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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Bremen
Urteil verkündet am 18.10.2006
Aktenzeichen: 3 K 87/05 (5)
Rechtsgebiete: GewStG, KStG, AktG


Vorschriften:

GewStG § 2 Abs. 2 S. 2
KStG § 14
KStG § 17
AktG § 291
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Bremen

3 K 87/05 (5)

Gewerbesteuermessbetrag 2002

In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Bremen - 3. Senat -

aufgrund mündlicher Verhandlung vom 18. Oktober 2006

durch

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob durch den zwischen der Klägerin, einer GmbH, und der X-KG geschlossenen Gewinnabführungsvertrag vom 19.12.2001 eine gewerbesteuerlich anzuerkennende Organschaft begründet wurde.

Unternehmensgegenstand der mit notariell beurkundetem Gesellschaftsvertrag vom 08.08.1975 gegründeten Klägerin sind ..... Die Gesellschafterversammlung beschloss am 18.10.2000, das Wirtschaftsjahr vom 01.10. eines Jahres bis zum 30.09. des Folgejahres auf das Kalenderjahr umzustellen.

Die X-KG erwarb bis Januar 2001 sämtliche Anteile an der Z-GmbH und an der Y-AG.

Im März 2001 wurde ein Vertrag über die Gewinnabführung von der Y-AG an die X-KG entworfen, um eine handels- und steuerrechtliche Ergebnisverrechnung zu erreichen. Um eine kurzfristige Verrechnung zu erreichen, wurde eine Umstellung des Wirtschaftsjahres der Y-AG auf den Zeitraum 01.04. bis 31.03 des Folgejahres erwogen. Der Entwurf des Gewinnabführungsvertrages sah folgende Regelung zur Vertragsdauer vor:

§ 4

Wirksamwerden und Vertragsdauer

(1) Der Vertrag wird unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Gesellschafterversammlungen von X-KG und Y-AG geschlossen. Er wird wirksam mit der Eintragung in das Handelsregister der Y-AG und gilt - mit Ausnahme des Weisungsrechts nach § 1 - für die Zeit ab dem 1. April 2001 (oder 01.01.2001 (?)).

(2) Der Vertrag kann erstmals zum Ablauf des 31. März 2006 unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten gekündigt werden. Wird er nicht gekündigt, so verlängert er sich bei gleicher Kündigungsfrist um jeweils ein Kalenderjahr.

(3) Das Recht zur Kündigung des Vertrags aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist bleibt unberührt. Auf Abschnitt 55 Abs. 7 KStR wird entsprechend verwiesen.

(4) Wenn der Vertrag endet, hat X-KG den Gläubigern der Y-AG gemäß § 303 AktG ggfs. Sicherheit zu leisten.

Zum 01.04.2001 wurde noch kein Gewinnabführungsvertrag zwischen der X-KG und der Y-AG geschlossen.

Am 21.06.2001 schloss die X-KG mit der Z-GmbH, die ein abweichendes Wirtschaftsjahr vom 01.07 eines Jahres bis zum 30.06. des Folgejahres hatte, einen Gewinnabführungsvertrag. Er enthält folgende Regelung zur Vertragsdauer:

§ 4

Wirksamwerden und Vertragsdauer

(1) Der Vertrag wird unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Gesellschafterversammlungen von X-KG und Z geschlossen. Er wird wirksam mit der Eintragung in das Handelsregister der Z-GMBH und gilt rückwirkend für die Zeit ab dem 1. Juli 2001, 0.00 Uhr.

(2) Der Vertrag kann erstmals zum Ablauf des 30. Juni 2006 unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten gekündigt werden. Wird er nicht gekündigt, so verlängert er sich bei gleicher Kündigungsfrist bis zum Ende des nächsten Wirtschaftsjahres.

(3) Das Recht zur Kündigung des Vertrags aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist bleibt unberührt. Auf Abschnitt 55 Abs. 7 KStR wird entsprechend verwiesen.

(4) Wenn der Vertrag endet, hat X-KG den Gläubigern der Y-AG gemäß § 303 AktG ggfs. Sicherheit zu leisten.

Zum 01.01.2002 wurde zwischen der X-KG und der Y-AG ein Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen. Er weist folgende Regelung zur Vertragsdauer auf:

§ 4

Wirksamwerden und Vertragsdauer

(1) Dieser Vertrag wird unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Gesellschafterversammlungen von X-KG und Y-AG geschlossen. Er wird wirksam mit der Eintragung in das Handelsregister und gilt - mit Ausnahme des Weisungsrechts nach § 1 - für die Zeit ab dem 1. Januar 2002.

(2) Dieser Vertrag kann erstmals zum Ablauf des 31. März 2006 unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten gekündigt werden. Wird er nicht gekündigt, so verlängert er sich bei unveränderter Kündigungsfrist bis zum Ende des nächsten Geschäftsjahres der Y-AG.

(3) Das Recht zur Kündigung des Vertrags aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist bleibt von der Regelung des vorstehenden Abs. 2 unberührt. Auf Abschnitt 55 Abs. 7 KStR wird verwiesen.

(4) Endet der Vertrag, hat X-KG den Gläubigern der Y-AG gemäß § 303 AktG ggfs. Sicherheit zu leisten.

Die X-KG erwarb mit notariell beurkundetem Vertrag vom 29.06.2001 sämtliche Anteile an der Klägerin. Am 19.12.2001 schloss sie mit der Klägerin den streitgegenständlichen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, der folgende Regelung enthält:

§ 4

Wirksamwerden und Vertragsdauer

(1) Dieser Vertrag wird unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Gesellschafterversammlungen von X-KG und (der Klägerin) geschlossen. Er wird wirksam mit der Eintragung in das Handelsregister und gilt - mit Ausnahme des Weisungsrechts nach § 1 - für die Zeit ab dem 1. Januar 2002.

(2) Dieser Vertrag kann erstmals zum Ablauf des 31. März 2006 unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten gekündigt werden. Wird er nicht gekündigt, so verlängert er sich bei unveränderter Kündigungsfrist bis zum Ende des nächsten Geschäftsjahres der (Klägerin).

(3) Das Recht zur Kündigung des Vertrags aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist bleibt von der Regelung des vorstehenden Abs. 2 unberührt. Auf Abschnitt 55 Abs. 7 KStR wird entsprechend verwiesen.

(4) Wenn der Vertrag endet, hat X-KG den Gläubigern der (KLÄGERIN) gemäß § 303 AktG ggfs. Sicherheit zu leisten.

Mit Schreiben vom 01.03.2002 bat die Klägerin unter Hinweis auf eine mit Wirkung zum 01.01.2002 bestehende gewerbesteuerliche Organschaft der Klägerin als Organgesellschaft und der X-KG als Organträgerin um Herabsetzung der bisher für 2002 festgesetzten Gewerbesteuerzahlungen auf EUR 0,00. Mit Schreiben vom 27.10.2003 übersandte sie dem Beklagten eine Kopie des notariell beurkundeten Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages. Der Beklagte wies die Klägerin mit Schreiben vom 30.10.2003 darauf hin, dass wegen des in § 4 des Vertrages bestimmten erstmaligen Kündigungsrechts zum 31.03.2006 nicht die nach § 14 Nr. 3 Körperschaftsteuergesetz (KStG) erforderliche Mindestlaufzeit des Vertrages von fünf Jahren erreicht werde. Die Klägerin teilte unter dem 19.11.2003 mit, dass die Datumsangabe in dem Vertrag auf der versehentlichen Übernahme eines Textbausteins aus einem Vertragsentwurf, dem ein abweichendes Wirtschaftsjahr zu Grunde gelegen habe, beruhe.

Am 11.12.2003 schlossen die X-KG und die Klägerin - wie auch die X-KG und die Y-AG - hinsichtlich des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages folgende als "Klarstellender Nachtrag zum Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vom 22.11.2001" bezeichnete Vereinbarung ab:

(KLÄGERIN) und X-KG haben am 19. Dezember 2001 einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit (Klägerin) als beherrschtem und X-KG als herrschendem Unternehmen abgeschlossen.

Die Parteien waren sich darüber einig, dass der vorgenannte Vertrag abgeschlossen werden sollte, um eine steuerliche Organschaft ab dem 1. Januar 2002 herzustellen. Zur Herstellung einer steuerlichen Organschaft bedarf es gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 3 KStG eines auf mindestens fünf Jahre abgeschlossenen Gewinnabführungsvertrages. Der Aufbau des § 4 des Vertrages sieht in seinen Absätzen (1) und (3) dementsprechend eine Beendigung nur zum Ende eines Geschäftsjahres vor. Der Hinweis auf die rein körperschaftsteuerlich bedeutsame Vorschrift des Abschn. 55 Abs. 7 KStR belegt, dass eine Beendigung nur ohne steuerschädliche Wirkung erfolgen soll. Dennoch ist in § 4 Abs. (2) versehentlich als Zeitpunkt, zu dem erstmals gekündigt werden kann, der 31. März 2006 (statt dem 31. Dezember 2006) genannt worden. Insoweit liegt eine falsche Bezeichnung vor, die im Widerspruch zum gesamten Parteiwillen, dem sonstigen Inhalt sowie zum Zweck des Vertrages steht.

Dementsprechend wird der Wortlaut des § 4 Abs. (2) Satz 1 des Vertrages dahingehend klargestellt, daß § 4 Abs. (2) Satz 1 des Vertrages nunmehr lautet:

"Dieser Vertrag kann erstmals mit Ablauf des 31. Dezember 2006 unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten gekündigt werden."

Die Beteiligten setzten sich in der Folgezeit schriftsätzlich und in Besprechungen mit den jeweiligen unterschiedlichen Auffassungen zur Auslegung des Gewinnabführungsvertrages auseinander.

Der Beklagte kam zu dem Ergebnis, dass mit der im Gewinnabführungsvertrag bestimmten Mindestlaufzeit nicht die in § 14 Abs. 1 Nr. 3 KStG erforderliche Mindestlaufzeit von fünf Jahren vereinbart worden sei und erkannte dementsprechend ein Organschaftsverhältnis im Streitjahr nicht an, sondern behandelte im Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 2002 vom 31.01.2005 die Abführung des Einkommens an die X-KG als verdeckte Gewinnausschüttung.

Mit Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag vom 03.02.2005 für das Jahr 2002 setzte der Beklagte den Gewerbesteuermessbetrag für die Klägerin mit EUR fest.

Am 01.03.2005 hat die Klägerin ihre Klage als Sprungklage, der der Beklagte am 23.03.2005 zugestimmt hat, erhoben.

Im Einverständnis mit den Beteiligten ist mit Beschluss vom 27.04.2005 3 K 22/05 (5) das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung in der Körperschaftsteuersache 1 K 46/05 (6) angeordnet worden. In dem Verfahren ist die Klage mit Urteil des 1. Senats vom 07.07.2005 1 K 46/05, EFG 2005, 1554 abgewiesen worden. Nachdem die Klägerin die Nichtzulassungsbeschwerde am 10.10.2005 zurückgenommen hatte, ist das Verfahren mit BFH-Beschluss vom 31.10.2005 I B 111/05 eingestellt worden. Die Klägerin hat danach in diesem Verfahren umfangreich vorgetragen und ihre Auffassung mit einem Rechtsgutachten von Prof. ...... untermauert (Bl. 107 - 146 GA).

Sie meint, dass die Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung des Gewinnabführungsvertrages gemäß §§ 17, 14 Abs. 1 Nr. 3 KStG erfüllt seien. Zwar weise die Vertragsurkunde eine Laufzeit aus, die unterhalb von fünf Jahren liege; dies sei aber eindeutig auf ein Versehen zurückzuführen und entspreche nicht dem Willen der Vertragsschließenden.

Die Entstehung des vorliegenden Fehlers lasse sich eindeutig aus dem Gesamtzusammenhang nachweisen. In der Annahme, der Gewinnabführungsvertrag mit der Y-AG sei entsprechend der beabsichtigten körperschaftsteuerlichen Rechtsfolge zutreffend formuliert worden, sei er dem hier zu beurteilenden Vertrag zwischen der Klägerin und der X-KG wortgleich zu Grunde gelegt worden. In den Vertrag mit der Y-AG sei der Fehler gelangt, weil ursprünglich nur zu entscheiden gewesen sei, ob der Vertrag mit dem 01.01.2001 oder aber dem 01.04.2001 unter Bildung eines abweichenden Wirtschaftsjahres habe wirksam werden sollen. Dementsprechend sei die Mindestlaufzeit bis zum 30.03.2006, also unter Einhaltung der 5-Jahresfrist, im Entwurf niedergelegt worden. Als sich der Vertragsabschluss verzögert habe, sei auf die Bildung eines abweichenden Wirtschaftsjahres verzichtet und der Beginn des Vertrages auf den 01.01.2002 verlegt worden. Selbstverständlich wäre hier auch die Mindestlaufzeit von 5 Jahren entsprechend auf den 31.12.2006 zu ändern gewesen. Dies sei aber unterblieben. Hierbei habe es sich um ein Versehen gehandelt.

Daraus, dass der Gewinnabführungsvertrag zwischen der Z-GmbH und der X-KG ohne das den anderen Verträgen anhaftende Versehen abgeschlossen worden sei, ergebe sich, dass den Beteiligten bewusst gewesen sei, wie ein solcher Vertrag inhaltlich ausgestaltet werden müsse. Alle Personen, die an dem Gewinnabführungsvertrag mitgewirkt hätten, hätten diesen mit einer Mindestlaufzeit von 5 Jahren ausgestalten wollen.

Die Korrektur von Fehlern unter dem Gesichtspunkt der Vertragsauslegung folge dem in § 129 AO zum Ausdruck kommenden Grundsatz, steuerrechtliche Rechtsfolgen an wirtschaftliche Sachverhalte anzuknüpfen und nicht von zufälligen Bearbeitungsfehlern abhängig zu machen. Die Anknüpfung eines Steueranspruchs an einen Bearbeitungsfehler widerspräche dem Grundverständnis des Steuerrechts.

Im bürgerlichen Recht gelte der Grundsatz, dass Wortlaut einer Erklärung keine Grenze für die Auslegung bilde. Das Schrifttum spreche in diesem Zusammenhang sogar von einem Verbot der Wortinterpretation. Der Vorrang des Parteiwillens vor dem Wortlaut werde generell mit dem Grundsatz "falsa demonstratio non nocet" beschrieben. Beispiele seien die Korrektur reiner Redaktionsfehler oder Büroversehen, unabhängig davon, um was für einen Vertrag es sich handele.

Nach dem auch bei formbedürftigen Rechtsgeschäften anzuwendenden allgemein anerkannten Auslegungsgrundsatz "falsa demonstratio non nocet" sei das versehentlich nicht angepasste Datum 31.03.2006 als die Vereinbarung des erstmaligen Kündigungsrechts zum 31.12.2006 anzuerkennen.

Der Anwendung der falsa demonstratio stehe nicht entgegen, dass es sich bei dem Gewinnabführungsvertrag um ein formbedürftiges Rechtsgeschäft handele. Entscheidend sei, ob die Parteien annähmen, das von ihnen übereinstimmend Gewollte sei - wenn auch nicht mit ausdrücklichen Worten - implizit in der Urkunde enthalten. Soweit der Wortlautinterpretation bei förmlichen Rechtsgeschäften der Vorrang eingeräumt werde, handele es sich um eine unter dem Stichwort "Andeutungstheorie" verbreitete Lehre, die im älteren Schrifttum verbreitet gewesen sei. Soweit sie sich auf Rechtsprechung beziehe, gehe es meist um letztwillige Verfügungen, bei denen der Rechtsanwender die erklärenden Personen naturgemäß nicht mehr fragen könne. So habe der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 09.04.1981 IVa ZB 6/80, BGHZ 80, 246 den klaren und eindeutigen Wortlaut als Grenze für die Auslegung eines Testaments betont. Es könne aber keine Rede davon sein, dass die Rechtsprechung nach wie vor grundsätzlich der Andeutungstheorie folge, sondern das Vergreifen im Ausdruck sei auch bei formbedürftigen Rechtsgeschäften unter Geltung des BGB immer unschädlich gewesen. Der BGH habe in einer Fülle von Entscheidungen immer wieder hervorgehoben, dass der klare und eindeutige Wortlaut keineswegs eine Grenze für die Auslegung gebiete.

Die Kündigungsregelung in § 4 Abs. 2 des Gewinnabführungsvertrages sei nicht revisibel bzw. objektiviert auszulegen, weil dritte Personen nicht Adressaten dieser Kündigungsregelung gewesen seien.

Zwar gehe die Rechtsprechung davon aus, dass die allgemeinen Auslegungsgrundsätze für die Auslegung von körperschaftlichen Satzungsbestimmungen eingeschränkt seien, da Rücksicht auf dritte Personen, für die solche Satzungsregelungen ebenfalls bestimmt seien, zu nehmen sei. Doch beträfen alle Entscheidungen des Reichsgerichts und des BGH insoweit Sachverhalte, in denen Streit zwischen den Beteiligten über eine Auslegungsfrage bestanden habe. Fälle einer falsa demonstratio, bei denen eindeutig feststehe, was die Vertragschließenden einer körperschaftlichen Regelung gewollt, aber anders formuliert hätten, seien bislang von der Rechtsprechung noch nicht entschieden worden.

Auch Organschaftsverträge richteten sich auf Grund ihrer Rechtsfolgen nicht nur an die Vertragschließenden, sondern auch an dritte Personen wie Gläubiger und künftige Gesellschafter. Soweit Regelungen in solchen Verträgen dritte Personen angingen, müsse die Vertragsauslegung revisibel, d.h. einheitlich für alle bzw. objektiviert erfolgen. Umstände, die für Dritte in keiner Weise erkennbar seien, dürften die Auslegung solcher dritte Personen betreffenden Klauseln in einem Gesellschafts- oder Unternehmensvertrag nicht bestimmen. Diese Einschränkung der allgemeinen Auslegungsregeln im Sinne einer objektiven Auslegung erfordere ein besonderes Schutzbedürfnis. Maßgeblich sei allein, ob die Auslegung außerhalb des Wortlauts eine Regelung betreffe, die sich auch an Dritte wende und ob deren Vertrauen in den Wortlaut der Regelung eine solche Auslegung verbiete.

Die Kündigungsregelung des § 4 Abs. 2 des Gewinnabführungsvertrages müsse nicht revisibel ausgelegt werden, da sie sich nicht auch an dritte Personen wende. Das Recht zur ordentlichen Kündigung stehe nämlich dritten Personen nicht zu, auch nicht künftigen Gesellschaftern der Vertragsparteien. Dies unterscheide die streitgegenständliche Regelung von Kündigungsregeln für Gesellschafter in GmbH-Satzungen. Zwar könne es für Gläubiger und künftige Gesellschafter von Gesellschaften, die einen Gewinnabführungsvertrag geschlossen hätten, von Interesse sein, ob und wann dieser durch Kündigung beendet werden könne. Sie könnten aber nicht auf eine Kündigung zu einem bestimmten Zeitpunkt vertrauen, wenn ihnen selbst ein Kündigungsrecht nicht eingeräumt sei.

Auch potentielle Erwerber könnten allein eine mittelbare Betroffenheit ins Feld führen, da sie keine Adressaten der Regelung seien. Dritte würden von der Vereinbarung eines ordentlichen Kündigungsrechtes allenfalls reflexartig betroffen. Sehe man dies anders, führe es dazu, dass alle kündbaren Verträge revisibel ausgelegt werden müssten, weil immer die Möglichkeit einer mittelbaren Betroffenheit Dritter bestehe. Revisibel auszulegen seien dagegen bei einem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag sämtliche Regelungen, die sich an künftige Aktionäre beider Gesellschaften wendeten, und solche Regelungen, die für die Gläubiger von Interesse seien. Kein Aktionär oder Gläubiger dürfe jedoch darauf vertrauen, dass eine der beteiligten Gesellschaften von einem ihr im Gewinnabführungsvertrag eingeräumten Recht zur ordentlichen Kündigung Gebrauch machen werde.

Die Steuerverwaltung sei insoweit nicht schutzwürdig. Denn Vertrauensschutz der Verwaltung gegenüber einem Bürger sei mit dem Begriff der öffentlichen Gewalt nicht vereinbar. Der Steuerverwaltung komme nicht die Rolle eines "beteiligten Dritten" auf dessen Interessen bei der Sachverhaltsermittlung Rücksicht zu nehmen wäre, zu. Der Beklagte habe gewusst, dass mit den Gewinnabführungsverträgen der X-KG mit der Klägerin, der Y-AG und der Z-GmbH eine einheitliche Struktur des Konzerns der Klägerin beabsichtigt gewesen sei. Er habe nicht nur die Verträge, sondern die Steuererklärungen und die damit im Zusammenhang stehenden Unterlagen gekannt. Es sei klar erkennbar gewesen, dass in allen drei Fällen Organschaftsverhältnisse von der Klägerin angenommen worden seien. Mithin sei ebenso klar gewesen, dass die Verträge mit der Klägerin und der Y-AG fehlerhaft hinsichtlich der Datierung sein mussten.

Selbst wenn man der Andeutungstheorie folge, liege in dem Hinweis auf die Körperschaftsteuerrichtlinien in § 4 Abs. 3 des Vertrages die erforderliche Andeutung vor. Denn aus § 4 Abs. 3 des Vertrages, dem Bezug auf Abschnitt 55 Abs. 7 KStR, folge der Wille der Parteien zur Vereinbarung einer Mindestlaufzeit von fünf Jahren. Der gesamte § 4 Abs. 3 des Gewinnabführungsvertrages übernehme die körperschaftsteuerrechtliche Regelung des § 14 Abs. 1 Ziff. 3 Satz 3 KStG und der dazu erlassenen Richtlinien. Er setze damit voraus, dass eine Mindestdauer des Vertrages von 5 Jahren vereinbart worden sei, um die Voraussetzungen für die Rechtsfolgen der Organschaftsbesteuerung zu schaffen.

Da nach bürgerlichem Recht (Handelsrecht) eine Mindestlaufzeit keine Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Gewinnabführungsvertrages sei, könne die Benennung einer Mindestlaufzeit ausschließlich den Zweck verfolgen, die Voraussetzungen für die körperschaftsteuerliche Organschaft gemäß §§ 17, 14 KStG zu erfüllen. In der Praxis würden im GmbH-Bereich Gewinnabführungsverträge ausschließlich zur Begründung körperschaft- und gewerbesteuerlich wirksamer Organschaftsverhältnisse geschlossen. Dies könne gegebenenfalls durch ein Gutachten des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IdW) geklärt werden.

Wenn man davon ausgehe, dass der Wortlaut des Vertrages mit der nicht ausreichenden Vertragsdauer einerseits und dem Hinweis auf die Körperschaftsteuerrichtlinien andererseits widersprüchlich sei, so sei nach dem BGH-Urteil vom 07.03.2005 II ZR 194/03, NJW 2005, 2618 der Auslegung der Vorzug zu geben, bei der jeder Vertragsnorm eine tatsächliche Bedeutung zukomme, wenn sich die Regelungen ansonsten als ganz oder teilweise sinnlos erweisen würden. Im Übrigen sei auf die salvatorische Klausel in § 5 des Vertrages hinzuweisen, der die Auslegung nach diesen Grundsätzen zum Vertragsgegenstand mache.

Der Auffassung der Klägerin könne nicht entgegengehalten werden, dass dem Vertrag nicht entnommen werden könne, welches Datum die Vertragsschließenden wirklich hätten vereinbaren wollen. Mit dieser Argumentation werde die Erforschung des Parteiwillens unzulässig eingeschränkt. Dieser müsse nach §§ 133, 157 BGB ermittelt werden. Aus den Vertragsentwürfen und dem Vertrag mit der Z-GmbH lasse sich der Wille der Vertragschließenden ermitteln. Ihrem Willen hätte es entsprochen, anstelle des versehentlich aus dem geänderten Entwurf in den Vertrag übernommenen Datums des 31.03.2006 das Datum des 31.12.2006 einzufügen.

Eine Auslegung des Vertrages allein nach zivilrechtlichen Grundsätzen könne nicht unter Hinweis auf den Charakter des § 14 Abs. 1 Nr. 3 KStG als Missbrauchsvorschrift abgelehnt werden. Denn es sei zunächst der Lebenssachverhalt nach den für ihn geltenden Rechtsregeln zu ermitteln. Sodann seien daran die steuerlichen Rechtsfolgen anzuknüpfen. Es werde darauf hingewiesen, dass das Organschaftsrecht einen Kernbereich der Konzernbesteuerung in Industrienationen darstelle. Es gehe nicht um dubiose Konstruktionen zur Steuervermeidung, sondern darum, steuerlich die im Konzern bestehenden Abhängigkeiten und Zusammenhänge nachzuvollziehen. Der Organschaftsvertrag sei kein Vertrag zu Lasten des Fiskus.

Ein Rechtsirrtum hinsichtlich der Voraussetzungen für die Anerkennung einer gewerbesteuerlichen Organschaft, insbesondere der Berechnung der Mindestdauer des Gewinnabführungsvertrages von 5 Jahren nach Zeitjahren, sei auf Seiten der Klägerin auszuschließen.

Wolle man den Auslegungsgrundsatz der falsa demonstratio nicht anwenden, komme man nach allgemeinen Grundsätzen der Rechtsgeschäftslehre zur Ungültigkeit der Regelung in § 4 Abs. 2 des Vertrages, so dass eine ordentliche Kündigung überhaupt nicht möglich gewesen wäre. Dies hätte für die Anerkennung der Organschaft ausgereicht. Die Parteien des Vertrages hätten unstreitig keine Mindestlaufzeit unter fünf Jahren vereinbaren wollen. Die Erklärungen der Parteien bei Entdeckung der Vereinbarung eines Kündigungstermins zum 31.03.2006 seien als übereinstimmend konkludent erklärte Anfechtungen (§§ 119 Abs. 1, 142 Abs. 1 BGB) anzusehen. In Anwendung der Regelung des § 139 BGB führe dies zu Gewinnabführungsverträgen ohne ordentliche Kündigungsmöglichkeit.

Der Vereinbarung vom 11.12.2003 komme nicht die Bedeutung einer Vertragsänderung zu, sondern es handele sich lediglich um eine Klarstellung, so dass das steuerliche Rückwirkungsverbot nicht betroffen sei. Das FG Köln habe mit Urteil vom 22.06.2005 13 K 5299/04, EFG 2005, 1643 = GmbHR 2005, 1202 in einem ähnlichen Fall eine von den Vertragschließenden gefertigte klarstellende Vereinbarung hilfsweise gewürdigt.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid über die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags für das Jahr 2002 vom 03.02.2005 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte bezieht sich auf das Urteil des 1. Senats vom 07.07.2005 1 K 46/05 (6), EFG 2005, 1554 in der Körperschaftsteuersache und macht sich die dort genannten Gründe zu Eigen.

Er trägt ergänzend vor, dass ein etwaiger Wille der Parteien zur Vereinbarung des 31.12.2006 als frühester Kündigungszeitpunkt nicht formgültig erklärt sei.

Er lehnt die Anwendung des Grundsatzes der falsa demonstratio über die Auslegung schuldrechtlicher Verträge hinaus auf Satzungsbestimmungen ab. Er wendet sich gegen die Auffassung der Klägerin, dass das Datum der frühestmöglichen Kündigung als individualrechtliche Bestimmung des Vertrages ohne Satzungscharakter zu verstehen sei, so dass die falsa demonstratio allein durch den übereinstimmenden Parteiwillen beseitigt werden könnte. Der Klägerin sei auch nicht darin zu folgen, dass ausschließlich den Vertragsparteien ein Interesse an den Auswirkungen des Gewinnabführungsvertrages zuzuerkennen sei. Gerade an Ergebnisabführungsverträgen bestehe ein konkretes Interesse des Steuergläubigers, der insoweit nicht private, sondern öffentliche Interessen vertrete. Da der Zweck eines solchen Vertrages primär der Verlustausgleich zwischen mehreren rechtlich selbständigen Unternehmen und damit eine sofortige Steuerminderung sei, entfalte ein derartiger Vertrag eine erhebliche Drittwirkung und sei in seinen wesentlichen Bestandteilen, zu denen gerade auch die geforderte Mindestdauer gehöre, den Satzungsbestimmungen zuzuordnen. Es bestehe kein Anlass, von den diesbezüglichen gefestigten Grundsätzen der ergangenen BGH-Rechtsprechung, die auch Grundlage der Entscheidung des Finanzgerichts in der Körperschaftsteuersache gewesen sei, abzuweichen.

Selbst wenn man dem Vertrag individualrechtliche Bestandteile zubillige, müsse berücksichtigt werden, dass § 133 BGB nicht die allein maßgebliche Regelung sei, wenn es um die Anerkennung oder Nichtanerkennung steuerlicher Verhältnisse gehe. Es widerspreche den Grundsätzen der §§ 38 und 42 AO, wenn allein durch übereinstimmende Erklärungen gesellschaftlich verbundener Vertragspartner ein steuerlich anderer Sachverhalt rückwirkend geschaffen werden könnte.

Für die Anwendung des Grundsatzes der falsa demonstratio müsse die irrtümliche oder absichtslose Falschbezeichnung eindeutig festgestellt werden. Das von den Parteien gewünschte Datum finde sich auch nicht an anderer Stelle des Vertrages und könne auch nicht aus dem im Vertrag genannten Hinweis auf A 55 Abs. 7 KStR oder der salvatorischen Klausel abgeleitet werden. Die Ausführungen in A 55 Abs. 7 KStR beträfen Sonderfälle der Kündigung oder der Beendigung eines Gewinnabführungsvertrages im gegenseitigen Einvernehmen, nicht aber den Beginn und die Eingangsvoraussetzungen eines steuerlichen Organschaftsverhältnisses.

Es könne überdies nicht ausgeschlossen werden, dass der Wahl des Datums 31.03.2006 ein Rechtsirrtum über die Bedeutung des im § 14 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 KStG genannten Wortes "Jahre" zu Grunde gelegen habe . Ob mit diesem Wort Wirtschaftsjahre oder Zeitjahre gemeint seien, erhelle sich aus dem Gesetzestext selbst nicht. Zwar müsse es sich nach Auffassung der Finanzverwaltung und der herrschenden Meinung im Schrifttum um fünf Zeitjahre handeln. Eine Mindermeinung stelle demgegenüber auf Wirtschaftsjahre ab.

Die im Dezember 2003 erfolgte Vereinbarung des 31.12.2006 als Zeitpunkt einer erstmals möglichen Kündigung wirke nicht auf das Streitjahr zurück. Nach § 38 AO entstünden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, sobald der Tatbestand verwirklicht sei, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpfe. Eine Änderung des für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts nach Entstehen des Steueranspruchs wirke bei laufend veranlagten Steuern regelmäßig nicht zurück. Deshalb komme es im Allgemeinen zu keiner steuerlichen Rückwirkung, wenn Vertragsparteien schuldrechtliche Verträge änderten. Eine Rückbeziehung sei nach der Rechtsprechung des BFH nur dann zulässig, wenn sie lediglich der technischen Vereinfachung der Besteuerung diene, sich nur über einen kurzen Zeitraum erstrecke und mit der Rückwirkung kein steuerlicher Vorteil erstrebt werde (BFH-Urteil vom 24.04.1997 VIII R 53/95, BFHE 183, 155, BStBl. II 1997, 682). Ein solcher Fall liege nicht vor. Die salvatorische Klausel in § 5 des Vertrages sei auch nicht mit der auflösenden Bedingung, über deren Eintritt sich die Beteiligten in dem dem BFH-Urteil vom 19.08.2003 VIII R 67/02, BFHE 203, 309, BStBl. II 2004, 107 zu Grunde liegenden Sachverhalt außergerichtlich verglichen hätten, gleichzusetzen. Der BFH habe in dieser Entscheidung die Rückgängigmachung eines Verkaufs mit steuerlicher Wirkung zugelassen, da der Grund für die Rückabwicklung mit der Vereinbarung einer auflösenden Bedingung in dem Vertrag selbst angelegt gewesen sei.

Der Beklagte macht geltend, dass bei der Würdigung des im Streit befindlichen Vertrages auch das Interesse eines Dritten zu berücksichtigen sei. Das öffentliche Interesse des Fiskus ergebe sich aus § 14 Abs. 1 Nr. 3 KStG, wonach in Abweichung vom Zivilrecht für steuerrechtliche Zwecke ausdrücklich eine fünfjährige Mindeslaufzeit des Ergebnisabführungsvertrages vorgeschrieben sei. Die Überprüfung dieser Voraussetzung könne nur anhand des schriftlich niedergelegten Vertragstextes erfolgen. So habe auch der BGH in seinem Urteil vom 17.12.1985 KZR 4/85, NJW-RR 1986, 724 entschieden, dass eine Falschbezeichnung in einem Grundstücksvertrag dann nicht unschädlich sei, wenn Dritte sich auf den Einhalt formgebundener Erklärungen verlassen können müssten, insbesondere wenn Gerichten und Behörden eine zuverlässige Grundlage für die Überprüfung verschafft werden müsse.

Das von der Klägerin vorgelegte Gutachten beziehe sich auf Entscheidungen des Reichsgerichts, die unklare oder mehrdeutige Bestimmungen zum Inhalt hätten. Davon könne aber bei der Benennung eines Datums wie im vorliegenden Fall nicht die Rede sein. Dem Gutachten sei auch nicht darin zu folgen, dass der Unternehmensvertrag als angefochten zu betrachten sei. Denn die Anfechtung müsse als Gestaltungsrecht ausgeübt werden. Es bleibe offen, zu welchem Zeitpunkt eine Anfechtungserklärung (§ 143 Abs. 1 BGB) erfolgt sein solle. Es sei nicht ersichtlich, warum bei beiderseitigem Irrtum etwas anders gelten solle.

Die vom Beklagten vorgelegten Steuerakten (1 Bd. Gewerbesteuerakten Bd. VI, 1 Bd. Körperschaftsteuerakten Band VI, 1 Bd. Feststellungsakten Band IV, 1 Ordner Sonderakten Bd. I, 1 Ordner Organschaft, 1 Ordner Bp.-Berichte, 1 Ordner Bilanzen ab 2000, 1 Bd. Sonderakten Rechtsbehelfsakten Adv) haben vorgelegen. Ihr Inhalt ist ebenso wie der der Gerichtsakte Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen, soweit die Entscheidung darauf beruht. Insoweit wird auf den Akteninhalt ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag 2002 vom 03.02.2005 ist rechtmäßig.

Die Klägerin gilt nicht gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG als Betriebsstätte der X-KG. Das Einkommen der Klägerin ist ihr selbst und nicht der X-KG zuzurechnen.

Das Finanzgericht Bremen hat mit rechtskräftigem Urteil des 1. Senats vom 07.07.2005 1 K 46/05 (6), EFG 2005, 1554 entschieden, dass keine körperschaftsteuerlich wirksame Organschaft im Sinne der §§ 14, 17 KStG zwischen der Klägerin als Organgesellschaft und der X-KG als Organträgerin begründet wurde, da der Gewinnabführungsvertrag nicht auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen war (§ 14 Nr. 3 KStG 1977).

Der erkennende Senat schließt sich der Rechtsauffassung des 1. Senats an und macht sich dessen Begründung zu Eigen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils verwiesen.

Der umfangreiche Vortrag in diesem Verfahren nach Rücknahme der Beschwerde zum BFH wegen der Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des 1. Senats gibt Anlass zu nachfolgenden Ausführungen:

Soweit die Klägerin betont, dass der Auslegungsgrundsatz der falsa demonstratio auch bei formgebundenen Rechtsgeschäften Anwendung findet, befindet sie sich in Übereinstimmung mit der im Urteil des 1. Senats vom 07.07.2005 ausgeführten Rechtsauffassung.

Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge im Sinne des § 291 AktG (Unternehmensverträge) sind keine schuldrechtlichen Verträge, sondern gesellschaftsrechtliche Organisationsverträge; sie ändern satzungsgleich den rechtlichen Status der beherrschten Gesellschaft, indem sie insbesondere den Gesellschaftszweck am Konzerninteresse ausrichten (BGH-Urteil vom 14.12.1987 II ZR 170/87, BGHZ 103, 1 m.w.N.). Sie sind daher grundsätzlich objektiv auszulegen, da ihre Existenz von der Mitgliedschaft der Gründer unabhängig ist. Dies bedeutet, dass für Dritte nicht erkennbare Absichten und Erwägungen der Vertragsparteien bei der Auslegung nicht verwertbar sind und die Auslegung in erster Linie auf den Wortlaut und Sinnzusammenhang im Vertrag zu stützen ist (Mayer-Maly/Busche in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl. 2001, § 133 Rn. 34 m.w.N.).

Grundsätzlich sind die Bestimmungen eines Unternehmensvertrages wie die einer Satzung und somit objektiv auszulegen. Lediglich dann, wenn festgestellt wird, dass die Regelung keinen körperschaftlichen, sondern ausschließlich individualrechtlichen Charakter hat, ist der Weg zu den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen, also z.B. der Einbeziehung der Entstehungsgeschichte und von Vorentwürfen frei. Nicht körperschaftlich, sondern individualrechtlich, sind lediglich solche Bestimmungen, die nicht notwendigerweise zu einem solchen Vertrag gehören, sondern theoretisch auch außerhalb dieses Vertrages hätten zustande kommen können. (Altmeppen in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Aufl. 2000, § 291 AktG, Rn. 34 m.w.N.; vgl. auch OLG Stuttgart, Urteil vom 07.02.2001 20 U 52/97, BB 2001, 794 = DStZ 2001, 371 m.w.N.). Kann ein solcher individualrechtlicher Charakter einer Vertragsbestimmung nicht festgestellt werden, handelt es sich um eine körperschaftliche Bestimmung, die objektiv bzw. revisibel, d.h. für alle möglicherweise Betroffenen einheitlich, auszulegen ist. Es kommt darauf an, ob die betreffende Bestimmung körperschaftlichen Charakter hat und sich als solche an einen unbestimmten Personenkreis, insbesondere an Gesellschaftsgläubiger und künftige Gesellschafter richtet und nicht nur für die bei Inkrafttreten der Bestimmung vorhandenen Gesellschafter von Bedeutung ist (vgl. BGH-Urteile vom 25.09.1989 II ZR 304/88, NJW-RR 1990, 99 und vom 11.10.1993 II ZR 155/92, BGHZ 123, 347).

Sofern die Auslegung einer Bestimmung eines Gewinnabführungsvertrages im Streit steht, ist eine einheitliche und gleichmäßige Auslegung der Bestimmung allein auf Grund des Gesellschaftsvertrages also nicht erst dann erforderlich, wenn Dritte als Adressaten der Regelung potentiell betroffen sind oder ein besonderes Schutzbedürfnis dieser Dritten im Sinne der Entstehung eines Vertrauenstatbestandes nachgewiesen ist. Für diese den Anwendungsbereich der objektiven Auslegung einengende Auffassung, die dem körperschaftlichen Charakter von Satzungen und Unternehmensverträgen nicht gerecht wird, findet sich weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur eine Stütze. Sie verkennt, dass die Besonderheit dieser Organisationsverträge, die sie von individualrechtlichen Rechtsgeschäften unterscheidet, gerade darin besteht, dass durch sie Rechtssubjekte geschaffen werden, deren Existenz von der ihrer Gründer losgelöst ist. Die Anknüpfung an das übereinstimmende Vertragsverständnis der Vertragschließenden und die Forderung nach der Entstehung besonderer Vertrauenstatbestände zu schützender Dritter missdeutet Satzungen und Organschaftsverträge als individualrechtliche Schuldverträge, die Schutzwirkung zu Gunsten Dritter entfalten können. Die Ausführungen der Klägerin zu der ihrer Ansicht nach fehlenden Schutzwürdigkeit der Steuerverwaltung bedürfen daher keiner weiteren Erörterung.

Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin ist daher für die Feststellung des körperschaftlichen Charakters der auszulegenden Vertragsbestimmung eines Unternehmensvertrages nicht zu fordern, dass sie sich an Dritte als Adressaten wendet. Derartige Bestimmungen sind geradezu dadurch gekennzeichnet, dass sie Dritten keine Rechte einräumen, sondern sie nur reflexartig betreffen. Insoweit sei etwa auf die Satzungsbestimmungen zum Stammkapital verwiesen, die für die Gläubiger einer GmbH von Bedeutung sind.

Einer Bestimmung, die das ordentliche Kündigungsrecht für einen Unternehmensvertrag für einen bestimmten Zeitraum ausschließt, kann eine Bedeutung für Dritte nicht mit dem Argument abgesprochen werden, dass diese nicht auf eine Kündigung zu einem bestimmten Zeitpunkt vertrauen könnten, wenn ihnen selbst kein Kündigungsrecht eingeräumt werde. Denn durch den Ausschluss des Kündigungsrechts für einen bestimmten Zeitraum wird doch gerade ein Vertrauen Dritter dahingehend geschützt, dass der Vertrag während dieses Zeitraums nicht durch eine ordentliche Kündigung beendet werden kann.

Die streitgegenständliche Vorschrift des § 4 Abs. 2 des Vertrages ist Teil eines Unternehmensvertrages. Sie hat keinen individualrechtlichen, sondern einen körperschaftlichen Charakter. Denn sie regelt das ordentliche Kündigungsrecht und damit die Mindestvertragsdauer. Sie gehört daher zum notwendigen Inhalt eines Unternehmensvertrages (vgl. Altmeppen in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 2. Aufl. 2000, § 291 AktG, Rn. 144. w. N.). und hätte eben nicht theoretisch außerhalb des Vertrages zustande kommen können. Die Mindestdauer eines von einer Körperschaft abgeschlossenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages ist für Gesellschaftsgläubiger und künftige Gesellschafter von erheblicher Bedeutung.

Für den körperschaftlichen Charakter einer Vertragsbestimmung über die Mindestvertragsdauer spricht auch, dass nach dem eigenen Vortrag der Klägerin der Hauptzweck eines Gewinnabführungsvertrages mit einer GmbH in der Erreichung der steuerlichen Organschaft besteht. Die Klägerin belegt damit selbst, dass es sich eben nicht um eine individualrechtliche Regelung, sondern um eine Regelung handelt, die für Dritte, in diesem Fall den Steuerfiskus von Bedeutung ist.

Der Verweis in § 4 Abs. 3 des Vertrages auf Abschnitt 55 Abs. 7 KStR verlautbart im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin (Bl. 128 GA) nicht in der Urkunde selbst, dass die Vertragsparteien eine Mindestlaufzeit von fünf Jahren vereinbaren wollten. Sondern es handelt sich um eine vertragliche Regelung, die in Anbetracht der klaren Regelung zur Mindestvertragsdauer in § 4 Abs. 2 des Vertrages ins Leere geht, da eine steuerlich wirksame Organschaft gerade nicht wirksam vereinbart wurde. Bestenfalls kann § 4 Abs. 3 des Vertrages entnommen werden, dass zu den Motiven der Beteiligten, die zum Abschluss des Vertrages führten, auch die Absicht gehörte, eine steuerlich wirksame Organschaft zu begründen. Einen Anhaltspunkt für die Vereinbarung einer bestimmten Mindestvertragsdauer gibt § 4 Abs. 3 des Vertrages jedoch nicht. Erst recht lässt sich § 4 Abs. 3 des Vertrages kein Hinweis auf die Vereinbarung einer Mindestvertragsdauer von fünf Jahren entnehmen. Da § 14 Nr. 3 Satz 1 KStG lediglich verlangt, dass der Vertrag auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen wird, sind unterschiedliche Mindestvertragsdauern geeignet, dieses Erfordernis zu erfüllen, sofern sie nur mindestens fünf Jahre betragen. Allein die Feststellung der Absicht, eine steuerlich wirksame Organschaft zu begründen, lässt daher keinen Rückschluss auf eine bestimmte Vertragsdauer zu. Die Klägerin legt selbst dar (Bl. 140 GA), dass auch ein Vertrag auf unbegrenzte Zeit in Betracht kommt.

Soweit die Klägerin meint, dass nach allgemeinen Grundsätzen der Rechtsgeschäftslehre von der Ungültigkeit der Regelung in § 4 Abs. 2 des Vertrages auszugehen sei, vermag der Senat ihren Ausführungen nicht zu folgen. Es fehlt bereits an der hinreichenden Darlegung, welche konkreten Erklärungen der Parteien sie als Anfechtungserklärungen im Sinne § 143 Abs. 1 BGB ansieht. Sofern die zu dem am 11.12.2003 geschlossenen Nachtrag zum streitgegenständlichen Vertrag abgegebenen Erklärungen der Vertragsparteien gemeint sein sollten, setzt sie sich in Widerspruch zu ihrem eigenen Vortrag, wonach es sich hierbei lediglich um eine Klarstellung ohne konstitutive Bedeutung gehandelt habe. Steuerrechtliche Wirkung könnte einer solchen Anfechtung wegen des steuerlichen Rückwirkungsverbots ohnehin nicht zukommen. Insoweit wird auf die eingehenden Darlegungen im Urteil des 1. Senats vom 07.07.2005 verwiesen (vgl. Hahn, jurisPR-SteuerR 34/2006 Anm. 6).

Auch die Berufung der Klägerin auf das Urteil des FG Köln in EFG 2005, 1643 vermag ihren Standpunkt nicht zu stützen. Der BFH hat diese Entscheidung mit Urteil vom 22.02.2006 I R 73/05, GmbHR 2006, 890 aufgehoben und klargestellt, dass die nach § 14 KStG erforderlichen Vereinbarungen zu Beginn der Laufzeit eines Ergebnisabführungsvertrages vorliegen müssen und nicht irgendwann während der vertraglichen Laufzeit nachgeholt werden können.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO gegeben sind. Zu der entscheidungserheblichen Rechtsfrage liegt bislang keine finanzgerichtliche Rechtsprechung vor.

Ende der Entscheidung

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