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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Brandenburg
Urteil verkündet am 07.11.2006
Aktenzeichen: 1 K 1613/04
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 12 Abs. 1
UStG § 12 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Brandenburg

1 K 1613/04

Umsatzsteuer 1997 -2000

In dem Rechtsstreit

hat das Finanzgericht des Landes Brandenburg -1. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 7. November 2006

durch

den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht ...,

den Richter am Finanzgericht ...,

die Richterin am Finanzgericht ..., sowie

die ehrenamtlichen Richter Frau ... und Herr ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden, soweit sie bis zum 14.06.2005 entstanden sind, dem Kläger zu 68% und dem Beklagten zu 32% auferlegt.

Die nach diesem Zeitpunkt angefallenen Kosten trägt vollen Umfangs der Kläger.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu erstattenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig.

Tatbestand:

Der Kläger ist Holzbildhauermeister und Mitglied im Verband bildender Künstler. Zwischen ihm als Einzelunternehmer und der X.. GmbH besteht seit dem 1.1.1995 ein umsatzsteuerliches Organschaftsverhältnis mit dem Kläger als Organträger. Die X.. GmbH fertigt und vertreibt in erster Linie Ausstattungen für Kinderspielplätze, wie sie sich aus dem von dem Kläger vorgelegten Katalog (Anlage K 3) ergeben. Neben den klassischen Spielgeräten bietet die GmbH auch bildhauerisch erstellte Holzskulpturen und Holzfederwipper zum Aufstellen im Außenbereich an. Ferner vertreibt sie geschredderte Robinienholzschnitzel (Holzhackschnitzel) als Fallschutzbelag für Spielplätze sowie Palisaden, Holzpfähle und Holzpflaster. Die in den Jahren 1998 bis 2000 getätigten Umsätze mit diesen Produkten unterwarf der Kläger sämtlich dem ermäßigten Steuersatz von 7%. Zwei im Jahre 1997 als individuelle Einzelanfertigungen geschnitzte Toranlagen versteuerte er ebenfalls mit 7% Umsatzsteuer.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung betreffend die Jahre 1997 bis 2000 vertrat der Prüfer die Auffassung, dass diese Umsätze sämtlich mit dem Regelsteuersatz zu versteuern seien. Hinsichtlich der Spielelemente handele es sich um Lieferungen, die im Rahmen der Errichtung von Spielplätzen erbracht würden und als solche Teile der Gesamtleistung "Spielplatz" nicht unter die Steuerermäßigung nach Nr. 53 Buchstabe c der Anlage zu § 12 Abs. 2 Umsatzsteuergesetz -UStG-(Originalerzeugnisse der Bildhauerkunst) fielen.

Da die Lieferungen der einzelnen Spielelemente als einheitliche Leistung zu betrachten seien, komme eine Aufteilung der Umsätze in einen begünstigten und einen nicht begünstigten Teil nicht in Betracht. Die Lieferung von Holzhackschnitzeln sei zwar nach Nr. 48 Buchstabe b der Anlage zu § 12 UStG steuerbegünstigt; in welchem Umfang derartige Umsätze getätigt worden seien, habe der Kläger jedoch nicht dargelegt. Das Umsatzvolumen sei aber wohl unbeachtlich. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Textziffer 9 des Prüfungsberichts vom 24.10.2002 verwiesen.

Der Beklagte erließ den Prüfungsfeststellungen entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide vom 4.3.2003, gegen die der Kläger nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage erhoben hat.

Der Kläger ist der Auffassung, die in 1997 gefertigten Tore seien ausweislich der Produktbeschreibung (Anlage K 8 a) und Fotos (Anlagen K 9 a und b) aufgrund von Gestaltung und Interaktionsmöglichkeit als Kunstwerke zu beurteilen. Ihre Funktion als Elemente zum Versperren trete hinter der künstlerischen Prägung zurück. Der Auftraggeber der Tore, die evangelische Kindertagesstätte Pauluskirche in L..., habe zudem bestätigt, dass der künstlerische Gesichtspunkt bei der Bestellung im Vordergrund gestanden habe.

Im Jahre 1998 seien ausschließlich Federwipper und Skulpturen ermäßigt versteuert worden.

Bei den Skulpturen sei zunächst zwischen Skulpturen auf Kinderspielplätzen und solchen, die als Einzelkunstwerke außerhalb von Spielplätzen aufgestellt worden seien, zu unterscheiden. Auch die Skulpturen auf Kinderspielplätzen seien nicht Bestandteil einer einheitlichen Spielanlage, sondern als Ergänzung zu Spielplatzgeräten geliefert worden.

Holzskulpturen seien nach der DIN-Norm Spielgeräte nicht als Spielgeräte einzustufen, es handele sich um unterschiedliche Produkte. Die Skulpturen seien als stilgebendes Accessoire der Spielanlage zu verstehen. Aus diesem Grunde seien sie auch keine Nebensächlichkeit, deren Bedeutung den Spielgeräten untergeordnet werde. Erhalte die GmbH bei einer Ausschreibung den Zuschlag für eine Spielanlage und für die Lieferung von Skulpturen, so werde das Ganze als zwei Aufträge behandelt, abgerechnet und bearbeitet, da es im Betrieb der GmbH eine von den Spielgerätebauern getrennte Holzbildhauerei gebe. Die Skulpturen und Federwipper seien auch keine Gebrauchsgegenstände.

Zum einen sei jede Skulptur ein Unikat. Zum anderen sei die den Federwippern immanente Spielmöglichkeit unterschiedlich, da auch insoweit der künstlerische Anspruch derart im Vordergrund stehe, dass der Gebrauchswert dahinter zurücktrete.

Soweit in den Jahren 1999 und 2000 außer Skulpturen und Federwippern noch Holzhackschnitzel geliefert worden seien, seien auch diese steuerbegünstigt. Insoweit liege keine einheitliche Lieferung mit nicht ermäßigten Spielplatzgeräten vor. Die GmbH sei keine Fachfirma für Fallschutzbeläge. Sie liefere lediglich auf Wunsch außerhalb der Produktpalette ein bei ihr anfallendes Abfallprodukt, weil es sich zufällig als Fallschutz eigne. Ein Fallschutz sei auch nicht automatisch bei jeder Spielanlage nötig. Einem Zuschlag der GmbH hinsichtlich der Spielgeräte folge nicht regelmäßig auch der Zuschlag für den Fallschutz.

Oft beschränke sich der Zuschlag auf die Lieferung der Geräte und Skulpturen.

Schließlich beruft sich der Kläger auf Vertrauensschutz, der die Änderung der angefochtenen Steuerbescheide entgegengestanden habe.

Mit Datum vom 14.6.2005 hat der Beklagte die Umsatzsteuerbescheide 1998 bis 2000 insoweit geändert, als er die Lieferung von Einzelskulpturen außerhalb von Spielplatzanlagen als ermäßigt besteuerte Umsätze anerkannt hat. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 2.11.2005 ist der Umsatzsteuerbescheid 1999 erneut wegen eines hier nicht relevanten Punktes geändert worden.

Der Kläger beantragt,

unter Änderung des Umsatzsteuerbescheides 1997 vom 4.3.2003 und unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 24.6.2004 die Umsatzsteuer 1997 auf 218.553,02 EUR festzusetzen; unter Änderung der Umsatzsteuerbescheide 1998 bis 2000 und unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 24.6.2004 die Umsatzsteuer 1998 auf 174.047,69 EUR, die Umsatzsteuer 1999 auf 237.860,22 EUR und die Umsatzsteuer 2000 auf 416.521,41 EUR festzusetzen sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bezieht sich auf die Feststellungen der Betriebsprüfung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Die streitigen Umsätze unterliegen dem Regelsteuersatz gemäß § 12 Abs. 1 UStG von 15% im Jahre 1997 bzw. 16% in den Jahren 1998 bis 2000.

Die Voraussetzungen für die Anwendung des ermäßigten Steuersatz von 7% nach § 12 Abs. 2 UStG liegen nicht vor.

Nachdem der Beklagte der Klage teilweise abgeholfen hat, ist noch die Frage der Steuerermäßigung für die Lieferung der Tore in 1997, der Skulpturen und Federwipper auf Spielplätzen in 1998, 1999 und 2000 (verbliebener Streitwert 1.530,96 EUR) sowie der Holzhackschnitzel in den Jahren 1999 und 2000 zu beurteilen.

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG in Verbindung mit Nr. 53 Buchstabe c der Anlage 2 unterliegt unter anderem die Lieferung von Originalerzeugnissen der Bildhauerkunst im Sinne der Position 9703 des Gemeinsamen Zolltarifs dem ermäßigten Steuersatz. Für die Auslegung dieses Begriffs kommt es insoweit allein auf die zolltariflichen Vorschriften und Begriffe an (vergleiche Urteil des Bundesfinanzhofs vom 8.1.2003 VII R11/02, BFH/NV 2003, 875). Kunsthandwerkliche Erzeugnisse, die einen eigenen charakterbestimmenden Gebrauchswert aufweisen, sind ohne Rücksicht auf ihren künstlerischen Wert nach ihrer stofflichen Beschaffenheit zu tarifieren und nicht der Position 9703 des Zolltarifs zuzuordnen sind (vergleiche Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 Randziffer 731).

Die Holztore und die zum Aufstellen auf Spielplätzen gefertigten Holzelemente sind nach Auffassung des Senats Gegenstände der Gebrauchskunst und daher keine Erzeugnisse der Bildhauerkunst im Sinne des Zolltarifs. Insbesondere bei den Toren steht der Gebrauchszweck, nämlich das Versperren des Zugangs, im Vordergrund. Die kunstvolle und individuelle Gestaltung der Tore ändert nichts daran, dass diese primär einen konkreten praktischen Zweck erfüllen. Dies gilt gleichermaßen für die Spielplatzelemente. Obgleich diese unbestritten Unikate mit künstlerischem Anspruch sind, sind sie vor allem Spielgeräte. Die Tauglichkeit und die Nutzung als Spielgeräte ist unabhängig davon gegeben, ob die Elemente, wie zum Beispiel die Federwipper, speziell als Wippen für Kinder konstruiert sind oder ob sie lediglich als "Beiwerk" im Rahmen eines Themenspielplatzes, wie zum Beispiel die von dem Kläger errichtete Spielanlage "Dschungelbuch", fungieren.

Denn immer steht die Absicht im Vordergrund, Kinder zum Spielen aufzufordern und anzuregen, sei es unmittelbar durch Benutzung eines Spielgerätes (Federwipper) oder mittelbar durch Animation in Form von Märchenfiguren in einer Spielanlage. In allen Fällen ist der Gebrauchswert als Spielzeug vorherrschend und prägend, der künstlerische Eindruck der Holzelemente tritt dahinter zurück.

Auch die Lieferung der Holzhackschnitzel unterfällt nicht dem ermäßigten Steuersatz nach Nr. 48 Buchstabe b der Anlage zu § 12 UStG, da davon auszugehen ist, dass die Schnitzel im Rahmen von jeweils einheitlichen Leistungen "Spielplatz" geliefert worden sind. Die Betriebsprüfung konnte seinerzeit nicht feststellen, ob und inwieweit die Schnitzel als Einzelleistungen geliefert worden sind. Der Kläger hat dies bis heute nicht substantiiert darzulegen vermocht, so dass der Senat hierüber nicht befinden kann. Da der Kläger eine Steuervergünstigung begehrt, geht die Nichtfeststellbarkeit der entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen zu seinen Lasten.

Schließlich beruft sich der Kläger ohne Erfolg auf Vertrauensschutz, der der Änderung der Bescheide entgegen gestanden habe. Die Umsatzsteuererklärungen des Klägers standen Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abgabenordnung (AO) gleich, die bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist jederzeit geändert werden konnten. Telefonische Auskünfte des Finanzamts oder ein möglicherweise unbeantwortet gelassenes Schreiben, in dem der Kläger die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes angekündigt haben will, sind nicht geeignet, Vertrauensschutz zu erzeugen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Absatz 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Soweit der Beklagte der Klage durch die Änderungsbescheide vom 14.6.2005 abgeholfen hat, trägt er die bis dahin entstandenen Kosten.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs.1 und 3 FGO i.V.m. den §§ 708 Nr.10, 711 Zivilprozessordnung.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig, weil die Sach- und Rechtslage nicht so einfach war, dass die Klägerin sich selbst vertreten konnte (§ 139 Abs. 3 Satz 3 FGO)

Ende der Entscheidung

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