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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Berlin
Urteil verkündet am 19.09.2005
Aktenzeichen: 9 K 9444/02
Rechtsgebiete: EStG, AO


Vorschriften:

EStG § 10d Abs. 1 S. 2
EStG § 10d Abs. 1 S. 3
EStG § 10d Abs. 1 S. 4
AO § 168 Abs. 2 Nr. 2
AO § 170 Abs. 2 Nr. 1
AO § 171 Abs. 3
AO § 356 Abs. 2
AO § 347 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob und in welcher Höhe der Kläger ggf. einen Anspruch auf Erlass eines wegen Verlustrücktrags i. S. von § 10 d Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG - geänderten, auf 0,- DM lautenden Einkommensteuerbescheids für 1995 sowie auf Erlass eines Feststellungsbescheids betr. den verbleibenden Verlustabzug zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 1997 hat.

Der Kläger und seine inzwischen von ihm getrennt lebende Ehefrau wurden bis einschließlich 1997 vom Beklagten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Er war in den Streitjahren Eigentümer verschiedener vermieteter Immobilien und erzielte außerdem Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit xxx. Seine Ehefrau erzielte keine einkommensteuerpflichtigen Einkünfte. Für das Jahr 1996 wurde die Einkommensteuer vom Beklagten mit inzwischen bestandskräftigem Bescheid vom 18. April 2000 auf 0,- DM festgesetzt, weil der Gesamtbetrag der Einkünfte ./. 233.211,00 DM betrug.

Der Kläger erwarb im Mai 1997 ganz in der Nähe der von ihm selbst bewohnten Wohnung in einem im Jahr 1900 errichteten Wohngebäude eine 3-Zimmer- Eigentumswohnung (xxx) mit 79 m Wohnfläche im Gebäude xxx zu einem Gesamtaufwand (einschließlich Renovierung) in Höhe von rund 434.000 DM. Am 15./16. Dezember 1997 schloss er mit seiner Ehefrau einen Mietvertrag ab, wonach diese die Wohnung ab 1. Januar 1998 auf unbestimmte Zeit für eine Warmmiete in Höhe von 1.400 DM pro Monat anmietete. Die Anmeldung ihrer neuen Adresse beim Einwohnermeldeamt erfolgte erst zum 1. September 1998. Die Ehefrau wohnt auch heute noch in dieser Wohnung.

§ 4 des Mietvertrags sieht vor, dass die Miete mit dem monatlichen Unterhalt verrechnet wird. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1997 machte er deshalb negative Einkünfte aus der Vermietung dieser Eigentumswohnung in Höhe von 135 726,07 DM geltend, die sich wie folgt zusammensetzen:

 Schuldzinsen5.333,07 DM
AfA (2,5 v. H. v. 210.000 DM AK)5.274,75 DM
Sonder-AfA FördGG betr. anschaffungsnahen Aufwand in Höhe von 80.358,65 DM, davon 40 v.H. =32 .143,46 DM
Disagio33. 846,28 DM
Erhaltungsaufwendungen37 .007,89 DM
Sonstiges gemäß Anlage22. 120,62 DM

Zeitgleich mit der Einreichung der nur vom Kläger unterschriebenen Einkommensteuererklärung 1997, an deren Entstehung kein Angehöriger der steuerberatenden Berufe mitgewirkt hatte, reichte dieser am 7. April 1998 ein ebenfalls nur von ihm unterschriebenes Begleitschreiben mit der Datumsangabe "5.4. 1997 " beim Beklagten ein, in dem es u. a. heißt:

" ... Bei einem zu versteuernden Einkommen in Höhe von 184.099,59 DM ergeben sich gem. sep. Aufstellung allein Verluste aus Vermietung in Höhe von 308 914 DM. Diesen Verlust bitte ich wie folgt zu verteilen: zunächst auf das Jahr 1997, danach Rücktrag auf das Jahr 1995. Bitte beachten Sie bei der Ermittlung der Einkommensteuer für das Jahr 1995 mein Schreiben vom 15.3.1998. Sofern ein weiterer Rücktrag in das Jahr 1994 nicht mehr möglich ist, möchte ich von der Möglichkeit Gebrauch machen, Sonderabschreibungen nach § 4 Fördergebietsgesetz sowie Erhaltungsaufwendungen für die Objekte sowie xxxx in xxxxxxxxx auf mehrere Jahre zu verteilen. Daher wäre es sehr nett, wenn Sie mir diesen überhängenden Betrag errechnen und mitteilen würden . ..."

Der Beklagte erließ daraufhin am 11. Februar 1999 einen ersten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1997, mit dem die Einkommensteuer auf 0,- DM festgesetzt wurde. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Der Gesamtbetrag der Einkünfte betrug dabei ./. 4.310 DM. Negative Einkünfte aus der Vermietung der Eigentumswohnung an die Ehefrau wurden dabei in Höhe von 113.550 DM berücksichtigt. In einer Anlage zum Bescheid heißt es zur Eigentumswohnung Nr. x: "... Reichen Sie bitte folgende Unterlagen nach: Aufstellung über Erhaltungskosten und anschaffungsnahe Aufwendungen. Anhand der eingereichten Belege sind die Zahlen nicht nachvollziehbar. Die Belege füge ich bei. Ich bitte dabei zu berücksichtigen, dass die Kosten für die Küchenmöbel im Falle einer Vermietung über eine gewöhnliche Nutzungsdauer von 10 Jahren zu verteilen sind. Finanzierungsunterlagen - hier: Disagio 2 346,28 DM (?). Mietvertrag: Teilen Sie bitte mit, ob Ihre Frau die Wohnung bewohnt und reichen Sie bitte einen zwischenzeitlich geschlossenen Mietvertrag ein."

Mit weiterem Bescheid vom 19. Februar 1999 wurde ein nach § 10 d Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG - geänderter Einkommensteuerbescheid für 1995 erlassen, in dem ein Verlustrücktrag aus 1997 in Höhe von 4.310,00 DM Berücksichtigung fand.

Am 18. April 2000 erließ der Beklagte einen auf § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützten geänderten Einkommensteuerbescheid für 1997, mit dem die Einkommensteuer zwar wiederum auf 0 DM festgesetzt wurde, aber der Gesamtbetrag der Einkünfte wegen einer Kürzung der negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung um 17.743 DM nunmehr positiv war (13.433 DM). In einer Anlage zu diesem Änderungsbescheid heißt es u. a.:"Grundstück xxx: Der geltend gemachte Verlust wurde nicht berücksichtigt, da Sie der Aufforderung, bestimmte Unterlagen einzureichen, nicht nachgekommen sind.

Verluste aus einzelnen Einkunftsarten werden nicht zurückgetragen. Gemäß § 10 d EStG besteht die Möglichkeit, bei einem negativen Gesamtbetrag der Einkünfte diesen auf Vorjahre zurückzutragen. Bei dem Einkommensteuerbescheid für 1997 vom 11.02.1999 entstand ein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte i.H.v. 4.310 DM. Dieser wurde auf das Jahr 1995 zurückgetragen. Der nach § 10 d EStG geänderte Einkommensteuerbescheid für 1995 ist bereits am 19. 02. 1999 ergangen. Eine weitere Möglichkeit des Verlustabzugs besteht nicht."

Am 2. Mai 2000 erließ der Beklagte daraufhin einen auf § 10 d Abs. 1 Satz 2 EStG gestützten, geänderten Einkommensteuerbescheid für 1995, mit dem der frühere Verlustrücktrag aus dem Streitjahr 1997 rückgängig gemacht wurde.

Am 15. Juni 2000 ging beim Beklagten ein nur vom Kläger unterschriebenes Schreiben ein, mit dem gegen die im Jahr 2000 geänderten Einkommensteuerfestsetzungen Einsprüche eingelegt wurden. Mit inzwischen bestandskräftiger Einspruchsentscheidung vom 8. März 2002 wurde der Einspruch gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid für 1995 als unzulässig, weil verfristet, zurückgewiesen.

Nach Durchführung einer sog. "betriebsnahen Veranlagung" für die Jahre 1997 und 1998 am 30. März 2001

"Der Stpfl. erklärte im Verlaufe der Prüfung, seine getrennt von ihm lebende Ehefrau sei nicht erwerbstätig, sie würde vielmehr "von seinen Kreditkarten, die er ihr zur Verfügung gestellt hätte, leben".Damit ist steuerlich nicht von einem ernsthaften Mietverhältnis auszugehen. Die Überlassung der Wohnung durch den Ehemann an seine von ihm getrennt lebende Ehefrau stellt lediglich einen Teilaspekt der materiellen Versorgung der Ehefrau dar." [= Auszug aus dem Bericht - -Bl 51 ESt - A II I].

erließ der Beklagte am 11. Oktober 2001 einen weiteren, auf § 164 Abs. 2 AO 1977 gestützten Änderungsbescheid betr. Einkommensteuer 1997, in dessen Rahmen die negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nochmals geringfügig um 1.056,00 DM gekürzt wurden, so dass sich bei einer Einkommensteuer von 0,00 DM ein Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von nunmehr 14.489,00 DM ergab. Die nach einem erfolglosen Einspruchverfahren (vgl. Einspruchsentscheidung vom 11.3.2002) hiergegen gerichtete Anfechtungsklage des Klägers (Az. des FG Berlin: 9 K 9143/02) wurde von diesem, vertreten durch seine jetzigen Prozessbevollmächtigten, mit Schriftsatz vom 29. Mai 2002 zurückgenommen.

Am 21. November 2001 ging beim Beklagten folgendes Schreiben des Klägers vom 19. November 2001 ein: " Sehr geehrte Damen und Herren, Ihre Mahnung vom 6.11.2001 bezüglich der Nachzahlung von Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer für die Jahre 1994 und 1995 habe ich erhalten. Die gleiche Mahnung wurde mir bereits am 27.7.2000 zugestellt. Ich hatte seinerzeit (Bl. 32 ESt - A III) darum gebeten, die angemahnte Steuernachzahlung mit dem Steuerguthaben aus 1995, welches sich aus dem Verlustrücktrag gem. Steuererklärung/Bescheid für das Jahr 1997 ergibt, zu verrechnen. Da mein damaliges Schreiben von Ihnen unbeantwortet blieb, bin ich davon ausgegangen, dass Sie entsprechend meinem Wunsche verfahren. Ich bitte Sie, diese Angelegenheit zu überprüfen."

Daraufhin antwortete der Beklagte mit Schreiben vom 10. Dezember 2001 wie folgt: " ... bezugnehmend auf Ihr o.g. Schreiben teile ich Ihnen erneut mit, dass ein rücktragsfähiger Verlust aus der Einkommensteuer 1997 - auch nach dem Änderungsbescheid auf Grund der Außenprüfung - nicht besteht. Ich bitte daher für einen umgehenden Kontenausgleich Sorge zu tragen. Weiterhin bitte ich, die Anlage zum geänderten Einkommensteuerbescheid 1997 zu beantworten, ansonsten werde ich über die Einsprüche nach Aktenlage entscheiden."

Am 24. März 2002 schrieb der Kläger Folgendes an den Beklagten:" ... Ihre Entscheidungen zu den Einsprüchen der Steuerbescheide 1994 bis 1999 habe ich erhalten. Leider haben Sie sämtliche Einsprüche abschlägig beschieden. Insbesondere Ihre Entscheidung zu dem Steuerbescheid 1997 möchte ich so nicht akzeptieren . Da sich aus dem Grundstück ein erheblicher steuerlicher Verlust ergibt, der die sich aus den geänderten Steuerbescheiden 1994 und 1995 ergebende Steuerschuld zweifellos durch Verlustrücktrag in das Jahr 1995 kompensieren wird, wiederhole ich meine Bitte, die Vollstreckung bis zu endgültigen Klärung weiterhin auszusetzen."

Mit Schriftsatz seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 18. Juni 2002 legte der Kläger gegen das letztgenannte Schreiben des Beklagten vom 10. Dezember 2001 "Einspruch" ein und führte hierzu aus, dass er das Schreiben als Ablehnung seines konkludent gestellten Antrags auf Erlass eines Feststellungsbescheids betr. den verbleibenden Verlustabzug zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 1997 ansehe. Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 7. November 2002 als unbegründet zurück. In Fällen des Verlustrücktrags - und nur so sei der Antrag des Klägers zu verstehen - werde über den Ansatz und die Höhe des Verlustes im Veranlagungsverfahren betr. das Verlustabzugsjahr bindend entschieden und dies (betr. das Jahr 1995) sei inzwischen bestandkräftig beendet. Insoweit gelte die Rechtslage weiter, die bereits vor der Einführung des gesonderten Verlustfeststellungsverfahrens ab dem 1.1.1990 gegolten habe (Hinweis auf Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. Juni 1996 VIII R 41/95, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1997,179 m.w.N).

Mit seiner Klage macht der Kläger geltend, dass er einen verfahrensrechtlichen Anspruch auf Vornahme der begehrten gesonderten Verlustfeststellung habe. Der Beklagte habe in diesem Zusammenhang seine Pflichten nach § 89 AO 1977 verletzt, indem er ihn, den Kläger, nicht auf die Notwendigkeit der Beantragung eines Bescheids i. S. von § 10 d Abs. 4 EStG hingewiesen habe. Nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung seien Antragsschreiben von Steuerpflichtigen unabhängig von ihrer Bezeichnung dahingehend zu verstehen, dass der Antrag gestellt sein solle, der verfahrensrechtlich zum Erfolg führen könne (Hinweis auf BFH-Urteil vom 9. November 1990 III R 103/88, BStBl II 1991,168 sowie von Groll, in: Gräber, FGO, 5. Aufl., § 40 Rz. 7). Bestehende Unklarheiten seien durch Rückfrage beim Steuerpflichtigen zu beseitigen (Hinweis auf Urteil des FG Berlin vom 27. Mai 1980 V 460/79, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1981,113). Vorliegend seien seitens des Beklagten jedoch keine Rückfragen erfolgt. Da er, der Kläger, wiederholt schriftlich die steuerliche Berücksichtigung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung beantragt habe (mit Schreiben vom 5. April 1997, vom 3. Juli 2000 und vom 19. November 2001), seien diese Schreiben als Anträge auf gesonderte Verlustfeststellung zu werten, auch wenn sie so nicht ausdrücklich formuliert worden seien. Im Übrigen habe der BFH mit Urteil vom 12. Juni 2002 XI R 26/01, BStBl II 2002,681 entschieden, dass dem Erlass eines Verlustfeststellungsbescheides gemäß § 10 d EStG solange keine Feststellungsverjährung entgegenstehe als diese Feststellung für künftige Einkommensteuerfestsetzungen oder Verlustfeststellungen gemäß § 10 d EStG von Bedeutung seien.

Nach ständiger BFH-Rechtsprechung sei es für die Anerkennung von Mietverhältnissen zwischen Angehörigen unschädlich, wenn die Miete aus dem vom vermietenden Angehörigen geschuldeten Barunterhalt beglichen werde. Halte der Mietvertrag einem Fremdvergleich stand, sei gegen eine Kombination von Unterhaltsvereinbarung und Mietvertrag nichts einzuwenden (Hinweis auf Kirchhof/Söhn, EStG, Anm. B 192 zu § 21 EStG). Am 15. Dezember 1997 hätten die Eheleute folgende Regelung getroffen:

"Vereinbarung

zwischen den getrennt lebenden Eheleuten xxx und xxx über die Zahlung von Unterhalt:

DM 1 600,- Miete + Nebenkosten für die ETW

DM 450,- Kranken- u. Pflegeversicherung

DM 150.- Lebensversicherung xxxxxxx

DM 1 200,- Bar-Unterhalt

Die Vereinbarung wird jährlich überprüft und ggf. angepasst."

Mit dem Begriff "Nebenkosten" seien dabei die Kosten für den Wohnungsstrom sowie das in der Wohnung vorhandene Telefon gemeint gewesen. Im Januar/Februar 1998 habe die Ehefrau die streitgegenständliche Wohnung bezogen.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 10. Dezember 2001 die Einkommensteuer 1995 unter Berücksichtigung eines Verlustrücktrages aus 1997 in Höhe von 114:060,01 DM festzusetzen und unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 10. Dezember 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. November 2002 eine gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustes zur Einkommensteuer auf den 31.12.1997 unter Berücksichtigung des verbleibenden Restbetrags aufgrund des Verlustrücktrages nach 1995 durchzuführen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen, hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Er verweist im Wesentlichen auf seine Ausführungen in der angefochtenen Einspruchsentscheidung. Darüber hinaus trägt er vor, der Kläger habe mit seinem am 07.04.1998 eingegangenen Begleitschreiben zur Einkommensteuererklärung 1997 das Wahlrecht nach § 10 d Abs. 1 Satz 4 EStG dahingehend ausgeübt, den Verlust aus Vermietung und Verpachtung aus dem Jahr 1997 hinsichtlich der Sonder-AfA bis zur Höhe eines möglichen Rücktrags auf das Jahr 1995 zu begrenzen. Es habe seitens der Behörde keine Veranlassung bestanden, diese klare Wahlrechtsausübung zu hinterfragen. Zeitliche Grenze für eine Änderung der Wahlrechtsausübung sei die Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids für 1995 gewesen. Der Kläger könne die Versäumung einer rechtzeitigen Einspruchseinlegung gegen den letzten Einkommensteuerbescheid für 1995 nicht durch einen nunmehrigen Antrag auf Durchführung einer gesonderten Verlustfeststellung zum 31. Dezember 1997 kompensieren.

Der erkennende Senat hat zur der Frage des Vorliegens eines wirksam begründeten und tatsächlich durchgeführten Mietverhältnisses in der mündlichen Verhandlung Beweis erhoben durch Vernehmung von Frau xxx als Zeugin. Wegen des Inhalts der Zeugenaussage wird auf das Sitzungsprotokoll vom 19. September 2005 verwiesen.

Inzwischen (nach Durchführung der Beweisaufnahme) sehen es beide Prozessbeteiligte als unstreitig an, dass negative Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung im Streitjahr 1997 in Höhe von 114 060,01 DM betreffend die Eigentumswohnung Nr. x im Gebäude xxx steuerrechtlich angefallen sind.

Dem erkennenden Senat haben bei seiner Entscheidung 2 Bände Einkommensteuerakten betr. die Eheleute xxx (StNr.: xxx) vorgelegen, auf deren Inhalt wegen der Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Beteiligtenvorbringens Bezug genommen wird.

Gründe

A. Die vom Kläger erhobenen Klagen sind als Verpflichtungsklagen i. S. von § 40 Abs. 1, 2. Alt. der Finanzgerichtsordnung - FGO - (betr. Erlass eines geänderten Einkommensteuerbescheids für 1995 in der Form einer Untätigkeitsklage i.S. von § 46 FGO) zulässig. Die vom erkennenden Senat als Zeugin vernommene, getrennt lebende Ehefrau des Klägers musste allein wegen des Umstands der Zusammenveranlagung der beiden Ehegatten in den Streitjahren zum Rechtsstreit nicht notwendig beigeladen werden (vgl. § 60 Abs. 3 FGO, ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. nur Beschluss vom 11. Januar 1994 VII B 100/93, BStBl II 1994, 405, Brandis, in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 60 FGO Rz. 57, jeweils m.w.N.).

B. Die in der mündlichen Verhandlung betragsmäßig reduzierten Klagen sind auch begründet. Die Ablehnungen des Erlasses eines geänderten Einkommensteuerbescheids 1995 einerseits sowie des Erlasses eines Bescheids zum 31. Dezember 1997 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer andererseits sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO ).

Der Kläger hat einen Anspruch auf Erlass eines geänderten Einkommensteuerbescheids für 1995, in dem die Einkommensteuer der zusammenveranlagten Eheleute xxxx unter anteiliger Berücksichtigung der zwischen den Prozessbeteiligten inzwischen unstreitig mit 114.060,01 DM zu beziffernden negativen Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung der Eigentumswohnung xxx in xxx des Streitjahres 1997 auf 0,- DM festgesetzt wird.

A. Gemäß § 10 d Sätze 2 und 3 EStG 1997 läuft die Festsetzungsfrist für die Verlustanrechnungsjahre nicht ab, solange die Festsetzungsfrist für das Verlustentstehungsjahr (hier: 1997) noch nicht abgelaufen ist. Nach der Überzeugung des erkennenden Senats hat der Kläger mit einem von ihm selbst verfassten Schreiben vom 19. November 2001 an den Beklagten konkludent einen Antrag auf Verlustabzug der von ihm geltend gemachten, aber vom Beklagten zum damaligen Zeitpunkt bestrittenen negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung des Jahres 1997 bei seiner Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 1995 geltend gemacht. Denn in jenem Schreiben rügte er gegenüber dem Beklagten ausdrücklich den bislang unterbliebenen Verlustrücktrag aus dem Jahr 1997 in das Jahr 1995. Zum Zeitpunkt des Eingangs dieses Schreibens beim Beklagten (21. November 2001) war die vierjährige Festsetzungsfrist i. S. von §§ 169 Abs. 2 Nr. 2, 170 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 für das Verlustentstehungsjahr 1997 noch nicht abgelaufen. Sie konnte in der Folgezeit auch nicht mehr ohne weiteres ablaufen, denn gemäß § 171 Abs. 3 AO 1977 läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über einen Antrag des Steuerpflichtigen unanfechtbar entschieden worden ist. Nachdem der Beklagte den o.g. Antrag mit Schreiben vom 10. Dezember 2001 (ohne Rechtsmittelbelehrung) abgelehnt hat, hat der Kläger hiergegen innerhalb der Jahresfrist des § 356 Abs. 2 AO 1977, nämlich mit Schreiben vom 24. März 2002 Einspruch eingelegt, über den der Beklagte bislang noch nicht entschieden hat. Der Ablauf der Festsetzungsfrist für das Verlustentstehungsjahr 1997 ist daher weiterhin gehemmt.

B. Durch den Rücktrag der zwischen den Prozessbeteiligten mittlerweile dem Grunde und der Höhe nach unstreitigen negativen Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung im Streitjahr 1997 in den Veranlagungszeitraum 1995 wird von dem Ausgangsbetrag in Höhe von 114 060,01 DM ein Teilbetrag in Höhe von 52 371,00 DM verbraucht, um die vom Kläger beantragte Festsetzung einer Einkommensteuer in Höhe von 0.- DM ertragsteuerrechtlich optimal - wie es das Wahlrecht nach § 10 d Abs. 1 Satz 4 EStG 1997 gestattet - zu bewirken:

 Gesamtbetrag der Einkünfte laut Einkommensteuerbescheid 1995 vom 2. Mai 2000:87 .534,00 DM
./. gezahlte Kirchensteuer1. 546,00 DM
./. steuerlich berücksichtigungsfähige Versicherungsbeiträge7 .830,00 DM
./. außergewöhnliche Belastung2. 219,00 DM
./. 2 Kinderfreibeträge i. S. von § 53 Satz 1 EStG 2000 a 6 168 DM =12.336,00 DM
./. Grundfreibetrag im Fall der Zusammenveranlagung (§ 32 a EStG 1995)11.232,00 DM
Restbetrag:52.371,00 DM

Der Kläger hat zudem einen Anspruch auf Erlass des vom ihm begehrten Bescheids zum 31. Dezember 1997 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer (vgl. § 10 d Abs. 3 Satz 1 EStG 1997).

A. Nach der Überzeugung des erkennenden Senats hat der Kläger, vertreten durch seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten, spätestens mit seinem als "Einspruchsschreiben" bezeichneten Schriftsatz an den Beklagten vom 18. Juni 2002 den für die Durchführung eines gesonderten Verlustfeststellungsverfahrens i. S. von § 10 d Abs. 3 EStG 1997 erforderlichen verfahrenseröffnenden Antrag gestellt, denn in jenem Schriftsatz wendet er sich ausdrücklich gegen die schriftlich am 10. Dezember 1991 ausgesprochene Weigerungserklärung des Beklagten, ein solches Verwaltungsverfahren durchzuführen (wegen des - aus Sicht des Beklagten - Fehlens eines feststellungsfähigen vortragsfähigen Verlustes zu diesem Stichtag). Man kann auch nicht sagen, dass der Kläger bereits zu einem früheren Zeitpunkt, nämlich im Rahmen des von ihm selbst verfassten Begleitschreibens zur Einkommensteuererklärung 1997 vom April 1998 (fehlerhafte Datumsangabe auf dem Schreiben durch den Kläger selbst: "5.4.1997") rechtsverbindlich auf die Geltendmachung eines solchen Verlustvortrages "verzichtet" hätte, denn aus jenem Schreiben spricht nur - wie im Übrigen auch aus allen weiteren Schreiben des Klägers an den Beklagten - das Bestreben des Klägers, möglichst alle sich ihm nach den Steuergesetzen bietende Erleichterungen bei der Einkommensbesteuerung in Anspruch zu nehmen.

B. Dieser Antrag des Klägers i. S. von § 10 d Abs. 3 Satz 1 EStG 1997 ist auch fristgerecht beim Beklagten eingegangen, denn er wurde innerhalb der vom BFH in mittlerweile ständiger Rechtsprechung postulierten Jahresfrist nach der Bekanntgabe eines auf 0,- DM Einkommensteuer lautenden, aber dennoch einen positiven Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 2 Abs. 4 EStG 1997) beinhaltenden Einkommensteuerbescheids für 1997 gestellt (vgl. dazu Urteile vom 9. Dezember 1998 XI R 62/97, BStBl II 2000,3 und vom 9. Mai 2001 XI R 25/99, BStBl II 2002,817; Heinicke, in: Schmidt, EStG, 24. Aufl., § 10 d Rz. 56 m.w.N.). Ein solcher Bescheid als Anknüpfungspunkt für die Berechnung der Jahresfrist war zuletzt am 11. Oktober 2001 ergangen.

Dass bereits zuvor am 11. Februar 1999 und am 18. April 2000 ebenfalls auf 0,- DM lautende Einkommensteuerbescheide für das Streitjahr 1997 ergangen sind (wobei der letztgenannte Bescheid ebenso wie der Bescheid vom 11. Oktober 2001 einen positiven Gesamtbetrag der Einkünfte ausweist), ist nach der Auffassung des erkennenden Senats für die Berechnung der o.g. Jahresfrist unerheblich. Die o.g. BFH-Urteile enthalten nicht die Einschränkung, dass der Antrag nach § 10 d Abs. 3 Satz 1 EStG nur innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe eines erstmaligen, auf 0,- DM lautenden Einkommensteuerbescheids gestellt werden könne. Letzteres wäre wohl auch nicht sachgerecht, da der BFH in den o.g. Urteilen eine Konkordanz der Fristen für die Anbringung eines Antrags auf Durchführung eines Verfahrens i. S. von § 10 d Abs. 3 Satz 1 EStG und den Fristen für die Einlegung eines Einspruchs i. S. von § 347 Abs. 1 AO 1977 postuliert ( vor allem hinsichtlich einer etwaigen Verlängerung dieser Frist i. S. von § 356 Abs. 2 AO 1977) und der deshalb im vorliegenden Zusammenhang am ehesten einschlägige § 351 Abs. 1 AO 1977 ebenfalls keinen Ausschluss der Zulässigkeit des Verlustfeststellungsbegehrens des Klägers zu begründen vermag: Diese Vorschrift ist bei Bescheidänderungen, die - wie im Streitfall gegeben - auf § 164 Abs. 1 AO 1977 gestützt werden, nicht anwendbar (vgl. dazu nur BFH-Urteil vom 11. März 1999 V B 24/99, BStBl II 1999,335; Brockmeyer, in: Klein, AO, 8. Aufl., § 351 Rz. 5 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen).

C. Der in dem vom Beklagten zu erlassenden Bescheid auf den 31. Dezember 1997 festzustellende Verlust berechnet sich wie folgt:

 Zusätzliche, bislang nicht berücksichtigte Einkünfte des Kl. aus VuV:./. 114.060,01 DM
./. Verlustrücktrag nach 199552. 371,00 DM
./. Verlustrücktrag nach 1996 ( bisher bereits neg. Gesamtbetrag d. Einkünfte)0,00 DM
./. positiver Gesamtbetrag der Einkünfte 1997 lt. Bescheid v. 11.10.2001:14.489,00 DM
Verbleibender Verlust zum 31. Dezember 1997:47 .200,01 DM

Der ursprünglich aus dem bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid für 1996 vom 18. April 2000 ableitbare, aus dem Jahr 1996 stammende, unstreitige Verlustbetrag i. S. von § 10 d Abs. 1 Satz 1 EStG 1996 in Höhe von 233 238,00 DM ist bereits vollständig durch Verlustrücktrag in das Jahr 1994 (vgl. den nach § 10 d Abs. 1 Satz 2 EStG 1996 geänderten Einkommensteuerbescheid für 1994 vom 15. Mai 2000) aufgebraucht worden und daher vom Beklagten im Rahmen des nunmehr zu erlassenen gesonderten Verlustfeststellungsbescheids auf den 31. Dezember 1997 unstreitig nicht mehr zu berücksichtigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 und § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 18, 711 der Zivilprozessordnung - ZPO - analog (vgl. wegen der Neufassung von § 708 Nr. 10 ZPOFG München, Urteil vom 20. Januar 2005 3 K 4519/01, EFG 2005, 969). Das Gericht hat den Streitwert ausgehend von den Sachanträgen der Beteiligten bestimmt (§§ 13 und 25 des Gerichtskostengesetzes - GKG - a.F.):

 Streitwert bis 18. 09.2005:135.726,07 DM x 0,25 =17. 348,91 EUR
Streitwert ab 19.09.2005:12.748,00 DM (1995) + 11.800,00 DM (1997) =12.551,19 EUR
 47.200,01 DM x 0,25 =11.800,00 DM

Die Revision wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Ende der Entscheidung

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