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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 04.09.2006
Aktenzeichen: 1 K 2709/04 E
Rechtsgebiete: EStG, FGO, AO


Vorschriften:

EStG § 4d
EStG § 4 Abs. 3
FGO § 79b
FGO § 101 S. 1
FGO § 102
AO § 164 Abs. 2
AO § 163
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

1 K 2709/04 E

Tenor:

Der Ablehnungsbescheid vom 26. März 2004 und die Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 2004 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, die Einkommensteuer 1996 im Billigkeitsweg abweichend dahin festzusetzen, dass die Einkünfte des Klägers aus selbstständiger Arbeit um Betriebsausgaben von 26.040 DM herabgesetzt werden.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

Die Beteiligten streiten darüber, ob in den Vorjahren geleistete Zuwendungen an Unterstützungskassen i. S. von § 4d des Einkommensteuergesetzes -EStG- in bestimmter Höhe in das Streitjahr vorgetragen und dort steuermindernd berücksichtigt werden können.

Die Kläger sind zusammenveranlagte Ehegatten. Der Kläger ist als niedergelassener Arzt selbstständig tätig und beschäftigt - neben weiteren Arbeitnehmern - die Klägerin als Aushilfskraft in seiner Praxis.

In seinen Einnahme-Überschussrechnungen für die Veranlagungszeiträume 1991 bis 1993 erfasste der Kläger auch Zahlungen an die Versorgungskasse (V) als Betriebsausgaben (1991 58.014 DM, 1992 80.000 DM betr. Klägerin und 24.014 DM betr. übrige Arbeitnehmer, 1993 28.067 DM). Die Zahlungen beruhten darauf, dass der Kläger seinen Arbeitnehmern einschließlich der Klägerin unter Einschaltung der V als Unterstützungskasse Versorgungszusagen erteilt hatte. Die V schloss wegen der Zusagen Rückdeckungsversicherungen ab und entrichtete für die fremden Arbeitnehmer des Klägers Versicherungsbeiträge von 58.012 DM im Jahr 1991, 26.040 DM im Jahr 1992 und 26.040 DM im Jahr 1993. Im Anschluss an die jeweiligen Zahlungen erhielt der Kläger von der V Darlehen in annähernd gleicher Höhe, darüber hinaus im Jahr 1992 - entsprechend seiner Zahlung an die V zugunsten der Klägerin - ein Darlehen von 80.000 DM. Zur Gewährung der Darlehen war die V deshalb in der Lage, weil sie sich ihrerseits von der Rückdeckungsversicherung verzinsliche Vorauszahlungen auf die künftigen Versicherungsleistungen hatte geben lassen (sog. Policendarlehen).

Nachdem der Beklagte im Anschluss an eine Außenprüfung den für die Zahlungen an die V geltend gemachten Betriebsausgabenabzug für die Veranlagungszeiträume 1991 bis 1993 versagt hatte, erhoben die Kläger hiergegen Klage (Az. 11 K 6401/04 E) und machten geltend, sämtliche Zahlungen an die V seien als Betriebsausgaben i.S. von § 4d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c EStG zu berücksichtigen. Im Verlauf des Klageverfahrens forderte der Berichterstatter die Kläger mit Verfügung i.S. von § 79b Abs. 2, 3 der Finanzgerichtsordnung -FGO- auf, bestimmte i. e. bezeichnete Nachweise zum Betriebsausgabeabzug nach § 4d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c EStG vorzulegen und, "falls der Abzug der Zuwendungen an die Versorgungskasse hilfsweise nach § 4d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 a oder b EStG begehrt" werde, "die Tatbestandsvoraussetzungen darzulegen und nachzuweisen". Mit Urteil vom 24. Februar 2000 gab der 11. Senat der Klage hinsichtlich des Streitjahres 1991 statt und wies sie im Übrigen ab, weil insoweit die Voraussetzungen des § 4d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c EStG nicht erfüllt seien. Für die Jahre 1992 und 1993 scheide ein Betriebsausgabenabzug auch nach § 4d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a oder b EStG aus, weil die Kläger trotz Aufforderung des Berichterstatters nach § 79b der Finanzgerichtsordnung -FGO- die Tatbestandsvoraussetzungen weder dargelegt noch nachgewiesen hätten.

Nachdem hiergegen beide Seiten Revision eingelegt hatten (Az. IV R 26/00), hob der BFH mit Urteil vom 28. Februar 2002 das erstinstanzliche Urteil hinsichtlich des Veranlagungszeitraums 1991 auf und wies die Klage insgesamt ab. Die Voraussetzungen des § 4d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c EStG lägen im gesamten Zeitraum 1991 bis 1993 nicht vor, weil die Ansprüche aus der Versicherung der Sicherung eines Darlehens an den Kläger gedient hätten. Ein Betriebsausgabenabzug nach § 4d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG sei ebenfalls nicht möglich. Das FG habe hierzu ausgeführt, dass die Kläger trotz einer Aufforderung gemäß § 79b FGO die Voraussetzungen für eine Kapitaldotierung nicht nachgewiesen hätten. Dagegen hätten sich die Kläger mit der Revision nicht gewandt; auch jetzt trügen sie noch keine Tatsachen zur Ausfüllung der Tatbestandsmerkmale der Vorschrift vor.

Am 18. September 2002 beantragten die Kläger, den Einkommensteuerbescheid des Streitjahres (1996) nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung -AO- dahin zu ändern, dass in Anwendung der Regelung des § 4d Abs. 2 Satz 3 EStG ein Betrag von 26.250 DM gewinnmindernd berücksichtigt werde. Für die in den Jahren 1991 bis 1993 an die V geleisteten Zuwendungen sei eine Steuerminderung nach § 4d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c EStG letztinstanzlich versagt worden. Der Betriebsausgabenabzug richte sich daher nach § 4d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG (vgl. § 4d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c Satz 5 EStG). Aus den Dotierungen 1991 bis 1993 seien gemäß § 4d Abs. 2 Satz 3 EStG folgende Beträge in einen Rechnungsabgrenzungsposten einzustellen: 1991 29.887 DM, 1992 26.040 DM, 1993 26.040 DM, so dass sich zum 31. Dezember 1993 ein Betrag von 81.967 DM ergebe. Der Rechnungsabgrenzungsposten werde im Streitjahr in Höhe eines Teilbetrages von 26.250 DM (3 x 8.750 DM) aufgelöst. Der Beklagte lehnte die Änderung ab, weil bei der Einnahme-Überschussrechnung die Bildung eines Rechnungsabgrenzungspostens von vorneherein nicht in Betracht komme. Die hiergegen erhobene Klage (1 K 5129/03 E) haben die Kläger zurückgenommen.

Am 5. Dezember 2003 stellten die Kläger den Antrag, den geltend gemachten Betriebsausgabenabzug wegen Auflösung des Rechnungsabgrenzungspostens im Wege einer abweichenden Festsetzung der Einkommensteuer 1996 aus Billigkeitsgründen (§ 163 der Abgabenordnung -AO-) zu berücksichtigen. Der Beklagte lehnte diesen Antrag am 26. März 2004 ebenfalls ab und wies auch den hiergegen gerichteten Einspruch mit Entscheidung vom 3. Mai 2004 als unbegründet zurück. Zwar lasse die Finanzverwaltung aus Billigkeitsgründen auch bei Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, die Bildung eines Rechnungsabgrenzungspostens nach § 4d Abs. 2 Satz 3 EStG zu. Jedoch hätten die Kläger das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 4d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG nicht nachgewiesen; im Verfahren 11 K 6401/04 E hätten sie der entsprechenden Aufforderung des Berichterstatters nach § 79b FGO nicht genügt. Zudem hätten die Kläger den Rechnungsabgrenzungsposten nicht bereits in den Jahren der Zuwendung (1991 bis 1993) gebildet, sondern erst nachträglich geltend gemacht. Das sei schon deshalb nicht möglich, weil für 1991 bis 1993 Festsetzungsverjährung eingetreten sei; zudem diene ein Rechnungsabgrenzungsposten der periodengerechten Gewinnermittlung, nicht aber der Korrektur eines in der Vergangenheit versäumten Vorbringens. Über die Steuerfestsetzung 1991 bis 1993 sei außerdem rechtskräftig entschieden; bei nachträglicher Zulassung eines Rechnungsabgrenzungspostens würde das BFH-Urteil umgangen.

Mit der vorliegenden Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter und tragen unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im Einspruchsverfahren im Wesentlichen vor: Die Nachweise zu den Tatbestandsmerkmalen des § 4d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG lägen insgesamt vor - wie bereits im Zeitpunkt der Außenprüfung für die Jahre 1991 bis 1993. Der Rechnungsabgrenzungsposten habe zum 31. Dezember 1993 82.592 DM betragen (Summe der Dotierungen 1991 bis 1993 von 110.092 DM abzgl. der Höchstbeträge von insgesamt 27.500 DM (10.000 DM im Jahr 1991, 8.750 DM im Jahr 1992 und 8.750 DM im Jahr 1993)). Dieser Posten sei zum 31. Dezember 1996 auf 26.040 DM gesunken, weil die für 1991 und 1992 abgegrenzten Beträge im Streitjahr aufzulösen gewesen seien. Der danach verbliebene Rechnungsabgrenzungsposten von 26.040 DM liege innerhalb der gesetzlich möglichen Dotierungen 1994 bis 1996 (jährlich 8.750 DM; insgesamt 26.250 DM) und werde daher im Streitjahr gewinnmindernd aufgelöst. Die Argumentation des Beklagten, die nachträgliche Bildung des Rechnungsabgrenzungspostens sei nicht möglich, könne nicht überzeugen. Sie berühre die bilanzielle Behandlung eines Abgrenzungspostens, während bei einer Gewinnermittlung durch Einnahme-Überschussrechnung die genannten zeitlichen Beschränkungen nicht gälten. Zudem wäre andernfalls die Billigkeitsregelung sinnlos. Es sei nicht vorstellbar, dass ein Trägerunternehmen einen Rechnungsabgrenzungsposten schon bilden müsse, bevor die Frage der Abzugsfähigkeit der Zuwendungen endgültig entschieden sei; erst wenn feststehe, dass die Voraussetzungen für einen Abzug nach § 4d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c EStG nicht vorlägen, komme ein Betriebsausgabenabzug nach § 4d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG in Betracht (§ 4d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c Satz 5 EStG).

Die Kläger beantragen,

unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 26. März 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 2004 die Einkommensteuer 1996 im Billigkeitsweg nach § 163 AO dahin zu ändern, dass die Einkünfte des Klägers aus selbstständiger Arbeit um Betriebsausgaben von 26.040 DM herabgesetzt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich der Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Klagevorbringen der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der dem Gericht vorgelegten Steuerakten Bezug genommen.

Die Klage ist begründet.

Die Ablehnung der Billigkeitsmaßnahme ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten; der Beklagte ist verpflichtet, den geltend gemachten Betriebsausgabenabzug zu gewähren (§ 101 Satz 1 FGO).

Nach § 163 Satz 1, 1. Alt. AO können Steuern niedriger festgesetzt werden, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Die abweichende Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen ist eine Ermessensentscheidung, die gemäß § 102 FGO nur in eingeschränktem Umfang der Nachprüfung durch die Gerichte unterliegt. Stellt das Gericht einen Ermessenfehler fest, ist es grundsätzlich auf die Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsentscheidung beschränkt; nur in den Fällen der sog. Ermessenreduzierung auf Null ist es ausnahmsweise befugt, die Verwaltungsbehörde zu der begehrten Maßnahme zu verpflichten, § 101 Satz 1 FGO (Urteile des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 27. September 2001 X R 134/98, BFHE 196, 400, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2002, 176;vom 10. Oktober 2001 XI R 52/00, BFHE 196, 572, BStBl II 2002, 201). Vorliegend ist allein die Gewährung der beantragten Billigkeitsmaßnahme ermessensgerecht, so dass die Verpflichtung des Beklagten zur geltend gemachten abweichenden Steuerfestsetzung auszusprechen war.

Die Finanzverwaltung kann allgemeine Regelungen über die nach § 163 AO vorzunehmende Ermessensausübung aufstellen. Derartige Bestimmungen sind auch von den Gerichten zu beachten, wenn sich die in ihnen getroffenen Regelungen in den Grenzen halten, die das Grundgesetz und die einfachen Gesetze der Ausübung des Ermessens setzen. Im Falle von begünstigenden Regelungen für einen bestimmten Personenkreis ergibt sich eine Bindungswirkung für die Gerichte auch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz (BFH-Urteil XI R 52/00 a.a.O.).

Die Finanzverwaltung hat mit Schreiben des Bundesministers der Finanzen -BMF- vom 28. November 1996 IV B 2-S 2144 c-44/96 eine Billigkeitsregelung dahin getroffen, dass Trägerunternehmen, die den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, für überhöhte Zuwendungen an Unterstützungskassen nach § 4d EStG einen Rechnungsabgrenzungsposten i.S. von § 4d Abs. 2 Satz 3 EStG "sinngemäß berücksichtigen" dürfen. Macht ein derartiges Trägerunternehmen geltend, in einem Veranlagungszeitraum geleistete Zuwendungen, die die nach § 4d Abs. 1 EStG abzugsfähigen Beträge übersteigen, auf die folgenden drei Wirtschaftsjahre vortragen und im Rahmen der für diese Jahre abzugsfähigen Beträge als Betriebsausgaben absetzen zu wollen, ist die Finanzbehörde - sofern nicht verfahrensrechtliche Hindernisse entgegen stehen - im Wege der Ermessensreduzierung auf Null verpflichtet, die Steuer des Vortragsjahres im Wege der abweichenden Festsetzung entsprechend zu mindern. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Die Kläger haben in den Jahren 1991 bis 1993 Zuwendungen an die V geleistet, die den Anforderungen des § 4d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG genügen. Auch der Beklagte stellt nicht mehr in Abrede, dass die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind, nachdem die Kläger jedenfalls mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2003 insbesondere das Alter der begünstigten Arbeitnehmer im Jahr der erstmaligen Zuwendung dargelegt sowie den Nachtrag zum Rahmenversicherungsschein der L- Lebensversicherung, die Bestandsliste der Gruppenversicherung und die Versorgungsbescheinigungen vorgelegt haben. Die Dotierungen 1991 bis 1993 von insgesamt 110.092 DM sind höher als die für diese Jahre nach § 4d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b, bb EStG abzugsfähigen Beträge von insgesamt 27.500 DM (25 v.H. der späteren jährlichen Versorgungsleistungen, d.s. 10.000 DM für 1991 und je 8.750 DM für 1992 und 1993); zum 31. Dezember 1993 war der bis dahin abzugsfähige Betrag um 82.592 DM überschritten. Diesen übersteigenden Betrag durfte der Kläger nach der Billigkeitsregelung der Finanzverwaltung, die ihm - als Trägerunternehmen mit Gewinnermittlung durch Einnahme-Überschussrechnung - eine sinngemäße Anwendung des § 4d Abs. 2 Satz 3 EStG ermöglicht, auf die folgenden drei Wirtschaftsjahre vortragen. Im Rahmen dieses Vortrages kann das Trägerunternehmen - so die weitere Billigkeitsregelung mit o. a. BMF-Schreiben vom 28. November 1996 - unterstellen, erst in diesen Jahren in Höhe des jeweils am Jahresende verbliebenen Rechnungsabgrenzungspostens die Zuwendung geleistet zu haben. Bei sinngemäßer Berücksichtigung im Billigkeitsverfahren folgt hieraus für die Einnahme-Überschussrechnung der Kläger, wie sie mit Anlage zum Schriftsatz vom 6. Mai 2004 sowie in der vorliegenden Klageschrift dargelegt haben, dass zum 31. Dezember des Streitjahres noch ein Vortrag von 26.040 DM verblieben ist. Dieser Vortrag ist, wie § 4d Abs. 2 Satz 3 EStG es vorsieht, spätestens im dritten Jahr gewinnwirksam aufzulösen, und zwar maximal in Höhe der für die letzten drei Wirtschaftsjahre abzugsfähigen Beträge - hier 1994 bis 1996 jährlich 8.750 DM, d. s. 26.250 DM. Auf die Vornahme des Betriebsausgabenabzugs von somit 26.040 DM im Streitjahr haben die Kläger einen Anspruch; die Gewährung dieser Billigkeitsmaßnahme ist hier die einzig in Betracht kommende rechtmäßige Ermessensentscheidung.

Entgegen der Ansicht des Beklagten scheitert der beantragte Betriebsausgabenabzug nicht daran, dass die Kläger ihn erstmals mit Schriftsatz vom 18. September 2002 geltend gemacht haben. Insbesondere waren die Kläger nicht an die zeitlichen Grenzen gebunden, die ein bilanzierender Steuerpflichtiger bei der Bildung eines Rechnungsabgrenzungspostens beachten muss. Das ergibt sich bereits daraus, dass bei Gewinnerermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach §§ 4 Abs. 1, 5 EStG ein Rechnungsabgrenzungsposten bestimmte Funktionen hat, die ihm bei einer Einnahme-Überschussrechnung, in deren Rahmen eine Rechnungsabgrenzung ohnehin nur "sinngemäß" im Billigkeitswege möglich ist, nicht zukommen. Ermittelt ein Steuerpflichtiger seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich, dient die Bildung eines Rechnungsabgrenzungspostens dazu, den Gewinn "richtig" - d. h. periodengerecht und innerhalb der gesetzlich zugelassenen Beträge - auszuweisen. So müssen im Bereich des Betriebsausgabenabzugs für Zuwendungen an Unterstützungskassen nach § 4d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b bb EStG die geleisteten Beträge, die den für das Zahlungsjahr gesetzlich zugelassenen Höchstbetrag übersteigen, abgegrenzt werden, damit nicht im Jahr der Zuwendung der Gewinn zu gering ausgewiesen ist. Ein derartiger Abgrenzungsposten ist indes bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG nicht erforderlich; hier wird der Gewinn bereits dadurch "richtig" ausgewiesen, dass im Jahr der Zuwendung von vorneherein nur die Beträge als Betriebsausgaben eingestellt werden können, die die gesetzlichen Höchstgrenzen nicht übersteigen. Die im BMF-Schreiben im Billigkeitswege eingeräumte Möglichkeit, einen Rechnungsabgrenzungsposten nach § 4d Abs. 2 Satz 3 EStG "sinngemäß" zu berücksichtigen, bedeutet demnach für ein Trägerunternehmen, das seinen Gewinn durch Einnahme-Überschussrechnung ermittelt, nur, dass es in der Vergangenheit geleistete, wegen Überschreitens der gesetzlichen Höchstbeträge im Jahr der Zahlung nicht abzugsfähige Zuwendungen auf spätere Veranlagungszeiträume vortragen und sodann - bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen - gewinnmindernd ansetzen kann. Soweit hierdurch der Steuerpflichtige, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, gegenüber demjenigen, der einen Betriebsvermögensvergleich durchführt, in gewisser Weise "besser gestellt" wird (vgl. auch Heinicke in Schmidt, EStG, 25. A., § 4 Rdn. 750), erscheint diese Differenzierung im Hinblick auf die unterschiedliche Bedeutung einer Rechnungsabgrenzung für beide Gewinnermittlungsarten sachlich gerechtfertigt.

Der geltend gemachten Billigkeitsmaßnahme steht auch nicht entgegen, dass im September 2002, als die Kläger erstmals den vorgetragenen bzw. "abgegrenzten" Betriebsausgabenabzug geltend gemacht haben, für die Steuerfestsetzungen der Jahre 1991 bis 1993 bereits Bestandskraft und Festsetzungsverjährung eingetreten war; die den Klägern im Billigkeitswege eingeräumte Möglichkeit des Betriebsausgabenabzugs in entsprechender Anwendung des § 4d Abs. 2 Satz 3 EStG betrifft nicht diesen Zeitraum (1991 bis 1993), sondern wirkt in das Jahr des Abzugs und damit in die Zukunft. Die Kläger konnten und mussten dieses Recht frühestens zu einem Zeitpunkt ausüben, in dem sie Gewissheit über Grund und Höhe des Betriebsausgabenabzugs hatten (vgl. BFH-Urteil vom 30. August 2001 IV R 30/99, BFHE 196, 507, BStBl II 2002, 49, zum Zeitpunkt der Ausübung eines Gewinnnermittlungswahlrechts bei Einnahme-Überschussrechnung). Hier brauchten sie die Abgrenzung der Aufwendungen nicht vorzunehmen, bevor gewiss war, dass die Voraussetzungen für einen unbeschränkten Betriebsausgabenzug nach § 4d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 c EStG nicht vorlagen. Sie waren nicht etwa verpflichtet, schon vor Eintritt dieses Zeitpunkts die Abgrenzung hilfsweise - und damit zugleich in Widerspruch zum eigenen Vorbringen - für den Fall vorzunehmen, dass entgegen ihrer Ansicht und entgegen der Behandlung in der Gewinnermittlung der Betriebsausgabenabzug nicht unbegrenzt, sondern nur bis zu den Höchstbeträgen nach § 4d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b EStG zulässig war. Die Gewissheit über Art und Höhe des Betriebsausgabenabzugs haben die Kläger erstmals mit dem Revisionsurteil des BFH vom 28. Februar 2002 erlangt. Das FG-Urteil vom 24. Februar 2000 hatte hier - anders als in dem insoweit anders gelagerten Fall, der dem BFH-Urteil XI R 52/00 a.a.O. zugrunde lag - die erforderliche Gewissheit noch nicht verschafft, zumal das Gericht den Abzug nach § 4d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 c EStG nur für eines der Streitjahre bejaht und für die beiden anderen verneint hatte, der Berichterstatter hinsichtlich eines möglichen Betriebsausgabenabzugs nach § 4d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG lediglich eine nicht hinreichend bestimmte und damit nicht die Präklusionswirkung des § 79b Abs. 3 FGO auslösende Verfügung erlassen hatte ("falls ... begehrt"; ohne konkrete Aufforderung zu den einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen) und der Senat in seinem Urteil die Revision zugelassen hatte, die dann auch von beiden Beteiligten eingelegt worden ist. Erst als mit dem Revisionsurteil des BFH vom 28. Februar 2002 Gewissheit bestand, dass der geltend gemachte unbeschränkte Betriebsausgabenabzug nicht möglich war, hatten die Kläger Anlass, über eine Abgrenzung eines Teils der geleisteten Zuwendungen bzw. einen Vortrag des die Höchstbeträge nach § 4d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG übersteigenden Teils der Aufwendungen nachzudenken und eine solche Gestaltung zu dokumentieren. Dass zu diesem Zeitpunkt - mit Erlass des BFH-Urteils - zugleich Bestandskraft und Festsetzungsverjährung der Steuerfestsetzungen 1991 bis 1993 eingetreten ist (vgl. §§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 170 Abs. 2 Nr. 1, 171 Abs. 3a Satz 1 AO), ist somit für die rechtzeitige Ausübung des erst in die Zukunft wirkenden Gestaltungsrechts ohne Bedeutung. Entscheidend und ausreichend ist vielmehr, dass die Kläger nach Erlangen der Gewissheit mit BFH-Urteil vom 28. Februar 2002 von der mit der Billigkeitsregelung eingeräumten Möglichkeit einer "sinngemäßen" Berücksichtigung eines Rechnungsabgrenzungspostens nach § 4d Abs. 2 Satz 3 EStG ohne schuldhaftes Zögern Gebrauch gemacht haben. Ohne die Frage abschließend entscheiden zu müssen, welcher Zeitraum ihnen hierfür längstens zur Verfügung stand, hält es der Senat jedenfalls für sachgerecht, dass die Kläger die steuerlichen Folgen und etwaige hieran anzuknüpfende steuerliche Gestaltungen bis zum Ablauf des Jahres, in dem die die hinreichende Gewissheit begründende Gerichtsentscheidung ergangen ist (hier BFH-Urteil vom 28. Februar 2002), prüfen durften; tatsächlich haben die Kläger die Rechnungsabgrenzung schon geraume Zeit vor Jahresende, nämlich im September 2002 - sieben Monate nach Erlass des BFH-Urteils - geltend gemacht.

Der abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen steht auch nicht die Rechtskraft des Revisionsurteils vom 28. Februar 2002 entgegen. Die materielle Rechtskraftwirkung eines Urteils ist gemäß § 110 Abs. 1 FGO auf den Teil des Streitgegenstands begrenzt, über den das Gericht entschieden hat. Begrifflich ist zwischen Streitgegenstand und Entscheidungsgegenstand zu unterscheiden; die materielle Rechtskraft ist von Fall zu Fall und unabhängig von dem durch das Rechtsschutzbegehren bestimmte "Soll" nach der hierzu tatsächlich getroffenen Aussage zu bestimmen (von Groll in Gräber, FGO, 5. A., § 110 Rdn. 13). Vorliegend hat der BFH mit obigem Urteil zum Betriebsausgabenabzug nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG nur entschieden, dass in den Jahren der Zuwendungen (1991 bis 1993) eine Steuerminderung bis zu den gesetzlichen Höchstbeträgen dieser Vorschrift (25 v. H. der späteren Versorgungsleistungen) nicht gewährt werden kann. Dagegen hat der BFH mit seinem Urteil keine Entscheidung darüber treffen müssen und auch nicht getroffen, ob der Teil der Zuwendungen 1991 bis 1993, der die für das Zahlungsjahr maßgebenden Höchstbeträge nach § 4d Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG überstiegen hat, die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm erfüllt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revisionszulassung beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO; die Frage, innerhalb welcher zeitlicher Grenzen ein Steuerpflichtiger, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, von der ihm im Billigkeitswege eingeräumten Möglichkeit Gebrauch machen kann, sinngemäß einen Rechnungsabgrenzungsposten i.S. von § 4d Abs. 2 Satz 3 EStG zu berücksichtigen, hat grundsätzliche Bedeutung und ist bisher höchstrichterlich nicht entschieden.



Ende der Entscheidung

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