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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 15.12.2006
Aktenzeichen: 1 K 3442/06 G
Rechtsgebiete: EStG, GewStG


Vorschriften:

EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1
GewStG § 2 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

1 K 3442/06 G

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin als Freiberuflerin (Künstlerin) i. S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes -EStG- angesehen werden kann oder ob ihre Einkünfte der Gewerbesteuer unterliegen.

Die Klägerin ist als Moderatorin für den Verkaufssender "A" tätig. Der Vertrag mit der "A" Handel GmbH sieht vor, dass die Klägerin freiberuflich als Präsentatorin arbeitet. Die Tätigkeit umfasst die Präsentation bzw. Demonstration von verschiedenen Produkten bei Live-Shows des Auftraggebers. Die Klägerin unterliegt bei Durchführung der Tätigkeit keinen weiteren Weisungen des Auftraggebers. Das Honorar wird nicht erfolgsabhängig, sondern auf Stundenbasis bemessen.

Der Beklagte ordnete die Einkünfte der Klägerin - wie bereits seit mehreren Vorjahren, damals indes wegen Unterschreitens der Freibeträge ohne steuerliche Auswirkung - als der Gewerbesteuer unterliegende Einkünfte ein. Gegen den Gewerbesteuermessbescheid 2004 vom 08. 06. 2006 und die Ablehnung der Herabsetzung des Gewerbesteuermessbetrages für Vorauszahlungszwecke 2006 vom 13. 06. 2006 legte die Klägerin Einsprüche ein und machte geltend, sie sei künstlerisch tätig. Insbesondere sei sie keine "Produktanpreiserin", sondern die Gesprächspartnerin des jeweiligen Anpreisers. Sie habe schauspielerische Leistungen zu erbringen. Sämtliche Auftritte seien Ausdruck einer eigenschöpferischen Leistung; in Art und Gestaltung der Präsentation sei sie völlig frei. Der Aufforderung des Beklagten, Ausbildung und beruflichen Werdegang darzulegen, die monatlichen Abrechnungen mit dem Auftraggeber zu übersenden und Demonstrationsmaterial zu den Fernsehsendungen einzureichen, kam die Klägerin nicht nach. Mit Entscheidung vom 17. 08. 2006 wies der Beklagte die Einsprüche als unbegründet zurück. Das Anpreisen von Produkten im Rahmen einer Fernsehwerbung stelle nur dann eine eigenschöpferische Leistung von künstlerischem Rang dar, wenn der Moderator eine größere Rolle zu verkörpern habe, die einer schauspielerischen oder sonstigen künstlerischen Leistung vergleichbar sei. Diese Voraussetzungen seien indes nach Aktenlage nicht feststellbar.

Hiergegen richtet sich die Klage, zu deren Begründung die Klägerin ergänzt: Der Beklagte verkenne, dass neben zweckfreier Kunst auch Gebrauchskunst als Kunst anerkannt werden könne. Die Verfolgung von Werbezwecken sei unschädlich; entscheidend sei das "Wie", nicht das "Wofür". Wenn eine Tätigkeit im Einzelfall als Kunst eingestuft werde, dürfe die Finanzbehörde oder das Gericht nicht zusätzlich darauf abstellen, ob ein bestimmtes künstlerisches Niveau erreicht sei. Die Vorgaben ihres Auftraggebers beschränkten sich auf die Angabe des zu präsentierenden Produktes; zwischenzeitlich gehörten rd. 120 verschiedene Produkte zu ihrem Repertoire. Sie sei sowohl wegen ihrer schauspielerischen Leistungen als auch wegen der eigenständig recherchierten Produktinformationen sowie der eigenschöpferisch verfassten Texte und Moderationen künstlerisch tätig. In den Sendungen sei sie Gesprächspartnerin eines bei "A" angestellten, auf Provisionsbasis arbeitenden Verkäufers, der mit Anpreisungen und Fragen durch die Sendung führe; sie selbst sei nicht in den Verkauf eingebunden. Zudem verfüge sie über eine 25jährige Berufserfahrung als Fernsehmoderatorin.

Die Klägerin beantragt,

den Gewerbesteuermessbescheid 2004 vom 08. 06. 2006 und den Bescheid über die Ablehnung der Herabsetzung des Gewerbesteuermessbetrages für Vorauszahlungszwecke ab 2006 vom 13. 06. 2006, jeweils in Gestalt der Einspruchentscheidung vom 17. 08. 2006, ersatzlos aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung Augenscheinsbeweis erhoben durch Abspielen der beiden von der Klägerin eingereichten Videokassetten, die Ausschnitte aus Verkaufssendungen enthalten.

Hinsichtlich der Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Klagevorbringen der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der dem Gericht vorgelegten Steuerakten sowie der Beweismittel Bezug genommen.

Die Klage ist unbegründet.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig; der Beklagte hat die Einkünfte der Klägerin zu Recht der Gewerbesteuer unterworfen.

Gemäß § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes -GewStG- unterliegt jedes gewerbliche Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes der Gewerbesteuer. Keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sondern aus selbstständiger Tätigkeit erzielen Steuerpflichtige, die freiberuflich tätig sind; dazu gehört gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auch die selbstständig ausgeübte künstlerische Tätigkeit.

Die Rechtsprechung unterscheidet zwischen zweckfreier Kunst einerseits und Gebrauchskunst andererseits. Bei der freien Kunst kann auf die Feststellung einer gewissen künstlerischen Gestaltungshöhe verzichtet werden; es reicht aus, wenn den Werken nach der allgemeinen Verkehrsauffassung das Prädikat des Künstlerischen nicht abgesprochen werden kann. Bei künstlerischen Tätigkeiten, deren Ergebnisse einen praktischen Nützlichkeitszweck haben - so etwa den Zweck der Werbung -, verlangt der BFH dagegen eine eigenschöpferische Leistung, in der sich individuelle Anschauungsweise und besondere Geltungskraft widerspiegeln, so dass eine gewisse objektiv festzustellende künstlerische Gestaltungshöhe erreicht wird; lassen die Vorgaben des Auftraggebers keinen nennenswerten Spielraum für eigenschöpferische Leistungen oder überwiegen die handwerklichen Elemente, handelt es sich in der Regel um gewerbliche Einkünfte (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 15. 10. 1998 IV R 1/97, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 1999, 465; Lambrecht in Kirchhof, EStG, 6. A., § 18 Rdn. 75; Steinhauff in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 18 Rdn. 91; Wacker in Schmidt, EStG, 25. A., § 18 Rdn. 66 ff.). Künstlerisch ist nur eine selbstständige, eigenschöpferische Arbeit, die dem Werk eine über die Darstellung der Wirklichkeit hinausgehende Aussagekraft verleiht. Ist das Werk nicht um seiner selbst willen geschaffen, sondern wird lediglich die Wirklichkeit ohne eigene künstlerische Aussage kopiert, so fehlt es an der der Kunst eigentümlichen Gestaltungshöhe (Urteil des BFH vom 10. 09. 1998 IV R 70/97, BFH/NV 1999, 456). Der Einsatz von Schauspielern für Werbespots ist jedenfalls dann keine künstlerische Betätigung, solange dort nicht die schauspielerische Leistung des Betreffenden, sondern der sachliche Inhalt des Textes oder der Bekanntheitsgrad des eingesetzten Schauspielers im Vordergrund steht (BFH-Urteil vom 11. 07. 1991 IV R 33/90, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1992, 353). Die "Rolle" muss nach Art und Umfang durch den Einsatz schauspielerischer Erfahrungen künstlerische Gestaltungskraft in einer Weise erhalten, die einen erheblichen Spielraum zur Entfaltung künstlerischer Fähigkeiten belässt; erforderlich ist die Darbietung einer eigenen schöpferischen Leistung von künstlerischem Rang (Urteil des Finanzgerichts -FG- Bremen vom 08. 05. 1996 395063K1, Betriebsberater -BB- 1998, 1618).

Nach diesen Grundsätzen ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller feststellbaren Umstände die Tätigkeit der Klägerin als gewerblich einzuordnen.

Die Beurteilung, ob die von der Klägerin zu Werbezwecken gestalteten Fernsehauftritte als Kunst i.S. von § 18 EStG eingeordnet werden können, erfordert besondere Sachkunde. Über diese Sachkenntnis verfügen die Senatsmitglieder aufgrund ihrer Lebenserfahrung, privater Kontakte zu Künstlern und Graphikern, Besuch von Schauspiel- und Theateraufführungen sowie Betrachten von Kunstverfilmungen in Kino und Fernsehen selbst, wie den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung, in der die Streitsache sachkundig erörtert wurde, zu erkennen gegeben worden ist. Das Gericht hat der Klägerin anheimgestellt, ein Sachverständigengutachten über die künstlerische Betätigung zu beantragen; die Klägerin hat einen solchen Antrag nicht gestellt. Damit konnte die Entscheidung ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens ergehen (vgl. BFH-Urteil vom 26. 02. 1987 IV R 105/85, BStBl II 1987, 376; BFH-Beschluss vom 01. 06. 2006 IV B 200/04, Der Betrieb -DB- 2006, 1877, dort unter Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des erkennenden Senats vom 05. 11. 2004 1 K 3118/02 G, Steuereildienst -StE- 2006, 666 (red. Leitsatz); Urteil des FG Düsseldorf vom 25.02.2004 7 K 7162/01 G, Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst -DStRE- 2004, 638; Littmann a.a.O.; Schmidt a.a.O. Rdn. 70).

Die zu Werbezwecken ausgeübte Tätigkeit der Klägerin genügt nicht den hohen Anforderungen, die die Rechtsprechung an eine Anerkennung der sog. Gebrauchskunst als künstlerisch i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG stellt.

Zwar hat die Augenscheinseinnahme ergeben, dass die Fernsehauftritte eine gewisse Kreativität der Klägerin widerspiegeln. Die Darstellungen und Präsentationen beruhen auf Arrangements, die durchaus geeignet sind, den Betrachter anzusprechen, und ästhetisch wirken. Die Klägerin übernimmt jeweils die Rolle der Gesprächspartnerin des Verkäufers, der produktbezogene Fragen an die Klägerin richtet bzw. ihr Gelegenheit zu eigenen Darstellungen und Demonstrationen hinsichtlich der Eigenschaften des vorgestellten Produkts gibt. Die Klägerin reagiert spontan, beantwortet die Fragen sachkundig und fügt weitere Bemerkungen an - etwa durch kurze Wiedergabe privater Eindrücke oder Erlebnisse -, die eine ungezwungene Atmosphäre entstehen lassen. Der Inhalt der gesprochenen Texte ist, wie die Klägerin überzeugend dargelegt hat, nicht vom Auftraggeber vorgegeben, sondern Ausdruck einer eigenen freien Leistung der Klägerin.

Dieser Umstand allein reicht jedoch zur Einstufung dieser Tätigkeit als Kunst i.S. des Einkommensteuerrechts nicht aus. In der Gesamtbetrachtung fehlt den zu Werbezwecken dargestellten und ausgeführten Präsentationen der erforderliche Abstraktionsgrad, ohne den eine objektiv festzustellende Gestaltungshöhe i.S. der höchstrichterlichen Rechtsprechung hier nicht erreicht werden kann. Die Klägerin ist ungeachtet dessen, dass sie den während der Auftritte gesprochenen Text eigenständig gestalten kann, keine "freie" Künstlerin, sondern den Interessen und Zielen ihres Auftraggebers und mittelbar der Kunden unterworfen. Ihr sind mit dem jeweiligen Werbegegenstand die in der Arbeit zu präsentierenden Produkte vorgegeben. Ebenso muss die Klägerin mit dem Auftritt einen bestimmten Aussagewert erreichen, nämlich über das jeweilige Werbeprodukt informieren, es als positiv darstellen, das Interesse des Betrachters wecken und einen Kaufanreiz schaffen. Bei der Gestaltung mit den vorgegebenen Produkten (etwa Bettzeug oder Bettwäsche) zu dem ebenfalls vorgegebenen Zweck (der Werbung) unterwirft sich die Klägerin Bindungen, die ein Abstrahieren und Verfremden nur in begrenztem Umfang zulassen. Im Mittelpunkt stehen nicht die abstrakte Aussage oder der persönliche Stil der Klägerin, sondern das Produkt bzw. der Werbegegenstand als Abbild der Wirklichkeit. Diese Wirkung wird durch die jeweils eingeblendeten Herstellerangaben und Produktinformationen noch verstärkt. Die Auftritte der Klägerin sind nicht um ihrer selbst willen geschaffen und haben nicht losgelöst vom (Werbe-)Produkt einen eigenen Bestand als künstlerisches Werk. Vielmehr kopieren und gestalten die Arrangements die Wirklichkeit, ohne dass sich eine eigene Aussage der Klägerin mit der der Kunst eigentümlichen Gestaltungshöhe durchsetzen kann und nach den Vorgaben des Auftrages durchsetzen darf. Die Bindungen durch Produkt und Gebrauchszweck prägen im vorliegenden Einzelfall die Arbeiten so deutlich, dass keine abstrakte künstlerische Aussage der Klägerin erkennbar wird.

Die den Werbezwecken dienenden Auftritte können auch nicht im Hinblick auf schauspielerische Leistungen der Klägerin als künstlerische Tätigkeit eingeordnet werden. Die Klägerin hat nicht etwa eine größere Rolle zu verkörpern, die ihrer Art und ihrem Umfang nach mit einer typischen - im Sinne einer rein künstlerischen, zweckfreien Darstellung - schauspielerischen oder sonst künstlerischen Tätigkeit vergleichbar ist. Die Klägerin spricht die Rolle einer Produktbenutzerin und Sachkundigen, die Informationen zum Produkt vermittelt. Dabei stehen nicht die schauspielerische Leistung, sondern der sachliche Inhalt des Textes und die Eigenschaften des Produktes im Vordergrund, so dass auch insoweit die erforderliche Gestaltungs- und Abstraktionshöhe fehlt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-.



Ende der Entscheidung

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