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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 24.11.2006
Aktenzeichen: 1 K 1909/05 Ki
Rechtsgebiete: KiStG NW, KiStO NW, EStG, AO, GG, FGO
Vorschriften:
KiStG NW § 4 Abs. 1 Nr. 1 | |
KiStG NW § 4 Abs. 1 Nr. 2 | |
KiStG NW § 4 Abs. 1 Nr. 3 | |
KiStG NW § 14 Abs. 1 S. 1 | |
KiStG NW § 14 Abs. 2 S. 1 | |
KiStG NW § 14 Abs. 6 S. 1 | |
KiStO NW § 25 Abs. 1 S. 2 | |
KiStO NW § 25 Abs. 2 S. 1 | |
EStG § 51a Abs. 2 | |
AO § 351 Abs. 2 | |
AO § 356 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 | |
GG Art. 19 Abs. 4 | |
FGO § 44 Abs. 1 |
Finanzgericht Düsseldorf
1 K 1909/05 Ki
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe:
Der Kläger wird zur Einkommensteuer einzeln veranlagt. Ebenso wie sein Bruder R. war er zu 50 % an der vermögensverwaltenden Gesellschaft R. und S. GbR beteiligt; die GbR wiederum war Gesellschafterin der A-GmbH. Im Streitjahr veräußerte die GbR einen Teilgeschäftsanteil an der GmbH und erzielte damit einen Veräußerungsgewinn i. S. von § 17 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes -EStG- von rd. 3,5 Mio. EUR; hiervon entfielen auf den Kläger anteilig 1.773.798 EUR. Die in der Vergangenheit zur Finanzierung des Geschäftsanteils aufgelaufenen Zinsen betrugen zum 31. Dezember 2001 rd. 2,5 Mio. EUR; sie sind Teil des zum 31. Dezember 2001 verbleibenden Verlustvortrags gemäß § 10d Abs. 3 EStG von 4.241.685 EUR.
Im Einkommensteuerbescheid 2002 vom 3. August 2004 erfasste der Beklagte den anteiligen Veräußerungsgewinn des Klägers unter Berücksichtigung des Halbeinkünfteverfahrens (§ 3 Nr. 40 EStG) mit 50 %, d.s. 886.899 EUR. Nach Berücksichtigung der weiteren Einkünfte des Klägers und von Verlustvorträgen nach § 10d EStG setzte der Beklagte die Einkommensteuer wie folgt fest:
steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn | 886.899 EUR |
negative Halbeinkünfte | ./. 232.143 EUR |
übrige Einkünfte | 55.012 EUR |
GdE | 709.768 EUR |
Verlustabzug ab 1999 | ./. 264.563 EUR |
Verlustabzug bis 1998 | ./. 443.054 EUR |
Sonderausgaben | ./. 2.151 EUR |
zvE | 0 EUR |
ESt | 0 EUR |
Die Kirchensteuer berechnete der Beklagte unter Anwendung des § 51a Abs. 2 EStG wie folgt:
zu versteuerndes Einkommen | 0 EUR |
zzgl. steuerfreie Halbeinkünfte | 654.634 EUR |
maßgebendes zu versteuerndes Einkommen | 654.634 EUR |
darauf entfallende Einkommensteuer | 307.629 EUR |
Bemessungsgrundlage | 307.629 EUR |
davon 9 v.H. Kirchensteuer | 27.686 EUR |
Die dem Bescheid beigefügte programmgesteuerte Rechtsbehelfsbelehrung lautet auszugsweise wie folgt:
"Gegen die Festsetzung der Kirchensteuer ist ebenfalls der Einspruch gegeben. Der Einspruch ist bei dem vorbezeichneten Finanzamt einzureichen, wenn er sich gegen die Höhe der der Festsetzung zugrunde gelegten Bemessungsgrundlage richtet. Ein Einspruch gegen die Festsetzung der Kirchensteuer, der sich auf Gründe stützt, die nicht mit der Berechnung der zugrunde gelegten Bemessungsgrundlage zusammenhängen, ist insoweit bei der zuständigen evangelischen Kirchengemeinde einzureichen."
Der Kläger legte gegen den Einkommensteuerbescheid Einspruch ein, weil trotz einer Einkommensteuerschuld von 0 EUR eine Kirchensteuer festgesetzt worden sei. Die Vorschrift des § 51a Abs. 2 EStG sei teleologisch dahin auszulegen, dass sich die Bemessungsgrundlage für Zwecke der Kirchensteuerfestsetzung um die zum 31. 12. 2001 bestehenden Verlustvorträge vermindere; danach ergebe sich hier eine Bemessungsgrundlage von 0 EUR, so dass die Kirchensteuer ebenfalls auf 0 EUR herabgesetzt werden müsse.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Entscheidung vom 11. April 2005 als unbegründet zurück; zur Begründung führte er im Wesentlichen Folgendes aus: Aus § 14 Abs. 6 KiStG ergebe sich, dass die zutreffende Ermittlung der Einkommensteuer, auch soweit sie eigens für Kirchensteuerzwecke nach Maßgabe des § 51a Abs. 2 EStG i.V.m. § 4 Abs. 2 KiStG und damit abweichend von der festgesetzten staatlichen Einkommensteuer erfolge, dem Finanzamt obliege; über Einwendungen hiergegen habe daher die Finanzbehörde zu entscheiden. In der Sache habe das Begehren indes keinen Erfolg. Die Kirchensteuerfestsetzung beruhe auf § 51a EStG und damit auf gültigem Recht, an das die Verwaltung gebunden sei.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, die der Kläger im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die Einführung des Halbeinkünfteverfahrens habe aus Sicht der Kirchen die Gefahr begründet, dass Einkünfte, obwohl sie die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen erhöht hätten, der Kirchensteuer entzogen würden; damit wären die Grundsätze der Gleichbehandlung und auch der Steuergerechtigkeit verletzt worden. Daher hätten die Kirchenvertreter angeregt, § 51a EStG dahin neu zu fassen, dass "das Halbeinkünfteverfahren durch die Änderung des § 51a EStG rückgängig gemacht" werde. Die nunmehr getroffene gesetzliche Regelung sei sicherlich verfassungsgemäß zustande gekommen und führe im Grundfall auch zu den gewollten Ergebnissen. Es stehe indes im Widerspruch zum Willen des Gesetzgebers, dass im Fall von positiven Halbeinkünften, die in einkommensteuerlicher Hinsicht durch Verlustabzüge vollständig "neutralisiert" würden, die Anwendung des § 51a Abs. 2 EStG ungeachtet einer ESt von 0 EUR zur Festsetzung von Kirchensteuer führe. Das gelte auch für den Kläger. Nach Verrechnung des aus demselben Sachverhalt resultierenden Verlustabzugs nach § 10d EStG (in den Vorjahren aufgewandte Finanzierungszinsen zum Erwerb des im Streitjahr wieder veräußerten Anteils) betrage seine Leistungsfähigkeit im Streitjahr 0 EUR; dennoch ergebe sich eine Kirchensteuerfestsetzung. Damit werde er im Vergleich zu anderen Steuerpflichtigen mit vergleichbarer Einkunftsstruktur und gleicher Leistungsfähigkeit ungleich behandelt. Zudem seien in einem derartigen Fall abweichende einkommen- und kirchensteuerliche Verlustvorträge zu beobachten. Ob sich die Kirchensteuerbeträge im Laufe der Jahre wieder egalisieren würden, könne dahin stehen; die Besteuerung nach der periodisierten Leistungsfähigkeit sei ein Grundprinzip des Steuerrechts.
Entgegen der Intention des Gesetzgebers sei mit der Erweiterung des § 51a Abs. 2 EStG nicht das Halbeinkünfteverfahren für Zwecke der Kirchensteuer "neutralisiert" bzw. "rückgängig" gemacht, sondern für bestimmte Sachverhalte ein neuer Besteuerungstatbestand in Form einer Mindestkirchensteuer eingeführt worden. Da hier Gesetzeswortlaut und Gesetzeszweck divergierten, sich das Gesetz somit planwidrig als zu weit erweise, sei der Wortlaut der Vorschrift entsprechend einzuschränken (teleologische Reduktion oder Restriktion). Für den - hier vorliegenden - Fall des Zusammentreffens von Halbeinkünften und Verlustvorträgen, dessen Auswirkungen der Gesetzgeber schlicht übersehen bzw. vergessen habe, sei die Auslegung wie folgt vorzunehmen: "Zur Ermittlung der ESt i. S. Satz 1 ist das zu versteuernde Einkommen um die nach § 3 Nr. 40 steuerfreien Beträge zu erhöhen und die nach § 3c Abs. 2 nicht abziehbaren Beträge unter Berücksichtigung eines Verlustabzugs nach § 10d EStG zu mindern."
Am 16. März 2006 hat der Beklagte im Hinblick auf einen zwischenzeitlich ergangenen Feststellungsbescheid einen auf § 175 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung -AO- gestützten Änderungsbescheid erlassen, der zum Gegenstand des Verfahrens geworden ist; die Kirchensteuer ist dort auf 29.713,68 EUR festgesetzt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Änderung des Kirchensteuerbescheides 2002 vom 16. März 2006 die Kirchensteuer auf 0 EUR festzusetzen,
hilfsweise
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise
die Revision zuzulassen.
Auf den gerichtlichen Hinweis, dass im Hinblick auf die Regelung des § 14 KiStG zunächst die sachliche Zuständigkeit des Beklagten - statt der Kirchenbehörde - zu prüfen sei, hat dieser bekräftigt, dass die für Zwecke der Kirchensteuerberechnung vorzunehmenden Korrekturen nach § 51a EStG Bestandteil des Grundlagenbescheides seien; das ergebe sich bereits aus § 4 Abs. 2 KiStG. Maßstabsteuer, gegen die der Steuerpflichtige nur bei der Finanzbehörde Einwendungen geltend machen dürfe (§ 14 Abs. 6 Satz 1 KiStG), sei auch die fiktive Einkommensteuer nach § 51a EStG.
In der Sache verbleibt der Beklagte ebenfalls bei seiner bisherigen Ansicht. Die geltend gemachte teleologische Auslegung komme nicht in Betracht. Nach dem Bericht des Finanzausschusses sei die Gesetzesformulierung bewusst gewählt worden, um den Verwaltungsaufwand einer vollständigen Schattenveranlagung zur Neutralisierung des Halbeinkünfteverfahrens zu vermeiden. Der Ausschuss habe sich vorbehalten, dass der Deutsche Bundestag die Kirchensteuerreferenten der Länder konsultiere und die Regelung in einem weiteren Gesetzgebungsverfahren aufgreife. Nach Auskunft der OFD hätten die Kirchensteuerreferatsleiter indes von der Anregung einer Gesetzesänderung abgesehen und stattdessen folgenden Beschluss gefasst: Kirchensteuer sei auch dann festzusetzen, wenn die festzusetzende ESt vor Anwendung des § 51a Abs. 2 EStG 0 EUR betrage, die Bemessungsgrundlage nach Anwendung der Vorschrift durch Hinzurechnung steuerfreier Halbeinkünfte jedoch größer als 0 EUR sei. Die Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages sei auf der Grundlage einer wortgetreuen Auslegung - nicht einer Vergleichsrechnung - vorzunehmen. Ein Verlustvortrag oder -rücktrag, so der Beschluss weiter, solle für Zwecke der Kirchensteuer nicht erfolgen. Den Kläger treffe hier allenfalls ein Zinsnachteil, denn bei jahresübergreifender Sicht blieben keine Verluste unberücksichtigt. Ohnehin sei ein uneingeschränkter Verlustvortrag verfassungsrechtlich nicht garantiert.
Hinsichtlich der Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Klagevorbringen der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der dem Gericht vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Die Klage ist unzulässig.
Gemäß § 44 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO- ist in den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, die Klage nur zulässig, wenn das Vorverfahren über den Einspruch erfolglos geblieben ist. Das - erfolglos gebliebene - Vorverfahren hat grundsätzlich dem gesetzlich vorgeschriebenen Vorverfahren zu entsprechen; es muss das "richtige" Vorverfahren durchgeführt worden sein. Ein von den gesetzlichen Vorgaben abweichendes Vorverfahren reicht jedenfalls dann als Sachentscheidungsvoraussetzung nicht aus, wenn der adäquate, vollständige außergerichtliche Rechtsschutz des Steuerpflichtigen nicht sichergestellt ist (von Groll in Gräber, FGO, 6. A., § 44 Rdn. 23). Vorliegend fehlt es am richtigen Vorverfahren, weil der Beklagte über den bei ihm eingelegten Einspruch entschieden hat, obwohl er weder der richtige Einspruchsgegner noch zuständig zur Einspruchsentscheidung war. Die stattdessen allein zuständige (Kirchen-)Behörde hat indes die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bisher nicht erneut und unter Berücksichtigung des Einspruchsvorbringens des Klägers umfassend überprüft.
Der Einspruch des Klägers vom 1. September 2004 richtete sich bei verständiger Auslegung gegen den Kirchensteuerbescheid. Der Kläger hat zwar den beim Beklagten eingelegten Einspruch als gegen den Einkommensteuerbescheid 2002 gerichtet bezeichnet, allerdings schon dort einschränkend dargelegt, dass die Kirchensteuer auf 0 EUR herabzusetzen sei. Mit Schriftsatz vom 17. März 2005 hat der Kläger den beim Beklagten eingelegten Einspruch als "Einspruch gegen die Festsetzung von Kirchensteuern" bezeichnet und nochmals geltend gemacht, die Kirchensteuer dürfe nur mit 0 EUR festgesetzt werden.
Der Beklagte war nicht der richtige Einspruchsgegner und auch nicht für die Entscheidung über den Einspruch gegen den Kirchensteuerbescheid zuständig; stattdessen war der Rechtsbehelf bei der Kirchenbehörde einzulegen und von ihr auch zu bescheiden.
Die gesetzliche Grundlage für das Rechtsbehelfsverfahren gegen einen Kirchensteuerbescheid befindet sich in § 14 des Kirchensteuergesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen -KiStG-. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KiStG steht dem Steuerpflichtigen gegen die Heranziehung zur Kirchensteuer als außergerichtlicher Rechtsbehelf der Einspruch zu, der bei der Kirchengemeinde einzulegen ist, für die der Steuerbescheid durch das Finanzamt erlassen worden ist (§ 25 Abs. 1 Satz 2 der Kirchensteuerordnung -KiStO-). Die Kirchengemeinde ist gemäß § 14 Abs. 2 Satz 1 KiStG i.V.m. § 25 Abs. 2 Satz 1 KiStO auch für die Entscheidung über den Einspruch zuständig. Nach dieser Grundregel hätte der Einspruch, um das "richtige" Vorverfahren zu gewährleisten, bei der Kirchenbehörde eingelegt und von dieser auch beschieden werden müssen; die Entscheidung über den vom Kläger gegen den Kirchensteuerbescheid eingelegten Einspruch fiel nicht in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten.
Eine von der Grundregel abweichende Zuständigkeit ausnahmsweise der beklagten Finanzbehörde statt der Kirchengemeinde lässt sich insbesondere nicht aus der Vorschrift des § 14 Abs. 6 Satz 1 KiStG herleiten. Diese Regelung bestimmt, dass "Einwendungen gegen die zugrunde gelegte Maßstabsteuer (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 3) unzulässig" sind.
Legt man den dortigen Begriff der "Maßstabsteuer" dahin aus, dass er auch die Berechnung der Bemessungsgrundlage nach § 51a Abs. 2 EStG umfasst, dann könnte § 14 Abs. 6 Satz 1 KiStG dahin verstanden werden, dass "Einwendungen gegen die Berechnung der Bemessungsgrundlage unzulässig" sind. Das würde allerdings bedeuten, dass gegen die Feststellung der Bemessungsgrundlage überhaupt kein Rechtsmittel gegeben wäre. Bei derartiger Auslegung verstieße die Regelung gegen die Rechtsweggarantie nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes -GG-. Die kirchenrechtliche Norm ist allerdings nicht verfassungswidrig, sondern kann im Hinblick auf die verschiedenen in Betracht kommenden Normdeutungen verfassungskonform ausgelegt werden (vgl. Kruse/Druen in Tipke/Kruse, AO und FGO, § 4 AO Tz. 238). Indes führt auch die verfassungskonforme Auslegung nicht dazu, dass Einwendungen gegen die nach § 51a Abs. 2 EStG berechnete Bemessungsgrundlage bei der Finanzbehörde anzubringen sind. Vielmehr verbleibt es dabei, dass derartige Einwendungen nach der Grundregel des § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 KiStG mit dem Einspruch bei der Kirchenbehörde zu verfolgen sind.
Die Bestimmung des § 14 Abs. 6 Satz 1 KiStG ist offensichtlich angelehnt an die Vorschriften des § 351 Abs. 2 AO und des § 51a Abs. 5 EStG.
Nach § 351 Abs. 2 AO können Entscheidungen in einem Grundlagenbescheid nur durch Anfechtung dieses Bescheides, nicht auch durch Anfechtung des Folgebescheides, angegriffen werden. Die Regelung bedeutet nicht etwa eine Einschränkung der Rechte des Steuerpflichtigen, sondern dient - bei Wahrung umfassenden Rechtsschutzes - der Klarstellung. Ein Verwaltungsakt kann nur wegen derjenigen Regelung angefochten werden, die er selbstständig und verbindlich trifft. Da Grundlagenbescheide eine selbstständige, verbindliche und bindende Regelung treffen, die Folgebescheide diese Regelung aber lediglich übernehmen, können wegen einer solchen Regelung allein die Grundlagenbescheide angefochten werden; nur sie lösen insoweit die Beschwer oder Rechtsverletzung aus. Nicht aber kann deswegen der Folgebescheid angefochten werden, der diese Regelung nicht verbindlich trifft, sondern lediglich aus dem Grundlagenbescheid übernimmt, an den er gebunden ist (Tipke in Tipke/Kruse, AO und FGO, § 351 AO Tz. 45); wenn auf den Einspruch gegen den Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 AO) hin dieser Bescheid zugunsten des Steuerpflichtigen geändert wird, wird die Änderung von Amts wegen auch im Folgebescheid umgesetzt, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Das Prinzip des § 351 Abs. 2 AO gilt auch umgekehrt: Unabhängige Entscheidungen in einem Folgebescheid können nur durch Anfechtung dieses Bescheids, nicht auch durch Anfechtung des Grundlagenbescheids angegriffen werden. Der Betroffene muss stets den Bescheid anfechten, durch dessen verantwortliche und verbindliche Regelung er betroffen und beschwert ist (Tipke in Tipke/Kruse, AO und FGO, § 351 AO Tz. 45).
Für die Einkommen- und Kirchensteuerfestsetzung folgt aus § 351 Abs. 2 AO, dass Entscheidungen und verbindliche Regelungen im Einkommensteuerbescheid nur durch Einspruch gegen diesen Bescheid angegriffen werden können (und müssen). Das stellt § 14 Abs. 6 Satz 1 KiStG nochmals klar; derartige Einwendungen sind in einem Rechtsbehelfsverfahren gegen den Kirchensteuerbescheid "unzulässig".
Die hier vom Kläger erhobenen Einwendungen gegen die Berechnung der Bemessungsgrundlage nach § 51a Abs. 2 EStG sind davon allerdings nicht betroffen. Insoweit ist das Begehren nicht durch Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid zu verfolgen, sondern - entsprechend der Grundregel des § 14 Abs. 1 KiStG - gegen den Kirchensteuerbescheid geltend zu machen. Die Feststellung der Bemessungsgrundlage für Zwecke der Berechnung der Kirchensteuer (hier unter Einbeziehung der nicht um Verlustvorträge gekürzten Halbeinkünfte) stellt keine selbstständige und verbindliche Regelung innerhalb des Einkommensteuerbescheids dar. Mit dem Einkommensteuerbescheid wird über das Bestehen eines bestimmten Einkommensteueranspruchs entschieden; die Regelungswirkung dieses Steuerbescheides nach § 157 Abs. 1 AO als Verwaltungsakt i.S.von § 118 AO besteht in der Festsetzung der Steuer, § 155 Abs. 1 Satz 1 AO. Demgegenüber bildet die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 157 Abs. 2 AO einen mit Rechtsbehelfen grundsätzlich nicht selbstständig anfechtbaren Teil; eine Ausnahme besteht nur bei gesonderter Feststellung der Besteuerungsgrundlagen. Damit sind Besteuerungsgrundlagen regelmäßig nur unselbstständige Bestandteile des Bescheides, die keine selbstständige und verbindliche Regelung darstellen und damit nicht als "Entscheidung" - etwa i.S. von § 351 Abs. 2 AO - einzuordnen sind. Zu diesen (unselbstständigen) Besteuerungsgrundlagen gehören nach allgemeiner Auffassung etwa die der Einkommensteuerfestsetzung zugrunde gelegten Einkünfte, Sonderausgaben, Freibeträge etc. des Steuerpflichtigen. Gleiches gilt hier für die Bestimmung der Bemessungsgrundlage nach § 51a EStG; auch insoweit liegt keine selbstständige und verbindliche Regelung vor - und erst recht keine gesonderte Feststellung nach § 157 Abs. 2 2. Halbs. AO - , sondern eine unselbstständige Berechnung ohne bindende Außenwirkung. Ebenso wie etwa die Darstellung der Einkünfte, Sonderausgaben und sonstigen Besteuerungsgrundlagen die Berechnung der mit Einkommensteuerbescheid festzusetzenden Einkommensteuer erläutert, zeigt die Berechnung der Bemessungsgrundlage unter der Rubrik "Berechnung der Kirchensteuer" die Verhältnisse auf, die für die Bemessung der Kirchensteuer maßgebend sind (vgl. insoweit die Legaldefinition der Besteuerungsgrundlagen in § 199 Abs. 1 AO).
Damit folgt aus § 14 Abs. 6 Satz 1 KiStG selbst bei Auslegung der Vorschrift in Anlehnung an § 351 Abs. 2 AO nicht, dass Einwendungen gegen die Bemessungsgrundlage bei der Kirchengemeinde "unzulässig" sind und stattdessen - abweichend von der Grundregel - mit dem Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid bei der Finanzbehörde geltend zu machen sind; die Berechnung nach § 52a EStG erfüllt mangels selbstständigen Regelungscharakters nicht den Begriff der "Maßstabsteuer" i.S. von § 14 Abs. 6 Satz 1 KiStG.
Eine derartige Auslegung ist im Übrigen auch deshalb nicht möglich, weil die Feststellung der Bemessungsgrundlage - unabhängig davon, dass sie nicht den Charakter einer selbstständigen und verbindlichen Regelung hat - nicht einmal (unselbstständiger) Bestandteil des Einkommensteuerbescheides ist, sondern materiell dem Kirchensteuerbescheid angehört. Die Berechnung nach § 51a Abs. 2 EStG fällt im rechtlichen Sinne nicht in die Zuständigkeit der Finanzbehörde, sondern gehört zum Aufgabenbereich der Kirche. Die Vorschrift des § 51a EStG hat, weil es sich um eine bundesgesetzliche Regelung handelt, für die Kirchensteuern unmittelbar keine Bedeutung. Jedoch hat der Landesgesetzgeber die Regelung des § 51a EStG in das Kirchensteuerrecht des Landes übernommen, indem § 4 Abs. 2 Satz 1 KiStG bestimmt, dass vor Berechnung der Kirchensteuer die Einkommensteuer nach Maßgabe des § 51a EStG zu ermitteln ist. Zwar hat hier im Steuerbescheid der Beklagte, nicht die Kirchenbehörde, die Berechnung nach § 51a Abs. 2 EStG durchgeführt und dargelegt; insoweit ist er indes - ebenso wie bei der Kirchensteuerfestsetzung selbst - im Auftrag der Kirchenverwaltung tätig geworden (vgl. § 9 KiStG); die Berechnung ist der Kirchenbehörde als eigene zuzurechnen.
Die vom Beklagten angenommene Zuständigkeit der Finanzverwaltung für Einwendungen gegen die Berechnung der Bemessungsgrundlage ergibt sich auch nicht aus § 51a Abs. 5 Satz 1 EStG. Nach dieser Bestimmung kann mit einem Rechtsbehelf gegen die Zuschlagsteuer weder die Bemessungsgrundlage noch die Höhe des zu versteuernden Einkommens angegriffen werden. Die Vorschrift ist nicht etwa dahin zu verstehen, dass Einwendungen gegen die Berechnung nach § 51a Abs. 2 EStG nicht bei der Kirchenbehörde anzubringen wären. Eine derartige Folge ergibt sich aus dieser Regelung schon deshalb nicht, weil es sich um ein Bundesgesetz handelt und dieses daher für die Kirchen unmittelbar keine Anwendung findet; aus der - an seiner Stelle - im Kirchensteuerrecht getroffenen Bestimmung des § 14 Abs. 6 KiStG ist eine solche Folgerung - wie dargelegt - gerade nicht zu ziehen. Zudem hat § 51a Abs. 5 EStG lediglich deklaratorische Bedeutung (vgl. Pust in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 51a Rdn. 176); sie gibt nur die sich schon aus § 351 Abs. 2 AO ergebenden Rechtsfolgen wieder. Die dort ausgesprochene Beschränkung auf Rechtsbehelfsmöglichkeiten gegen den Grundlagenbescheid (Einkommensteuerbescheid) gilt nur, soweit die festgesetzte Einkommensteuer nach der gesetzlichen Regelung auch tatsächlich Bemessungsgrundlage der Zuschlagsteuer ist. Soweit die Einkommensteuer bzw. das zu versteuernde Einkommen für Zwecke der Zuschlagsteuer verändert wird - etwa beim Ausscheiden der Wirkung des Halbeinkünfteverfahrens -, erfolgt das außerhalb der Bindung an die Maßstabsteuer und des Verhältnisses von Grundlagen- und Folgebescheid. Insoweit erfolgt die Entscheidung (erst) im Bescheid über die Festsetzung der Kirchensteuer, so dass über Streitigkeiten hinsichtlich der Vornahme solcher Veränderungen der Bemessungsgrundlage nur nach Anfechtung dieses Bescheides entschieden werden kann (vgl. Frotscher, EStG, § 51a Rdn. 40; Pust in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 51a Rdn. 176; Schlief in Kirchhof/Söhn, EStG, § 51a Rdn. A 43). Der Auffassung des 18. Senats dieses Gerichts, dass Einwendungen gegen die für Zwecke der Kirchensteuer vorgenommene Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 51a Abs. 1 Satz 1 EStG (Berücksichtigung von Kinderfreibeträgen ungeachtet der Höhe des Kindergeldes) gegen den Einkommensteuerbescheid geltend zu machen sind (Urteil vom 14. Januar 2000 18 K 5985/98 E, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2000, 439), schließt sich der erkennende Senat nicht an; der 18. Senat ist stillschweigend davon ausgegangen, dass die Berechnung der Bemessungsgrundlage nach § 51a EStG den Charakter eines Grundlagenbescheids hat und eine selbstständige und verbindliche Regelung darstellt.
Der Senat verkennt nicht, dass gewichtige Gründe dafür sprechen mögen, die Überprüfung der Bemessungsgrundlage nach § 51a EStG den Finanzbehörden zu übertragen. So lange es hierzu aber an einer verfahrensrechtlichen Übertragungsregelung im KiStG fehlt, sieht sich der Senat sowohl durch den derzeitigen Gesetzeswortlaut als auch durch die aufgezeigten verfahrensrechtlichen Systemzusammenhänge daran gehindert, zu diesem Ergebnis zu gelangen.
Insgesamt verbleibt es damit bei der Grundregel des § 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 KiStG, dass über die hier vom Kläger geltend gemachten Einwendungen die Kirchenbehörde zu entscheiden hat. Da der Kläger bisher nur beim Beklagten Einspruch eingelegt hat, müsste er, um seine Einwendungen gegenüber der zuständigen (Kirchen-)Behörde wirksam verfolgen zu können, dort eine Einspruchseinlegung nachholen. Möglicherweise wäre ein solcher Rechtsbehelf gegen den Kirchensteuerbescheid vom 3. August 2004 (in Gestalt des Bescheides vom 16. März 2006) auch noch zulässig. Zwar ist seit der Bekanntgabe des Bescheides deutlich mehr als ein Monat vergangen und damit die regelmäßige Rechtsbehelfsfrist nach § 355 Abs. 1 Satz 1 AO verstrichen. Diese Frist greift hier indes nicht ein, weil der Beklagte eine unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung erteilt hatte. Im Bescheid vom 3. August 2004 hatte er belehrt, dass ein Einspruch gegen die Festsetzung der Kirchensteuer in den Fällen, in denen sich der Steuerpflichtige gegen die Höhe der Bemessungsgrundlage wende, beim Finanzamt und in allen anderen Fällen bei der Kirchenbehörde einzulegen sei; diese Belehrung war indes unrichtig, weil - wie oben dargelegt - die Berechnung der Bemessungsgrundlage tatsächlich Teil des Kirchgeldbescheides ist und der hiergegen gerichtete Einspruch bei der Kirchenbehörde einzulegen und von dieser zu bescheiden ist. Eine unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung bewirkt nach § 356 Abs. 2 Satz 1 AO zunächst, dass die Einlegung eines Einspruchs binnen eines Jahres seit Bekanntgabe des Bescheides zulässig ist. Die zeitliche Grenze der Jahresfrist - die hier ebenfalls bereits verstrichen ist - gilt allerdings nach § 356 Abs. 2 Satz 1, 2. Halbs. AO nicht, wenn die Rechtsbehelfseinlegung innerhalb dieses Zeitraums infolge höherer Gewalt unmöglich war; der Begriff der höheren Gewalt erfasst hier auch Fälle, in denen der Steuerpflichtige durch das Verhalten einer Behörde davon abgehalten wird, eine Frist zu wahren (Beschluss des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 28. Oktober 2004 III R 53/03, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 2005, 374). Eine solche Fallgestaltung könnte hier vorliegen; möglicherweise ist der Kläger entweder durch die Rechtsbehelfsbelehrung im Einkommen- und Kirchensteuerbescheid oder durch den Hinweis des Beklagten im parallel geführten Einspruchsverfahren seines Bruders, dass die Einwendung gegen die Bemessungsgrundlage von der Finanzbehörde zu bescheiden sei, von einer Einspruchseinlegung bei der Kirchenbehörde abgehalten worden. Sollte der Kläger den Einspruch bei der zuständigen Kirchenbehörde nachholen wollen, wird er die Anforderungen nach §§ 356 Abs. 2 Satz 2, 110 Abs. 2 AO - insbesondere die dort geregelte Frist - zu beachten haben. Anschließend, nach Durchführung dieses Rechtsbehelfsverfahrens, besteht ggf. die Möglichkeit der Erhebung einer zulässigen Klage.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 137 Satz 2 FGO. Zwar hat der Beklagte obsiegt, jedoch beruhen die Verfahrenskosten auf der unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung und der Durchführung des falschen Vorverfahrens (vgl. BFH-Urteil vom 27. September 1994 VIII R 36/89, BFHE 176, 289, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1995, 353; Tipke/Kruse, AO und FGO, § 137 FGO Tz. 8). Der Kläger ist vom Beklagten mit dem Bescheid rechtsfehlerhaft dahin belehrt worden, dass Einwendungen gegen die der Kirchensteuerfestsetzung zugrunde gelegte Bemessungsgrundlage beim Beklagten anzubringen seien. Hierdurch ist der Kläger zur Einleitung des "falschen" Vorverfahrens und anschließend zur Erhebung der unzulässigen Klage veranlasst worden.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
Ende der Entscheidung
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