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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 22.01.2008
Aktenzeichen: 10 K 2915/05 Kg
Rechtsgebiete: EStG
Vorschriften:
EStG § 62 Abs. 2 |
Finanzgericht Düsseldorf
10 K 2915/05 Kg
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger ist armenischer Staatsbürger und begehrt die Festsetzung von Kindergeld für seine 3 Kinder.
Nach dem Inhalt der vom Gericht beigezogenen Ausländerakte reiste er bereits Mitte 1993 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Nach erfolglos verlaufenem Asylverfahren erteilte die Stadt "A" im April 1996 gemäß § 30 Abs. 3 des Ausländergesetzes (AuslG) eine befristete und hinsichtlich einer Arbeitsaufnahme eingeschränkte Aufenthaltsbefugnis. Diese wurde in der Folgezeit mehrfach verlängert. Unter dem 27.5.1999 erteilte das Arbeitsamt "B" eine unbefristete Arbeitsgenehmigung, am 20.6.2002 die Stadt "A" eine Reisegewerbekarte, die den Kläger zum Feilbieten von Imbissen und zum Verkauf von selbst zubereiteten Speisen berechtigte. Am 1.6.2005 erhielt der Kläger schließlich eine Aufenthaltserlaubnis nach Maßgabe des § 25 Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG). Eine Erwerbstätigkeit wurde hierbei ausdrücklich gestattet.
Daraufhin beantragte er auch die Bewilligung von Kindergeld für seine am 14.9.1990, am 28.5.1992 und am 5.7.1994 geborenen Kinder. Diesen Antrag lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 17.6.2005). Den Einspruch des Klägers wies sie unter dem 4.7.2005 als unbegründet zurück.
Im nachfolgenden Klageverfahren änderte die Beklagte die bis dahin vertretene Rechtsauffassung und setzte mit Bescheid vom 17.9.2007 Kindergeld fest für den Zeitraum von September bis Dezember 2001 und für den Zeitraum ab Juni 2003.
Zur Begründung führte sie aus, dass der Kläger in den genannten Zeiträumen erwerbstätig gewesen sei. Daher könne Kindergeld bewilligt werden. Der Rechtsstreit wurde von den Beteiligten insoweit für in der Hauptsache erledigt erklärt.
Der Kläger setzt den Prozess hinsichtlich des Zeitraums von Januar 2002 bis Mai 2003 fort. Hierzu trägt er vor:
Auch nach Erlass des Bescheides vom 17.9.2007 sei er durch die nur auf Teilzeiträume beschränkte Bewilligung von Kindergeld in seinen Rechten verletzt. Nach Aktenlage habe er nämlich bereits mit der Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis im April 1996 einen Anspruch auf die Bewilligung von Kindergeld erworben, der durchgängig fortbestanden habe. Insoweit verweise er auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 6. Juli 2004 (1 BvL 4/97, Sammlung der Entscheidungen des BVerfG 111, 160).
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, ihm unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 17.6.2005 und der Einspruchsentscheidung vom 4.7.2005 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 17.9.2007 für den Zeitraum von Januar 2002 bis Mai 2003 Kindergeld für drei Kinder festzusetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet.
Der Kläger wird durch die Bescheide vom 17.6.2005 und vom 17.9.2007 nicht in seinen Rechten verletzt, soweit darin die Bewilligung von Kindergeld abgelehnt worden ist (§ 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung <FGO>), denn zumindest für den hier streitigen Zeitraum von Januar 2002 bis Mai 2003 sind diese Bescheide rechtmäßig.
Der Kläger hat nämlich für diesen Zeitraum keinen Anspruch auf Bewilligung von Kindergeld gehabt.
Das gilt auch unter Berücksichtigung der vom Kläger herangezogenen Entscheidung des BVerfG vom 6. Juli 2004 (1 BvL 4/97, a.a.O.).
Der Gesetzgeber hat nämlich auf diese Entscheidung reagiert und die für die rechtliche Beurteilung des Sachverhalts maßgebliche Bestimmung des § 62 EStG geändert. Da die Neufassung des § 62 Abs. 2 EStG auch für alle Zeiträume anzuwenden ist, in denen das Kindergeld noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist (§ 52 Abs. 61a Satz 2 EStG in der Fassung des Gesetzes vom 13. Dezember 2006), sind etwaige Ansprüche des Klägers auf Kindergeld auch für Zeiträume vor dem 1. Januar 2006 nicht mehr nach § 62 Abs. 2 EStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 1996 bzw. der geänderten Fassung aufgrund des Zuwanderungsgesetzes, sondern nach § 62 Abs. 2 EStG in der neuen Fassung zu beurteilen.
Aus dieser Neufassung des Gesetzes lässt sich für den Kläger jedoch für den umstrittenen Zeitraum kein Anspruch auf die Bewilligung von Kindergeld ableiten.
Richtig ist allerdings, dass er sich schon seit 1996 rechtmäßig im Inland aufgehalten hat. Entgegen seiner Rechtsauffassung ist dieser Sachverhalt jedoch nicht geeignet, der Klage zum Erfolg zu verhelfen. Dabei geht das Gericht zu seinen Gunsten davon aus, dass sich der Anspruch auf die Bewilligung von Kindergeld auch aus Aufenthaltstiteln ergeben kann, die auf die Regelungen des AuslG zurückgehen (vergl. dazu schon das Urteil des Gerichts vom 23. Januar 2007 - 10 K 2661/04 Kg, Entscheidungen der Finanzgerichte <EFG> 2007, 605). Die im Streitfall erteilte Aufenthaltsbefugnis kann jedenfalls ihrem Charakter nach nicht mit einem der in der neuen Fassung des § 62 Abs. 2 EStG ausdrücklich aufgeführten Aufenthaltstitel gleichgesetzt werden, der uneingeschränkt einen Anspruch auf Bewilligung von Kindergeld begründet.
Ein Vergleich mit einer Niederlassungserlaubnis (§ 62 Abs. 2 Nr. 1 EStG) ist schon deshalb nicht möglich, weil die mit einem solchen Titel eingeräumten Rechte weit über diejenigen Rechte hinausgehen, die der Kläger erhalten hat. Die Niederlassungserlaubnis (§ 9 AufenthaltG) ist nämlich unbefristet, zeitlich und räumlich nicht beschränkt und sie berechtigt zu einer Erwerbstätigkeit. Derartige Rechte sind dem Kläger durch die im April 1996 erteilte Aufenthaltsbefugnis jedoch nicht eingeräumt worden. Vielmehr war sein Aufenthaltsrecht in vielfältiger Weise eingeschränkt (Befristung, örtliche Beschränkung). Insbesondere war eine Erwerbstätigkeit ausdrücklich nicht bzw. nur gemäß einer anderweitig erteilten Arbeitserlaubnis gestattet. Daher kann die Aufenthaltsbefugnis allenfalls als Aufenthaltstitel angesehen werden, der einen Anspruch auf Bewilligung von Kindergeld nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG begründet (vergl. dazu das Urteil des erkennenden Senats vom 23. Januar 2007 - 10 K 3095/06 Kg, EFG 2007, 607).
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall jedoch nicht erfüllt.
Zwar hatte sich der Kläger auch schon im Januar 2002 mehr als drei Jahre "rechtmäßig" im Bundesgebiet aufgehalten (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe a EStG), es fehlt aber an der weiteren Voraussetzung des § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b EStG.
Es kann nämlich nicht festgestellt werden, dass der Kläger im hier umstrittenen Zeitraum erwerbstätig gewesen ist. Zwar hat er nach dem Inhalt der Ausländerakte im Juni 2002 eine Reisegewerbekarte erhalten, es ist aber nicht erkennbar, dass er anschließend entsprechende Aktivitäten entfaltet hat. Der Kläger hat dazu nichts vorgetragen und auch keine Nachweise (z.B. Gewinnermittlungen, Steuererklärungen, Anrechnungen auf die seinerzeit bezogene Sozialhilfe) beigebracht. Auch Hinweise auf eine anderweitige Berufstätigkeit (bezogen auf den umstrittenen Zeitraum von Januar 2002 bis Mai 2003) lassen sich weder den Ausländer- noch den Kindergeldakten entnehmen. Ein entsprechender Vortrag des Klägers liegt ebenfalls nicht vor.
Soweit der Kläger mit der Fortsetzung der Klage geltend machen will, dass er auch die gesetzliche Neuregelung des § 62 Abs. 2 EStG für verfassungswidrig erachte, folgt das Gericht dem nicht. Das BVerfG hat in der Entscheidung vom 6. Juli 2004 (1 BvL 4/97, a.a.O.) das mit der gesetzlichen Neufassung des § 1 Abs. 3 des Bundeskindergeldgesetzes durch das Erste Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms vom 21. Dezember 1993 verfolgte Ziel, Kindergeld nur noch solchen Ausländern zu gewähren, von denen zu erwarten sei, dass sie auf Dauer in Deutschland blieben (BT-Drucks. 12/5502, S. 44), als solches nicht beanstandet, sondern nur die dafür gewählte Form. Durch die Neuregelung wird das genannte Ziel nach Auffassung des Gerichts in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise umgesetzt (vergl. dazu das Urteil des Gerichts vom 20. März 2007 - 10 K 1510/04 Kg, EFG 2007, 1530; Revision eingelegt, Aktenzeichen beim Bundesfinanzhof: III R 22/07).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Zulassung der Revision ergibt sich aus der Regelung des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, denn die vom Kläger in Erwägung gezogene Rechtsauffassung, dass auch die Neufassung des § 62 Abs. 2 EStG verfassungswidrig sei, wird in einzelnen Entscheidungen der Finanzgerichtsbarkeit und in Teilen der Literatur geteilt und eine Entscheidung des BFH zu dieser Frage, speziell unter dem Blickwinkel der im Gesetz geforderten Erwerbstätigkeit, liegt noch nicht vor (vergl. dazu auch den Beschluss des BFH vom 21.08.2007 - III S 23/07 <PKH>, Sammlung nicht amtlich veröffentlichter Entscheidungen des BFH 2007, 2290).
Ende der Entscheidung
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