Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Brandenburg
Urteil verkündet am 09.03.2006
Aktenzeichen: 6 K 2092/01
Rechtsgebiete: EStG, EstG


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 4 S. 2
EstG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

hat das Finanzgericht des Landes Brandenburg - 6. Senat - im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung am 9. März 2006 durch die Vorsitzende Richterin am Finanzgericht ..., den Richter am Finanzgericht ..., die Richterin am Finanzgericht ... sowie die ehrenamtlichen Richter ... und ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Unter Aufhebung des Bescheides vom 7. Juni 2001 und der Einspruchsentscheidung vom 18. Juli 2001 wird der Bescheid vom 12. Oktober 2005 dahingehend geändert, das Kindergeld für das Kind A... auch für den Zeitraum Januar bis Dezember 2000 gewährt wird.

Die Revision wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin ist Mutter ihrer im September 1979 geborenen Tochter A., die im Jahr 1999 die Schulausbildung beendete. Seit Juli 1999 war sie beim Arbeitsamt als noch nicht vermittelte Bewerberin für eine berufliche Ausbildungsstelle gemeldet. Zum August 1999 nahm sie eine Aushilfstätigkeit bei der X.. Warenhandelsgesellschaft auf. Im November 2000 begann sie ein Fernstudium für den Lehrgang Werbung und Verkauf bei der Fernakademie L..

Für die Aushilfstätigkeit erhielt sie eine Vergütung in Höhe von DM 21.152, ihr entstanden Aufwendungen für Fahrtkosten in Höhe von DM 2.184, für Kurse an der Volkshochschule (Internet, Textverarbeitung, Bildverarbeitung) in Höhe von insgesamt DM 513, Kontoführungsgebühren in Höhe von DM 30, Fachbücher in Höhe von insgesamt DM 314. Zudem wurden abgezogen Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von DM 4.379 sowie Einkommensteuer in Höhe von DM 558 und Solidaritätszuschlag in Höhe von DM 19. Ausweislich der Lohnsteuerkarte für das Jahr 1999 dürfte Einkommensteuer in Höhe von DM 2 erstattet worden sein.

Die Beklagte hob mit Bescheid vom 7. Juni 2001 die Festsetzung des Kindergeldes ab Januar 2000 auf und forderte danach für den Zeitraum Januar 2000 bis Mai 2001 zuviel gezahltes Kindergeld in Höhe von DM 4.590 von der Klägerin zurück, da die Einkünfte und Bezüge nach ihrer Berechnung den Grenzbetrag in Höhe von DM 13.500 überstiegen. Der hiergegen erhobene Einspruch hatte keinen Erfolg.

Die Klägerin hat fristgerecht Klage erhoben. Sie trägt im Wesentlichen vor, die Beklagte habe die Einkünfte ihrer Tochter falsch berechnet. Bei Berechnung der Einkünfte sei von dem Nettolohn ihrer Tochter auszugehen.

Im Verfahren hat die Beklagte mit Bescheid vom 12. Oktober 2005 Kindergeld für den Zeitraum Januar 2001 bis Mai 2001 gewährt.

Die Klägerin beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 7. Juni 2001 und der Einspruchsentscheidung vom 18. Juli 2001 den Bescheid vom 12. Oktober 2005 dahingehend zu ändern, dass Kindergeld für das Kind A. auch für den Zeitraum Januar bis Dezember 2000 gewährt wird.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Beklagte hat die Festsetzung von Kindergeld für den Zeitraum ab Januar 2000 zu Unrecht aufgehoben. Die Klägerin hat für die Monate Januar 2000 bis Dezember 2000 Anspruch auf Kindergeld für ihre Tochter A..

Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass das Kind A. für die Monate Januar bis Oktober 2000 als ausbildungsplatzsuchendes Kind gemäß §§ 62 Abs. 1 Nr. 1, 63 Abs. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c Einkommensteuergesetz - EStG - und für die Monate November bis Dezember 2000 als Kind in Berufsausbildung gemäß §§ 62 Abs. 1 Nr. 1, 63 Abs. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG dem Grunde nach für das Kindergeld zu berücksichtigen ist.

Die von dem Kind A. im Jahr 2000 erzielten Einkünfte liegen unter der gesetzlichen Einkunftsgrenze gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG. Danach wird ein Kind für das Kindergeld berücksichtigt, wenn seine eigenen Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind, den Betrag von DM 13.500 im Streitjahr nicht übersteigen. Bezüge, die für besondere Ausbildungszwecke bestimmt sind, bleiben hierbei außer Ansatz; entsprechendes gilt für Einkünfte, soweit sie für solche Zwecke verwendet werden.

Entsprechend der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG Beschluss vom 11. Januar 2005 2 BvR 167/02, DStR 2005, 911) ist der Relativsatz "die zur Bestreitung des Unterhalts bestimmt oder geeignet sind" nicht nur auf die Bezüge, sondern auch auf die Einkünfte des Kindes zu beziehen. Dies bedeutet, dass die Einkünfte um diejenigen Beträge, die, wie die gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge, von Gesetzes wegen dem einkünfteerzielenden Kind oder dessen Eltern nicht verfügbar sind und deshalb keine Entlastung bei den Eltern bewirken können, sondern anderen Zwecken als der Bestreitung von Unterhalt zu dienen bestimmt sind, nicht in die Berechnungsgröße des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG einzubeziehen sind (BVerfG Beschluss vom 11. Januar 2005 2 BvR 167/02, DStR 2005, 911).

Nach Auffassung des erkennenden Senats ist die im Jahr 2000 gezahlte Einkommensteuer - gekürzt um die im Streitjahr aus 1999 erstattete Einkommensteuer - ebenfalls nicht in die Berechnungsgröße des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG einzubeziehen. Auch hierbei handelt es sich um Beträge, die von Gesetzes wegen dem einkünfteerzielenden Kind oder dessen Eltern nicht verfügbar sind und deshalb keine Entlastung bei den Eltern bewirken können, sondern anderen Zwecken als der Bestreitung von Unterhalt zu dienen bestimmt sind. Insofern kommt es nicht darauf an, ob/dass die Kürzung der Einkünfte um die im Streitjahr geleistete Einkommensteuer systemfremd ist. Entscheidend ist allein, dass die gezahlte Einkommensteuer dem Lebensunterhalt des Kindes nicht mehr zur Verfügung steht und die Kindeseltern in dieser Höhe keine Entlastung von ihren Unterhaltspflichten gegenüber dem Kind erfahren. Das Bundesverfassungsgericht hat im Übrigen ausdrücklich offengelassen, welche Beträge es nicht in die Berechnungsgröße einbeziehen will. Deutlich gemacht wurde jedoch, das es sich bei der Entscheidung hinsichtlich der gesetzlichen Sozialversicherungsbeiträge lediglich um eine beispielhafte Aufzählung handelte.

Demzufolge hat die Tochter A. der Klägerin Einkünfte und Bezüge wie folgt erzielt (Berechnung in DM):

 Vergütung21.152
abzüglich 
Fahrtkosten2.184
Kurse513
Kontoführungsgebühren30
Fachbücher <hervorhebung/>314
Einkünfte18.111
abzügl. Sozialversicherungsbeiträge4.379
abzügl. Einkommensteuer gezahlt558
abzügl. Solidaritätszuschlag19
zuzügl. Einkommensteuer erstattet, 
geschätzt, lt. Lohnsteuerkarte <hervorhebung/>2
Einkünfte, die zur Bestreitung des Unterhalts geeignet sind13.157

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung - ZPO -. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulasen.

Ende der Entscheidung

Zurück