworbenen Aktien 20:80 betrug, dürften daher am 28. Mai 1999 3 705 Aktien, die am 6. Oktober 1998 erworben worden waren, und 14 820 Aktien, die am 5. Mai 1999 erworben worden waren, veräußert worden sein. Daher befanden sich am 16. November 1999 95 095 Aktien, die am 6. Oktober 1998 erworben worden waren, und 380 380 Aktien, die am 5. Mai 1999 erworben worden waren, im Sammeldepot des Antragstellers.

Hinsichtlich der am 16. November 1999 veräußerten Aktien war die Spekulationsfrist nur in Bezug auf die am 6. Oktober 1998 erworbenen Aktien abgelaufen. Daher ist insoweit ein Spekulationsgewinn im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht entstanden, und ist der Bestand dieser Aktien um 65 000 Stück zu mindern (Bestand nunmehr = 30 095 Stück).

Hinsichtlich der am 2. März 2000 veräußerten Aktien war die Spekulationsfrist gleichermaßen nur in Bezug auf die am 6. Oktober 1998 erworbenen Aktien abgelaufen. Daher ist insoweit ein Spekulationsgewinn im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht entstanden, und ist der Bestand dieser Aktien um weitere 20 610 Stück zu mindern (Bestand nunmehr = 9 485 Stück).

Hinsichtlich der am 4. Mai 2000 veräußerten Aktien war die Spekulationsfrist ebenfalls nur in Bezug auf die am 6. Oktober 1998 erworbenen Aktien abgelaufen. Daher ist insoweit ein Spekulationsgewinn im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG nicht entstanden, und ist der Bestand dieser Aktien um weitere 2 638 Stück zu mindern (Bestand nunmehr = 6 847 Stück).

Hinsichtlich der am 14. Juli 2000 veräußerten Aktien war die Spekulationsfrist in Bezug auf die am 6. Oktober 1998 und am 5. Mai 1999 erworbenen Aktien abgelaufen. Daher ist ein Spekulationsgewinn im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, unabhängig davon, aus welchem Bestand die veräußerten Aktien stammen, nicht entstanden.

Der Antragsgegner kann schließlich nicht mit seinem Vortrag durchdringen, der Antragsteller habe im Jahr 1999 ausschließlich Aktien, die am 6. Oktober 1998 erworben worden waren, veräußert. Denn auf der Grundlage der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, durfte der Antragsteller zum einen nicht die sogenannte Fifo-Methode anwenden, und musste der Antragsteller zum anderen den Veräußerungsgewinn nach einem Durchschnittswert ermitteln (siehe: BFH, Urteil vom 24. November 1993 - X R 49/90, a.a.O. [492]). Die abweichende Ermittlung des Veräußerungsgewinns durch den Antragsteller und die Übernahme dieses Ergebnisses durch den Antragsgegner dürfte indessen einen Rechtsanwendungsfehler darstellen, der allenfalls im Rahmen einer Änderung der Veranlagung für das Jahr 1999 zu berücksichtigen wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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