Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 15.11.2007
Aktenzeichen: 14 K 2642/07 Kg
Rechtsgebiete: EStG, FGO


Vorschriften:

EStG § 62
EStG § 63
EStG § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
EStG § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
FGO § 101 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

14 K 2642/07 Kg

Tenor:

Der Bescheid vom 20. Dezember 2006 und die Einspruchsentscheidung vom 6. Juni 2007 werden aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Gewährung von Kindergeld für seinen Sohn Anton unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Der Kläger ist polnischer Staatsangehöriger und der Vater des am 27. Juli 2005 geborenen Anton. Das Kind lebt bei der Kindesmutter in Polen.

Am 1. Oktober 2004 meldete sich der Kläger mit der Anschrift "B-Str. 6" in C-Stadt an.

Ausweislich einer Gewerbeanmeldung vom 8. Oktober 2004 meldete der Kläger unter der vorgenannten Anschrift einen Betrieb mit den Tätigkeiten Hausmeisterservice (unter Ausschluss erlaubnispflichtiger und handwerklicher Tätigkeiten), Trockenbau, Garten- und Landschaftsbau, Stemmen und Schlitzen, Abbrucharbeiten an.

Am 14. Juli 2006 meldete der Kläger seinen Betrieb zu seinem neuen Wohnsitz "D-Straße 3" in C-Stadt um.

Mit Antrag vom 25. Oktober 2006 beantragte der Kläger die Gewährung von Kindergeld für seinen Sohn.

Mit Bescheid vom 20. Dezember 2006 lehnte der Beklagte den Anspruch unter Hinweis darauf, dass die Formulare "E 401" und "E 411" nicht vorgelegt worden seien, als unbegründet ab.

Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 18. Januar 2007 Einspruch ein.

Am 1. Februar 2007 gingen bei der Beklagten die in polnischer Sprache gehaltenen vorgenannten Formulare ein.

Auf Nachfrage der Beklagten erklärte der Kläger sodann, dass er weder in einer Versicherung der selbstständig Erwerbstätigen für den Fall des Alters versicherungs- oder beitragspflichtig noch in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig sei. In Polen unterliege er einer Pflichtversicherung für den Fall des Alters.

Mit Einspruchsentscheidung vom 6. Juni 2007, versandt am 8. Juni 2007, wies die Beklagte den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück.

Zur Begründung führte sie aus, der Kläger erfülle die Anspruchsvoraussetzungen des § 62 Abs. 1 EStG für einen steuerrechtlichen Kindergeldanspruch in Deutschland. Für das genannte Kind bestehe jedoch zugleich in einem anderen Staat der Europäischen Union (EU) bzw. des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) oder der Schweiz ein Anspruch auf Kindergeld, nämlich in Polen.

Welcher Anspruch vorrangig sei, bestimme sich im Verhältnis zu anderen EU-/EWR-Staaten und der Schweiz nach den Regelungen der Verordnung (EWG) 1408/71 (VO) bzw. der hierzu ergangenen Durchführungsverordnung (EWG) 574/72 (DVO). Diese Verordnungen gingen als überstaatliche Vorschriften der deutschen Rechtsordnung vor und seien in Deutschland unmittelbar geltendes Recht (vgl. Art. 249 Abs. 2 des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft).

Unterliege der Antragsteller nach Art. 13-17 VO ausschließlich ausländischen Rechtsvorschriften, so bestehe kein Anspruch auf deutsches Kindergeld.

Der Kläger übe zwar in Deutschland eine selbstständige Tätigkeit gemäß Art. 13 Abs. 2 b VO aus, sei jedoch nicht in dem gesonderten Alterssicherungssystem der Selbstständigen oder in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig (s. Anhang I Teil I Buchstabe C VO). Vielmehr bestehe eine Pflichtversicherung in Polen. Damit unterliege er den Rechtsvorschriften Polens, ein Anspruch auf deutsches Kindergeld scheide aus.

Mit der am 11. Juli 2007 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Ergänzend macht der Kläger geltend, er habe selbstverständlich auch einen Anspruch auf Kindergeld in Polen. Dieser Anspruch sei jedoch deutlich geringer und von dem deutschen Kindergeldanspruch abzuziehen. Die Differenz sei dann in jedem Fall zu bewilligen.

Allein der Umstand, dass er in Deutschland nicht gesetzlich rentenversicherungspflichtig sei und auch keinem gesonderten Alterssicherungssystem der Selbstständigen angehöre, führe nicht dazu, dass ein Anspruch auf Kindergeld ausscheide. Er sei in Deutschland angemeldet, er habe also seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland. Desweiteren übe er ein selbstständiges Gewerbe aus, er erziele also ein eigenes Einkommen.

Es gebe auch eine Vielzahl von Deutschen, die nicht rentenversichert seien und trotzdem einen Anspruch auf Kindergeld hätten. Hierbei mache es keinen Unterschied, ob das Kind in Deutschland lebe oder in einem anderen EU-Land.

Sodann hat der Kläger mit Schriftsatz vom 24. August 2007 geltend gemacht, weder er noch seine Frau erhielten für das Kind Anton Kindergeld.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 20. Dezember 2006 und der Einspruchsentscheidung vom 6. Juni 2007 zu verpflichten, ihm für seinen Sohn Anton ab Oktober 2006 Kindergeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie zunächst Ausführungen gemacht, die - was die Bezugnahme auf die überreichte Akte anbelangt - keinen Bezug zu dem vorliegenden Fall aufweisen.

Mit Schriftsatz vom 25. September 2007 hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass die in Polen lebende Ehefrau des Klägers nach der entsprechenden Bescheinigung der polnischen Behörde bis einschließlich Dezember 2005 in Polen erwerbstätig gewesen sei, so dass dem Grunde nach auch für die Ehefrau ein Kindergeldanspruch in Polen bestehen dürfe. Für die Zeit ab Juli 2005 sei der Anspruch allerdings nicht geltend gemacht, da keine Antragstellung erfolgt sei.

Auf Nachfrage des Gerichts hat die Handwerkskammer E-Stadt mitgeteilt, dass der Kläger in der Handwerksrolle weder mit einem zulassungspflichtigen noch mit einem zulassungsfreien Handwerk geführt wird.

Mit Schriftsätzen vom 14. August 2007 und vom 6. November 2007 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung -FGO).

Die Klage ist begründet, soweit sich der Kläger dagegen wendet, dass die Beklagte die Festsetzung von Kindergeld für den Sohn Anton mit der Begründung verweigert hat, er gehöre nicht zum Kreis der Personen, die nach § 62 EStG Anspruch auf Kindergeld hätten. Insoweit ist der angefochtene Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 101 Satz 1 FGO).

Die Beklagte hat den Antrag auf Kindergeld zuletzt mit der Begründung abgelehnt, dass sich die Frage der Anwendbarkeit deutschen Kindergeldrechts nach den Regelungen der Verordnung (EWG) 1408/71 VO bzw. der dazu ergangenen Durchführungsverordnung (EWG) 574/72 DVO bestimme. Da der Kläger nicht von dem persönlichen Geltungsbereich der VO erfasst werde, sei deutsches Kindergeldrecht mithin nicht anwendbar.

Das Gericht ist der Auffassung, dass die Beklagte die Frage der Gewährung von deutschem Kindergeld ausgehend von den Regelungen des Einkommensteuergesetzes zu prüfen hat und lediglich in diesem Zusammenhang die Frage zu klären ist, ob die Ausschlussklausel des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG von speziellem europäischen Recht (hier der EG-VO NR. 1408/71 i.V.m. VO (EWG) Nr. 547/72) verdrängt wird, was im Ergebnis auszuschließen ist, weil der Kläger - was auch die Beklagte zuletzt eingeräumt hat - überhaupt nicht in den persönlichen Anwendungsbereich der vorgenannten Verordnung fällt.

Das Gericht ist nicht verpflichtet, bis zur Spruchreife aufzuklären, ob der Kläger für den Streitzeitraum nach inländischem Recht einen Anspruch auf Kindergeld für seinen Sohn hat. Es darf sich vielmehr darauf beschränken, die von der Beklagten für die Ablehnung der Kindergeldfestsetzung angeführten Gründe auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen (BFH-Urteil vom 2. Juni 2005 III R 66/04, Bundessteuerblatt -BStBl II 2006, 184). Das Gericht macht von dieser Befugnis Gebrauch, weil es weiterer Aufklärung bedarf, ob der Kläger sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllt. Danach waren lediglich der angefochtene Bescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben. Die Beklagte hat gemäß § 101 Satz 2 FGO über den Antrag des Klägers nach Maßgabe der nachfolgenden Ausführungen erneut zu entscheiden.

Nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG hat für Kinder i.S. des § 63 EStG Anspruch auf Kindergeld, wer im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dass der Kläger diese Voraussetzung erfüllt, ist nicht streitig. Der Kläger ist nach § 1 Abs. 1 EStG in der Bundesrepublik Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig. Die Meldebescheinigung der Stadt C-Stadt und die Gewerbe-Anmeldung lassen insoweit auch keinen Zweifel zu.

Nach § 62 Abs. 2 EStG ergibt sich für den Kindergeldanspruch des Klägers ebenfalls keine Einschränkung. Der Kläger genießt seit dem Beitritt Polens zur EU am 1. Mai 2004 gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügigkeitsG/EU) Freizügigkeit (vgl. DA 62.4.3 der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes DA-FamEStG vom 5. August 2004, BStBl I 2004, 742, i.d.F. vom 13. Juni 2007).

Da der in Polen bei der Ehefrau des Klägers lebende Sohn nach dem Beitritt Polens zur EU am 1. Mai 2004 geboren wurde, scheitert der Anspruch auch nicht an § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG.

Ausgeschlossen sein könnte der Anspruch jedoch durch § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, wenn der Kläger oder seine Ehefrau während des Streitzeitraumes in Polen (teilweise) Anspruch auf Leistungen für den Sohn hatten, die dem Kindergeld oder einer der in § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG genannten Leistungen vergleichbar sind.

Nach dieser Vorschrift wird Kindergeld nicht für ein Kind gezahlt, für das Leistungen, die dem Kindergeld vergleichbar sind, im Ausland gewährt werden oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wären.

Dabei regelt § 65 EStG die Anspruchskonkurrenz zwischen kindbezogenen innerstaatlichen Leistungen und vergleichbaren kindbezogenen ausländischen Leistungen, sofern für Letztere nicht spezielles europäisches Recht oder Abkommensrecht gilt. Dementsprechend gilt § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in der Regel nicht für Leistungen von EU-Mitgliedstaaten und EWR-Staaten; der grundsätzliche Ausschluss nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG tritt in Fällen, in denen ein Kindergeldanspruch sowohl im Inland als auch in einem anderen EU-Staat in Betracht kommt, gegenüber vorrangigen zwischenstaatlichen Regelungen zurück. Für EU-Bürger, zu denen die polnischen Staatsangehörigen seit dem 1. Mai 2004 gehören, richtet sich die Frage des Kindergeldanspruchs folglich in erster Linie nach der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer, Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern -VO (EWG) 1408/81 (aktualisierte Gesamtfassung in der Verordnung (EG) Nr. 118/797 des Rates vom 2. Dezember 1996 -VO (EG 1118/97, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften -ABIEG Nr. L 28 vom 30. Januar 1997) i.V.m. der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der VO (EWG) Nr. 1478/71 -VO (EWG) 574/72 (aktualisierte Gesamtfassung in der VO (EG) Nr. 118/97, ABIEG Nr. L 28 vom 30. Januar 1997, zum Anwendungsvorrang der VO vor § 65 EStG vgl. auch BFH-Urteile vom 13. August 2002 VIII R 54/00, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs BFH/NV 2002, 1581; FG Brandenburg, Urteil vom 19. Juni 2002 6 K 2219/01, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG 2002, 1314; FG Köln, Urteil vom 23. Juni 2005, 10 K 5712/04, EFG 2005, 1704).

Vorliegend wird die Vorschrift des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG jedoch nicht durch die Verordnung Nr. 1408/71 sowie die Verordnung Nr. 574/72 verdrängt, denn das deutsche Kindergeld fällt zwar in den sachlichen Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 (vgl. dazu BFH-Urteil vom 13. August 2002 VIII R 54/00, Bundessteuerblatt BStBl II 2002, 869; Bundesverfassungsgericht -BVerfG-, Beschluss vom 8. Juni 2004, 2 BvL 5/00, Amtliche Sammlung von Entscheidungen des BVerfG -BVerfGE- 110, 412 ), da die Verordnung gemäß ihres Art. 4 Abs. 1 lit h) Familienleistungen wie das deutsche Kindergeld umfasst. Der Kläger wird aber nach im Übrigen unstreitiger Auffassung der Beteiligten - nicht vom persönlichen Geltungsbereich dieser Verordnung erfasst. Denn die Verordnung ist auf Selbstständige nur anwendbar, wenn sie in einer alle Erwerbstätigen umfassenden Altersversicherung versicherungs- oder beitragspflichtig sind (vgl. dazu BFH-Urteil vom 13. August 2002 VIII R 54/00, BStBl II 2002, 869; FG Münster, Urteil vom 26. Mai 2004, 1 K 2067/01, EFG 2004, 1849; Hessisches FG, Urteile vom 10. Oktober 2006 2 K 958/06, n.v. und vom 23. Mai 2007, 3 K 3143/06, n.v.).

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Kläger ist im Streitzeitraum zwar in der Bundesrepublik Deutschland selbstständig tätig gewesen, er unterliegt aber unstreitig nicht der Versicherungspflicht der deutschen Rentenversicherung.

Nach dem danach maßgeblichen § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG wäre der Anspruch auf Festsetzung von Kindergeld nach dem EStG hier ausgeschlossen, wenn und soweit dem Kläger in Polen Leistungen gewährt wurden bzw. werden oder bei entsprechender Antragstellung zu gewähren (gewesen) wären, die dem Kindergeld vergleichbar sind.

Diese Frage lässt sich zur Zeit nicht abschließend beantworten.

Der Kläger selbst hat zunächst vorgetragen, er habe "selbstverständlich auch einen Anspruch auf Kindergeld in Polen". Mit Schriftsatz vom 24. August 2007 hat er sodann ohne Erläuterung, wie es zu dieser Aussage gekommen ist, behauptet, weder er noch seine Frau erhielten Kindergeld für das Kind Anton.

Gegebenenfalls wird bei der zuständigen polnischen Behörde eine ausführliche Auskunft einzuholen sein, der die Gewährung der dem Kindergeld entsprechenden Leistungen ab September 2006 bis August 2007 zu entnehmen ist.

Sollte dem vorgelegten, bislang nicht übersetzten Formular E 411 die Aussage zu entnehmen sein, dass der Kläger und seine Ehefrau einen Kindergeldanspruch in Polen nicht geltend gemacht haben, wird die Beklagte durch Einholung einer Auskunft der zuständigen polnischen Behörde zu klären haben, ob dem Kläger oder seiner Ehefrau Kindergeld zugestanden hätte, wenn sie es beantragt hätten und falls nicht, worauf die Verweigerung polnischen Kindergeldes ggf. beruht (womöglich zu hohes Familieneinkommen pro Person etc.).

Sollten dem Kläger oder seiner Ehefrau entgegen ihrer widersprüchlichen Behauptung auch im Streitzeitraum polnische Familienleistungen gezahlt worden sein, müsste die Beklagte folgendes klären:

Zunächst wäre eine Entscheidung dahingehend zu fällen, ob die polnischen Familienleistungen und das deutsche Kindergeld auch vergleichbar sind.

Die Vergleichbarkeit mehrerer kindbezogener Leistungen richtet sich nicht nach der rechtlichen Ausgestaltung des Anspruchs, sondern nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Zur Vermeidung von Doppelleistungen kommt es lediglich darauf an, ob die zu vergleichende Leistung wirtschaftlich die gleiche Zielrichtung verfolgt wie das Kindergeld (BFH-Beschluss vom 30. Juni 2005 III B 9/05, BFH/NV 2005, 2007 m.w.N.).

Im Anschluss daran wird in diesem Zusammenhang zu überlegen sein, ob die Aussage des BVerfG, wonach es denkbar wäre, dass bei ganz geringfügigen ausländischen Leistungen die funktionelle Vergleichbarkeit entfallen könnte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 2004, 2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 142 unter C.II 3.b)aa) (1)(a), letzter Satz), für das vorliegende Verfahren Relevanz hat, d.h. ausnahmsweise womöglich trotz des Bezuges polnischen Kindergeldes die Gewährung deutschen Kindergeldes nicht nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ausgeschlossen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO (vgl. BFH-Urteil vom 2. Juni 2005 III R 66/04, BStBl II 2006, 184).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.



Ende der Entscheidung

Zurück