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Gericht: Finanzgericht Bremen
Urteil verkündet am 13.07.2006
Aktenzeichen: 1 K 180/05 (6)
Rechtsgebiete: AO 1977
Vorschriften:
AO 1977 § 228 | |
AO 1977 § 229 Abs. 1 | |
AO 1977 § 231 Abs. 1 | |
AO 1977 § 361 Abs. 3 |
Finanzgericht Bremen
1 K 180/05 (6)
Abrechnungsbescheid über Einkommensteuer 1974, 1977 und 1978
In dem Rechtsstreit
hat das Finanzgericht Bremen - 1. Senat -
aufgrund mündlicher Verhandlung vom 13. Juli 2006 durch
den Präsidenten des Finanzgerichts Hoffmann als Vorsitzenden, den Richter am Finanzgericht Sieling-Wendt, den Richter am Finanzgericht Weber, die ehrenamtliche Richterin Frau Saß, die ehrenamtliche Richterin Frau Gebhardt-Hamann
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, wann die gewährte Aussetzung der Vollziehung für Einkommensteuer 1974, 1977 und 1978 geendet hat und ob bzw. wann Zahlungsverjährung eingetreten ist.
Die Klägerin ist mit ihrer Schwester Frau R Gesamtrechtsnachfolgerin ihres Vaters V.
Der Steuerpflichtige V, verstorben 1990, war in den Streitjahren 1974 bis 1978 u.a. sowohl an der Firma P als auch an der Firma D beteiligt. Die Firma P war wiederum an der Firma D beteiligt.
Mit Bescheid vom 24.02.1992 änderte das Finanzamt Hamburg-Oberalster betreffend P die gesonderten und einheitlichen Feststellungen der gewerblichen Einkünfte 1974 bis 1978. Die Änderungen erfolgten gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO und gingen inhaltlich auf 3 Beteiligungsunternehmen der P zurück. Dies teilte das Finanzamt Hamburg-Oberalster dem Beklagten durch Schreiben vom 10.06.1992 mit. Der Beklagte änderte daraufhin die Einkommensteuerbescheide der Jahre 1974 bis 1978 entsprechend und gab die Bescheide am 19.10.1992 zur Post auf.
Mit Schriftsatz vom 10.11.1992 beantragte die Klägerin als Erbin des o. g. Steuerpflichtigen für die aufgrund der Änderungsbescheide 1974 bis 1978 sich ergebenden Nachzahlungen Aussetzung der Vollziehung (AdV). Als Begründung wurde die anhängige Klage beim Finanzgericht Hamburg angeführt. Mit Schreiben vom 10.12.1992 teilte das Betriebsstättenfinanzamt Hamburg-Oberalster dem Beklagten als Wohnsitzfinanzamt mit, dass die AdV für die Feststellungsbescheide 1974 bis 1978 vom 24.02.1992 wegen diverser Klagen gewährt worden sei. In der Mitteilung führte das Finanzamt Hamburg-Oberalster aus, dass die Aussetzung der Vollziehung bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung über die Klagen oder gegebenenfalls bis zum Ablauf eines Monats nach dessen Zurücknahme gewährt worden sei.
Daraufhin setzte der Beklagte mit Bescheid vom 15.12.1992 gemäß § 361 Abs. 3 AO die Steuerbeträge aus, die sich aus dem geänderten Ansatz der Beteiligungserträge aus der P ergaben. Im Einzelnen wurden folgende Beträge ausgesetzt:
Einkommensteuer 1974 | 1.535,92 EUR | |
Ergänzungsabgabe 1974 | 46,02 EUR | |
Stabilitätszuschlag 1974 | 79,69 EUR | |
Einkommensteuer 1975 | 2.750,75 EUR | |
Einkommensteuer 1976 | 3.220,12 EUR | |
Einkommensteuer 1977 | 9.800,44 EUR | |
Einkommensteuer 1978 | 2.856,08 EUR | |
insgesamt | 20.286,08 EUR | (= 39.676,00 DM) |
Die Aussetzung der Vollziehung sollte nach dem Aussetzungsbescheid enden:
bei (teilweiser) Zurückweisung oder Verwendung des Rechtsbehelfs mit Ablauf des Tages, an dem die Entscheidung über den Rechtsbehelf rechtskräftig wird,
bei Zurücknahme des Rechtsbehelfs mit Ablauf des Tages, an dem die Erklärung für die Zurücknahme beim Finanzamt oder beim jeweiligen Gericht eingeht,
bei Änderung des angefochtenen Bescheids mit Ablauf des Tages, an dem der Änderungsbescheid bestandskräftig wird und
bei Änderung des Folgebescheids mit Ablauf des Tages, an dem der Folgebescheid bestandskräftig wird.
Mit Schreiben vom 21.06.1993 nahm die Erbengemeinschaft nach V ihre Klage gegen die Feststellungsbescheide betreffend P zurück.
Mit Beschluss vom 21.07.1993 stellte daraufhin das Finanzgericht Hamburg das Verfahren ein. Aus dem Einstellungsbeschluss des Finanzgerichts Hamburg geht hervor, dass der überwiegende Teil der Kläger, u.a. auch die Klägerin, ihre Klagen zurückgenommen hatte (Az: I 5/91). Die Klagen betrafen die Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb für die Jahre 1976 bis 1979 und die Einheitsbewertung des gewerblichen Betriebs der P auf den 01.01.1977-1979. Die Verfahren bezüglich der Kläger, die ihre Klagen nicht zurückgenommen hatten, wurden zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung abgetrennt.
Mit Schreiben vom 16.06.1993 wies der steuerliche Berater der Klägerin diese daraufhin, dass mit der Klagrücknahme die ausgesetzten Einkommensteuerbeträge zu zahlen seien. Dies tat die Klägerin in der Folgezeit nicht.
Die Feststellungsbescheide 1970 bis 1980 betreffend die Firma D wurden aufgrund des Beschlusses des Finanzgerichts Berlin vom 26.06.1985 ausgesetzt.
Nach Auswertung der Mitteilungen vom 10.12.2001 und 13.12.2001 des FA Oldenburg für die Beteiligung des Steuerpflichtigen an der Firma D änderte der Beklagte die Einkommensteuerbescheide der Jahre 1974 bis 1976 und 1980 durch Änderungsbescheide vom 28.03.2003. Während die Änderung der Einkommensteuerfestsetzungen für die Jahre 1975, 1976 und 1980 zu Erstattungen führte und die AdV in den Bescheiden entsprechend aufgehoben wurde, ergab sich für 1974 eine Steuernachzahlung, die mit den Erstattungsguthaben verrechnet wurde. Für die Veranlagungszeiträume 1977 und 1978 wurden die Bescheide aufgrund dieser Mitteilungen wegen fehlender betragsmäßiger Veränderungen hinsichtlich der Höhe der anzusetzenden Beteiligungseinkünfte nicht geändert.
In der Anlage zu den Mitteilungen vom 10.12.2001 und 13.12.2001 über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen betreffend die Firma D führte das Finanzamt Oldenburg folgendes aus:
"...
Für die Kalenderjahre 1970 - 1980 sind alle bestehenden Aussetzungen der Vollziehung aufzuheben.
Aufgrund des Urteils des Finanzgerichts Berlin vom 12.08.1996 sind für die Firma D Gewinnfeststellungsbescheide für 1970 - 1980 zu erlassen, in denen die Gewinnfeststellungsbescheide derjenigen Gesellschaften, an denen die Firma D beteiligt war, berücksichtigt werden.
Die Nichtzulassungsbeschwerde für die Kalenderjahre 1970 - 1976 wurde durch Beschluss des BFH vom 18.02.1998 als unbegründet zurückgewiesen.
Die Verluste in den Feststellungsbescheiden stimmen mit den vom Finanzgericht ermittelten Verlusten überein. Die Verteilung auf die einzelnen Beteiligten wurde vom Prozessbevollmächtigten vorgenommen. Diese Aufteilung wurde übernommen.
Die Aussetzungen der Vollziehung für die Kalenderjahre 1982 - 1985 bestehen noch weiter.
..."
Mit Bescheid vom 22.08.2003 hob der Beklagte die für die Bescheide betreffend die Veranlagungszeiträume 1974, 1977 und 1978 bestehende Aussetzung der Vollziehung in Höhe von insgesamt 14.315,15 EUR auf. Als Begründung für die Aufhebung der AdV wies es auf die Mitteilung des Finanzamts Oldenburg für die Firma D hin.
Hiergegen legten die Erbin des V Einspruch ein. In der Einspruchsbegründung führte sie aus, dass die aufgrund des Bescheides vom 15.12.1992 gewährte AdV aufgehoben sei. Grund für die beantragte AdV sei das anhängige Klageverfahren beim Finanzgericht Hamburg in Sachen P gewesen. Dieses Verfahren sei mit Beschluss vom 21.07.1993 eingestellt worden. Entsprechend der Ausführungen auf dem Bescheid zur Gewährung der AdV vom 15.12.1992 habe diese u.a. bei Zurücknahme des Rechtsbehelfs (hier: Klage) mit Ablauf des Tages geendet, an dem die Rücknahme beim Gericht einginge. Dies sei 1993 der Fall gewesen. Mit Beendigung der AdV sei der ausgesetzte Betrag fällig gewesen. Nach ihrer Kenntnis sei zwischenzeitlich jedoch Zahlungsverjährung eingetreten.
Durch die gewährte AdV sei die Zahlungsverjährung unterbrochen (§ 231 Abs. 1 AO). Die Unterbrechung dauere gemäß § 231 Abs. 2 Satz 1 AO so lange fort, bis die AdV abgelaufen sei. Mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Unterbrechung geendet habe (d.h. die AdV abgelaufen sei = 1993), hätte die neue Verjährungsfrist begonnen. Sie habe 5 Jahre betragen (§ 228 Satz 2 AO) und sei mit Ablauf des Jahres 1998 abgelaufen. Seit dem 01.01.1999 seien die o.g. Ansprüche somit verjährt und damit erloschen.
Zu dem Einspruch nahm der Beklagte mit Schreiben vom 18.12.2003 Stellung und erließ einen Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 Satz 1 AO).
Nach Ergehen des Abrechnungsbescheids vom 18.12.2003 änderte der Beklagte die Einkommensteuerbescheide der Jahre 1973 bis 1978 wiederum aufgrund der Mitteilung des Finanzamts Hamburg-Oberalster über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen der Einkommensbesteuerung betreffend die P vom 11.12.2003. Die Bescheide wurden am 15.06.2004 zur Post aufgegeben. Den Änderungen lag die Mitteilung des Finanzamts Oldenburg über die Feststellung der gewerblichen Einkünfte der P betreffend die Firma D zu Grunde.
Die Einkommensteuerbescheide 1973 bis 1978 wurden nochmals aufgrund der Mitteilungen des Finanzamts Hamburg-Oberalster vom 09.12. und 11.12.2003 die P betreffend durch Bescheid vom 12.04. und 15.06.2004 geändert. In den Mitteilungen teilte das Finanzamt Hamburg-Oberalster mit, dass alle bestehenden Aussetzungen der Vollziehung aufzuheben seien.
Gegen den Abrechnungsbescheid vom 18.12.2003 legte die Klägerin Einspruch ein.
In der Einspruchsbegründung führte die Klägerin aus, dass im Gegensatz zu dem Fall, dass der Folgebescheid aufgrund von Änderungen des Grundlagenbescheids geändert werden müsse, sich bei Nichtänderung des Folgebescheids nicht die Notwendigkeit ergäbe, die Aussetzung der Vollziehung (über 10 Jahre) länger als die AdV des Grundlagenbescheids zu gewähren, da das Finanzamt keinen geänderten Steuerbescheid erlassen müsste und der Steuerpflichtige den streitbefangenen Betrag bereits kennen würde. Auch aus diesem Grund sei die Auslegung der Aussetzungsverfügung dahingehend, dass bei Nichtänderung des Folgebescheids im konkreten Fall die Aussetzung mit Rücknahme der Klage enden würde, sinnvoll und verständlich.
Daher habe die AdV vom 15.12.1992 im zeitlichen Zusammenhang mit der Rücknahme der Klage geendet und somit sei zum heutigen Zeitpunkt die Zahlungsverjährung eingetreten. Ferner wies die Klägerin auf das BFH-Urteil vom 14.03.1986 (BStBl II 1986, 475) hin, wonach eine nicht ausdrücklich zeitlich begrenzte Aussetzungsverfügung enden würde, sobald in der Hauptsache eine rechtskräftige Entscheidung getroffen worden sei und somit die materiellen Gründe für eine AdV entfallen würden. Bei der Auslegung einer behördlichen Verfügung sei davon auszugehen, dass stillschweigend eine der Rechtslage entsprechende Regelung getroffen werden solle, auch wenn diese in der Verfügung nicht im Einzelnen erläutert worden sei (BFH, BFH/NV 1999, 7).
Die ausgesetzten Einkommensteuern 1974, 1977 und 1978 hätten nach ihrem Kenntnisstand nichts mit der Firma D zu tun, sondern stünden nur im Zusammenhang mit der Klage zur Eigengewerblichkeit der P. Die amtsinterne Mitteilung des Finanzamts Hamburg-Oberalster an den Beklagten vom 10.12.1992 befriste die AdV bezüglich des Feststellungsbescheides P "bis zur Entscheidung über die den genannten Bescheid betreffenden Klagen...". Dass seinerzeit AdV für die Jahre 1974 bis 1978 gewährt worden sei, obwohl die Klage nur die Jahre 1976 bis 1979 umfasse, könne damit zu tun haben, dass der geänderte Feststellungsbescheid vom 24.02.1992 zum Gegenstand des Klageverfahrens gemacht worden sei.
Die innere Verknüpfung des Grundlagenbescheids mit dem Folgebescheid müsse auch bei Nichtänderung des Folgebescheids gegeben sein, so dass damit stillschweigend eine Verknüpfung des AdV-Verfahrens für den Folgebescheid mit dem Rechtsbehelfsverfahren für den Grundlagenbescheid stattzufinden habe. Dabei verkenne die Klägerin nicht, dass eine solche Verknüpfung zwischen Grundlagen- und Folgebescheid durch § 361 Abs. 3 AO nicht vorgesehen sei.
Der Beklagte wies den zulässigen Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 05.10.2005 als unbegründet zurück.
Für die streitigen Steueransprüche sei keine Zahlungsverjährung eingetreten. Die AdV der Grundlagenbescheide sei auf diverse Klageverfahren gestützt worden, wie z.B. auch der für die Firma D, wie die Ausführungen in den Anlagen zu den Mitteilungen der Betriebsfinanzämter verdeutlicht hätten. Doch selbst wenn der Beklagte die Voraussetzungen der Aussetzung der Vollziehung fehlerhaft beurteilt hätte, käme der bekannt gegebenen Aussetzungsentscheidung Tatbestandswirkung zu mit der Folge, dass deren Tenor verbindlich Umfang und Dauer der Aussetzung bestimme (BFH; BStBl II 1995, 4). Außerdem könne die Vorschrift des § 361 Abs. 3 AO so ausgelegt werden, dass das Finanzamt die Vollziehung bis zur Bekanntgabe der nach dem Ergebnis des Rechtsbehelfsverfahrens gegen den Grundlagenbescheid notwendigen Folgeänderungen aussetzen dürfe (vgl. BFH, BFH/NV 1999, 7).
Für die Frage der Zahlungsverjährung der Einkommensteuerschuld 1974, 1977 und 1978 der Klägerin komme es nicht auf die Dauer der AdV des Gewinnfeststellungsbescheids, sondern auf Beginn und Ende der AdV des Einkommensteuerbescheids 1974, 1977 und 1978 an. Der Zeitpunkt der Klagerücknahme in der Gewinnfeststellungssache für die Streitjahre sei somit nicht entscheidungserheblich.
Die Zahlungsverjährung für den Anspruch der Einkommensteuer 1974, 1977 und 1978 habe frühestens mit Ablauf des Jahres 1992 begonnen, in dem der Steueranspruch aufgrund seiner Festsetzung erstmals fällig gewesen sei (§ 229 Abs. 1 Satz 1, § 220 Abs.1 AO 1977, § 36 Abs. 4 Satz 1 des EStG). Aufgrund der AdV der Einkommensteuerbescheide 1974 bis 1978 sei die Verjährung in Höhe der in den Aussetzungsverfügungen genannten Steuerbeträge vom Jahre 1992 an unterbrochen gewesen (§ 231 Abs. 1 AO 1977). Die Aussetzung der Vollziehung und damit die Unterbrechung der Zahlungsverjährung (§ 231 Abs. 1 und 2 AO 1977) dauere bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der nachfolgenden geänderten Einkommensteuerbescheide bzw. bis zur Aufhebung der Aussetzung der Vollziehung der Grundlagenbescheide.
Würde nun von Seiten der Klägerin behauptet, dass nur hinsichtlich des Klageverfahrens in Sachen P ein entsprechender Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheids gestellt worden sei, stehe dies im Widerspruch zu dem gestellten Antrag auf AdV, der sich auf die Zeiträume von 1974 bis 1978 erstrecke, während das Klageverfahren die Zeiträume 1976 bis 1979 betreffe. Hinzu käme, dass die Klägerin auch nach Klagerücknahme sich nicht veranlasst gesehen habe, die ausgesetzt gewesenen Beträge in Höhe von insgesamt 20.286,02 EUR zu entrichten.
Doch selbst dann, wenn ursprünglich eine andere Sichtweise der Klägerin hinsichtlich der Antragstellung der AdV erfolgt sein solle, so habe das Betriebsfinanzamt die AdV nicht nur auf die Tatsache der Klage der P beschränkt, dies ergebe sich auch aus den durch Mitteilung vom 11.12.2003 gemachten Ausführungen über die Aufhebung der AdV für die den Streitfall betreffenden Zeiträume. Hinzu käme, dass das Betriebsfinanzamt im Falle einer früheren AdV-Aufhebung der Grundlagenbescheide die Wohnsitzfinanzämter entsprechend informiert hätte.
Es bliebe darauf zu verweisen, dass die AdV-Entscheidung im Verfahren gegen den Grundlagenbescheid für die AdV des Folgebescheids bindend sei. Sei die AdV des Grundlagenbescheids gewährt worden, so sei die Folgeaussetzung hinsichtlich des Folgebescheids zwingend zu gewähren.
Da somit die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 1974, 1977 und 1978 bis zur Bekanntgabe der Änderungsbescheide vom 28.03.2003 bzw. der Aufhebungen der AdV der Grundlagenbescheide ausgesetzt worden sei und die Unterbrechung der Zahlungsverjährung bis zu diesem Zeitpunkt angedauert habe, seien die mit dem Bescheid über die Aufhebung der Aussetzung der Vollziehung vom 22.08.2003 angeforderten Steuerschulden, die Gegenstand des angefochtenen Abrechnungsbescheids sind, nicht verjährt.
Abschließend sei festzustellen, dass die Klägerin auch nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gehindert wäre, sich auf den Eintritt der Zahlungsverjährung zu berufen. Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis könnten nach Treu und Glauben verwirkt werden. Dies gelte grundsätzlich für alle Beteiligten am Steuerschuldverhältnis, mithin auch für den Steuerpflichtigen.
Unter dem Gesichtspunkt, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Klagerücknahme davon ausgegangen sei, dass somit auch die gewährte AdV enden würde, wäre sie nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen, dem Beklagten Mitteilung darüber zu machen, dass das Klageverfahren sich durch Zurücknahme erledigt habe. Wenn sie wissentlich den Beklagten aus Gründen ihrer Zahlungsunwilligkeit im Unklaren lasse und sich später aber darauf berufe, dass Zahlungsverjährung durch das Unterlassen der Aufhebung der AdV eingetreten sei, dann sei dies rechtsmissbräuchlich.
Am 03.11.2005 hat die Klägerin Klage erhoben.
Sie vertrete die Auffassung, dass die AdV der Einkommensteuerbescheide schon vor der Verfügung vom 22.08.2003, mit der die Aussetzung der Vollziehung der strittigen Einkommensteuerschulden aufgehoben worden sei, eingetreten und die genannte Verfügung deshalb ohne Regelungsinhalt gewesen sei. Die Aussetzungsverfügung vom 15.12.1992 enthalte formularmäßig eine Vielzahl von auflösenden Bedingungen. Der spezielle Fall, dass der Rechtsbehelf (hier: Klage) gegen den Grundlagenbescheid zurückgenommen werde und damit auch keine Notwendigkeit für eine AdV des (nicht mit dem Einspruch angegriffenen) Folgebescheids bestehe, werde jedoch nicht geregelt.
Gemäß BFH-Beschluss vom 14.03.1986 (BStBl II 1986, 475) verliere eine zeitlich nicht befristete Vollziehungsaussetzung ihre Wirkung, wenn in der Hauptsache eine rechtskräftige Entscheidung gefallen sei. Grundsätzlich sei das Ende der Vollziehungsaussetzung eines Folgebescheides nicht vom Abschluss des Einspruchsverfahrens gegen den Grundlagenbescheid abhängig, es sei denn, eine solche Verknüpfung zwischen Grundlagen- und Folgebescheid sei (zumindest stillschweigend) in der Aussetzungsverfügung vorgenommen worden. Diese Verknüpfung zwischen AdV-Verfahren und Ausgang des Rechtsbehelfsverfahrens des Grundlagenbescheids habe das Finanzamt eingeräumt.
Während die Klägerin wegen der erfolgten Klagerücknahme von nicht geänderten Grundlagenbescheiden als Ausgangspunkt für die Bestimmung des Endes der AdV der Folgebescheide ausgehe, beruhe die Argumentation des FA darauf, dass es in allen Streitjahren zu einer Änderung der Grundlagenbescheide aufgrund von abgeschlossenen Klageverfahren gekommen sei. Letzterer Fall sei in der Aussetzungsverfügung vom 15.12.1992 auch als Ende der AdV geregelt.
Nicht schlüssig dargelegt sei, in welchem Zusammenhang die Änderungen der Einkommensteuerbescheide 1974-1978 und 1980 und das Ende der Vollziehungsaussetzung vom 15.12.1992 stünden . Ausweislich des AdV-Antrags vom 05.11.1992 an das Finanzamt Hamburg-Oberalster bzw. der Mitteilung über diesen AdV-Antrag vom 10.11.1992 an den Beklagten habe sich die beantragte und gewährte AdV auf das Klageverfahren in Sachen P zur Eigengewerblichkeit bezogen. Die AdV der Einkommensteuerbescheide 1974-1978 vom 15.12.1992 sei nur eine Folgeaussetzung wegen P. Einen Zusammenhang zur Firma D habe es nicht gegeben. Es sei nicht aktenkundig, dass entweder die Einkommensteuerbescheide 1974-1978 oder die Feststellungsbescheide 1974-1978 der P wegen Firma D ausgesetzt worden seien.
Zudem sei auf die Erläuterungen zum Feststellungsbescheid 1972-1979 vom 09.04.1985 für P hinzuweisen. Dort sei dargelegt, dass die Feststellungsbescheide 1971 bis 1978 für die Firma D ersatzlos aufgehoben worden seien und keine Mitunternehmerschaft der P vorgelegen habe. Außerdem werde dargelegt, dass die für 1977 und 1978 gewährte AdV entfallen sei und erneute Anträge auf AdV vom Betriebsfinanzamt abgelehnt worden seien.
Der von dem Beklagten gerügte Widerspruch zwischen der beantragten AdV für die Jahre 1974 bis 1978 und dem Klagzeitraum 1976 bis 1979 sei wie folgt aufzulösen: Während die Klage beim Finanzgericht Hamburg anhängig gewesen sei, sei unter dem Datum vom 24.02.1992 ein (zusammengefasster) geänderter Feststellungsbescheid für die Jahre 1974 bis 1978 ergangen, der mit dem Hinweis versehen gewesen sei, dass auf Antrag der (zusammengefasste) Bescheid gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Klageverfahrens zu machen sei. So seien die eigentlich nicht von der Klage umfassten Jahre 1974 und 1975 mit in die Aussetzungsverfügung aufgenommen worden.
Die Ausführungen des Beklagten zum Grundsatz von Treu und Glauben seien nicht nachvollziehbar. Die Verdrängung gesetzten Rechts durch den Grundsatz von Treu und Glauben könne nur in besonders liegenden Fällen in Betracht kommen, in denen das Vertrauen der Steuerpflichtigen in ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung nach allgemeinem Rechtsgefühl in so hohem Maße schutzwürdig sei, dass demgegenüber die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten müssten. Die Finanzverwaltung müsse aufgrund eines bestimmten nachhaltigen Verhaltens der Klägerin eine bestimmte (nicht umkehrbare) Disposition getroffen haben.
Die Klägerin beantragt,
den Abrechnungsbescheid vom 18.12.2003 über Einkommensteuer 1974, 1977 und 1978 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 05.10.2005 dahingehend zu ändern, dass die festgestellten Abschlusszahlungen wegen eingetretener Zahlungsverjährung auf null Euro festgesetzt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist der Beklagte auf seine Einspruchsentscheidung und führt zusätzlich folgendes aus:
Auch die Firma D habe beim Finanzgericht Berlin wegen der Streitjahre 1970 bis 1980 ein Klagverfahren geführt. Das hierfür zuständige Betriebsstättenfinanzamt habe hierfür ausweislich der Mitteilungen vom 10.12.2001 und 13.12.2001 AdV gewährt. Das Finanzamt Hamburg-Oberalster habe mit Bescheid vom 10.12.1992 die AdV für die geänderten Feststellungsbescheide 1974 bis 1978 vom 24.02.1992 gewährt. Daraufhin habe der Beklagte mit Bescheid vom 15.12.1992 dem Antrag auf AdV der Nachzahlungsbeträge der Jahre 1974 bis 1978 in Höhe von insgesamt 20.286,02 EUR stattgegeben, die betragsmäßig weder auf das von der Klägerin angeführte Klagverfahren beim Finanzgericht Hamburg noch auf das Finanzgericht Berlin zurückgeführt werden könne.
Ebenso wie das Finanzamt Oldenburg für die Beteiligung an der Firma D durch Mitteilung vom 28.03.2003 für die Zeiträume von 1970 bis 1980 erklärt habe, dass alle bestehenden Aussetzungen der Vollziehung aufzuheben seien, habe dies das Finanzamt Hamburg-Oberalster in der Mitteilung vom 11.12.2003 in Sachen P getan. Entsprechend sei der Beklagte verfahren.
Aus dem Vorstehenden ergebe sich, dass die von den Finanzämtern gewährte AdV ihre Ursache in den zur damaligen Zeit noch offenen Klagverfahren bezüglich der Firma D gehabt habe. Wenn die beim Finanzgericht Hamburg anhängige Klage für die AdV-Gewährung nicht entscheidungserheblich gewesen sein könne, führe dies folglich dazu, dass auch die Rücknahme dieser Klage nicht zu einer Beendigung der AdV habe führen können.
Die Akten der Beklagten haben vorgelegen. Ihr Inhalt ist wie der der Gerichtsakte Grundlage der Entscheidungsfindung gewesen, soweit die Entscheidung darauf beruht. Insoweit wird auf den Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Abrechnungsbescheid vom 18.12.2003 ist rechtmäßig, da Zahlungsverjährung hinsichtlich der sich aus den Einkommensteuerbescheiden 1974, 1977 und 1978 ergebenden Nachzahlungen nicht eingetreten ist.
Gemäß § 228 AO unterliegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis einer besonderen Zahlungsverjährung von fünf Jahren. Die Verjährungsfrist, welche mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist, gemäß § 229 Abs. 1 AO beginnt, wird unter anderem unterbrochen durch Aussetzung der Vollziehung, § 231 Abs. 1 AO. Im Falle der Aussetzung der Vollziehung dauert die Unterbrechung der Verjährung, bis die Vollziehungsaussetzung abgelaufen ist, § 231 Abs. 2 AO. Dementsprechend beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Vollziehungsaussetzung abgelaufen ist, eine neue fünfjährige Verjährungsfrist gemäß § 231 Abs. 3 i.V.m. § 228 AO.
Eine bekannt gegebene Aussetzungsentscheidung hat Tatbestandswirkung, so dass Dauer und Umfang der Aussetzung durch den Ausspruch der Entscheidung bestimmt wird, vgl. Beschluss des BFH vom 15.06.1998 VII B 32/98, BFH/NV 1999, 7; Urteil des BFH vom 18.07.1994 X R 33/91, BFHE 175, 294, BStBl II 1995, 4.
Gemäß ständiger Rechtsprechung des BFH, der sich der erkennende Senat anschließt, unterbricht bei Grundlagenbescheiden weder der Erlass des Feststellungsbescheides noch die Aussetzung der Vollziehung des Feststellungsbescheides die Verjährung des Steueranspruchs, vgl. Urteil des BFH vom 23.06.1998 VII R 119/97 BFH/NV 1998, 1322. Im Falle der Aussetzung eines Grundlagenbescheides ist gemäß § 361 Abs. 3 AO auch die Vollziehung des Folgebescheids auszusetzen. Erst die Aussetzung des Folgebescheides unterbricht die Zahlungsverjährung. Die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt die Unterbrechung der Verjährung eines Zahlungsanspruchs infolge der Aussetzung des Folgebescheids dauert, richtet sich dementsprechend ausschließlich nach der Aussetzung des Folgebescheids, während die Dauer der Aussetzung der Vollziehung des Gewinnfeststellungsbescheides für diese Frage ohne Bedeutung ist.
Gemäß § 231 Abs. 2 AO dauert die Unterbrechung der Verjährung im Falle der Aussetzung der Vollziehung, bis die Aussetzung der Vollziehung abgelaufen ist. Auch insoweit ist der Zeitpunkt entscheidend, zu dem die Aussetzung der Vollziehung des Folgebescheides abgelaufen ist. Wann die Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheids endete, ist demgegenüber grundsätzlich nicht von Bedeutung. Eine Verknüpfung der Vollziehungsaussetzung eines Folgebescheides mit der Bestandskraft des Grundlagenbescheides ist nur dann zulässig, wenn der Tenor der Aussetzungsentscheidung eine diesbezügliche auflösende Bedienung enthält oder wenn sich ausnahmsweise trotz Schweigens der Aussetzungsverfügung eine entsprechende Regelung im Wege der Auslegung ermitteln lässt. Daraus ergibt sich, dass die Aussetzung eines Folgebescheides grundsätzlich erst dann endet, wenn sie aufgehoben wird oder eine der ihr beigefügten Bedingungen eintritt. Insoweit ist das Ende der Vollziehungsaussetzung eines Folgebescheides nicht ohne weiteres von dem Verfahrensgang hinsichtlich des Grundlagenbescheides abhängig. Dementsprechend ist die Finanzverwaltung befugt, die Vollziehung eines Folgebescheids gemäß § 361 Abs. 3 AO bis zur Bekanntgabe einer nach dem Ergebnis des Rechtsbehelfsverfahrens gegen Grundlagenbescheid notwendigen Folgeänderungen auszusetzen, vgl. Beschluss des BFH vom 15.06.1998 VII B 32/98 a.a.O.
Die Zahlungsverjährung aus den Einkommensteuerbescheiden 1974, 1977 und 1978 vom 19.10.1992 begann mit Ablauf des Jahres 1992, da die Steueransprüche aufgrund der genannten Festsetzung erstmals im Jahr 1992 fällig wurden, §§ 229 Abs. 1 S. 1, 220 Abs. 1 AO.
Der Lauf der Festsetzungsverjährung wurde durch den Ausspruch der Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich der in dem Aussetzungsbescheid vom 15.12.1992 genannten Steuerforderungen unterbrochen, § 231 Abs. 1 S. 1 AO.
Nach Auffassung des erkennenden Senats ergibt die Auslegung der von dem Beklagten hinsichtlich der Einkommensteuerbescheide vorgenommenen Aussetzung, dass die Aussetzung der Vollziehung erst mit ihrer Aufhebung durch den Bescheid vom 22.08.2003 endete.
Die Auslegung einer Aussetzungsverfügung richtet sich nach ständiger Rechtsprechung des BFH nach §§ 133, 157 BGB. Entscheidend ist demgemäß der objektive Erklärungsgehalt der Regelung, wie ihn der Empfänger nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte. Dabei ist auf den Zeitpunkt des Zugangs der behördlichen Verfügung abzustellen, vgl. Urteil des BFH vom 23.06.1998 VII R 119/97 a.a.O., Urteil des BFH vom 18.07.1994 X R 33/91 a.a.O.
Die Auslegung der infrage stehenden Aussetzungsverfügung ergibt nach Ansicht des erkennenden Senats, dass die Zahlungsverjährung bis zur Aufhebung der Aussetzung der Vollziehung unterbrochen wurde.
1. Die Aussetzungsverfügung vom 15.12.1992 enthält keine ausdrückliche auflösende Bedingung dahingehend, dass die Aussetzung durch die Rücknahme der Klage vor dem Finanzgericht Hamburg enden sollte.
Nach Ansicht des erkennenden Senats ist auch keine der in der Aussetzungsverfügung vom 15.12.1992 angeführten Beendigungsgründe gegeben. Die Aussetzungsverfügung enthält 4 ausdrücklich geregelte Ereignisse, die zu einer Beendigung der Aussetzung der Vollziehung führen.
a) Der Beklagte hat in Alt. 4 seiner Aussetzungsverfügung den Fall des Zusammenwirkens von Grundlagen- und Folgebescheid hinsichtlich der Beendigung der Aussetzung der Vollziehung geregelt. Danach endet die Aussetzung der Vollziehung bei Änderung des Folgebescheides mit Ablauf des Tages, an dem der Folgebescheid bestandskräftig wird.
Nach dieser Regelung soll im Falle der Anfechtung eines Grundlagenbescheides und der Aussetzung der Vollziehung des Folgebescheides die Aussetzung der Vollziehung des Folgebescheides im Falle der Änderung des Folgebescheides mit dem Eintritt der Bestandskraft enden. Diese Regelung enthält keine ausdrückliche Regelung für den Streitfall, da infolge der Rücknahme der Klage beim Finanzgericht Hamburg gerade keine Änderung der Einkommensteuerbescheide 1974, 1977 und 1978 vorzunehmen war. Aus der ausdrücklichen Regelung der Aussetzungsverfügung ergibt sich nach Ansicht des erkennenden Senats allerdings, dass nur bei Änderung des Folgebescheides auf seine Bestandskraft abgestellt wird. Dies ist auch inhaltlich verständlich, da das Finanzamt, welches den geänderten Folgebescheid erlässt, die notwendigen Maßnahmen ergreifen kann, um den Forderungseinzug zu gewährleisten. Diese Möglichkeit hat das Finanzamt dann nicht, wenn Klage vor einem auswärtigen Finanzgericht erhoben wird, und diese Klage zurückgenommen wird, da das Wohnsitzfinanzamt nicht unmittelbar von der Bestandskraft des Grundlagenbescheides Kenntnis erhält.
Aus der von dem Beklagten in seiner Aussetzungsverfügung formularmäßig vorgesehenen Regelung der Alt. 4 ergibt sich nach Ansicht des erkennenden Senats dementsprechend im Umkehrschluss, dass nur bei Änderung des Folgebescheides die Aussetzung der Vollziehung mit Ablauf des Tages endet, an dem der Folgebescheid bestandskräftig wird.
b) Nach der Aussetzungsverfügung vom 15.12.1992 endete die Aussetzung der Vollziehung darüber hinaus bei Zurückweisung des Rechtsbehelfs mit Ablauf des Tages, an dem die Entscheidung über den Rechtsbehelf rechtskräftig wird (Alt. 1), oder bei Zurücknahme des Rechtsbehelfs mit Ablauf des Tages, an dem die Erklärung für die Zurücknahme beim Finanzamt oder am jeweiligen Gericht eingeht (Alt. 2) oder bei Änderung des angefochtenen Bescheids mit Ablauf des Tages, an dem der Änderungsbescheid bestandskräftig wird (Alt. 3).
Ein Ende der Aussetzung der Vollziehung nach Alt. 1 scheidet schon deshalb aus, da im vorliegenden Fall ein Rechtsbehelf nicht zurückgewiesen wurde, und nach Alt. 3, da kein Bescheid geändert wurde.
Zwar wurde die gegen die Grundlagenbescheide beim Finanzgericht Hamburg eingelegte Klage zurückgenommen. Dennoch konnte nicht angenommen werden, dass die Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide 1974, 1977 und 1978 mit Eingang der Rücknahmeerklärung beim Finanzgericht Hamburg endete.
Denn bei der genannten Regelung der Aussetzungsverfügung handelt es sich um einen formularmäßig gefassten Text, der nach Ansicht des erkennenden Gerichts nicht den vorliegenden Fall des Zusammenwirkens von Grundlagen- und Folgebescheiden regeln soll. Dass diese Alternative ausschließlich die Dauer der Aussetzung der Vollziehung für den Fall betrifft, dass der Steuerbescheid angefochten wird und die Anfechtungshandlung gegenüber dem Finanzamt direkt oder im gerichtlichen Verfahren gegen dieses Finanzamt, welches die AdV gewährt hat, zurückgenommen wird, folgt schon aus den eindeutigen Formulierungen: "des Rechtsbehelfs".
Dieses Ergebnis entspricht auch der Praktikabilität des Verwaltungshandelns, denn nur in diesem Fall erhält das für die Aussetzung zuständige Finanzamt unmittelbar Kenntnis davon, dass der Rechtsbehelf zurückgenommen wurde, so dass die Behörde seine Forderung fällig stellen kann.
Das Gericht kann keinen Anhaltspunkt dafür erkennen, dass der Beklagte mit seiner Formulierung den - andersartigen - Fall regeln wollte, dass eine Klage gegen den Grundlagenbescheid zurückgenommen wurde.
Vielmehr geht - wie oben dargestellt - aus der Regelung der Aussetzungsverfügung, wonach im Falle der Änderung eines Folgebescheides die Aussetzung der Vollziehung mit Ablauf des Tages enden soll (Alt. 4), an dem der Folgebescheid bestandskräftig wird, der Wille des Beklagten hervor, dass im Falle des Vorliegens von Grund- und Folgebescheiden grundsätzlich das Schicksal des Folgebescheides maßgebend und die Frage der Bestandskraft des Grundlagenbescheides nicht von Bedeutung sein soll.
2. Eine Verknüpfung der Vollziehungsaussetzung der Einkommensteuerbescheide 1974, 1977 und 1978 mit der Bestandskraft der Grundlagenbescheide betreffend P und der Rücknahme der Klage der Klägerin beim Finanzgericht Hamburg ist nach Ansicht des erkennenden Senats auch nicht im Wege der Auslegung möglich.
Für diese von der Klägerin vorgenommene Auslegung spricht im vorliegenden Fall, dass sich die Aussetzungsverfügung des Beklagten vom 15.12.1992 ausdrücklich auf den Antrag der Klägerin vom 10.11.1992 bezog. In ihrem Antrag vom 10.11.1992 bezog sich die Klägerin auf die Klage beim Finanzgericht Hamburg bezüglich der Feststellungsbescheide der P.
Allerdings ergibt sich nach Ansicht des erkennenden Senats aus dem Gesamtzusammenhang der von der Beklagten getätigten Aussetzungsverfügung, dass die Aussetzung der fraglichen Einkommensteuerbescheide nicht automatisch von dem Ausgang des Klageverfahrens beim Finanzgericht Hamburg abhängig gemacht werden sollte.
Dafür spricht nach Ansicht des erkennenden Senats, dass der Beklagte im vorliegenden Fall keinen Anlass hatte, seine Aussetzungsverfügung so eng zu fassen, wie sie von der Klägerin verstanden wird. Gerade der vorliegende Fall macht deutlich, dass in Fällen, in denen Steuerpflichtige an verschiedenen Gesellschaften beteiligt sind und verschiedene Grundlagenbescheide angefochten sind, die Finanzverwaltung in ihrer tatsächlichen Funktion als Massenverwaltung Entscheidungen über die Aussetzung der Vollziehung von Folgebescheiden in der Regel nicht von den zu Grunde liegenden Grundlagenbescheiden abhängig machen kann und will, da die Finanzverwaltung ansonsten gezwungen wäre, jeweils getrennte Aussetzungsentscheidungen für jede einzelne Beteiligung auszusprechen mit der Folge, die jeweiligen Fristen getrennt überwachen zu müssen.
Gegen die von der Klägerin vorgenommene Auslegung der Aussetzungsverfügung spricht des Weiteren, dass sich die Klagverfahren beim Finanzgericht Hamburg auf die Feststellungsbescheide der Jahre 1976 bis 1979 bezogen, während die Aussetzungsverfügung die Einkommensteuerbescheide der Veranlagungszeiträume 1974 bis 1978 umfasste. Die Hinweise der Klägerin, dass die Diskrepanz darauf zurückzuführen sei, dass unter dem Datum vom 24.02.1992 ein geänderter Feststellungsbescheid für die Jahre 1974 bis 1978 ergangen sei, mag eine Erklärung für die in die Aussetzungsverfügung aufgenommenen Veranlagungszeiträume sein, allerdings ändert dies nichts daran, dass zwischen den in Hamburg anhängigen Streitjahren und der von den Beklagten gewährten Aussetzungsverfügung keine Deckungsgleichheit bestand.
Darüber hinaus macht nach Ansicht des erkennenden Senats der vorliegende Fall deutlich, dass gerade bei der Anfechtung von Feststellungsbescheiden nicht davon ausgegangen werden kann, dass automatisch mit der Rücknahme der Klage eines Beteiligten davon ausgegangen werden kann, dass die von dem Wohnsitzfinanzamt gewährte Aussetzung der Vollziehung mit dem Eingang der Rücknahmeerklärung beim Finanzgericht endete. Gerade in den Fällen der Publikumsgesellschaften, bei denen eine Vielzahl von Personen die Möglichkeit hat, Klage einzulegen, kann es nicht darauf ankommen, ob einer der Beteiligten seine Klage tatsächlich zurückgenommen hat. Ein für den Erlass eines Folgebescheides zuständiges Finanzamt erhält nicht automatisch Kenntnis davon, wie der Gesamtstand eines Klageverfahrens ist und inwieweit noch Klagen einzelner Gesellschafter anhängig sind. Auch nach Rücknahme der von der Klägerin beim Finanzgericht Hamburg eingelegten Klage gegen die Feststellungsbescheide der P war für das zuständige Wohnsitzfinanzamt nicht unmittelbar ersichtlich, ob noch andere Klagen anhängig waren, welche zu einer Änderung der im Streit befindlichen Feststellungsbescheide führen könnten.
Dies ist auch gerade im vorliegenden Fall ein gewichtiger Punkt, da sich die Mitteilung des Finanzamts Hamburg-Oberalster vom 10.09.1992 ausdrücklich auf diverse Klagen bezog.
Aus den Beschlüssen des Finanzgerichts Hamburg vom 21.07.1993 und 14.07.1993, welche auch der Klägerin zugestellt wurden, ergibt sich, dass eine Vielzahl von Personen Klage gegen die Feststellungsbescheide betreffend P erhoben hatten und längst nicht alle Kläger - wie die Klägerin - ihre Klage zurückgenommen hatten. Dementsprechend musste auch die Klägerin davon ausgehen, dass der Rechtsstreit hinsichtlich der Feststellungsbescheide für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb 1976 bis 1979 der P mit der Rücknahme ihrer Klage nicht erledigt war.
Dementsprechend konnte auch die Klägerin nicht davon ausgehen, dass mit der Rücknahme ihrer Klage die angefochtenen Feststellungsbescheide sämtlich tatsächlich bestandskräftig wurden.
Da dementsprechend die Unterbrechung der Zahlungsverjährung hinsichtlich der Steuerforderungen betreffend die Veranlagungszeiträume 1974, 1977 und 1978 erst mit dem Erlass des Aufhebungsbescheids betreffend die Aussetzung der Vollziehung vom 22.08.2003 endete und somit Zahlungsverjährung nicht eingetreten ist, erübrigen sich Ausführungen zu der Frage, ob die Klägerin gegebenenfalls nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gehindert wäre, sich auf den Eintritt der Zahlungsverjährung zu berufen, wie es der Beklagte vorträgt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO nicht erfüllt sind.
Dieser Beschluss ist nach §§ 68 Abs. 1 Satz 4, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.
Der Streitwert wird auf EUR 14.315,-- festgesetzt.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 2, 52 Abs. 3 GKG. Der Streitwert entspricht der mit der Klage erstrebten Steuerersparnis.
Ende der Entscheidung
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