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Gericht: Finanzgericht Berlin
Urteil verkündet am 11.04.2005
Aktenzeichen: 8 K 8101/00
Rechtsgebiete: EStG, AIG, DBA-Österreich, EGV


Vorschriften:

EStG § 2a Abs. 3 Satz 3
EStG § 2a Abs. 3 Satz 4
AIG § 2 Abs. 1
DBA-Österreich Art. 24
EGV Art. 43 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Nachversteuerung von in Österreich erzielten positiven Betriebsstätteneinkünften im Veranlagungszeitraum 1994 gemäß § 2a Abs. 3 Satz 3 EStG i.d.F. des Steuerreformgesetzes 1990 (EStG a.F.).

Die Klägerin ist eine seit dem xx.xx.1978 in das Handelsregister (HRB xxxxx, AG Charlottenburg) eingetragene GmbH, deren Gesellschaftszweck der Betrieb eines Krankenheimes sowie die Einrichtung und der Betrieb von Alten- und Pflegeheimen im Sinne des Heimgesetzes ist.

In den Jahren 1982 bis 1994 betrieb die Klägerin auch ein Altenpflegeheim in Österreich. Bis einschließlich des Jahres 1990 erzielte sie in dieser Betriebsstätte folgende Verluste:

 JahrVerlust in DM
1982590.440,--
1983494.314,--
1984335.519,--
1985186.529,--
1986198.756,--
1987217.532,--
1988252.673,--
1989155.349,--
199036.295,--
Summe:2.467.507,--

Diese Verluste wurden auf Antrag der Klägerin gemäß § 2 Abs. 1 Auslandsinvestitionsgesetz (AIG) bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens für die Veranlagungszeiträume 1982 bis 1990 insoweit berücksichtigt, als die positiven inländischen Einkünfte mit den Verlusten aus der österreichischen Betriebsstätte verrechnet wurden.

Das österreichische Steuerrecht kannte bis einschließlich 1988 kein Verlustvortragsrecht für beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften. Erst mit dem Abgabenänderungsgesetz 1989 wurde der Verlustabzug für gewerbliche Betriebsstätten in Österreich eingeführt, und zwar auch für solche vor dem 31.12.1988 entstandenen Verluste, die in den vorangegangenen sieben Jahren entstanden waren. Nach § 102 Abs. 2 öEStG kann ein Verlustabzug allerdings nur insoweit beansprucht werden, als die Verluste der österreichischen Betriebsstätte das übrige Welteinkommen des unbeschränkt steuerpflichtigen Stammhauses übersteigen. Österreich lässt danach einen Verlustabzug nur subsidiär für den Fall zu, dass eine Verlustberücksichtigung im Stammhausstaat nicht möglich ist. Wegen der weiteren Einzelheiten zur österreichischen Rechtslage wird auf das zu den Akten gereichte Schreiben des Finanzamtes Klagenfurt vom 14.06.1994 verwiesen (Bl. 39 f. d.A.).

Die Klägerin verfügte in den Veranlagungszeiträumen 1982 bis 1990 über ausreichend inländische Einkünfte. Ein Verlustabzug in Österreich kann insoweit - was zwischen den Parteien unstreitig ist - von der Klägerin nicht beansprucht werden.

Im Zeitraum von 1991 bis 1994 erzielte die Klägerin in der österreichischen Betriebsstätte folgende Gewinne:

 JahrGewinn in DM
1991107.441,--
1992114.874,--
1993222.529,--
1994746.828,--
Summe:1.191.672,--

Der Beklagte führte die Veranlagungen für die Jahre 1991 bis 1994 zunächst ohne Abweichung von den eingereichten Erklärungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung durch.

Im Jahre 1994 führte das Finanzamt Klagenfurt eine Betriebsprüfung bei der österreichischen Betriebsstätte durch (Veranlagungszeiträume 1990-1992). Der Betriebsprüfungsbericht vom 13.07.1994 enthält zur Frage der Möglichkeit des Verlustabzuges in Österreich folgende Ausführungen:

"Durch das Abgabenänderungsgesetz 1989 wurde das Verlustvortragsrecht für beschränkt Steuerpflichtige neu gestaltet. Demnach steht der Verlustabzug nur für Verluste zu, die in inländischen Betriebsstätten entstanden sind, die der Erzielung von Einkünften im Sinne des § 2 (3) Z 1-3 öEStG dienen. Verluste können nur insoweit berücksichtigt werden, als sie die nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Einkünfte überstiegen haben.

Da die österreichischen Betriebsstättenverluste von der deutschen Muttergesellschaft ausgeglichen wurden, steht diesbezüglich in Österreich kein Verlustvortragsrecht zu. Diese Feststellungen der Betriebsprüfung bestätigen, dass im vorliegenden Fall eine - wenn auch abstrakte - Möglichkeit des Verlustabzuges gegeben ist, die aus Gründen des Einzelfalles versagt wurde."

Nach Überprüfung der Rechtslage änderte der Beklagte unter dem 17.04.1997 die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Bescheide gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO), indem er die positiven österreichischen Betriebsstätteneinkünfte gemäß § 2a Abs. 3 Satz 3 EStG a.F. hinzurechnete und insoweit eine Nachversteuerung der zuvor bei der inländischen Veranlagung berücksichtigen Verluste aus der österreichischen Betriebsstätte vornahm. Für den streitgegenständlichen Veranlagungszeitraum 1994 wurde so das zu versteuernde Einkommen der Klägerin um 746.828,- DM heraufgesetzt.

Mit Schreiben vom 16.05.1997 legte die Klägerin gegen die Bescheide vom 17.04.1997 Einspruch ein.

Während des Einspruchsverfahrens führte der Beklagte eine Betriebsprüfung bei der Klägerin durch (Veranlagungszeiträume 1992 bis 1996), in deren Folge erneut geänderte Bescheide unter dem 21.06.1999 ergingen. In diesen Bescheiden korrigierte der Beklagte dem Einspruchsbegehren der Klägerin folgend die nichtabziehbaren Ausgaben hinsichtlich der ausländischen Steuer; die Frage der Nachversteuerung gemäß § 2a Abs. 3 Satz 3 EStG a.F. beurteilte der Beklagte unverändert.

Im Einspruchsverfahren macht die Klägerin geltend, eine Nachversteuerung gemäß § 2a Abs. 3 Satz 3 EStG a.F. sei unzulässig. Zur Begründung berief sie sich auf § 2a Abs. 3 Satz 4 EStG a.F., wonach eine Hinzurechnung nach § 2a Abs. 3 Satz 3 EStG a.F. zu unterbleiben habe, soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass nach den für ihn geltenden Vorschriften des ausländischen Staates ein Abzug von Verlusten in anderen Jahren als dem Verlustjahr allgemein nicht beansprucht werden kann. Diese Vorschrift sei nach Auffassung der Klägerin einschlägig, weil wegen § 102 Abs. 2 öEStG ein Verlustabzug in Österreich nicht beansprucht werden könne.

Mit Einspruchsentscheidung vom 02.02.2000 wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin gegen den geänderten Körperschaftsteuerbescheid 1994 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass es für die Frage der Nachversteuerung gemäß § 2a Abs. 3 Satz 3 EStG a.F. nicht auf die konkrete Möglichkeit einer Verlustberücksichtigung im Betriebsstättenstaat ankomme, sondern allein auf die abstrakte Möglichkeit. Letzteres sei nach den Angaben des Betriebsprüfungsberichtes des Finanzamtes Klagenfurt vom 13.07.1994 der Fall. Der Verlustabzug in Österreich werde allein aufgrund des Einzelfalles versagt. Dies sei aber bei der Auslegung von § 2a Abs. 3 Satz 4 EStG a.F. ohne Bedeutung; die Gefahr der fehlenden Verlustberücksichtigung sowohl im Stammhaus- als auch im Betriebsstättenstaat werde vom Gesetz ausdrücklich hingenommen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden, am 03.03.2002 erhobenen Klage.

Sie meint, eine Nachversteuerung gemäß § 2a Abs. 3 Satz 3 EStG a.F. sei unzulässig. Der Begriff "allgemein" in § 2a Abs. 3 Satz 4 EStG a.F. bringe zwar zum Ausdruck, dass es auf die abstrakte Möglichkeit einer Verlustberücksichtigung im Betriebsstättenstaat ankomme; dies sei aber vorliegend der Fall, weil die fehlende Berücksichtigung der Verluste in Österreich weder auf persönlichen Besonderheiten noch auf einer etwaigen Wahlmöglichkeit beruhe. Der Verlustvortrag scheide nämlich immer dann aus, wenn die übrigen Einkünfte des inländischen Stammhauses die (negativen) Einkünfte der österreichischen Betriebsstätte übersteigen. Darüber hinaus bezieht sich die Klägerin auf Abs. 12b der Protokollerklärung zu Art. 24 des Doppelbesteuerungsabkommens mit Österreich (DBA-Österreich) vom 15.03.2003, wonach ab der Veranlagung 1994 Hinzurechnungen gemäß § 2a Abs. 3 Satz 3 EStG a.F. für solche österreichischen Betriebsstättenverluste zu unterbleiben haben, die seit dem Wirtschaftsjahr 1990 entstanden sind.

Die Klägerin beantragt,

den Körperschaftsteuerbescheid vom 21. Juni 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Februar 2000 insoweit zu ändern, als das zu versteuernde Einkommen um 746 828,00 DM vermindert festgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen, hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Er vertritt die Auffassung, der Änderungsbescheid sei rechtmäßig ergangen. Zur Begründung bezieht der Beklagte sich in erster Linie auf die Einspruchsbegründungen vom 02.02.2002. Zur Frage der Protokollerklärung zu Art. 24 DBA-Österreich führt der Beklagte ergänzend aus, dass nach dem Wortlaut der Erklärung zum einen eine Hinzurechnung bis einschließlich des Veranlagungszeitraumes 1994 erfolgen könne, zum anderen gehe es vorliegend um Verluste, die vor dem Wirtschaftsjahr 1990 entstanden seien, für die Abs. 12b der Protokollerklärung nicht einschlägig sei. Die Vertragsparteien des DBA-Österreich haben insoweit die Gefahr einer doppelten Nichtberücksichtigung österreichischer Betriebsstättenverluste, die vor dem Wirtschaftsjahr 1990 entstanden sind, bewusst hingenommen. Im Termin am 11.4.2005 vertrat der Beklagte unter Verweis auf die Entscheidung des Finanzgerichtes Baden-Württemberg vom 20.06.2004 - Az: 1 K 312/03 ferner die Auffassung, dass auch eine Verletzung von EG-Recht nicht in Betracht komme, weil die Frage der grenzüberschreitenden Verlustbehandlung allein der Regelungsbefugnis des nationalen Steuerrechtes unterliege.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf den Inhalt der Streitakte und auf die vom Beklagten für die Klägerin geführten Steuerakten zu der St.Nr. xxx/xxx (5 Bände), die dem Gericht vorgelegen haben, Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit eine Hinzurechnung der österreichischen Betriebsstättenverluste in Höhe von 746.828,- DM erfolgte, § 100 Abs. 1 FGO.

Die Voraussetzungen für eine Änderung des Körperschaftsteuerbescheides 1994 nach § 164 Abs. 2 AO sind nicht gegeben. Dabei kann es dahinstehen, dass der Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand und auch noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten war. Denn der Beklagte durfte das zu versteuernde Einkommen der Klägerin nicht um 746.828,- DM erhöhen.

Die Klägerin ist bei der Ermittlung ihres zu versteuernden Einkommens für den Veranlagungszeitraum 1994 rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass eine Hinzurechnung von solchen Verlusten aus der österreichischen Betriebsstätte, die in vorangegangenen Veranlagungszeiträumen bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens in Deutschland berücksichtigt worden sind, nicht gemäß § 2a Abs. 3 Satz 3 EStG a.F. zu erfolgen hat.

Dies ergibt sich aus § 2a Abs. 3 Satz 4 EStG a.F.

Nach dieser Vorschrift hat eine Hinzurechnung nach § 2a Abs. 3 Satz 3 EStG a.F. zu unterbleiben, soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass nach den für ihn geltenden Vorschriften des ausländischen Staates ein Abzug von Verlusten in anderen Jahren als dem Verlustjahr allgemein nicht beansprucht werden kann.

Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind vorliegend gegeben.

Der Senat lässt es dabei dahinstehen, inwieweit Abs. 12b der Protokollerklärung zu Art. 24 DBA-Österreich zu der von der Klägerin geltend gemachten Auslegung von § 2a Abs. 3 Satz 4 EStG a.F. zwingt, wogegen für die Auffassung des Beklagten in der Tat spricht, dass lediglich ab dem Wirtschaftsjahr 1990 entstandene Verluste dem Hinzurechnungsverbot unterliegen sollen.

Auch stellt der Senat seine Zweifel an der von Finanzverwaltung und überwiegendem Schrifttum vorgenommenen Auslegung von § 2a Abs. 3 Satz 4 EStG zurück, wonach mit dem Begriff "allgemein" auf die abstrakte Möglichkeit der Verlustberücksichtigung im ausländischen Betriebsstättenstaat abzustellen sein soll und nicht auf die konkrete Möglichkeit des Verlustabzuges (vgl. BMF-Schreiben vom 17.12.1997, IV C 6 - S2118a - 6/97; Probst in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht (Stand: Oktober 2004), § 2a EStG, Rz. 365; Wied in: Blümich, EStG (Stand: Oktober 2004), § 2a, Rz. 157). Gegen diese Auffassung dürfte nämlich der Telos von § 2a Abs. 3 Satz 3 EStG sprechen, der lediglich dem nachvollziehbaren Bedürfnis des deutschen Fiskus dienen soll, eine doppelte Verlustberücksichtigung im ausländischen Betriebsstättenstaat und im inländischen Stammhausstaat zu vermeiden (zum Zweck vgl. Probst in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht (Stand: Oktober 2004), § 2a EStG, Rz. 364.1; Wied in: Blümich, EStG (Stand: Oktober 2004), § 2a, Rz. 155). Zwischen den Parteien des Verfahrens steht es aber außer Streit, dass eine Verlustberücksichtigung in Österreich lediglich abstrakt möglich, wegen § 102 Abs. 2 öEStG im konkreten Fall aber ausgeschlossen ist.

Das Gericht muss diese Zweifel jedoch deshalb nicht vertiefen, weil die am Wortlaut orientierte Interpretation von § 2a Abs. 3 Satz 4 EStG a.F. jedenfalls insoweit vom dargelegten Telos der Regelung des § 2a Abs. 3 Satz 3 EStG a.F. überlagert wird, als eine gemeinschaftskonforme Auslegung dieser Vorschrift geboten ist.

Dies ist vorliegend der Fall.

Allerdings kann eine gemeinschaftskonforme Auslegung - entgegen der Entscheidung des FG Düsseldorf im Rahmen eines deutsch-österreichischen Sachverhaltes für das Streitjahr 1994 (Urteil vom 3.11.2003 - 7 K 6498/99 F, DStR 2004, 460 ff.) - nicht unmittelbar auf die Grundfreiheiten des EG-Vertrages gestützt werden.

Die Anwendung der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 43 EG scheitert bereits daran, dass diese nach ihrem klaren Wortlaut nur die dauerhafte wirtschaftliche Integration in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft schützt. Die Republik Österreich ist indes erst zum 1.1.1995 der Europäischen Gemeinschaft beigetreten, vorliegend geht es aber um den Veranlagungszeitraum 1994.

Ebenso kommt die Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 56 Abs. 1 EG nicht zum Tragen. Dabei kann es dahinstehen, dass die Kapitalverkehrsfreiheit im Gegensatz zur Niederlassungsfreiheit auch gegenüber EG-Drittstaaten eine entsprechende Schutzwirkung entfaltet (ausführlich dazu Schön, der Kapitalverkehr mit Drittstaaten, in: Festschrift für Wassermeyer, 2005, 489). Auch kann dahinstehen, dass die grenzüberschreitende Gründung und Unterhaltung einer Betriebsstätte zugleich mit solchen Kapitalbewegungen verbunden sein wird, die in den sachlichen Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit fallen (vgl. Brück in: Löwenstein/Looks, Betriebsstättenbesteuerung, 2003, Rz. 959; Schönfeld in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstättengewinnermittlung, 2005 (erscheint demnächst), Rz. 1101). Denn nach der Auffassung des Gerichtes lässt sich die maßgebliche Regelung des § 2a Abs. 3 Satz 3 EStG a.F. unter die Fortbestandsgarantie des Art. 57 Abs. 1 EG subsumieren. Nach dieser Vorschrift können die Mitgliedstaaten beschränkende Vorschriften im Zusammenhang mit Direktinvestitionen beibehalten, soweit diese zum 31.12.1993 aufgrund einzelstaatlicher Rechtsvorschriften für den Kapitalverkehr bestanden. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind vorliegend sowohl in zeitlicher als auch in sachlicher Hinsicht gegeben. Denn § 2a Abs. 3 Satz 3 EStG a.F. bestand zum einen bereits zum 31.12.1993; zum anderen - und dies ist entscheidend - befasst sich diese Regelung lediglich mit der Verlustbehandlung von ausländischen Betriebsstätten, weshalb es sich im Gegensatz zum Vorlagebeschluss des Gerichtshofes Hertogenbosch in der Rechtssache "van Hilten" (Beschluss vom 5.11.2003 - Nr. 02/01513, Az. des EuGH: Rs. 513/03, ABl.EG 2004, Nr. 85/12) nicht um eine allgemeine steuerliche Vorschrift handelt, sondern um eine Regelung, die zielgenau Direktinvestitionen in den Blick nimmt (so für § 2a Abs. 1 EStG ausdrücklich Schönfeld in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstättengewinnermittlung, 2005 (erscheint demnächst), Rz. 1110; zum Problem der inhaltlichen Dimension des Art. 57 EG vgl. Schön, Der Kapitalverkehr mit Drittstaaten, in: Festschrift für Wassermeyer, 2005, 489 ff.; Schönfeld, Die Fortbestandsgarantie des Art. 57 EG im Steuerrecht, IStR 2005 (erscheint demnächst).

Die Notwendigkeit einer gemeinschaftskonformen Auslegung ergibt sich allerdings aus der Tatsache, dass zwischen dem EFTA-Staat Österreich und der Europäischen Gemeinschaft seit dem 1.1.1994 das Assoziierungsabkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (ABl.EG 1994, L 1) mit der Folge gilt, dass die vom EG-Vertrag intendierte Binnenmarktintegration auch im Verhältnis zu Österreich wirkt (vgl. dazu EuGH vom 23.9.2003 - Rs. C-452/01 (Ospel und Schössle Weissenberg), EuGHE 2003, I-9785, 9799, Rz. 29; Hessisches FG vom 10.12.2002 - 4 K 1044/99, EFG 2003, 1120, 1124 f.; ausführlich Cordewener, Das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, FR 2005, 236 ff.). Dabei kann es dahinstehen, dass das Steuersystem eines Staates, der Partei des EWR-Abkommens ist, grundsätzlich nicht vom EWR-Abkommen erfasst wird. Denn die EWR/EFTA-Staaten müssen nach ständiger Rechtsprechung des EFTA-Gerichtshofes ihr Besteuerungsrecht in Übereinstimmung mit dem EWR-Recht ausüben (vgl. EFTA-Gerichtshof vom 23.11.2004 - Rs. 1/04 (Fokus Bank), IStR 2005, 55 ff., Tz. 20, m.w.N.).

Das EWR-Abkommen enthält zur Verwirklichung der Assoziierung der EWR-Staaten entsprechende Freiheiten, die den Grundfreiheiten des EG-Vertrages im wesentlichen identisch sind (vgl. EFTA-Gerichtshof vom 23.11.2004 - Rs. 1/04 (Fokus Bank), IStR 2005, 55 ff., Tz. 23; EuGH vom 23.9.2003 - Rs. C-452/01 (Ospel und Schössle Weissenberg), EuGHE 2003, I-9785, 9799, Rz. 29; Hessisches FG vom 10.12.2002 - 4 K 1044/99, EFG 2003, 1120, 1124 f.).

Vorliegend ist dabei nach Auffassung des Gerichtes primär die Niederlassungsfreiheit des Art. 31 Abs. 1 EWR-Abkommen verletzt.

Nach dieser Vorschrift unterliegt die freie Niederlassung von Staatsangehörigen eines EGMitgliedstaates oder eines EFTA-Staates im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates keinen Beschränkungen.

Als Beschränkung wird nach ständiger Rechtsprechung des EuGH eine nationale Maßnahme qualifiziert, die geeignet ist, die Ausübung der Grundfreiheiten zu behindern oder weniger attraktiv zu machen (vgl. grundlegend zur Niederlassungsfreiheit EuGH vom 30.11.1995 - Rs. C-55/94 (Gebhard), EuGHE 1995, S. I-4196 f., Rdnr. 37; ähnlich bereits EuGH vom 31.03.1993 - Rs. C-19/92 (Kraus), EuGHE 1993, S. I-1697, Rdnr. 32; bestätigt etwa in EuGH vom 01.02.2001 - Rs. C-108/96 (Mac Queen et al.), EuGHE 2001, S. I-866 f., Rdnr. 26; EuGH vom 04.07.2000 - Rs. C-424/97 (Haim), EuGHE 2000, S. I-5166, Rdnr. 57; EuGH vom 11.05.1999 - Rs. C-255/97 (Pfeiffer), EuGHE 1999, S. I-2860, Rdnr. 19; EuGH vom 09.03.1999 - Rs. C-212/99 (Centros), EuGHE 1999, S. I-1495, Rdnr. 34; EuGH vom 15.05.1997 - Rs. C-250/97 (Futura), EuGHE 1997, S. I-2499, Rdnr. 26). Weil die Niederlassungsfreiheit allerdings nur eine begrenzte Wirkkraft hätte, wenn sich die Grundfreiheiten allein an den Aufnahmemitgliedstaat richten würden, versteht der EuGH das in Art. 43 Abs. 1 EG niedergelegte Beschränkungsverbot nicht nur im Sinne eines Behinderungsverbotes durch den Aufnahmemitgliedstaat, sondern zugleich als Gebot an den Herkunftsstaat, die Niederlassung seiner Staatsangehörigen in einem anderen Mitgliedstaat nicht zu behindern (vgl. nur EuGH vom 14.12.2000 - Rs. C-141/99 (AMID), EuGHE 2000, S. I-11641, Rdnr. 21; EuGH vom 13.04.2000 - Rs. C-251/98 (Baars), EuGHE 2000, S. I-2817, Rdnr. 28; EuGH vom 18.11.1999 - Rs. C-200/98 (X et Y), EuGHE 1999, S. I-8285 f., Rdnr. 26; EuGH vom 16.07.1998 - Rs. C-264/96 (ICI), EuGHE 1998, S. I-4721, Rdnr. 21; EuGH vom 27.09.1988 - Rs.81/87 (Daily Mail), EuGHE 1988, S. 5510, Rdnr. 16; ausführlich dazu Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, S. 200 ff.; Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 2005, S. 63 ff.). Diese zu den Grundfreiheiten des EG-Vertrages entwickelten Grundsätze lassen sich zwanglos auf die EWR-Freiheiten übertragen. Denn ist die möglichst umfassende Binnenmarktintegration der EWR-Staaten eine der Hauptziele des EWR-Abkommens, dann ist es zur Erreichung dieses Zieles angezeigt, eine im wesentlichen identische Auslegung der Grundfreiheiten und EWRFreiheiten vorzunehmen (so treffend EuGH vom 23.9.2003 - Rs. C-452/01 (Ospel und Schössle Weissenberg), EuGHE 2003, I-9785, 9799, Rz. 29; Hessisches FG vom 10.12.2002 - 4 K 1044/99, EFG 2003, 1120, 1124 f.).

Die Regelung des § 2a Abs. 3 Satz 3 EStG a.F. begründet danach eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich. Denn wegen der drohenden Gefahr, etwaige österreichischen Betriebsstättenverluste weder in Österreich noch in Deutschland bei der Veranlagung berücksichtigen zu können, ist diese Regelung geeignet, deutsche Stammhäuser wie die Klägerin davon abzuhalten, eine Betriebsstätte in Österreich zu unterhalten. Bei der Beurteilung dieser Frage hat man insbesondere zu bedenken, dass diese Gefahr nicht bestehen würde, wenn die Betriebsstätte im Inland errichtet worden wäre; § 2a Abs. 3 Satz 3 EStG a.F. behindert insoweit die grenzüberschreitende Niederlassung.

Dem steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin die österreichische Betriebsstätte vor Geltung des EWR-Abkommens errichtete. Auch ist es unbeachtlich, dass lediglich solche österreichischen Betriebsstättenverluste im Veranlagungszeitraum 1994 hinzugerechnet wurden, die vor Geltung des EWR-Abkommens entstanden und steuermindernd bei der deutschen Veranlagung berücksichtigt worden sind. Denn die Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 43 Abs. 1 EG schützt ebenso wie Art. 31 Abs. 1 EWR-Abkommen nicht nur den eigentlichen Vorgang der Niederlassung, sondern auch die nach der Niederlassung intendierte grenzüberschreitende Wertschöpfung. Die Nachversteuerung nach § 2a Abs. 3 Satz 3 EStG birgt aber die Gefahr in sich, dass das ausländische Betriebsstättenengagement aufgegeben wird; jedenfalls wird die grenzüberschreitende Wertschöpfung unter Einsatz der ausländischen Betriebsstätte weniger attraktiv gemacht.

Eine Rechtfertigung dieser Beschränkung ist nicht ersichtlich.

Insbesondere greift der vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung angeführte Grundsatz der Territorialität nicht durch. Soweit der Beklagte sich zu diesem Zweck auf die Entscheidung des FG Baden-Württemberg (Urteil vom 30.6.2004 - 1 K 312/03, IStR 2004, 958 f.) beruft, vermochte das den erkennenden Senat nicht zu überzeugen. Zwar ist das Finanzgericht unter Berufung auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache "Futura" in der Tat zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit nicht vorliegt, soweit "ein Mitgliedstaat bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage nur Gewinne und Verluste berücksichtigt, die aus der Inlandstätigkeit stammen" (FG Baden-Württemberg vom 30.6.2004 - 1 K 312/03, IStR 2004, 958). Auch ist dem Finanzgericht darin zuzustimmen, dass der EuGH in der Rechtssache "Futura" den steuerlichen Territorialitätsgrundsatz im Gemeinschaftsrecht grundsätzlich für anwendbar erklärt hat (EuGH vom 15.5.1997 - Rs. C-250/95 (Futura), EuGHE 1997, I-2492, Rz. 22). Das Finanzgericht verkennt bei seiner Auslegung des Territorialitätsprinzipes jedoch, dass sich die Rechtssache "Futura" mit einem Inbound-Fall befaßt, für den andere Maßstäbe als im - vorliegenden - Outbound-Fall gelten (vgl. Cordewener, DStR 2004, 1634, 1636 f.). In der Rechtssache "Futura" ging es nämlich um die Frage, inwieweit die Verluste einer luxemburgischen Betriebsstätte eines französischen Stammhauses in Luxemburg im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht zu berücksichtigen sind. Mit dem Hinweis auf das Territorialitätsprinzip hat der EuGH deshalb nur deutlich gemacht, dass ein Staat zwar berechtigt ist, die in seinem Hoheitsgebiet ansässigen Steuerpflichtigen einer unbeschränkten Steuerpflicht zu unterwerfen, dieser Staat jedoch ausländische Steuerpflichtige nur in Bezug auf die in seinem Hoheitsgebiet erzielten Einkünfte besteuern kann (so zutreffend Generalanwalt Poiares Maduro, Schlussanträge vom 7.4.2005 - Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), noch nicht in EuGHE, Rz. 59 f.; vgl. auch Cordewener, DStR 2004, 1634, 1636 f.). Vorliegend begehrt die Klägerin als in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtiges Stammhaus indes nicht die Verlustberücksichtigung im österreichischen Betriebsstättenstaat, sondern im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht im deutschen Stammhausstaat.

Der Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, die Möglichkeit der steuermindernden Berücksichtigung der Verluste in den vorangegangenen Veranlagungszeiträumen sei bereits ein Zugeständnis an die Klägerin gewesen, zu welchem an sich keine rechtliche Verpflichtung bestanden hätte, weil das Besteuerungsrecht aufgrund der DBA-Freistellung der Betriebsstätteneinkünfte eigentlich allein dem österreichischen Fiskus zugewiesen sei. Dabei kann es dahinstehen, dass diese Überlegung auf der (wohl noch) herrschenden "Symmetriethese" fußt, wonach die in den DBA vereinbarte Freistellungsmethode sowohl positive als auch negative Einkünfte erfasst (vgl. aus der Rechtsprechung BFH vom 13.11.2002 - I R 13/02 (Ritter), IStR 2003, 314; BFH vom 06.10.1993 - I R 32/93, BStBl. II 1994, 113 f.; BFH vom 28.03.1973 - I R 59/71, BStBl. II 1973, 531 f.; BFH vom 23.03.1972 - I R 128/70, BStBl. II 1972, 948, 949; BFH vom 11.03.1970 - I B 50/68 und I B 3/69, BStBl. II 1970, 569, 570 ff.; RFH vom 25.01.1933 - VI A 199/32, RStBl. 1933, 478; RFH vom 26.06.1935 - VI A 414/35, RStBl. 1935, 1358 f.; aus dem Schrifttum etwa Cordewener, Grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung im Europäischen Recht, DStJG Bd. 28 (2005 erscheint demnächst), V. 1; Wassermeyer in: Debatin/Wassermeyer, DBA (Stand: November 2004), Art. 23A OECD-MA, Rz. 57, m.w.N.; Schuch, Europarechtliche und abkommensrechtliche Vorgaben für die Verlustbehandlung, in: Lehner (Hrsg.), Verluste im nationalen und Internationalen Steuerrecht, 2004, S. 63, 74 ff.; Kessler, Ausländische Betriebsstättenverluste, in: Lehner (Hrsg.), Verluste im nationalen und Internationalen Steuerrecht, 2004, S. 83, 85 ff.).

Denn die "Symmetriethese" steht selbst im Verdacht, mit gemeinschaftsrechtlichen Wertungen unvereinbar zu sein. So hat der 1. Senat des BFH in der Rechtssache "Ritter" unter Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung zutreffend darauf hingewiesen, dass die fehlende Berücksichtigung der ausländischen Betriebsstättenverluste im Rahmen der inländischen Veranlagung eine Benachteiligung des inländischen gegenüber dem ausländischen Sachverhalt und damit eine Beschränkung der Grundfreiheiten bewirken kann (BFH vom 13.11.2002 - I R 13/02 (Ritter), IStR 2003, 314, 315). Das erkennende Gericht schließt sich dieser Rechtsprechung ausdrücklich an. Im Gegensatz zum BFH, der lediglich gemeinschaftsrechtliche Zweifel bekundete und deshalb die Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorlegte, ist der Senat von der Gemeinschaftswidrigkeit der "Symmetriethese" überzeugt (vgl. aus der Rechtsprechung auch Österreichischer VwGH vom 25.09.2001 - 99/14/0217E, IStR 2001, 754, 755; FG Köln vom 15.07.2004 - 13 K 1908/00, FR 2004, 1118; FG Niedersachsen vom 14.10.2004 - 6 V 655/04 (noch nicht veröffentlicht); ausführlich zu der Frage der Diskriminierung vgl. Cordewener, Grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung im Europäischen Recht, DStJG Bd. 28 (2005 erscheint demnächst), V. 1; ders., DStR 2004, 1634, 1635 ff.; ders., IStR 2003, 413, 414 ff.; Schönfeld in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstättengewinnermittlung, 2005 (erscheint demnächst), Rz. 1108; Schuch, Europarechtliche und abkommensrechtliche Vorgaben für die Verlustbehandlung, in: Lehner (Hrsg.), Verluste im nationalen und Internationalen Steuerrecht, 2004, S. 63, 65 ff.; Kessler, Ausländische Betriebsstättenverluste, in: Lehner (Hrsg.), Verluste im nationalen und Internationalen Steuerrecht, 2004, S. 83, 99 ff.; Schön, IStR 2004, 289, 294; ders., StbJb 2003/2004, 27, 40 ff.; Brück in: Löwenstein/Looks, Betriebsstättenbesteuerung, 2003, Rz. 1037 ff.; Vogel, IStR 2003, 316; Kessler/Schmitt/Janson, IStR 2001, 729, 734 ff.; dies., IStR 2003, 307, 308 f.; a.A. Hahn, IStR 2002, 681, 684 ff.; ders., IStR 2003, 734 ff.).

Die zur Rechtfertigung der "Symmetriethese" vorgebrachten Argumente vermochte das Gericht nicht zu überzeugen. Insbesondere fehlt dem teilweise angeführten Gedanken die nötige Überzeugungskraft, wonach die Ausnahme der ausländischen Verluste von der inländischen Besteuerung lediglich die "kohärente" Folge der Begrenzung der Besteuerung auf das Territorium der Bundesrepublik sei. Dabei lässt es der Senat dahingestellt, inwieweit die Gewährleistung der steuerlichen Kohärenz überhaupt durch ein DBA erreicht werden kann (zweifelnd BFH vom 13.11.2002 - I R 13/02 (Ritter), IStR 2003, 314, 315, unter Bezugnahme auf die Entscheidung des EuGH vom 11.08.1995 - Rs. C-80/94 (Wielockx), EuGHE 1995, I-2508, Rz. 24 f.; dagegen Cordewener, Grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung im Europäischen Recht, DStJG Bd. 28 (2005 erscheint demnächst), V. 1; wohl auch EuGH vom 15.07.2004 - Rs. C-242/03 (Weidert et Paulus), noch nicht in EuGHE, Rz. 26). Auch bedarf es keiner Vertiefung der bereits weiter oben verneinten Frage, inwieweit der vom EuGH in der Rechtssache "Futura" anerkannte Grundsatz der Territorialität überhaupt auf die vorliegende Konstellation übertragen werden kann (vgl. dazu auch Generalanwalt Poiares Maduro, Schlussanträge vom 7.4.2005 - Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), noch nicht in EuGHE, Rz. 58 ff.). Denn der EuGH hat in der Rechtssache "Wielockx" darauf hingewiesen, dass die Inanspruchnahme des Rechtfertigungsgrundes der Kohärenz nur dann zu gelingen vermag, wenn die betreffenden, in "kohärentem" Zusammenhang stehenden Regeln in einem geschlossenen System zur Anwendung gelangen (EuGH vom 11.08.1995 - Rs. C-80/94 (Wielockx), EuGHE 1995, I-2508, Rz. 23 f.). Von einer geschlossenen Besteuerung nach dem Territorialitätsprinzip kann im deutschen Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht indes keine Rede sein. Dieses Konzept ist vielmehr mannigfachen Durchbrechungen ausgesetzt, indem es nur für bestimmte Einkünfte aus bestimmten Staaten greift (im Ergebnis ebenso Cordewener, Grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung im Europäischen Recht, DStJG Bd. 28 (2005 erscheint demnächst), V. 1; Schönfeld in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstättengewinnermittlung, 2005 (erscheint demnächst), Rz. 1108; Schön, IStR 2004, 289, 294; ders., StbJb 2003/2004, 27, 40 ff.; Probst in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht (Stand: Oktober 2004), § 2a EStG, Rz. 204.4).

Im Hinblick auf diese Systembrüchigkeit wird im Schrifttum schließlich zutreffend darauf hingewiesen, dass ein Einkommensteuerrecht, welches dem Gedanken der Besteuerung nach der subjektiven Leistungsfähigkeit folgt, was in der Gewährung persönlicher Abzugsposten oder in der Wahl eines progressiven Tarifes zum Ausdruck kommt, nicht "an den Außengrenzen eines Mitgliedstaates an[halten kann], wenn es um die Feststellung des finanziellen Leistungsvermögens einer Person geht" (so treffend Schön, IStR 2004, 289, 294). In seinen Schlussanträgen zur Rechtssache "Ritter" hat Generalanwalt Léger - zumindest im Rahmen eines Hilfsgutachtens - genau auf diese Konsequenz überzeugend hingewiesen (vgl. Generalanwalt Léger, Schlussanträge vom 1.3.2005 - Rs. C-152/03 (Ritter), IStR 2005, 237 ff.)

Als Rechtfertigung kann auch nicht das als Begründung für die Ausnahme ausländischer Verluste im DBA-Freistellungsfall vorgebrachte Argument angeführt werden, es solle lediglich eine doppelte Verlustausnutzung durch den unbeschränkt Steuerpflichtigen vermieden werden (zu diesem Einwand vgl. Cordewener, Grenzüberschreitende Verlustberücksichtigung im Europäischen Recht, DStJG Bd. 28 (2005 erscheint demnächst), V. 1; Schönfeld in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstättengewinnermittlung, 2005 (erscheint demnächst), Rz. 1108; Kessler, Ausländische Betriebsstättenverluste, in: Lehner (Hrsg.), Verluste im nationalen und Internationalen Steuerrecht, 2004, S. 83, 89 ff.; ders./Schmitt/Janson, IStR 2001, 729, 731 f.). Dabei muss der Senat nicht die Frage vertiefen, inwieweit dieses Argument überhaupt eine gemeinschaftsrechtliche Stütze findet, wofür zumindest im Rahmen des § 2a Abs. 3 EStG a.F. einiges spricht. Denn vorliegend ist zwischen den Parteien - wie bereits dargelegt - unstreitig, dass die Gefahr einer doppelten Verlustnutzung wegen § 102 Abs. 2 öEStG nicht besteht (zur Problematik dieser Vorschrift vgl. Hruschka/Bendlinger, SWI 2003, 271, 275; Thömmes, Vereinbarkeit der Organschaftsregeln mit EG-Recht in: Herzig (Hrsg.), Organschaft, 2003, S. 525, 540; Damböck, SWI 1998, 314, 321; Tumpel Harmonisierung der direkten Unternehmensbesteuerung in der EU, 1994, S. 380 ff.).

Der Beklagte kann auch nicht damit gehört werden, es sei ihm aufgrund seiner räumlich begrenzten Verwaltungshoheit unmöglich, eine etwaige (doppelte) Verlustausnutzung im Ausland zu überprüfen. Dabei kann es dahinstehen, dass es der ständigen Rechtsprechung des EuGH entspricht, die von der EG-Amtshilferichtlinie eröffneten Ermittlungsmöglichkeiten als ausreichend anzusehen (EuGH vom 14.02.1995 - Rs. C-279/93 (Schumacker), EuGHE 1995, I-249, Rz. 43 ff.; EuGH vom 28.01.1992 - Rs. C-204/90 (Bachmann), EuGHE 1992, I-276, Rz. 18 ff.; EuGH vom 28.01.1992 - Rs. C-300/90 (Kommission vs. Belgien), EuGHE 1995, I-314, Rz. 11 ff.). Denn wenn wie im vorliegenden Fall die Gefahr einer doppelten Verlustausnutzung nicht besteht, bedarf es auch keiner Überprüfung dieser unstreitigen Tatsache.

Das erkennende Gericht sieht sich schließlich auch nicht veranlasst, die dargestellte Verletzung von Art. 31 Abs. 1 EWR-Abkommen im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens durch den EuGH abschließend klären zu lassen. Zwar ist das EWR-Abkommen als Assoziierungsabkommen gemäß Art. 310 EG integraler Bestandteil des Gemeinschaftsrechtes, weshalb eine Vorlage an den EuGH gemäß § 234 EG grundsätzlich möglich wäre (vgl. EuGH vom 23.9.2003 - Rs. C-452/01 (Ospel und Schössle Weissenberg), EuGHE 2003, I-9785, 9799, Rz. 26, m.w.N.). Der Senat hat jedoch keine Zweifel an der aufgezeigten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit; denn die - mit den EWR-Freiheiten im wesentlichen identischen - Grundfreiheiten des EG-Vertrages haben bereits eine solche umfassende Gestalt in der (ertragsteuerlichen) Rechtsprechung des EuGH erlangt, dass eine Vorabentscheidung einen nur geringen Erkenntnisgewinn zu erwarten ließe, der in keinem angemessenen Verhältnis zu der weiteren Verlängerung der Verfahrensdauer stünde. Zum anderen weist der erkennende Senat darauf hin, dass für das FG Berlin als Instanzgericht keine Vorlagepflicht besteht, arg. ex Art. 234 Abs. 2 EG. Das Gericht vermochte auch nicht der Anregung des Beklagten zu folgen, das Verfahren zumindest bis zu einer abschließenden Entscheidung in den Rechtssachen "Ritter" und "Marks & Spencer" ruhen zu lassen. Denn der Senat sieht sich bereits durch die jüngsten Schlussanträge in diesen Rechtssachen in seiner Auffassung bestätigt, dass die Niederlassungsfreiheit im vorbezeichneten Sinne auszulegen ist (vgl. Generalanwalt Léger, Schlussanträge vom 1.3.2005 - Rs. C-152/03 (Ritter), IStR 2005, 237 ff.; Generalanwalt Poiares Maduro, Schlussanträge vom 7.4.2005 - Rs. C-446/03 (Marks & Spencer), noch nicht in EuGHE). Im übrigen führt die Entscheidung des Gerichtes nicht dazu, dass die Regelung des § 2a Abs. 3 Satz 3 EStG a.F. wegen des Vorranges des Gemeinschaftsrechtes nicht angewendet wird. Vorliegend lässt sich die gemeinschaftsrechtliche Verwerfung vielmehr im Rahmen einer gemeinschaftskonformen Auslegung von § 2a Abs. 3 Satz 4 EStG a.F. überwinden. Der Begriff "allgemein" ist daher nicht so zu interpretieren, dass nach einer abstrakten Verlustberücksichtigungsmöglichkeit im Betriebsstättenstaat zu fragen ist, sondern entscheidend für die Frage einer nachträglichen Hinzurechnung ist allein die konkrete Möglichkeit der Verlustberücksichtigung im Betriebsstättenstaat.

Der Senat hat dem Antrag des Beklagten entsprechend die Revision zugelassen, weil er davon ausgeht, dass die Voraussetzungen des § 115 Abs. 1 FGO im Streitfall gegeben sind. Zwar stellt § 2a Abs. 3 EStG wegen der Aufhebung dieser Vorschrift auslaufendes Recht dar. Die Frage der gemeinschaftskonformen Auslegung einer Regelung im Verhältnis zu einem EWR-Staat ist jedoch von allgemeiner Bedeutung für die Steuerrechtsordnung. Im übrigen beruht die Argumentation des Gerichtes auf einem allgemeinen Rechtsgedanken, der wegen der gemeinschaftsrechtlichen Brisanz von § 2a Abs. 1 Nr. 2 EStG auch auf geltendes Recht ausstrahlt.

Die Beiziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war wegen der schwierigen Rechtslage notwendig, § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 155 FGO i.V.m. § 709 ZPO.

Ende der Entscheidung

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