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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Bremen
Urteil verkündet am 21.05.2008
Aktenzeichen: 2 K 74/07 (1)
Rechtsgebiete: FGO, AO, EStG


Vorschriften:

FGO § 100 Abs. 1 S. 1
FGO § 102
AO § 169 Abs. 2 S. 3
AO § 171 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
AO § 171 Abs. 10
AO § 173 Abs. 2
AO § 191 Abs. 1 S. 1
AO § 191 Abs. 3 S. 2
AO § 191 Abs. 3 S. 4
EStG § 41c Abs. 4 S. 1
EStG § 42d Abs. 1 Nr. 1
EStG § 42d Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Bremen

2 K 74/07 (1)

Haftung für Lohnsteuer

In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Bremen - 2. Senat -

im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung

am 21. Mai 2008

durch

den Präsidenten des Finanzgerichts Hoffmann als Vorsitzenden,

die Richterin am Finanzgericht Dr. Wendt,

den Richter am Finanzgericht Weber,

die ehrenamtliche Richterin W... und

den ehrenamtlichen Richter H...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Klägerin als Arbeitgeberin für Lohnsteuern, Solidaritätszuschläge und evangelische Kirchensteuern (nachfolgend: Lohnabzugsbeträge), die durch Steuerhinterziehungen einer Arbeitnehmerin zu niedrig angemeldet und abgeführt worden waren, in Haftung genommen werden durfte.

Die Klägerin ist eine GmbH. Sie betreibt in Bremen ein ... . Für die Lohnbuchhaltung der Klägerin war in den Jahren 2001 bis 2003 die Personalleiterin K zuständig. Die Lohnsteueranmeldungen für die einzelnen Monate der Jahre 2001 bis 2003 wurden jeweils im Folgemonat beim Beklagten abgegeben.

K manipulierte in den Jahren 2001 bis 2003 die bei der Klägerin für ihre Person geführten Gehaltsabrechnungen und monatlichen Lohnjournale sowie die Banklisten und erreichte hierdurch, dass die Klägerin um insgesamt 43.617,17 EUR zu geringe Lohnabzugsbeträge einbehielt und anmeldete. Die genaue Vorgehensweise von K beschreibt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in einem Aktenvermerk vom 9. Februar 2007. Dieser beruht auf der Diktataufnahme eines Gesprächs mit dem neuen Personalleiter der Klägerin, Herrn L:

"AKTENVERMERK

[...]

Wegen: Ablauf des Betrugsfalles K

1. Arbeitnehmer haben die Möglichkeit, auf der Lohnsteuerkarte vom Finanzamt einen monatlichen oder jährlichen Freibetrag eintragen zu lassen.

Im Lohnprogramm muss man in diesen Fällen den monatlichen oder jährlichen Steuerfreibetrag von der Lohnsteuerkarte übernehmen und der Berechnung der monatlichen Lohnsteuer zugrunde legen.

Als Ergebnis ergibt sich, dass das monatliche Gehalt mit einem geringeren Steuersatz angesetzt wird und weniger Lohnsteuer einbehalten und abgeführt wird. Die Nettoauszahlung erhöht sich entsprechend.

2. Dies hat Frau K für sich selbst getan.

Jedoch war ein Freibetrag für die betreffenden Monate und Jahre auf der entsprechenden Lohnsteuerkarte K nicht eingetragen.

3. Die Eintragung des Freibetrages ist im Lohnprogramm in jedem Monat möglich.

Jedoch kann im Januar eines aktuellen Abrechnungsjahres keine Rückrechnung in das Vorjahr erfolgen, da der Jahresabschluss im Lohnprogramm dies ausschließt.

Soweit man die Eintragung des Freibetrages in einem der Folgemonate vornimmt, kann man veranlassen, dass der Computer den Freibetrag zurückrechnet bis maximal zum Jahresanfang.

Frau K hat dann tatsächlich auch während des Jahres sich immer wieder, und zwar höhere fiktive Freibeträge auf ihrem Lohnkonto und bei der Lohnabrechnung eingetragen.

a) Frau K hat erst einmal den Bestand des Computers so gelassen, dass sie keinen Freibetrag hatte. Insofern hat dann die zutreffende Abrechnung ihres Lohnes immer wieder ergeben, dass für sie auch ein Großteil an Lohnsteuer einbehalten worden sei.

b) Frau K hat sich dann aber während der Abrechnung jeweils monatlich diesen Freibetrag quasi in einer Proberechnung eingegeben mit der Folge, dass der Computer ihr wegen der Höhe des Freibetrages die für den aktuellen Abrechnungsmonat und überwiegend auch in den Vormonaten einbehaltene Lohnsteuer restlos gutgeschrieben hat.

c) Nach Durchführung dieser Gutschrift hat Frau K den Freibetrag sofort wieder storniert, so dass also bei Durchsicht der laufenden Abrechnungen auf ihrem Lohnkonto ein richtiger Lohnsteuereinbehalt angezeigt war. Eine derartige Vorgehensweise war aus heutiger Sicht innerhalb weniger Minuten zu bewerkstelligen.

d) Der Computer wurde immer wieder zurückgestellt auf den richtigen Lohnabrechnungsstand mit der Folge, dass bei jedem weiteren Monat und Eingabe des fiktiven Freibetrages in einem Folgemonat ein immer wieder höherer Lohnsteuerauszahlungsbetrag angefallen ist.

4. Die Auszahlungsmodalitäten sind bei Auszahlung von Löhnen derart, dass der Personalleiter auf einer Diskette den Lohnauszahlungsbetrag für jeden Mitarbeiter ermittelt, diese Diskette wird zur Bank gegeben.

Die Auszahlungsanweisung auf dem Bankkonto erfolgt dann als ein Betrag, der wegen der Diskretion der Gehaltskenntnisse eines jeden Mitarbeiters erst aufgesplittet wird bei der Auszahlung.

a) Frau K hat bei der Erstellung der Diskette sich jeweils die aktuelle und überwiegend auch die in den Vormonaten quasi einbehaltene Lohnsteuer mit ausgezahlt.

b) Frau K war verpflichtet, die Gehaltsauszahlungslisten mit Einzelnachweisungen, die dann als ein Betrag als Diskette zur Bank gegeben worden sind, dem Direktor vorzulegen. Diese Einzelauszahlungslisten hat sie aber derart manipuliert, dass der Gesamtauszahlungsbetrag dem entsprochen hat, was tatsächlich vom Bankkonto insgesamt an Lohn abgebucht worden ist. Auf der Seite, auf der sie mit ihren Gehaltsdaten verzeichnet war, hat sie aber den tatsächlich höheren Auszahlungsbetrag manipuliert, den Betrag also verändert und einen niedrigeren Betrag eingesetzt, den sie bei zutreffendem Lohnlauf erhalten hätte.

c) Man konnte also diese Manipulation nur dann erkennen, wenn man auf dieser Seite des Auszahlungsjournals sämtliche Auszahlungsbeträge addiert hätte und dann festgestellt hätte, dass die Addition der Einzelbeträge auf diesen Computerblättern nicht mit der auf dem letzten Blatt erscheinenden Summenzeile überstimmt.

Auf einem Computerblatt sind ca. 50 Personen aufgeführt. Der Hinterziehungsbetrag von Frau K betrug in einem Fall - das war aber auch der Maximalbetrag - 6.556 EUR. Wenn man unterstellt, dass in der Summenzeile eines Computerblattes ein Betrag erfasst ist von ca. 112.000,00 EUR, so ist tatsächlich nicht erkennbar, dass sich hier tatsächlich ein Betrag von 118.000,00 EUR als Summe hätte ergeben müssen.

d) Frau K hat diese manipulierten Listen dem Direktor vorgelegt, der dann bei Frau K einen Auszahlungsbetrag in der zutreffenden Höhe gesehen hat, die manipulierte Liste und die manipulierte Diskette hat sie dann aber zur Bank gegeben, und ihr ist der höhere Betrag ausgezahlt worden.

e) An Lohnsteuer hat Frau K gemeldet den tatsächlich zutreffenden Lohnsteuerbetrag abzüglich des manipulierten Laufes für ihre Person im Computer, in der ihr die Gutschrift in Folge der Freibeträge aus dem aktuellen Monat und den Vormonaten erteilt wurde.

Frau K hat also die manipulierte Abrechnung mit der für sie hohen Gutschrift dann tatsächlich ausgeführt, anschließend ist natürlich durch die sofortige monatliche Rücksetzung des Computers wiederum ihr Lohnkonto in Ordnung gewesen.

Es hat eine Verschiebung stattgefunden durch die höhere Auszahlung an Frau K, die genau mit dem gleichen Betrag die abzuführende Lohnsteuer gemindert hat.

5. Die Buchhaltung konnte im Prinzip diese Manipulation nicht feststellen, da die Buchhaltung nur den Lohnsteuerauszahlungsbetrag kennt. Die Buchhaltung hätte also bei der Beschäftigtenzahl bei ca. 220 Personen irgendwann im Maximalfall feststellen können, dass eigentlich 6.000,00 EUR Lohnsteuer zu wenig abgeführt wurde und stattdessen 6.000,00 EUR Gehaltszahlung zuviel erfolgt ist. Dies ist aber bei einer monatlichen Lohnsumme von brutto 260.000,00 EUR unmöglich.

Es hätte natürlich auch sein können, dass ein oder mehrere Mitarbeiter tatsächlich Freibeträge in einer Höhe vorgelegt hätten, dass eine Erstattung im Betrag von 6.000,00 EUR in diesem Monat erfolgt wäre.

6. Frau K hat zu ihrem Lohnkonto immer nur die nicht manipulierten Unterlagen genommen.

An manipulierten Unterlagen im Vergleich zu den tatsächlichen Unterlagen lagen lediglich nur noch die Einzellistungen der Lohnauszahlungen gegenüber der Bank vor. Hier war dann erkennbar, dass tatsächlich in den verschiedenen Papierblättern ein Blatt ausgetauscht war und auf diesem Blatt einzig und allein der Lohn Frau K einen anderen Betrag auswies als tatsächlich im Lohnjournal abgelegt.

Um den falschen Übertrag dann zu kaschieren, hat Frau K dieses Blatt mit ihrem Lohnanteil hinsichtlich des Übertrages komplett überklebt und dieses Blatt kopiert, so dass man die überklebte Stelle auf der Kopie nicht erkennen konnte und als Original ansah.

Bei einer Überprüfung, wie dann auch jetzt tatsächlich im Jahre 2006 geschehen, musste man also sämtliche Beträge auf einer Seite addieren, als Übertrag tatsächlich auf der Seite einfügen und dann feststellen, dass auf der nächsten Seite ein anderer Übertrag verzeichnet war.

7. Der Betrugsfall ist durch den Lohnsteuerprüfer des Finanzamtes nur deshalb aufgedeckt worden, da Frau K die Monate März und Oktober 2003 nicht bei den Lohnjournalen abgelegt hat. Aufgrund dessen hat der Lohnsteuerprüfer die Gesellschaft aufgefordert, ihm alle Lohnjournale vorzulegen. Daraufhin sind alle Lohnjournale ausgedruckt worden und erst anhand des Vergleichs dieses Neuausdruckes mit den abgelegten Lohnjournalen ist festgestellt worden, dass eine Differenz bestand bei der abgeführten Lohnsteuer. Der Lohnsteuerprüfer hätte also auch, wenn er sich die Lohnsteuerkarte und die Lohnabrechnung von Frau K nimmt, den Betrug nicht aufgedeckt. Der Lohnsteuerprüfer hätte jeden einzelnen Mitarbeiter hinsichtlich der einbehaltenen Lohnsteuer aufaddieren müssen, um dann festzustellen, dass tatsächlich weniger Lohnsteuer abgeführt worden ist als seine Einzeladdition ergeben hätte.

Der Lohnsteueraußenprüfer hätte die Manipulation bei Ablage aller Lohnjournale nicht aufgedeckt, da es nicht üblich ist, maschinell erstellte Listen und Additionen nochmals manuell nachzurechnen.

8. Eine Verprobung auf Plausibilität, wie z.B. bei der Umsatzsteuer, ist bei der Lohnsteuer nicht möglich. Aufgrund des Vorfalles wurde die Überprüfung durch die A-Hauptverwaltung und den Hauptsachbearbeiter, Herrn H, dahingehend ergänzt, dass die Möglichkeit besteht, die Lohnabrechnungen jedes Personalleiters/Lohnbuchhalters einzusehen und auch sämtliche Läufe, die für diese Person durchgeführt wurden, hinsichtlich der Historie nachzuvollziehen. Dies wird tatsächlich auch in Stichproben durchgeführt.

Die von Frau K durchgeführte Manipulation kann im Prinzip nur der Lohnsachbearbeiter und dies bei der eigenen Person durchführen. "

Im Jahr 2003 fand bei der Klägerin eine Lohnsteuer-Außenprüfung für den Zeitraum 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 2002 statt. Die von der Klägerin geführten Lohn- und Gehaltskonten, Sachkonten und Reisekostenabrechnungen sowie das Kassenbuch wurden stichprobenweise überprüft. Die Manipulationen, die K in den Jahren 2001 und 2002 an den bei der Klägerin für ihre Person geführten Gehaltsabrechnungen und monatlichen Lohnjournalen sowie den Banklisten vorgenommen hatte, wurden dabei nicht aufgedeckt. Der Lohnsteuerprüfer stellte im Prüfungsbericht vom 25. November 2003 fest, dass die Anmeldung der Steuerabzugsbeträge ordnungsgemäß gewesen sei. Lediglich die Pauschalierung der Lohnsteuer nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 EStG für die Abgabe von Mahlzeiten im Betrieb an Arbeitnehmer war nicht ordnungsgemäß. Außerdem wurde der Sachbezugswert für die unentgeltliche Überlassung eines Pkw an die Arbeitnehmerin S zur privaten Nutzung nicht korrekt nach R 31 Abs. 9 LStR 2001 ermittelt und versteuert. Aufgrund dieser Feststellungen ergingen am 2. Dezember 2003 für den Zeitraum 1999 bis 2002 ein Nachforderungsbescheid und ein Haftungsbescheid sowie ein Bescheid über die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung.

Mit Prüfungsanordnung vom 10. Februar 2006 ordnete der Beklagte eine Lohnsteuer-Außenprüfung für den Zeitraum 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2005 bei der Klägerin an. Die Prüfung begann am 20. März 2006. Am 31. März 2006 bemerkte der Prüfer, dass sich hinsichtlich der angemeldeten und entrichteten und der im Rahmen der Prüfung festgestellten Lohnabzugsbeträge für 2003 erhebliche Differenzen ergaben.

Am Freitag, den 7. April 2006 führte der Prüfer wegen seiner Feststellungen ein Gespräch mit der Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamts ... , in dem es um die Frage ging, ob eine Haftung nach § 70 AO in Betracht kommt. Mit E-Mail vom 7. April 2006, 14:18 Uhr teilte die Bußgeld- und Strafsachenstelle dem Prüfer mit, dass sich das Steuerstrafverfahren nach jetzigem Kenntnisstand ausschließlich gegen die Angestellte der Klägerin richten müsse und dass die Erweiterung des Prüfungszeitraums und die entsprechende Prüfung der Altjahre unverzichtbar erscheine.

Mit E-Mail vom 7. April 2006, 17:30 Uhr bat der neue Personalleiter der Klägerin, Herr L, den Prüfer mit folgenden Worten um einen Termin: "ich komme gerade aus unserer Hauptverwaltung und übergebe am 10. April ein Schreiben unserer Steuerabteilung an das Finanzamt Bremen-Mitte, sowie einen Anhangordner zur Erklärung. Könnte ich am 11. April zwischen 8.00 und 9.00 Uhr zu Ihnen kommen und den sachverhalt erklären?". Der Prüfer beantwortete die E-Mail am Montag, den 10. April 2006, 07:56 Uhr und teilte Herrn L mit, dass er ihn "gerne wie gewünscht am Dienstag" aufsuchen könne.

Mit Schreiben vom 7. April 2006, das am 10. April 2006 beim Beklagten einging, zeigte der jetzige Prozessbevollmächtigte der Klägerin dem Beklagten unter Hinweis auf § 41c EStG an, dass K nicht mehr Arbeitnehmerin bei ihr sei und dass K in den Jahren 2002 und 2003 Lohnabzugsbeträge, die in einer per Boten am 10. April 2006 zu übergebenden Anlage aufgeführt seien, zu wenig einbehalten habe. Außerdem teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass etwaige weitere Mindereinbehalte für die Vorjahre zurzeit rekonstruiert würden und diese Mindereinbehalte vorsorglich ebenfalls angezeigt würden. Der Prüfer konnte mit Hilfe der von der Klägerin nachgereichten Unterlagen und den Erläuterungen von Herrn L im weiteren Verlauf der Prüfung feststellen, dass aufgrund der Manipulationen der K für die Jahre 2001 bis 2003 insgesamt 43.671,17 EUR Lohnabzugsbeträge für K zu wenig angemeldet und abgeführt worden waren, und zwar für das Jahr 2001 5.942,15 EUR, für das Jahr 2002 7.581,33 EUR und für das Jahr 2003 30.147,69 EUR. Auf ausdrückliche Nachfrage des Gerichts bestätigte der Beklagte, dass die Anzeige der Klägerin formal ordnungsgemäß i.S.v. R 138 Abs. 2 LStR 2006 war.

Mit Prüfungsanordnung vom 11. April 2006 wurde der Prüfungszeitraum auf die Jahre 1996 bis 2002 erweitert. Die Prüfung wurde insoweit auf die Anmeldung von Lohnabzugsbeträgen beschränkt.

Die Feststellungen des Prüfers fanden Eingang in den Prüfungsbericht vom 28. April 2006. Mit Bescheid vom 4. Mai 2006 nahm der Beklagte die Klägerin gemäß § 42d EStG als Haftungsschuldnerin für die Lohnabzugsbeträge i.H.v. insgesamt 43.671,17 EUR in Anspruch.

Am 17. Mai 2006 legte die Klägerin gegen den Haftungsbescheid vom 4. Mai 2006 Einspruch ein. Sie machte geltend, dass sie nicht nach § 42d EStG hafte, weil sie dem Beklagten unverzüglich mitgeteilt habe, dass K nicht mehr bei ihr beschäftigt sei und die Lohnabzugsbeträge deshalb nicht nachträglich einbehalten werden könnten (§ 42d Abs. 2 i.V.m. § 41c Abs. 4 EStG). Zudem sei die unterbliebene Anmeldung und Abführung der Lohnabzugsbeträge ausschließlich zurückzuführen auf Manipulationen von K, die Steuerhinterziehungen darstellten. Die Lohnabzugsbeträge seien deshalb allein bei K anzufordern. Im Übrigen sei für die Jahre 2001 und 2002 Festsetzungsverjährung eingetreten. Denn im Streitfall seien die Voraussetzungen des § 169 Abs. 2 Satz 3 2. Halbsatz AO dafür, dass nicht die bei Steuerhinterziehungen geltende verlängerte Verjährungsfrist eingreife, erfüllt. Aufgrund der bereits im Jahr 2003 durchgeführten Vorprüfung für die Jahre 2001 und 2002 habe hinsichtlich dieser Jahre auch die Änderungssperre des § 173 Abs. 2 AO dem Erlass des angefochtenen Haftungsbescheids entgegengestanden.

Im Hinblick auf die eigene Haftungsinanspruchnahme schloss die Klägerin am 2. November 2006 mit K eine Ratenzahlungsvereinbarung. Darin verpflichtete sich K, ab November 2006 43.671,17 EUR zuzüglich Zinsen in monatlichen Raten von 400,- EUR an die Klägerin zu leisten. Für den Fall, dass der Rechtsbehelf der Klägerin gegen den Haftungsbescheid ganz oder teilweise erfolgreich sein sollte, war in der Ratenzahlungsvereinbarung vorgesehen, dass sich die Forderung der Klägerin gegen K entsprechend reduzierte. Die Klägerin leitet die von K gezahlten Raten an den Beklagten ohne Anerkennung einer eigenen Zahlungsverpflichtung weiter. K bringt die monatlichen Zahlungen i.H.v. 400,- EUR mit Hilfe ihrer Eltern auf. Sie ist nicht in der Lage, höhere Beträge zu leisten oder zusätzlich Zahlungen an den Beklagten zu erbringen.

Die auf den jeweiligen Lohnsteuerkarten für K als einbehaltene Lohnabzugsbeträge bescheinigten Beträge wurden zu Unrecht bei der Einkommensteuerveranlagung der K für die Jahre 2001 bis 2003 angerechnet. Am 20. November 2006 machte das Finanzamt ... die Anrechnung der Lohnabzugsbeträge auf die Einkommensteuern 2001 bis 2003 rückgängig. Am 30. Januar 2007 erließ der Beklagte gegenüber K für die darüber hinausgehenden Beträge einen Haftungsbescheid gemäß §§ 71, 191 AO. Über den dagegen eingelegten Einspruch vom 9. Februar 2007 wurde im April 2007 entschieden. Der Haftungsbescheid wurde bestandskräftig. K räumte die ihr vorgeworfenen Lohnsteuerhinterziehungen in vollem Umfang ein.

Am 8. März 2007 wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin gegen den Haftungsbescheid vom 4. Mai 2006 als unbegründet zurück.

Die Festsetzungsfrist betrage zwar nach § 191 Abs. 3 i.V.m. § 169 Abs. 2 AO vier Jahre. Sie beginne mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die jeweilige Steueranmeldung abgegeben worden sei. Danach wäre bei Erlass des Haftungsbescheids am 4. Mai 2006 Verjährung eingetreten für die Lohnsteueranmeldungen der Zeiträume bis November 2001. Jedoch ergebe sich aus § 191 Abs. 3 Satz 4 AO, dass dann, wenn die Lohnabzugsbeträge, für die gehaftet werde, noch nicht angemeldet und damit festgesetzt worden seien, die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf der für die Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist ende. Nur eine Steueranmeldung, mit der die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offen gelegt würden, setze die Verjährung in Gang. Im Hinblick auf Lebenssachverhalte, die in der Erklärung nicht erfasst seien, beginne die Verjährung erst mit Ablauf des dritten Jahres, das auf das Kalenderjahr folge, in dem die Steuer entstanden sei (§ 170 Abs. 2 Nr. 1 AO). Die hier in Rede stehenden Sachverhalte seien unstreitig nicht in den Steueranmeldungen der Klägerin erfasst worden (vgl. auch BFH-Urteil vom 14. Januar 1998 X R 84/95, BFHE 185, 111, BStBl II 1999, 203).

Unabhängig davon verlängere sich die Verjährungsfrist nach § 169 Abs. 2 Satz 2 AO im Falle einer Steuerhinterziehung auf 10 Jahre. Die Ausnahmeregelung des § 169 Abs. 2 Satz 3 2. Halbsatz AO greife nicht zugunsten der Klägerin ein. Zwar habe sie keinen Vermögensvorteil aus der Tat erlangt. Sie habe jedoch nicht nachgewiesen, dass sie die im Verkehr erforderliche Sorgfalt zur Verhinderung von Steuerverkürzungen beachtet habe. Da K weder Prokuristin noch Geschäftsführerin gewesen sei und auch keine Kontovollmacht gehabt habe, sei von einem Überwachungsverschulden der Klägerin auszugehen.

Der aufgrund der ersten Lohnsteuer-Außenprüfung ergangene Haftungsbescheid vom 2. Dezember 2003 sei durch den angefochtenen Haftungsbescheid nicht geändert, widerrufen oder ergänzt worden. Das Finanzamt habe vielmehr durch Erlass eines weiteren Haftungsbescheids einen neuen, bisher noch nicht erfassten Lebenssachverhalt gewürdigt (vgl. BFH-Urteil vom 25. Mai 2004 VII R 29/02, BFHE 205, 539, BStBl II 2005, 3 ). Daran sei es nicht deshalb gehindert gewesen, weil zuvor der Vorbehalt der Nachprüfung für die Jahre bis 2002 aufgehoben worden sei. Die erste Lohnsteuer-Außenprüfung stehe dem Erlass des angefochtenen Haftungsbescheids ebenfalls nicht entgegen. Denn die Änderungssperre des § 173 Abs. 2 AO werde auch dann durchbrochen, wenn nicht der Adressat des Bescheids selbst Täter oder Teilnehmer der Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung sei (BFH-Urteil vom 14. Dezember 1994, XI R 80/92, BFHE 176, 308, BStBl II 1995, 293).

Der Haftungsausschluss nach § 42d Abs. 2 i.V.m. § 41c Abs. 4 EStG greife nicht ein. Er setze voraus, dass der Arbeitgeber die nicht vorschriftsmäßige Einbehaltung der Lohnabzugsbeträge selbst erkannt habe (vgl. H 145 LStH). Hieran fehle es im Streitfall.

Da K zu Zahlungen an das Finanzamt nicht in der Lage sei, habe die Klägerin neben K gesamtschuldnerisch in Anspruch genommen werden dürfen. Die Haftung nach § 42d EStG setze kein Verschulden des Arbeitgebers voraus. Zwar sei ein schuldloses Verhalten bei der Ausübung des Ermessens zu berücksichtigen. Das Finanzamt gehe aber von einem Überwachungsverschulden der Klägerin aus. Der Umstand, dass die Klägerin das, was sie an das Finanzamt zu leisten habe, unter Umständen nicht in voller Höhe von K erstattet erhalten werde, hindere ihre Haftungsinanspruchnahme nicht (vgl. BFH-Urteil vom 28. Februar 1973 II R 57/71, BFHE 109, 164, BStBl II 1973, 573).

Am 4. April 2007 hat die Klägerin ihre Klage erhoben. Zur Begründung bezieht sie sich auf ihre Ausführungen im Einspruchsverfahren und fügt hinzu:

Entgegen der Ansicht des Beklagten habe sie die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Vermeidung von Steuerhinterziehungen i.S.v. § 169 Abs. 2 Satz 3 2. Halbsatz AO nicht unterlassen. Dies belege schon die Tatsache, dass der Prüfer bei der ersten Lohnsteuer-Außenprüfung für die Jahre bis 2002 hierzu nichts Gegenteiliges festgestellt habe. Auch die ca. 40 weiteren Prüfer unterschiedlicher Finanzämter hätten in den letzten 10 Jahren in den anderen Betriebsstätten der Klägerin, die im Wesentlichen gleich organisiert gewesen seien und zusammen ca. 5.000 Mitarbeiter gehabt hätten, keine Feststellungen getroffen, die über die Bagatellgrenze hinausgegangen seien. Zum Beweis dieser Behauptungen hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 27. September 2007 einen Beweisantrag gestellt, wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf Bl. ... der Gerichtsakten Bezug genommen wird. Der Exkulpationsmöglichkeit nach § 169 Abs. 2 Satz 3 2. Halbsatz AO stehe § 173 Abs. 2 AO nicht entgegen (vgl. Gerber, DStR 1987, 225).

Der angefochtene Haftungsbescheid erfasse denselben Sachverhalt wie der Haftungsbescheid vom 2. Dezember 2003, der aufgrund der ersten Lohnsteuer-Außenprüfung ergangen sei. Denn der Prüfer habe bei der ersten Prüfung im Rahmen seiner Stichproben geprüft, ob K die Lohnsteuer auf ihre eigenen Lohnbezüge zutreffend einbehalten und abgeführt habe.

Außerdem führe die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung nach einer Außenprüfung auch dann zur Rechtskraft des Bescheids, wenn die Festsetzungsfrist nicht abgelaufen sei.

Im Übrigen wirke die Anzeige nach § 41c EStG haftungsbefreiend. Die von K nicht abgelegten Lohnjournale für die Monate März und Oktober 2003 seien erst nach dem 7. April 2006 ausgedruckt worden. Der Personalleiter der Klägerin, Herr L, und der Prüfer hätten dann anhand dieser Journale zusammen die Differenzen festgestellt.

Der Klägerin beantragt,

den Haftungsbescheid vom 4. Mai 2006 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 8. März 2007 ersatzlos aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte wiederholt seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und weist außerdem darauf hin, dass die Raten i.H.v. 400,- EUR monatlich, die die Klägerin für K an das Finanzamt leiste, im Rahmen der Gesamtschuldnerschaft die Inanspruchnahme der Klägerin minderten. Gleichwohl sei der Haftungsbescheid gegenüber der Klägerin nicht zu ändern, da die Raten bis zum Ergehen der Einspruchsentscheidung nicht auf einen bestandskräftigen Bescheid gezahlt worden seien. Sie seien im Rahmen der Abrechnung zu berücksichtigen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage, über die das Gericht gemäß § 90 Abs. 2 FGO im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet. Der Haftungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

1. Nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet. Haftungsgrundlage im Streitfall ist § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG. Nach dieser Vorschrift haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er einzubehalten (§ 38 Abs. 3 Satz 1 EStG) und abzuführen hat (§ 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind, soweit die Haftung reicht, Gesamtschuldner; das Betriebsstätten-Finanzamt kann die Steuer- bzw. Haftungsschuld nach pflichtgemäßem Ermessen gegenüber jedem Gesamtschuldner geltend machen (§ 42d Abs. 3 Sätze 1 und 2 EStG).

K war in den Streitjahren Arbeitnehmerin der Klägerin. Die Klägerin hat Lohnabzugsbeträge für K i.H.v. insgesamt 43.671,17 EUR zu wenig einbehalten und an den Beklagten abgeführt. Die Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme der Klägerin in dieser Höhe lagen vor.

a) Dem Erlass des angefochtenen Haftungsbescheids vom 4. Mai 2006 stand hinsichtlich der für die Jahre 2001 und 2002 abzuführenden Lohnabzugsbeträge nicht die Änderungssperre des § 173 Abs. 2 AO entgegen.

aa) Nach § 173 Abs. 2 Satz 1 kommt Steuerbescheiden, soweit sie aufgrund einer Außenprüfung ergangen sind, entgegen der Ansicht der Klägerin keine Rechtskraft zu, wohl aber eine erhöhte Bestandskraft. Als Steuerbescheide in diesem Sinne kommen im Streitfall die Lohnsteueranmeldungen in Betracht, welche die Klägerin für die Jahre 2001 und 2002 für ihre Arbeitnehmer abgegeben hatte. Eine Lohnsteueranmeldung steht gemäß § 168 Satz 1 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Es handelt sich um einen zeitraumbezogenen Steuerbescheid, dessen Regelungsinhalt die Entrichtungsschuld des Arbeitgebers für den Anmeldungszeitraum ist und der alle lohnsteuerrechtlich relevanten Vorgänge in diesem Zeitraum umfasst. Ist im Anschluss an eine Lohnsteuer-Außenprüfung der Vorbehalt der Nachprüfung für die den Prüfungszeitraum betreffenden Lohnsteueranmeldungen aufgehoben worden, entfällt die gesetzliche Änderungsmöglichkeit nach § 164 Abs. 2 AO. Infolgedessen darf gemäß § 173 Abs. 2 AO gegenüber dem Arbeitgeber kein den Prüfungszeitraum betreffender Haftungsbescheid mehr ergehen, es sei denn, es liegt eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vor. Denn auch wenn ein bisher zu Unrecht nicht erfasster Sachverhalt erstmals in einem Haftungsbescheid geregelt wird, liegt darin eine Berichtigung der Lohnsteueranmeldung (BFH-Urteil vom 7. Februar 2008 VI R 83/04, BFH/NV 2008, 840, m.w.N.). Im Falle einer Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung wird die Änderungssperre des § 173 Abs. 2 AO allerdings durchbrochen, und zwar selbst dann, wenn nicht der Adressat des Haftungsbescheids selbst Täter oder Teilnehmer der Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung ist. Die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung kann daher auch von einem Dritten begangen worden sein (vgl. BFH-Urteil vom 14. Dezember 1994 XI R 80/92, BFHE 176, 308, BStBl II 1995, 293; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 173 AO Rz 96 m.w.N.).

Im Streitfall fand bereits im Jahr 2003 eine Lohnsteuer-Außenprüfung bei der Klägerin statt, die auch den Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis zum 31. Dezember 2002 umfasste. Aufgrund dieser Prüfung wurde am 2. Dezember 2003 der Vorbehalt der Nachprüfung u.a. für die Lohnsteueranmeldungen der Jahre 2001 und 2002 aufgehoben. Indessen greift im Streitfall die Änderungssperre nicht ein. Denn K hat den objektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO verwirklicht, indem sie auf ihre Gehälter entfallende Lohnabzugsbeträge für die Jahre 2001 und 2002 i.H.v. insgesamt 13.523,48 EUR nicht beim Finanzamt anmeldete. Sie handelte hierbei auch vorsätzlich, da ihr als Personalleiterin bewusst und bekannt war, dass diese Beträge beim Finanzamt anzumelden waren. Wie ihr in dem Aktenvermerk ihres Prozessbevollmächtigten vom 9. Februar 2007 beschriebenes planvolles Vorgehen zeigt, nahm sie den dadurch eintretenden rechtswidrigen Verkürzungserfolg nicht nur billigend in Kauf, sondern strebte ihn an.

bb) Soweit für die Durchbrechung der Änderungssperre im Hinblick auf die einleitenden Worte in § 173 Abs. 2 Satz 1 "Abweichend von Absatz 1" verlangt wird, dass die Tatsachen, aus denen sich die Steuerhinterziehung ergibt, dem Finanzamt erst nachträglich bekannt geworden sind (vgl. BFH-Urteil vom 28. November 1989 VIII R 83/86, BFHE 159, 418, BStBl II 1990, 458), ist auch diese Voraussetzung im Streitfall erfüllt. Die Manipulationen, durch die K verursacht hat, dass auf ihre Gehälter entfallende Lohnabzugsbeträge für die Jahre 2001 und 2002 i.H.v. insgesamt 13.523,48 EUR nicht beim Finanzamt angemeldet wurden, sind dem Beklagten erst im Zusammenhang mit der im Jahr 2006 begonnenen Prüfung für die Folgejahre bekannt geworden.

cc) Soweit auch im Rahmen des § 173 Abs. 2 AO eine Exkulpationsmöglichkeit nach dem Vorbild des § 169 Abs. 2 Satz 3 AO angenommen wird (ablehnend z.B. Loose, in Tipke/ Kruse, a.a.O., § 173 AO Rz 96 m.w.N.), kann die Klägerin hieraus nichts für sich herleiten.

§ 169 Abs. 2 Satz 3 AO sieht für Fälle, in denen die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung weder vom Steuerschuldner noch von einer Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient (Erfüllungsgehilfe), eine Exkulpationsmöglichkeit des Steuerschuldners vor. Nur bei der Begehung der Steuerhinterziehung durch eine Person, die nicht selbst Steuerschuldner und auch nicht Erfüllungsgehilfe des Steuerschuldners ist, kommt der Exkulpationsbeweis in Betracht, dass der Steuerschuldner durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt bzw. die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen nicht unterlassen hat. Erfüllungsgehilfe in diesem Sinne ist jede Person, die mit Wissen und Wollen des Steuerschuldners in dessen steuerlichem Pflichtenkreis tätig wird. Im Rahmen von § 169 Abs. 2 AO muss sich der Steuerschuldner eine Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung seiner Hilfspersonen grundsätzlich wie seine eigene Tat zurechnen lassen, ohne dass er sich auf mangelndes Verschulden bei deren Auswahl berufen kann (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 30. Oktober 1990 VII R 18/88, BFH/NV 1991, 721;vom 4. Mai 2004 VII R 64/03, BFH/NV 2004, 1516, ZfZ 2005, 18 , m.w.N.; BFH-Beschlüsse vom 28. Oktober 2004 VII B 298/03, BFH/NV 2005, 1021;vom 14. Juni 2007 VII B 184/06, BFH/NV 2007, 2053; alle m.w.N.).

Danach stand der Klägerin schon deshalb keine Exkulpationsmöglichkeit zu Gebote, weil es sich bei K um ihre Erfüllungsgehilfin i.S.v. § 169 Abs. 2 Satz 3 AO handelte. Die Klägerin war als Arbeitgeberin nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG verpflichtet, spätestens am zehnten Tag nach Ablauf eines jeden Lohnsteueranmeldungszeitraums dem Betriebsstättenfinanzamt eine Lohnsteueranmeldung einzureichen, in der sie die Summe der im Lohnsteueranmeldungszeitraum von den Arbeitnehmern nach § 38 Abs. 3 EStG einzubehaltenden Lohnsteuer und die nach §§ 40 ff. EStG als eigene Steuerschuld zu übernehmende pauschale Lohnsteuer anzugeben hat. Dieser Pflicht brauchte die Klägerin nicht selbst durch ihre gesetzlichen Vertreter nachzukommen. Sie konnte sich vielmehr zu ihrer Erfüllung auch anderer Personen bedienen. Dies hat sie ausweislich Ziff. 4. e) des Aktenvermerks ihres Prozessbevollmächtigten vom 9. Februar 2007 durch Einschaltung von K getan. Sie bediente sich also K zur Erfüllung ihrer eigenen lohnsteuerlichen Pflichten.

Da die Klägerin keine Exkulpationsmöglichkeit nach § 169 Abs. 2 Satz 3 AO hatte, weil K ihre Erfüllungsgehilfin war, stellt sich nicht die Frage gemäß § 169 Abs. 2 Satz 3 AO, ob die Taten der K darauf beruhen, dass die Klägerin die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat. Auf den Streit der Beteiligten darüber, ob die Klägerin im Verkehr erforderliche Überwachungspflichten verletzt hat, kommt es nicht an. Das Gericht brauchte dem diesbezüglichen Beweisantrag der Klägerin schon deshalb nicht nachzukommen.

b) Der angefochtene Haftungsbescheid vom 4. Mai 2006 bedurfte auch keiner Rechtfertigung durch einen gesetzlichen Korrekturtatbestand. Er erstreckt sich zwar teilweise auf einen Zeitraum, für den bereits am 2. Dezember 2003 ein Haftungsbescheid ergangen war, nämlich den Zeitraum vom 1. Januar 2001 bis zum 31. Dezember 2002. Die beiden Haftungsbescheide erfassen jedoch unterschiedliche Sachverhalte. Der frühere Haftungsbescheid betrifft nur die Ermittlung des Sachbezugswerts für die unentgeltliche Überlassung eines Pkw an die Arbeitnehmerin S zur privaten Nutzung nach R 31 Abs. 9 LStR 2001. Der streitige Haftungsbescheid bezieht sich hingegen auf Lohnabzugsbeträge für K, die aufgrund ihrer Manipulationen, die bei der Vorprüfung unentdeckt geblieben waren, nicht einbehalten und abgeführt worden waren. Aus den Bescheiden im Zusammenhang mit den jeweiligen Prüfungsberichten ergeben sich diese sachlich unterschiedlichen Haftungssachverhalte eindeutig. Da der frühere Haftungsbescheid in seinem Bestand nicht von dem späteren Haftungsbescheid berührt wird, sondern unverändert fort gilt, liegt in dem Erlass des späteren Bescheids keine Rücknahme des früheren Bescheids i.S.v. § 130 AO. Eine entsprechende Anwendung des § 130 Abs. 2 AO kommt nicht in Betracht (BFH-Urteil vom 21. Juni 1989 VI R 31/86, BFHE 157, 377, BStBl II 1989, 909, m.w.N.).

c) Die Klägerin konnte auch nicht allein aufgrund des früheren Haftungsbescheids für den Prüfungszeitraum vom 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 2002 darauf vertrauen, dass für diesen Prüfungszeitraum kein weiterer Haftungsbescheid mehr ergehen werde.

Einem Vertrauensschutz steht das Wesen eines Lohnsteuerhaftungsbescheids entgegen. Durch einen solchen Bescheid werden Verbindlichkeiten gegen den Haftungsschuldner festgesetzt, die sich daraus ergeben, dass der Haftungsschuldner den Haftungstatbestand erfüllt hat. Es wird gehaftet für eine Steuerschuld eines bestimmten Steuerschuldners. Der Haftungsschuldner erfüllt den Haftungstatbestand dadurch, dass er den Lohnsteuerabzug für einen Arbeitnehmer zu einem bestimmten Zeitpunkt aus einem konkreten Lohnzufluss unzutreffend nicht oder zu niedrig durchführt. Die zu verschiedenen Zeiten und aufgrund von verschiedenen Tatumständen entstandenen Haftungsschulden führen zu verschiedenen Haftungsfällen, die nicht voneinander abhängen. Diese unterschiedlichen Haftungsansprüche könnte das Finanzamt in Einzelhaftungsbescheiden festsetzen. In der Praxis werden diese Ansprüche häufig äußerlich in einem Haftungsbescheid zusammengefasst. Diese rein äußerliche Zusammenfassung ändert aber nichts an der rechtlichen Selbständigkeit der einzelnen Haftungsansprüche. Im Hinblick darauf kann einem für den Prüfungszeitraum erlassenen Haftungsbescheid nicht die konkludente Zusage des Finanzamts entnommen werden, dass es bezüglich des Prüfungszeitraums wegen anderer Sachverhalte, insbesondere wegen der Lohnsteuer anderer Arbeitnehmer, keinen weiteren Haftungsbescheid gegen den Arbeitgeber erlassen werde. Die Verhältnisse liegen hier insoweit anders als etwa beim Erlass eines Einkommensteuerbescheids aufgrund einer Außenprüfung, da die Festsetzung der Einkommensteuer alle für die Einkommensteuer maßgebenden Besteuerungsgrundlagen des betreffenden Jahres umfasst (BFH-Urteil vom 4. Juli 1986 VI R 182/80, BFHE 147, 323, BStBl II 1986, 921).

d) Ein Verwertungsverbot greift nicht ein. Denn die dem angefochtenen Haftungsbescheid zugrunde liegenden Tatsachen sind nicht durch eine rechtswidrige Außenprüfung bekannt geworden.

Die Lohnsteuer-Außenprüfung bei der Klägerin im Jahr 2006 beruhte auf zwei Prüfungsanordnungen, die als Verwaltungsakte in vollem Umfang wirksam und bestandskräftig geworden sind. Anhaltspunkte dafür, dass die Prüfungsanordnungen nichtig waren, sind weder von der Klägerin vorgetragen worden noch aus den Akten ersichtlich. Eine etwaige inhaltliche Rechtswidrigkeit hätte die Klägerin durch den Rechtsbehelf des Einspruchs rügen müssen, über den sie in den den Prüfungsanordnungen vom Februar und April 2006 beigefügten Rechtsbehelfsbelehrungen zutreffend belehrt worden ist. Mangels rechtzeitiger Einspruchseinlegung dürfen alle aufgrund dieser Prüfungsanordnungen ermittelten Tatsachen verwertet werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 24. Juni 1982 IV B 3/82, BFHE 136, 192, BStBl II 1982, 659;vom 4. Oktober 1991 VIII B 93/90, BFHE 165, 339, BStBl II 1992, 59;vom 28. Juni 2007 V B 174/05, BFH/NV 2007, 1807; alle m.w.N.).

e) Der Beklagte war auch nicht wegen Ablaufs von Festsetzungsfristen gehindert, die Klägerin wegen der Lohnabzugsbeträge für K in Haftung zu nehmen.

aa) Die für einen Haftungsbescheid maßgebliche Festsetzungsfrist beträgt grundsätzlich vier Jahre (§ 191 Abs. 3 Satz 2 AO). Nach § 191 Abs. 3 Satz 4 AO verlängert sich der Ablauf dieser Festsetzungsfrist. Die erste Alternative der Vorschrift betrifft den Fall, dass die Steuer, für die gehaftet wird (Erstschuld), noch nicht festgesetzt worden ist. In diesem Fall endet die Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid nicht vor Ablauf der für die Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist. Für den anderen Fall, dass die Erstschuld bereits festgesetzt wurde, gilt nach der in § 191 Abs. 3 Satz 4 AO enthaltenen zweiten Alternative § 171 Abs. 10 AO sinngemäß. Der Steuerbescheid wirkt dann für den Haftungsbescheid wie ein Grundlagenbescheid (BFH-Beschluss vom 4. September 2002 I B 145/01, BFHE 199, 95, BStBl II 2003, 223 ). Hierdurch wird erreicht, dass der Haftungsbescheid gleichsam wie ein Folgebescheid zum Steuerbescheid noch innerhalb zweier Jahre nach Erlass des entsprechenden Steuerbescheids erlassen werden kann.

Die steuerliche Festsetzungsfrist beginnt im Allgemeinen mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO). Ist gesetzlich die Abgabe einer Steueranmeldung vorgeschrieben, wie bei der Lohnsteuer (§ 41a EStG), beginnt die Frist nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO erst mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steueranmeldung beim Finanzamt eingereicht wird. Dass die Lohnsteueranmeldung vom Arbeitgeber und nicht vom Arbeitnehmer als dem Schuldner der Lohnabzugsbeträge abzugeben ist, ist für die Anwendbarkeit des § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO unbeachtlich (ständige BFH-Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 7. Februar 2008 VI R 83/04, BFH/NV 2008, 840, m.w.N.). Werden somit Lohnsteueranmeldungen entsprechend § 41a Abs. 1 Satz 1 EStG am 10. Tag des Folgemonats abgegeben, beginnt die Festsetzungsfrist für Lohnzuflüsse von Januar bis November mit Ablauf des Zuflussjahres und für Dezember mit Ablauf des Folgejahres (BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 840).

bb) Nach diesen Grundsätzen wurde der angefochtene Haftungsbescheid fristgerecht erlassen.

K hatte als Erfüllungsgehilfin der Klägerin Lohnabzugsbeträge i.H.v. insgesamt 43.671,17 EUR hinterzogen, so dass für die Klägerin keine Exkulpationsmöglichkeit gemäß § 169 Abs. 2 Satz 3 AO besteht (s.o.). Für die Lohnabzugsbeträge als Erstschulden lief damit jeweils eine zehnjährige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO). Diese begann für die Lohnzuflüsse von Januar bis November 2001 jeweils mit Ablauf des Jahres 2001 und endet am 31. Dezember 2011. Für die Lohnzuflüsse von Dezember 2001 und von Januar bis November 2002 begann die Festsetzungsfrist jeweils mit Ablauf des Jahres 2002 und endet am 31. Dezember 2012; für die Lohnzuflüsse von Dezember 2002 und von Januar bis November 2003 begann sie jeweils mit Ablauf des Jahres 2003 und endet am 31. Dezember 2013. Da die hinterzogenen Lohnabzugsbeträge i.H.v. insgesamt 43.671,17 EUR nicht in den Lohnsteueranmeldungen der Klägerin für die Jahre 2001 bis 2003 enthalten waren und auch die Anrechnungen bei den Einkommensteuerveranlagungen von K aufgrund der unrichtigen Eintragungen in den Lohnsteuerkarten durch das Finanzamt ... erst am 20. November 2006 rückgängig gemacht wurden, lag im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Haftungsbescheids im Mai 2006 keine Festsetzung der Lohnabzugsbeträge als Erstschulden i.S.v. § 191 Abs. 3 Satz 4 1. Alternative AO vor. Zu diesem Zeitpunkt liefen daher noch die nach dieser Vorschrift gehemmten jeweiligen Fristen für den Erlass eines Haftungsbescheids.

f) Die Haftungsinanspruchnahme der Klägerin war auch nicht nach § 42d Abs. 2 EStG i.V.m. § 41c Abs. 4 Satz 1 EStG ausgeschlossen.

Nach Halbsatz 1 des § 41c Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 41c Abs. 1 Nr. 2 1. Alternative, § 42d Abs. 2 EStG darf der Arbeitgeber nicht als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden, wenn er erkennt, dass er die Lohnabzugsbeträge bisher nicht vorschriftsmäßig einbehalten hat, er von seiner Berechtigung zur nachträglichen Einbehaltung von Lohnsteuer keinen Gebrauch machen will und er dies dem Finanzamt unverzüglich anzeigt. Der Haftungsausschluss tritt auch dann ein, wenn der Arbeitgeber von seiner Berechtigung zur nachträglichen Einbehaltung von Lohnsteuer keinen Gebrauch machen kann, weil der Arbeitnehmer von ihm Arbeitslohn nicht mehr bezieht, und er dies dem Betriebsstättenfinanzamt unverzüglich anzeigt (Halbsatz 2 Nr. 2 des § 41c Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 42d Abs. 2 EStG). In diesen Fällen hat das Betriebsstättenfinanzamt die zu wenig erhobenen Lohnabzugsbeträge vom Arbeitnehmer nachzufordern (§ 41c Abs. 4 Satz 2 EStG).

Im Streitfall hat die Klägerin dem Beklagten im April 2006 die nicht vorschriftsmäßige Einbehaltung von Lohnabzugsbeträgen für K unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern nach Erkennen der nicht vorschriftsmäßigen Einbehaltung durch ihre gesetzlichen Vertreter so umfassend angezeigt, dass der Beklagte in der Lage war, die zu wenig erhobenen Lohnabzugsbeträge von K nachzufordern. Zum Zeitpunkt der Anzeige war K bereits nicht mehr Arbeitnehmerin der Klägerin, so dass die Klägerin die Lohnabzugsbeträge nicht mehr bei der Lohnzahlung nachträglich einbehalten konnte. Allerdings wusste K von Anfang an um die nicht vorschriftsmäßige Einbehaltung der Lohnabzugsbeträge. Da K Erfüllungsgehilfin der Klägerin war (s.o.), ist fraglich, ob ein Haftungsausschluss nach § 42d Abs. 2 EStG i.V.m. § 41c Abs. 4 Satz 1 EStG zugunsten der Klägerin nicht schon an der von Anfang an vorhandenen positiven Kenntnis von K scheitert. Bezogen auf die Kenntnis von K war die Anzeige der Klägerin nicht unverzüglich, sondern verspätet.

Über die Frage, auf wessen Kenntnis es ankommt, braucht das Gericht jedoch nicht abschließend zu entscheiden. Denn nach Auffassung des Gerichts ist kein vernünftiger Grund ersichtlich, warum allein deshalb die Haftung entfallen sollte, weil der Arbeitgeber die Finanzbehörde über den Haftungstatbestand informiert und der Arbeitnehmer von ihm Arbeitslohn nicht mehr bezieht (Fallkonstellation des § 41c Abs. 1 Nr. 2 1. Alternative EStG i.V.m. § 41c Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2). § 42d Abs. 2 EStG ist deshalb nach Auffassung des Gerichts einschränkend dahin auszulegen, dass die Anzeige die Arbeitgeberhaftung nur entfallen lässt, wenn ein Tatbestand i.S.v. § 41c Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 41c Abs. 1 Nr. 2 2. Alternative EStG, § 41c Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 1 EStG oder § 41c Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 3 EStG vorliegt. Dies muss nach Ansicht des Gerichts jedenfalls gelten, wenn der Arbeitgeber nicht aus eigenem Antrieb, sondern erst aufgrund von Hinweisen oder Feststellungen des Lohnsteuerprüfers im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung die fehlerhafte Behandlung anzeigt (vgl. Blümich/Heuermann, Stand: März 2004, § 41c EStG Rz 14, mit weiteren Nachweisen auch zur gegenteiligen Auffassung; Mösbauer, FR 1995, 173, 176). Denn dann ist die von § 41c EStG bezweckte zeitnahe Herstellung rechtmäßiger Zustände auch ohne Anzeige gewährleistet (Blümich/Heuermann, a.a.O.). So lag es im Streitfall. Aus der E-Mail der Bußgeld- und Strafsachenstelle vom 7. April 2006 an den Prüfer und insbesondere aus Ziff. 7 des Aktenvermerks des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 9. Februar 2007 ergibt sich, dass der Prüfer den "Betrugsfall" aufgedeckt hat. Hieran ändert nichts, dass die Klägerin anschließend bei der Aufklärung der Einzelheiten im Rahmen der fortdauernden Lohnsteuer-Außenprüfung pflichtgemäß mitgewirkt, am 10. April 2006 dem Prüfer Unterlagen vorgelegt und der Prüfer dann zusammen mit dem Personalleiter der Klägerin die Differenzen festgestellt hat.

2. Der nach § 102 FGO zu überprüfende Haftungsbescheid ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind oder weil von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Die Ermessensentscheidung des Beklagten ist im Haftungsbescheid in Verbindung mit der Einspruchsentscheidung (§ 121 Abs. 1, § 126 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 AO) ausreichend begründet worden. Der Beklagte hat hierzu ausgeführt, dass die Klägerin neben K gesamtschuldnerisch in Anspruch genommen werde, weil K zu Zahlungen an das Finanzamt nicht in der Lage sei. Das Finanzamt bleibt im Rahmen seines billigen Ermessens, wenn es den Arbeitgeber als Gesamtschuldner neben dem Arbeitnehmer in Anspruch nimmt, weil die Steuer vom Arbeitnehmer nicht zu bekommen ist (BFH-Urteil vom 10. Januar 1964 VI 262/62, BFHE 78, 560, BStBl III 1964, 213; Blümich/ Heuermann, § 42d EStG Rz 111). Dass der Beklagte die hinterzogenen Lohnabzugsbeträge von K derzeit nicht in voller Höhe erlangen kann, weil sie zu weiteren Zahlungen finanziell nicht in der Lage ist, ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

Der Beklagte brauchte die Haftungsinanspruchnahme der Klägerin nicht zu reduzieren im Hinblick auf die monatlichen Ratenzahlungen i.H.v. 400,- EUR, die K ab November 2006 an die Klägerin leistete und die die Klägerin ohne Anerkennung einer eigenen Zahlungsverpflichtung an den Beklagten weiterleitete. Zwar hat das Finanzamt bei der Einspruchsentscheidung gegen einen Haftungsbescheid Zahlungen auf die Steuerschuld durch einen anderen Haftungsschuldner zu berücksichtigen, wenn der gegen den letzteren ergangene Haftungsbescheid bestands- bzw. rechtskräftig geworden ist. Zahlungen des anderen Gesamtschuldners während des Klageverfahrens führen hingegen nicht zur Herabsetzung des Haftungsbetrags (BFH-Urteil vom 17. Oktober 1980 VI R 136/77, BFHE 131, 449, BStBl II 1981, 138). Im Streitfall war der gegenüber K erlassene Haftungsbescheid nicht vor Erlass der Einspruchsentscheidung am 8. März 2007 bestandskräftig geworden. Denn der Beklagte hat über den von K am 9. Februar 2007 eingelegten Einspruch gegen den ihr gegenüber erlassenen Haftungsbescheid vom 30. Januar 2007 erst im April 2007 entschieden.

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Klärungsbedürftig und klärbar ist die in der Literatur umstrittene und höchstrichterlich noch nicht entschiedene Rechtsfrage, ob der Haftungsausschluss nach § 42d Abs. 2 EStG i.V.m. § 41c Abs. 4 EStG dann nicht eingreift, wenn der Arbeitgeber erst aufgrund von Hinweisen des Lohnsteuerprüfers im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung die nicht vorschriftsmäßige Einbehaltung von Lohnabzugsbeträgen erkennt und anzeigt.

Ende der Entscheidung

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