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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Bremen
Urteil verkündet am 22.02.2008
Aktenzeichen: 4 K 96/07 (4)
Rechtsgebiete: EStG, AO, AuslG, SGB III, GG


Vorschriften:

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c
EStG § 70 Abs. 2
AO § 37 Abs. 2
AO § 227
AuslG § 69 Abs. 2
SGB III § 36 Abs. 1
SGB III § 284 Abs. 1
SGB III § 284 Abs. 5
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 100 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Bremen

4 K 96/07 (4)

Familienleistungsausgleich (August 2003 bis Mai 2004)

In dem Rechtsstreit

...

hat das Finanzgericht Bremen - 4. Senat -

am 22. Februar 2008

durch

Richter am Finanzgericht Dr. Ehlers

Für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der am ... geborene, kindergeldberechtigte Kläger ist Vater von drei ehelichen Kindern, türkischer Staatsangehöriger und hat seinen Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Unter dem 09. Dezember 1986 wurde ihm eine unbefristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (KGA Bl. 46). Vorliegend streiten die Beteiligten um die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung und die Erstattung des nach Auffassung der Beklagten überzahlten Kindergeldes für den Sohn A. des Klägers für die Monate August 2003 bis Mai 2004 (10 Monate x 154 EUR =) 1.540,00 EUR. Im Einzelnen geht es um folgenden Sachverhalt:

Mit Bescheid vom hob die Beklagte die Festsetzung des Kindergeldes für A. für die Zeit von August 2003 bis Mai 2004 nach § 70 Abs. 2 EStG auf, weil er seine Schulausbildung abgebrochen und sich somit nicht mehr in Ausbildung befunden habe (§ 32 Abs. 4 Ziff. 2. Buchst. a) EStG). Zugleich verfügte sie die Erstattung überzahlten Kindergeldes für diesen Zeitraum in Höhe von 1.540,00 EUR nach § 37 Abs. 2 AO.

Der Kläger - zunächst vertreten durch seinen Sohn A. erhob dagegen am 29. November 2004 Einspruch, der wie folgt begründet wurde: Es sei richtig, dass er - A. - seine Schulausbildung abgebrochen hätte. Er habe sich daraufhin als arbeits- und ausbildungsplatzsuchend gemeldet. Durch das Arbeitsamt sei ihm erklärt worden, dass damit der Anspruch auf Kindergeld aufrecht erhalten bleibe. Ihm sei aber die dafür benötigte Arbeitserlaubnis unbegründet verweigert worden. Er - A. - habe daraufhin im April 2003 einen Anwalt beauftragt, und es sei ihm nunmehr ab 2004 bei gleichen Voraussetzungen bzgl. des Aufenthaltsrechts die Genehmigung erteilt worden. Damit sei klargestellt, dass die vorherige Weigerung und das Nichtführen als ausbildungs- bzw. arbeitssuchend rechtswidrig gewesen seien und der Anspruch auf Kindergeld bestanden habe. Er sei die gesamte Zeit auf Suche nach einem Ausbildungs- oder Arbeitsplatz gewesen. Im Übrigen sei er - A. - nicht in der Lage, das Kindergeld zurück zu zahlen. Er habe es für seinen Unterhalt verbraucht, seit ca. sechs Monaten lebe er von Sozialhilfeleistungen.

Mit Einspruchsentscheidung vom wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Sie führte aus, die Berücksichtigungstatbestände des § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG lägen für den Zeitraum August 2003 bis Mai 2004 nicht vor bzw. seien nicht nachgewiesen. Eine Berücksichtigung des A. nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG sei nicht möglich, weil er im Streitzeitraum nicht beim Arbeitsamt bzw. einer Agentur für Arbeit als arbeitslos/arbeitsuchend gemeldet gewesen sei bzw. eine entsprechende Meldung nicht nachgewiesen sei. Auf die Gründe dafür komme es nicht an. Eine Berücksichtigung als Kind ohne Ausbildungsplatz nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2. c) EStG sei davon abhängig, dass es dem Kind trotz ernsthafter Bemühungen nicht gelungen sei, eine Berufsausbildung zu beginnen oder fortzusetzen. Die Bewerbung müsse für den nächstmöglichen Ausbildungsbeginn abgegeben werden. Die ernsthaften Bemühungen um einen Ausbildungsplatz seien gegenüber der Familienkasse nachzuweisen. Als Nachweise kämen folgende - hier nicht gegebene - Tatbestände in Betracht:

Schriftliche Bewerbungen unmittelbar bei Ausbildungsstellen sowie deren Zwischennachricht oder Ablehnung,

die schriftliche Bewerbung bei der zentralen Vergabestelle von Studienplätzen,

die schriftliche Zusage einer Ausbildungsstelle zum nächst möglichen Ausbildungsbeginn,

die Registrierung als Bewerber für einen Ausbildungsplatz bei der Berufsberatung der Agentur für Arbeit oder

die Registrierung für eine berufsvorbereitende Ausbildungsmaßnahme zum nächstmöglichen Beginntermin bei der Berufsberatung der Agentur für Arbeit.

Rechtsgrundlage für die Aufhebungsentscheidung sei § 70 Abs. 2 EStG. Die Erstattungspflicht ergebe sich aus § 37 Abs. 2 AO.

Hiergegen richtet sich die erhobene Klage.

Der Kläger trägt vor, sein Sohn A. habe von August 2003 bis Mai 2004 vergeblich versucht, sich bei der Beklagten arbeitssuchend zu melden. Er sei dort stets zurückgewiesen worden mit der Behauptung, es fehle an einer Aufenthaltserlaubnis, welche Voraussetzung für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis sei, welche Letztere wiederum Voraussetzung für eine Registrierung als arbeitssuchend sei. Ausweislich der Verwaltungsakte habe die Abteilung "Team 131" der Agentur für Arbeit Bremerhaven gegenüber der Familienkasse bestätigt, dass A. sich im Zeitraum August 2003 bis August 2004 wiederholt dort habe beraten lassen. Es ergebe sich weiter, dass eine förmliche Aufnahme als "ausbildungsplatzsuchend" wegen eines angeblich ungeklärten Aufenthaltsstatus verweigert worden sei. Aus den von der Beklagten mit Schriftsatz vom 27. Mai 2005 vorgelegten Beratungsunterlagen ergebe sich, dass A. sich am persönlich beim Arbeitsamt mit dem Wunsch vorgestellt habe, eine Ausbildung zu beginnen. Er habe sich dann wieder am vorgestellt und sei dahingehend beschieden worden, dass er wegen des unveränderten Status einer Aufenthaltsgenehmigung von lediglich drei Monaten nicht vermittelt werden könne. Bei einer weiteren Vorstellung im Jahr 2004 sei A. erklärt worden, er könne weder eine Ausbildung noch ein Praktikum absolvieren. Am habe A. sich nochmals persönlich beim Arbeitsamt vorgestellt, um sich über eine weitergehende schulische Ausbildung zu informieren. Am sei dann vermerkt worden, dass voraussichtlich im Oktober 20004 Ausbildung als Physiotherapeut begonnen werden solle. Die Beklagte sei unzutreffend davon ausgegangen, dass für den Sohn A. die Voraussetzungen des Kindergeldes nicht vorgelegen hätten.

Soweit die Beklagte ausführe, dass A. nach Mitteilung eines "Team 131" oder sonst einer anderen Abteilung der Agentur für Arbeit Bremerhaven dort nicht als ausbildungssuchend gemeldet gewesen sei, sei darauf hinzuweisen, dass der Sohn sich wiederholt bemüht habe, dort als ausbildungssuchend registriert zu werden. Dies sei ihm mit Hinweis darauf verwehrt worden, dass ein ausländerrechtliches Genehmigungsverfahren bei der Stadt Bremerhaven betreffend seiner Aufenthaltsgenehmigung noch anhängig sei, man ihm während des laufenden Verfahrens lediglich jeweils für drei Monate Duldung bestätigt hätte und es sinnlos sei, einem nur für drei Monate in Deutschland geduldeten Ausländer einen Ausbildungsplatz zu vermitteln oder ihn als suchend in die Kartei des Arbeitsamtes aufzunehmen. Tatsächlich habe seinem Sohn A. jedoch eine am beantragte und durch die Stadt Bremerhaven Ortspolizeibehörde/Verwaltungspolizei genehmigte Aufenthaltserlaubnis vorgelegen. Für den betroffenen Zeitraum sei die Aufenthaltserlaubnis jeweils für drei Monate erteilt worden. Jeweils vor Ablauf der Dauer sei dann eine Verlängerung um drei Monate bewilligt worden.

Durch Einschaltung der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten habe eine Klärung gegenüber dem Arbeitsamt hinsichtlich der Aufenthaltserlaubnis nicht mehr herbeigeführt werden können, da während des Widerspruchsverfahrens gegen die letzte mündliche Verweigerung einer Aufenthaltserlaubnis die Angelegenheit sich dann dadurch erledigt habe, dass die Agentur für Arbeit überraschend ab dem A. eine Arbeitserlaubnis erteilte.

Wegen der noch nicht erfolgten Bescheidung seines Antrags auf Aufenthaltsgenehmigung durch die Stadt Bremerhaven habe dem Sohn A. jeweils eine Duldung für den Aufenthalt vorgelegen. Hierzu würden Ablichtungen aus seinem Reisepass vorgelegt.

A. sei hierzu erklärt worden, wegen der jeweils kurzen Dauer der Befristung von drei Monaten sei es nicht sinnvoll möglich, ihn als ausbildungsuchend zu melden. Tatsächlich sei die Befristung durch die Stadt Bremerhaven - Ausländerbehörde - jedoch im Hinblick auf das laufende Genehmigungsverfahren jeweils so kurzfristig vorgenommen worden. Die Ausländerbehörde habe A. gegenüber wiederholt erklärt, dass man von dort aus gegen eine Arbeitsaufnahme oder die Suche nach einem Ausbildungsplatz keine Einwände habe.

A. sei durch die Beklagte fehlerhaft beraten worden und hätte als ausbildungssuchend registriert werden müssen, insbesondere im Hinblick darauf, dass er in Deutschland geboren sei, seit seiner Geburt in Deutschland lebe und auch ein Antrag auf Aufenthaltsgenehmigung bei der Stadt Bremerhaven anhängig gewesen sei. Die Rechtsauffassung der Beklagten verwundere. Sie wolle tatsächlich behaupten, auch eine rechtswidrige Nichtaufnahme der Gesuche des A. durch die Agentur für Arbeit berechtige sie, infolge dieses rechtswidrigen Verhaltens ihn, den Kläger, so zu behandeln, als wenn sich A. nie um eine Aufnahme als arbeits- oder ausbildungssuchend gekümmert hätte. Nochmals sei darauf hingewiesen, dass dem Sohn A. die Arbeitsgenehmigung nur für eine konkret in Aussicht genommene Arbeitsstelle erteilt worden wäre und ihm letztlich erklärt worden sei, wegen der jeweils zeitlich befristeten Duldung könne man ihm weder eine Stelle vermitteln noch eine Arbeitsgenehmigung erteilen.

Die Beklagte verweigere ihm - dem unterhaltspflichtigen Kläger - das Kindergeld, obwohl A. keine andere Möglichkeit gehabt hätte, als sich - vergeblich - um eine Ausbildungsstelle zu bemühen. Im Hinblick auf die Vermeidung von Ungleichbehandlungen von Ausländern mit einem minderen Aufenthaltsstatus, welches auch für die Kinder ausländischer Antragsteller berücksichtigt werden müsse, sei diese Sichtweise der Beklagten unvertretbar. Um eine Benachteiligung gegenüber deutschen Staatsangehörigen zu vermeiden, müsse in jedem Fall geprüft werden, ob die Nichtaufnahme als ausbildungssuchend rechtmäßig gewesen sei oder nicht.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung und Erstattung von Kindergeld vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Berücksichtigung eines über 18 Jahre alten Kindes hänge dagegen maßgeblich vom Vorliegen eines Tatbestandsmerkmales nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1. bis 3. EStG ab. Bei dem Sohn A. des Klägers seien die in Betracht kommenden Alternativen Nrn. 1. und 2. c) der Norm deshalb nicht erfüllt, weil - wegen des laufenden ausländerrechtlichen Genehmigungsverfahrens - bei der Agentur für Arbeit weder eine Entgegennahme der Arbeitslosmeldung noch eine Führung des Arbeitsgesuches beziehungsweise des Ausbildungsplatzgesuches erfolgt sei. Die Entscheidung der Berufsberatung, das Vermittlungsgesuch des Sohnes des Klägers nicht zu führen, entfalte für die Beklagte Tatbestandswirkung unabhängig davon, ob die Entscheidung der Berufsberatung der Sach- und Rechtslage entsprochen habe oder nicht.

Auch wenn die Agentur für Arbeit dem Sohn A. ab eine Arbeitserlaubnis erteilt habe, könne der Kläger daraus für sich nichts herleiten. A. sei in den streitigen Monaten August 2003 bis Mai 2004 im Besitz einer Duldung mit der Auflage gewesen, dass eine Arbeitsaufnahme nur mit gültiger Arbeitsgenehmigung gestattet sei. Voraussetzung für die Annahme des Gesuchs um Vermittlung einer Ausbildungsstelle sei die Erteilung einer - hier für den streitigen Zeitraum nicht vorliegenden - Arbeitsgenehmigung gewesen.

Die Voraussetzungen nach § 30 Absatz 4 Nr. 2. c) EStG hätten nicht vorgelegen. Anderes ergäbe sich allenfalls, wenn der Kläger "Initiativbewerbungen" des Sohnes A. unter Beweis stelle.

An der Rechtsansicht, dass selbst eine angenommene, die Amtspflicht verletzende Unterlassung der Führung des Vermittlungsgesuchs des Sohnes des Klägers keinen Kindergeldanspruch begründet, werde festgehalten. Eine Prüfung und Beantwortung der Frage, ob die Arbeitsvermittlung bei der Agentur für Arbeit zu Unrecht das Vermittlungsgesuch abgelehnt habe, habe im finanzgerichtlichen Verfahren nicht zu erfolgen.

Mit dem bisherigen Vortrag, wonach sich die Verweigerung der Arbeitserlaubnis und die Nichtführung des Arbeitsgesuchs als ein rechtswidriges Verwaltungshandeln darstellten, werde auf einen Wiederherstellungsanspruch abgestellt. Dieser Anspruch knüpfe an die Verletzung behördlicher Auskunfts-, Beratungs- und Betreuungspflichten im Sozialrechtsverhältnis an, solle als Institut des Verwaltungsrechts eine Lücke im Schadensersatzrecht schließen und finde bislang nur in der Sozialverwaltung als Leistungsverwaltung Anwendung. Demgegenüber handle es sich bei der Verwaltung des Kindergeldes um Steuerverwaltung, d.h. um Eingriffsverwaltung, auf die eine Übertragung dieses Grundsatzes nicht möglich sei. Die Kindergeldbescheide seien seit dem 01. Januar 1996 den Regeln der AO und des EStG unterworfen, die eigene Härtefallregelungen enthielten, so dass für eine Anwendung des Wiederherstellungsanspruchs kein Raum bleibe (FG Hamburg Urteil v. 07.08.1998 I 1195/97). Selbst dann, wenn der bisherige Vortrag zuträfe, wonach eine Amtspflichtverletzung der Arbeitsvermittlung bei der Agentur für Arbeit Bremerhaven in Betracht gezogen werden müsse, könnte diese den Beklagten nicht veranlassen, dem Kläger gesetzeswidrig Kindergeldansprüche zuzubilligen. Denn es handele sich dann dabei um Ansprüche aus dem Bereich der Amtshaftung, wofür der Weg zu den ordentlichen Gerichten offen stehe.

Sie, die Beklagte, sehe auch keinen Raum für eine Billigkeitsentscheidung nach § 227 AO. Ein Billigkeitserlass wegen offensichtlicher und eindeutiger Rechtswidrigkeit der Steuerfestsetzung komme nicht in Betracht. Denn typische Rechtsfolgen aus der Ausgestaltung des gesetzlichen Tatbestandes könnten im Billigkeitsweg nicht korrigiert werden.

Mit Schriftsätzen vom erklärten die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Rechtsstreits durch den Berichterstatter nach § 79a Abs. 3 und 4 FGO.

Mit Beschluss des Berichterstatters vom wurde das Verfahren wegen Erstattung des Kindergeldes abgetrennt und wegen Vorgreiflichkeit des Verfahrens wegen Aufhebung der Kindergeldfestsetzung bis zu dessen Abschluss ausgesetzt.

Im Termin vom wurde das abgetrennte und ausgesetzte Verfahren wegen Erstattung des Kindergeldes im Einverständnis mit den Beteiligten unter dem neuen Aktenzeichen wieder aufgenommen. Das Verfahren 4 K 9/05 wegen Aufhebung der Kindergeldfestsetzung wurde zum Verfahren 4 K 96/07 verbunden. Des Weiteren erklärten die Beteiligten übereinstimmend ihren Verzicht auf (erneute) mündliche Verhandlung nach § 90 Abs. 2 FGO.

Die den Vorgang betreffenden Kindergeldakten wurden zum Verfahren beigezogen und ausgewertet.

Die den Sohn A. des Klägers betreffenden Unterlagen zur Berufsberatung und Arbeitsvermittlung der Agentur für Arbeit, Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen, wurden mit dessen Einverständnis zum Verfahren beigezogen und ausgewertet.

Auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom, die gewechselten Schriftsätze, die Gerichtsakten und die Kindergeldakten der Beklagten nach § 105 Abs. 3 S. 2 FGO wird im Übrigen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung und Erstattung des Kindergeldes für den Sohn A. für die Monate August 2003 bis Mai 2004 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ist im Ergebnis rechtmäßig.

A) Eine Berücksichtigung des A. nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG kommt vorliegend nicht in Betracht; und Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung bestehen nicht. Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1. EStG in den für die Monate August 2003 bis Mai 2004 maßgeblichen Fassungen (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 i.d.F. d. Art. 8 Nr. 5 G v. 23.12.2002 I 4621 mWv 1.1.2003; § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 i.d.F. d. Art. 61 Nr. 3 G v. 23.12.2003 I 2848 mWv 1.1.2004) wird

"(4) Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, ...berücksichtigt, wenn es

1. noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einem Arbeitsamt (bei einer Agentur für Arbeit) im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist ..."

I. 1. Voraussetzung für die Berücksichtigung des Kindes ist danach, dass das arbeitslose Kind "bei einem Arbeitsamt" resp. "einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet" ist. Die Anknüpfung an das Tatbestandsmerkmal "als Arbeitsuchender gemeldet" ist - in Abgrenzung zu § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c) EStG - sachlich dadurch begründet, dass mit § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG auf die gesetzlichen Regelungen für Arbeitslose im SGB 3 (Sozialgesetzbuch <SGB> Drittes Buch <III> - Arbeitsförderung - <Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594, zitiert nach [...] in den jeweils einschlägigen Fassungen - vgl. § 118 Abs. 1 SGB 3) Bezug genommen wird und die Finanzbehörden die sozialrechtlichen Voraussetzungen nicht selbst überprüfen können (s. Blümich/ Heuermann, § 32 EStG Rz 67). Dabei wird nach dem SGB III die "Arbeitssuchendmeldung", welche erforderlich ist, damit die Agentur für Arbeit bei der Suche nach einer neuen Arbeitsstelle Unterstützung leisten kann, von der "Arbeitslosmeldung" unterschieden, die der Sicherung der finanziellen Ansprüche des Arbeitslosen dient.

2. a) Der Sohn A. des Klägers war während der Monate August 2003 bis Mai 2004 bei der Agentur für Arbeit nicht als Arbeitsuchender gemeldet, so dass § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG seinem Wortlaut nach für den geltend gemachten Anspruch auf Kindergeld nicht einschlägig ist. Dies folgt aus den zum Verfahren beigezogenen Unterlagen zur Arbeitsvermittlung der Agentur für Arbeit, Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen, wonach A. erst ab dem 14. Juni 2004 bei der Beklagten als arbeitsuchend erfasst und eingetragen wurde.

b) Die Entscheidung der zuständigen Stelle der Beklagten, A. in den Monaten August 2003 bis einschließlich Mai 2004 nicht als arbeitsuchend zu führen, war rechtmäßig. Offen bleiben kann daher, ob - wie die Beklagte meint - § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG dahin auszulegen ist, dass eine Berücksichtigung als arbeitssuchend auch bei einer rechtswidrig unterbliebenen Annahme der Meldung ausgeschlossen ist, weil der Entscheidung der Berufsberatung, ein Vermittlungsgesuch nicht zu führen, unabhängig von ihrer Rechtmäßigkeit Tatbestandswirkung zukomme.

Denn nach den vorliegenden tatsächlichen Feststellungen galt der Aufenthalt des A. in der Zeit von August 2003 bis einschließlich 02. März 2004 lediglich gemäß § 69 Abs. 2 AuslG - örtlich beschränkt auf Bremerhaven - als "vorläufig geduldet" und in der Zeit ab 03. März 2004 bis einschließlich Mai 2004 sodann - ohne örtliche Beschränkung - gemäß § 69 Abs. 3 AuslG als "vorläufig erlaubt". Die Ausübung einer Beschäftigung durch A. war mithin nach § 284 Abs. 1 SGB 3 genehmigungspflichtig und unterlag dabei den Voraussetzungen des § 284 Abs. 5 SGB 3. Eine Arbeitsgenehmigung nach § 284 SGB 3 bzw. § 5 ArGV (Verordnung über die Arbeitsgenehmigung für ausländische Arbeitnehmer Arbeitsgenehmigungsverordnung - Gesamtausgabe in der Gültigkeit zum 25.02.2008 - zitiert nach [...]) oder ferner Arbeitserlaubnis nach § 285 SGB 3 bzw. § 1 ArGV hatte A. nicht.

Dieser Sachverhalt wurde von der für die Leistungen der Arbeitsförderung (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 SGB 3: Berufsberatung sowie Ausbildungs- und Arbeitsvermittlung und diese unterstützende Leistungen) zuständigen Stelle der Beklagten seinerzeit zutreffend berücksichtigt: Nach § 36 Abs. 1 SGB 3 durfte sie "nicht vermitteln, wenn ein Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis begründet werden soll, das gegen ein Gesetz ... verstößt." Nicht zu den von ihr geschuldeten Leistungen der Arbeitsförderung gehörte es nach dem Katalog des § 3 Abs. 1 Nrn. 1 bis 12 SGB 3 hingegen, darüber hinaus für A. im Verhältnis zu der für dessen ausländerrechtlichen Status zuständigen Ortspolizeibehörde (Verwaltungspolizei) der Stadt Bremerhaven tätig zu werden und so die aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen des § 284 Abs. 5 SGB 3 für eine Arbeitsgenehmigung (vgl. § 284 Abs. 5 SGB 3) herbei zu führen. Letzteres war - wovon die Beteiligten seinerzeit auch zutreffend ausgingen - Sache des A. und ggf. seines Bevollmächtigten.

II. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1. EStG in den hier maßgeblichen Fassungen ist verfassungskonform, für eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG besteht im Hinblick auf den Sachverhalt des Klägers kein Anlass.

1. Für den Gesetzgeber ergeben sich auch bei der Regelung des Kindergeldes aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG umso engere Grenzen, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann (vgl. Beschluss des BVerfG zur kindergeldrechtlichen Diskriminierung von Ausländern ohne Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnisv. 06.07.2004 1 BvL 4/97, BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114; BVerfGE 82, 126 <146>; 88, 87 <96>; 106, 166 <176> ). Der hierbei zu berücksichtigende Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG von Ehe und Familie enthält keine Beschränkung auf deutsche Staatsangehörige (BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, BVerfGE 31, 58 <67> ; 51, 386 <396> ; 62, 323 <329> ).

2. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG, wonach solche Kinder von einer Berücksichtigung zu Gunsten des Kindergeldberechtigten ausgenommen sind, die bei der Agentur für Arbeit (vorliegend zu Recht) nicht als arbeitsuchend geführt werden bzw. nicht "als Arbeitsuchender gemeldet" sind, ist indessen eine Regelung, von der kindergeldberechtigte deutsche Staatsangehörige in gleicher Weise betroffen sind wie kindergeldberechtigte Ausländer mit einem Wohnsitz in Deutschland. Der Kläger als türkischer Staatsangehöriger mit unbeschränkter Aufenthaltsberechtigung ist - was die Frage der Berücksichtigung des Kindes als arbeitsuchend betrifft - den deutschen Staatsangehörigen mit Wohnsitz in Deutschland gleichgestellt. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1. EStG enthält keine differenzierende Regelung, die zum Nachteil des Klägers an seinen ausländerrechtlichen Status anknüpft.

Allein die geltend gemachte faktische Benachteiligung, die sich aus dem minderen aufenthaltsrechtlichen Status des Sohnes A. in den Monaten August 2003 bis Mai 2004 ergibt, begründet nicht die Verfassungswidrigkeit des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1. EStG. Denn insoweit geht es um einen Nachteil, von dem auch deutsche Kindergeldberechtigte betroffen sein können, sofern sie - was durchaus vorkommt - Kinder mit einer ausländischen Staatsangehörigkeit haben. Namentlich der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts zur kindergeldrechtlichen Diskriminierung von Ausländern ohne Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnisvom 6. Juli 2004 (1 BvL 4/97, BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114) ist hier nicht einschlägig.

3. Ferner ist § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht deshalb verfassungswidrig, weil er pauschal und typisierend verlangt, dass das zu berücksichtigende Kind - unabhängig von dessen ausländerrechtlichem Status - "noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einem Arbeitsamt (resp. bei einer Agentur für Arbeit) im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist" und damit - vorbehaltlich der weiteren Berücksichtigungstatbestände des § 32 EStG - jene Fallgestaltungen ausgrenzt, bei denen diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet zwar, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln, verwehrt dem Gesetzgeber aber nicht jede Differenzierung. Der Gesetzgeber hat im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit bei der Abgrenzung der begünstigten Personenkreise einen Gestaltungsspielraum für generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen (vgl. BVerfGE 111, 160, BFH/NV 2005, Beilage 2, 114; vgl. auch BVerfGE 99, 165 <178> ; 106, 166 <175 f. >, BFH Urteil v. 15.07.2003, VIII R 92/01, BFH/NV 2004, 173, Anschluss an BVerfG-Urteil v. 20.12.1966 1 BvR 320/57, 70/63, BVerfGE 21, 12, 27, und BVerfG Beschluss vom 10.04.1997 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1). Insbesondere atypische Fälle, deren Einbeziehung nur unter Schwierigkeiten zu bewältigen wäre und - wie vorliegend - nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen (BVerfG-Urteil vom 28. April 1999 1 BvL 22, 34/95, BVerfGE 100, 59, 90, m.w.N.), darf er unberücksichtigt lassen. Insoweit reicht es aus, wenn eine differenzierende Regelung - wie vorliegend (s. oben I. 1.) sachlich begründet ist (s. Pieroth/Schlink, Grundrechte Staatsrecht II, 23. Aufl. 2007, S. 102 ff., 106, m.w.N.).

B) Eine Berücksichtigung des Sohnes A. nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2. c) EStG ist ebenfalls ausgeschlossen, und auch hier bestehen keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Regelung. Nach dieser Bestimmung in der für die Monate August 2003 bis Mai 2004 maßgeblichen Fassung (Neugefasst durch Bek. v. 19.10.2002 I 4210; § 32 Abs. 1 Nr. 2: i.d.F. d. Art. 1 Nr. 11 G v. 15.12.2003 I 2645 mWv 20.12.2003) wird

"(4) Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, ... berücksichtigt, wenn es ...

2. noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat und

c) eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann ..."

I. 1. Angesichts des Wortlauts des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2. c) EStG und seines systematischen Zusammenhangs mit § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG ist hier - entgegen der Auffassung der Beklagten - für die Berücksichtigungsfähigkeit des Kindes als Nachweis zwar geeignet, aber nicht erforderlich, dass es bei einem Arbeitsamt bzw. einer Agentur für Arbeit im Inland als ausbildungssuchend "gemeldet" ist.

Die Berücksichtigung wegen eines mangelnden Ausbildungsplatzes erfordert, dass sich das Kind ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht hat (BFH-Beschluss v. 21.07.2005, III S 19/04 <PKH>, BFH/NV 2005, 2207; BFH-Beschluss vom 15.07.2003 VIII R 71/99, BFH/NV 2004, 473). Davon ist auszugehen, wenn sich seine Ausbildungsbereitschaft durch belegbare Bemühungen um einen Ausbildungsplatz objektiviert hat (BFH a.a.O.; vgl. auch Urteile des FG Schleswig-Holstein v. 15.09.1999, II 537/98, EFG 2000, 221; vom 04.12.1997, III 20/97, EFG 1998, 477; des FG Brandenburg vom 25.03.2003, 6 K 1630/02, EFG 2004, 210, und des FG Köln v. 05.12.2001, 15 K 5616/98, EFG 2002, 412). Andernfalls hätte es der Kindergeldberechtigte in der Hand, durch die bloße Geltendmachung der Ausbildungswilligkeit des Kindes den Anspruch auf Kindergeld bis zum 27. Lebensjahr zu verlängern (Urteile des Sächsischen FG v. 09.12.2002, 5 K 190/02 (Kg), n.v., [...], und des FG Sachsen-Anhalt v. 10.06.2003, 4 K 20115/00, zitiert nach [...]; vgl. auch Felix in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 63 Rdn. D 95). Der Nachweis kann zum Beispiel durch Bescheinigungen des Arbeitsamtes über die Meldung des Kindes als Bewerber um eine berufliche Ausbildungsstelle, Suchanzeigen, direkte Bewerbungen bei Ausbildungsstätten und ggf. daraufhin erteilte Zwischennachrichten oder auch Absagen geführt werden.

Der Kläger hat die ernsthaften Bemühungen seines Sohnes A. um einen Ausbildungsplatz in den Monaten August 2003 bis Mai 2004 dargetan. Denn A. ist nicht nur bei der Berufsberatung vorstellig geworden, um einen Ausbildungsplatz vermittelt zu bekommen, sondern er hat darüber hinaus parallel durch Einschaltung eines Anwalts seine rechtlichen Möglichkeiten wahrgenommen, um die aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen für die Vermittlung eines Ausbildungsplatzes zu schaffen. Belegt wird dies durch den Aktenvermerk des "Team 131" der Beklagten vom 01. November 2004 (KGA Bl. 191) und die zum finanzgerichtlichen Verfahren beigezogenen Unterlagen der Berufsberatung (GA Bl. 93).

2. Die Berücksichtigung des Kindes wegen eines mangelnden Ausbildungsplatzes nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2. c) EStG erfordert weiter, dass der Nichtantritt der Ausbildung allein durch die mangelnde Verfügbarkeit eines Ausbildungsplatzes begründet ist. Der Beginn bzw. die Fortsetzung der Ausbildung darf nicht an anderen Umständen als diesem scheitern (BFH-Urteil v. 15.07.2003 VIII R 79/99, BFHE 203, 94, BStBl II 2003, 843). Die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c) EStG sind hiernach nicht gegeben, wenn das Kind - die Verfügbarkeit des Ausbildungsplatzes unterstellt - diesen ohnehin nicht antreten könnte, weil es die objektiven Anforderungen dafür nicht erfüllt oder aus anderen Gründen an seinem Antritt gehindert ist.

a) Der BFH begründet dies mit dem Zweck des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2. c) EStG, der lediglich in der Gleichstellung von Kindern, die noch erfolglos einen Ausbildungsplatz suchten, mit solchen Kindern, die bereits einen Ausbildungsplatz gefunden hätten, bestehe. Typisierend sei davon auszugehen, dass in diesen beiden Fällen die gleiche Unterhaltssituation der Eltern bestehe (BFHE 203, 94, BStBl II 2003, 843, unter Hinweis auf BTDrucks. 10/2884, S. 102 f.; Greite in Korn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 32 Rz. 50; Heuermann in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 32 EStG Anm. 88; Jachmann in Kirchof/Söhn/ Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 32 Rdn. C 26; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 32 EStG Anm. 103; Pust in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 32 EStG Anm. 421). Die angestrebte Gleichstellung sei jedoch nur gerechtfertigt, wenn das einen Ausbildungsplatz suchende Kind diesen im Erfolgsfall auch antreten könne. Gegenstand des BFH-Urteils vom 15. Juli 2003 war ein Sachverhalt, in dem der Nichtantritt der Ausbildung durch eigene Dispositionen des Kindes verursacht und folglich von ihm zu vertreten war (vgl. BFHE 203, 94, BStBl II 2003, 843: Tätigkeit des Kindes als Fremdsprachenassistentin in Frankreich; vgl. auch FG Nürnberg, Urteil v. 20.01.2006 V 114/2005, zitiert nach [...]: Verbüßung einer Haftstraße durch das Kind).

b) Vorliegend steht einer Berücksichtigung des Sohnes A. des Klägers nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c) EStG folglich entgegen, dass er in den Monaten August 2003 bis Mai 2004 auch bei unterstellter Verfügbarkeit eines Ausbildungsplatzes diesen aus anderen Gründen nicht hätte antreten können. Diese sind in der unterlassenen Vermittlung eines Ausbildungsplatzes durch die zuständige Dienststelle der Agentur für Arbeit zu sehen, die auf der Vorstellung basierte, dass es wegen der kurzen Dauer der jeweils befristeten Duldungen des Aufenthalts gemäß § 69 Abs. 2 AuslG rechtlich (noch) nicht möglich bzw. nicht sinnvoll sei, A. einen Ausbildungsplatz zu vermitteln.

Letzteres folgt u.a. aus dem Aktenvermerk des "Team 131" der Agentur für Arbeit vom, wo u.a. ausgeführt ist:

"Kindergeld für ein Kind ohne Ausbildungsplatz

hier: A. ... geboren am

Kindergeldberechtigter: ... (Kläger)

Stellungnahme der Berufsberatung zur Anfrage vom

Das genannte Kind

hat sich - ohne Bewerber für eine berufliche Ausbildungsstelle zu sein - zwecks Erlangung einer Ausbildungsstelle beraten zu lassen ...

Hat sich im Zeitraum 08/2003 - 08/2004 mehrfach beraten lassen, jedoch kein Bew., da Aufenthaltsstatus nicht geklärt werden konnte. ..."

Entsprechendes ist den zum finanzgerichtlichen Verfahren beigezogenen Unterlagen zur Berufsberatung und Arbeitsvermittlung zu entnehmen, wo festgehalten ist:

"02.06.03 persönl.

Möchte AS abbrechen und Ausbildung beginnen im handwerkl. Bereich (Kfz) - gerne im HdH. cza

17.06.03 im Amt

A. hat heute keinen Pass dabei. Lt.e.A. jedoch hat sich nichts an seinem Status geändert - Aufenthaltsgenehmigung wird immer nur für 3 Monate verlängert.

Schwebendes Gerichtsverfahren lt. e.A.

Vorauss. für Verm. oder TN am Lehrgang (Vorauss. BAB) nicht gegeben, da Aufenthalt nach Beendigung des Lehrgangs nicht gesichert.

Besucht zur Zt. immer noch Abendrealschule, hat jedoch keine Lust mehr und würde lieber Ausb. machen. Soll sich wieder melden, sobald Statusänderung ist.

Le

16.02.04 mit Freundin im B-Dienst:

fragt, ob er für ein Praktikum auch ohne Ae arbeiten darf. Nach Rücksprache mit Herrn M. ... verneint. Legt Pass vor, danach ist eine Aufenthaltserlaubnis seit Dez 03 neu beantragt, aber noch nicht erteilt. Solang in dieser Hinsicht keine Entscheidung gefallen ist, bekommt er keine Arbeitsgenehmigung. Praktika sind nur frei, wenn sie Bestandteil der Ausbildung oder als anerkannte Schulpraktika laufen. /b

elow

14.06.04 persönl., AE bis 3.1.05 liegt vor, fragt nach Termin, Bw. Physiotherap. Info über BaföG erhalten, Termin wird zugeschickt, holt sich noch Info aus dem BIZ.

Mie"

Der Anwendbarkeit des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2. c) EStG steht somit im Streitfall entgegen, dass der Nichtantritt der Berufsausbildung auf anderen Gründen als dem Fehlen eines Ausbildungsplatzes beruhte (BFHE 203, 94, BStBl II 2003, 843).

b) § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c) EStG ist auch nicht deshalb zu Gunsten des Klägers anwendbar, weil die Berufsausbildung in den streitigen Monaten aus Gründen nicht angetreten wurde, die weder durch A. noch durch den Kläger zu vertreten sind.

aa) Die ausschließliche Beschränkung der Norm auf die Fälle der mangelnden Verfügbarkeit eines Ausbildungsplatzes durch den BFH ist kritisiert worden, weil sie auch Fallgestaltungen vom Kindergeld ausschließt, in denen die Ausbildung aus Gründen nicht angetreten oder fortgesetzt wurde, die weder das Kind noch der Kindergeldberechtigte zu vertreten haben. Namentlich bei Zwangspausen auf Grund einer vom Kind nicht zu vertretenden Überschreitung der Viermonatsfrist des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2. b) EStG (vgl. BFH-Urteil v. 24.08.2004 VIII R 101/03, BFH/NV 2005, 198: Kind, das nach Beendigung der Schulzeit länger als vier Monate auf den Beginn des Zivildienstes wartet; BFH-Urteil v. 16.03. 2004 VIII R 86/02, BFH/NV 2004, 1242: Kind, das nach Beendigung der Schulzeit insgesamt länger als vier Monate zunächst auf eine Zivildienststelle und sodann auf den Beginn des Zivildienstes wartet) wird im Schrifttum eine Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c) EStG befürwortet. Die Bestimmung sei in diesen Fällen bereits dem Wortlaut nach anwendbar, und es sei eine typische Unterhaltssituation geben, die derjenigen in Ausbildungszeiten des Kindes entspreche (s. Heuermann in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 32 EStG Anm. 89, Greite in FR 2003, 1294).

bb) Dem wird nicht gefolgt. Der BFH hat eine analoge Anwendung der Bestimmung für die genannte Fallgruppe verneint, weil es an einer Regelungslücke fehle (BFH/NV 2005, 198, und BFH/NV 2004, 1242). Diese Auffassung erscheint als zutreffend, weil eine Gesetzeslücke nur vorliegt, wenn eine Regelung gemessen an ihrem Zweck unvollständig, d.h. ergänzungsbedürftig ist und ihre Ergänzung nicht einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widerspricht. Hier fehlt eine Regelungslücke (in Abgrenzung zu dem sog. rechtspolitischen Fehler, vgl. BFH-Urteil v. 24.01.1974 IV R 76/70, BFHE 111, 329, BStBl II 1974, 295; BFH-Beschluss vom 28. Mai 1993 VIII B 11/92, BFHE 171, 300, BStBl II 1993, 665; BFH-Urteile vom 26. Juni 2002 IV R 39/01, BFHE 199, 374, BStBl II 2002, 697), weil der Gesetzgeber mit § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c) EStG den bereits in Ausbildung befindlichen Kindern (vgl. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a) EStG) bewusst nur solche Kinder gleichgestellt hat, die ihre Ausbildung allein wegen eines fehlenden Ausbildungsplatzes nicht aufnehmen oder fortsetzen können. Daneben sind weitere Gründe denkbar, die zu einem Nichtantritt oder einer Unterbrechung der Ausbildung durch das Kind führen können, wie beispielsweise Unentschlossenheit, Krankheit des Kindes oder - wie im Streitfall geltend gemacht - aufenthaltsrechtliche Hindernisse. Die Einbeziehung auch dieser Fallgruppen wäre indes nicht lückenfüllend, sondern würde den Anwendungsbereich des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c) EStG erweitern. Denn in der Konsequenz würden dann Differenzierungen nach Maßgabe der jeweiligen Unterhaltssituation der Eltern und/oder nach Verschuldensmaßstäbe bei dem betroffenen Kind (vgl. Heuermann in Blümich a.a.O.: "vom Kind nicht zu vertretende Unstände") unerlässlich, für die § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c) EStG keine normativen Maßstäbe enthält, eben weil sich diese Vorschrift nach dem Willen des Gesetzgebers nicht auf diese Fallgruppen erstrecken soll.

cc) Da eine Berücksichtigung des A. auch im Wege der Rechtsanalogie zu § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c) EStG nicht in Betracht kommt, kann letztlich offen bleiben, ob die unterbliebene Aufnahme der Berufsausbildung durch A. in den Monaten August 2003 bis Mai 2004 - wie der Kläger meint - allein durch die Agentur für Arbeit zu vertreten ist. Dies könnte in Ansehung der Monate März bis Mai 2004 der Fall gewesen sein, in denen der Aufenthalt des A. nicht mehr nach § 69 Abs. 2 AuslG als geduldet, sondern gemäß § 69 Abs. 3 AuslG vorläufig als erlaubt galt (GA Bl. 36). Die zuletzt genannte Regelung begründet eine Erlaubnisfiktion für die Zeit von der Antragstellung bis zur Bescheidung durch die Ausländerbehörde und vermittelt so einen rechtmäßigen Aufenthalt (vgl. BVerwG Urteil vom 22.01.2002 1 C 6/01, BVerwGE 115, 352, m.w.N.). Der von A. begehrten Vermittlung eines Ausbildungsplatzes standen deshalb möglicherweise keine aufenthaltsrechtlichen Hindernisse mehr entgegen (vgl. Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen v. 29.04.2004 L 8 AL 268/03, zitiert nach [...], m.w.N.: Berufsausbildungsbeihilfe für nicht privilegierte Ausländer nach § 63 Abs. 2 Satz 1 SGB 3). Gleichwohl ist eine Berücksichtigung des A. nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c) EStG vorliegend ausgeschlossen.

II. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c) EStG unterliegt auch dann keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn man ihn im Sinne des zitierten BFH-Urteils vom 15. Juli 2003 (VIII R 79/99, BFHE 203, 94, BStBl II 2003, 843). Insoweit wird auf die Ausführungen zu § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1. EStG unter A) II. verwiesen, die hier sinngemäß gelten. Für eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG ist daher ebenfalls kein Raum.

Aus den genannten Gründen wird die Klage abgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Satz 1 FGO.

Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, weil die Rechtsfrage, ob § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c) - ggf. analog - anwendbar ist, wenn der Nichtantritt der Ausbildung durch das Kind auf andere Gründe als das Fehlen eines Ausbildungsplatzes zurückzuführen ist, diese Gründe jedoch nicht durch das Kind bzw. den Kindergeldberechtigten ggf. aber durch die Agentur für Arbeit zu vertreten sind, durch den BFH noch nicht entschieden ist. Gegenstand des BFH-Urteils vom 15. Juli 2003 (VIII R 79/99, BFHE 203, 94, BStBl II 2003, 843) war ein Sachverhalt, in dem der Nichtantritt der Ausbildung durch eigene Dispositionen des Kindes (Auslandstätigkeit als Fremdsprachenassistentin) verursacht und von ihm allein zu vertreten war.

Ende der Entscheidung

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