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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 07.11.2008
Aktenzeichen: 1 K 3533/06 U
Rechtsgebiete: UStG, AO


Vorschriften:

UStG § 1 Abs. 1
UStG § 3 Abs. 1
AO § 39
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Umsatzsteuerbescheid 1997 vom 26. 02. 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03. 08. 2006 wird dahin geändert, dass die Umsatzsteuer um 647.534,79 EUR (1.266.467,97 DM) herabgesetzt wird.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Rechtsvorgängerin der Klägerin Abwasseranlagen, die sie im Rahmen der ihr übertragenen Aufgaben der Stadtentwässerung errichtet hat, im Streitjahr an die Stadt i. S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes -UStG- geliefert hat.

Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin der A-Stadter Stadtwerke AG (im Folgenden: AG) - einer Kapitalgesellschaft, an der zu 99,52 % die Stadt A und zu 0,48 % die Stadt B beteiligt gewesen sind. Mit "Entsorgungsvertrag" vom 31. 07. 1997 übernahm die AG den Bereich der "Stadtentwässerung" von der Stadt A. Die Aufgaben umfassen Planung, Finanzierung, Herstellung und/oder Anschaffung, Unterhaltung und/oder Instandsetzung sowie Erneuerung und/oder Verbesserung von Abwasseranlagen (§ 2 des Vertrages). Sie sind zu erfüllen mit den von der Stadt A beigestellten Altanlagen und mit von der AG neu zu bauenden Abwasseranlagen. Bei letzteren handelt es sich gemäß § 1 Abs. 6 des Vertrages "insbesondere um Kanäle und Anschlüsse in Neubaugebieten oder solche, die dem erstmaligen Anschluss von Anschlussnehmern dienen. Außerdem handelt es sich insbesondere um neu gebaute Funktionen und Nutzungsmöglichkeiten, die über das am 30. 09. 1996 vorhanden gewesene System wesentlich hinaus gehen (z. B. Sammler, Becken) und/oder durch welche die vorhandenen technischen Kapazitäten wesentlich erweitert werden (Pumpwerke o. ä.)." Der Vertrag sieht in § 1 Abs. 8 vor, dass neu gebaute Abwasseranlagen im Eigentum der AG stehen, in dieses überführt oder in eigentumsähnlicher Weise zugunsten der AG gesichert werden. Beigestellte Abwasseranlagen stehen im Eigentum der Stadt. Für die neu gebauten Abwasseranlagen, die die AG im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erstellt, trägt die AG im Verhältnis zur Stadt die Gefahr des zufälligen Untergangs und der Wiederherstellung (§ 6 Abs. 2 des Vertrages). Nach § 14 Abs. 1 erhält die AG von der Stadt für "ihre Leistungen Entgelte". Die "laufenden Entgelte für Leistungen, die die AG hinsichtlich der beigestellten und der neugebauten Abwasseranlagen im eigenen Namen und für eigene Rechnung erbringt, werden ihr von der Stadt A vergütet (§ 14 Abs. 3). Das Entgelt setzt sich im Wesentlichen aus den Betriebskosten, kalkulatorischen Abschreibungen (lineare Berechnung unter Zugrundelegung der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer), kalkulatorischen Zinsen und Gewinnzuschlägen zusammen. Nicht erfasst werden solche Kosten, die im Rahmen von Erneuerungs- und/oder Verbesserungsmaßnahmen an beigestellten Anlagen gesondert abgerechnet werden. Das Entgelt wird jährlich neu berechnet. Nach Maßgabe der Einzelnachweise erhebt die Stadt Beiträge und leitet sie an die AG weiter bzw. verwendet sie im Übrigen zur Senkung der Abwassergebühr. Die Vertragsparteien streben die privatrechtliche Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses zwischen der Gesellschaft und den Abwasserkunden für einen Zeitpunkt an, zu dem dies rechtlich zweifelsfrei möglich und angezeigt ist (§ 15). Der Vertrag kann erstmals zum 31. 12. 2017 gekündigt werden; bei Ausbleiben der Kündigung läuft er gemäß § 16 mit unbestimmter Dauer weiter. Nach Beendigung des Vertrages hat die AG der Stadt ohne Einreden sämtliche Rechtspositionen an den Abwasseranlagen zur Verfügung zu stellen; die Stadt schuldet der AG lt. § 17 Abs. 6 die Übernahme der Abwasseranlagen und der sonstigen Sachanlagen gegen Zahlung "des angemessenen Wertes unter Berücksichtigung der durch die Verrechnung in den Entgelten bereits amortisierten Beträge"; für die übrigen Aktiva und Verbindlichkeiten wird der "Buchwert" angesetzt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Entsorgungsvertrag Bezug genommen.

Auf der Grundlage des Entsorgungsvertrages erweiterte die AG das vorhandene Kanalnetz im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Die Anbauten wurden bei der AG aktiviert und abgeschrieben (1997 rd. 8 Mio. DM; 1998 rd. 20 Mio. DM). Erweiterungen in geringerem Umfang wurden nicht aktiviert, sondern unmittelbar mit der Stadt abgerechnet. Umsatzsteuerlich erklärte die AG für das Streitjahr 1997 sonstige Leistungen in Höhe der von der Stadt vertraglich erhaltenen Vergütung.

Im Rahmen einer für die Veranlagungszeiträume 1995 bis 1998 bei der AG durchgeführten Außenprüfung des Finanzamts für Groß- und Konzernbetriebsprüfung vertrat der Prüfer folgende Auffassung (Tz. 17, 32 des BP-Berichts vom 25. 10. 2002): Das Kanalnetz der Stadt stelle ein einheitliches Wirtschaftsgut dar. Eine Aktivierung von Neuinvestitionen bei der AG könne, solange sie nicht im Besitz des Altnetzes sei, nur erfolgen, wenn dort ein selbstständiges Wirtschaftsgut entstehe. Das sei der Fall bei Sonderbauwerken und der Erschließung von Siedlungsgebieten, die aufgrund ihrer Eigenständigkeit und Größe als selbstständiges Netz angesehen werden könnten. Dagegen dürfe die AG nicht die bloße Erweiterung des vorhandenen Abwassernetzes durch Erschließung einzelner Straßen bilanzieren. Anstelle der auszubuchenden Anlagen zzgl. des Gewinnaufschlags / Regiekostenanteils sei in der Steuerbilanz eine Forderung gegenüber der Stadt auszuweisen, die über die vereinbarten jährlichen Amortisationsbeträge während der Nutzungsdauer der Anlage getilgt würden. Umsatzsteuerlich sei daher von einer unmittelbaren Weiterlieferung der Investition an den zivilrechtlichen Eigentümer, die Stadt A, anzunehmen. Die Bemessungsgrundlage für die Lieferung im Streitjahr 1997 berechnete der Prüfer wie folgt:

 Anschaffungskosten8.237.190,06 DM
zzgl. Gewinnaufschlag 2,5 %+205.929,75 DM
 8.443.119,81 DM
Umsatzsteuer1.266.467,97 DM

Im Verlauf des Einspruchsverfahrens gegen den entsprechend geänderten Umsatzsteuerbescheid 1997 vom 05. 07. 2001 (Umsatzsteuererhöhung insoweit um 1.266.467,97 DM ) erließ der Beklagte am 18. 12. 2002 und 26. 02. 2003 (aus anderen Rechtsgründen) zwei weitere Änderungsbescheide, die zum Gegenstand des Verfahrens geworden sind. Mit dem Einspruch machte die AG geltend, in entsprechender Anwendung der steuerlichen Grundsätze zu Mietereinbauten seien die Erweiterungen des Kanalnetzes jedenfalls als ihr wirtschaftliches Eigentum aktivierungsfähig, weil die Bauten zur Erfüllung des Entsorgungsvertrages erforderlich seien und die Stadt ihr nach Vertragsbeendigung einen angemessenen Wert - hier den Marktwert bzw. Zeitwert im Zeitpunkt der Übergabe - zahlen müsse. Die vom Beklagten vorgenommene Umdeutung des Vertrages in einen Kauf- bzw. Werklieferungsvertrag entspreche nicht den zwischen ihr und der Stadt getroffenen Vereinbarungen.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 03. 08. 2006 als unbegründet zurück. Die von der AG hergestellten Erweiterungen des Kanalnetzes seien gemäß § 93 des Bürgerlichen Gesetzbuchs -BGB- wesentlicher Bestandteil des Altnetzes geworden, so dass die Stadt hieran gemäß § 947 Abs. 2 BGB Eigentum erworben habe. Die AG sei auch nicht wirtschaftliche Eigentümerin der Erweiterungen geworden; die Voraussetzungen des § 39 der Abgabenordnung -AO- seien nicht erfüllt, zumal die AG nach Vertragsablauf den "angemessenen Wert" (§ 17 Abs. 6 des Vertrages) erhalte, der nach den Gesamtumständen als (bloßer) "Buchwert" auszulegen sei. Folglich habe die AG die Erweiterungen unmittelbar an die Stadt geliefert; der Umsatz sei zutreffend nach den Anschaffungskosten zzgl. des unstreitigen Gewinnzuschlags von 2,5 % bemessen worden.

Mit der Klage verfolgt die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der AG das Begehren weiter und trägt zur Begründung im Wesentlichen Folgendes vor:

Die Kanalnetzerweiterungen seien ein selbstständiges Wirtschaftsgut. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -BFH- bestehe ein Leitungsnetz aus mehreren Wirtschaftsgütern, wenn bestimmte Netzteile Sonderfunktionen hätten. Das sei der Fall. Zudem müsse berücksichtigt werden, dass hier - im Unterschied zu den der Rechtsprechung und den Verwaltungserlassen zugrunde liegenden Sachverhalten - Altnetz und Erweiterungsinvestitionen auf verschiedene Personen verteilt seien.

Das selbstständige Wirtschaftsgut der Netzerweiterung sei bei der AG bzw. nunmehr bei ihr zu aktivieren. Die neuen Abwasserleitungen ständen im zivilrechtlichen Eigentum der Klägerin. An den jeweiligen Grundstücken habe sie von der Stadt Dienstbarkeiten erhalten (§ 6 Abs. 1 des Entsorgungsvertrages); nach § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB handele es sich daher um bloße Scheinbestandteile. Auch auf § 947 BGB lasse sich ein Eigentumserwerb der Stadt nicht stützen, weil bei einer Verbindung von gleichartigen Sachen - hier den Kanalrohren - schon begrifflich keine von beiden die Hauptsache sein könne. Jedenfalls habe sie - die AG bzw. die Klägerin - nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO wirtschaftliches Eigentum an den Netzerweiterungen erlangt. Sie sei Besitzerin des Netzes und trage die Gefahr des zufälligen Untergangs. Zudem könne sie die Stadt wirtschaftlich von Einwirkungen ausschließen, weil diese nicht über den Wert der Anlagen verfügen könne, sondern ihr - der Klägerin - bei Vertragsbeendigung den Zeitwert der Investitionsmaßnahmen ersetzen müsse; insoweit seien die Grundsätze zu Mietereinbauten entsprechend anwendbar. Der "angemessene Wert" i. S. von § 17 Abs. 6 Satz 1 des Vertrages könne nur der Zeitwert sein. Diese Auslegung allein entspreche auch dem Willen der Vertragsparteien.

Die AG habe die neu hergestellten Netzteile nicht umsatzsteuerrechtlich an die Stadt geliefert, habe dieser nämlich nicht im Streitjahr die Verfügungsmacht verschafft, sondern selbst das wirtschaftliche Eigentum behalten. Zudem fehle es an einem Entgelt für eine Lieferung; insbesondere scheide insoweit die Berechnung der Abschreibungen aus. Die AG bzw. die Klägerin erhalte von der Stadt ein Entgelt für die Durchführung der Stadtentwässerung und damit für eine sonstige Leistung. Das Entgelt decke ihre Kosten ab und beinhalte einen angemessenen Unternehmerlohn. Eine Lieferung der Netzerweiterung an die Stadt erfolge erst bei Vertragsbeendigung.

Die Klägerin beantragt,

den Umsatzsteuerbescheid 1997 vom 26. 02. 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 03. 08. 2006 dahin zu ändern, dass die Umsatzsteuer um 1.266.467,97 DM (647.534,79 EUR) herabgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verbleibt bei seiner bisherigen Ansicht und begründet dies im Wesentlichen wie folgt:

Die Netzerweiterung stelle kein selbstständiges Wirtschaftsgut dar. Auch unter Berücksichtigung der geltend gemachten Erweiterung des Kundenkreises und der unterschiedlichen Rohrdurchmesser von Alt- und Neuanlagen könne nicht festgestellt werden, dass die Erweiterungen Sonderfunktionen hätten, die eine selbstständige Aktivierung rechtfertigen könnten. Für die Beurteilung sei auch nicht maßgeblich, ob sich die Wirtschaftsgüter in einer oder in mehreren Händen befänden.

Die AG bzw. die Klägerin sei nicht wirtschaftliche Eigentümerin der Erweiterungen. Insbesondere sei der ihr bei Vertragsende zu ersetzende "angemessene" Wert nicht als gemeiner Wert zu verstehen. Zudem werde der Wert um die bereits amortisierten Beträge gekürzt.

Die AG habe der Stadt spätestens mit Fertigstellen der Erweiterungen die Verfügungsmacht verschafft. Die Stadt sei zivilrechtliche und wirtschaftliche Eigentümerin, und die AG bzw. die Klägerin sei als deren Erfüllungsgehilfin tätig. Zwar sei trotz zivilrechtlicher Übereignung eine Lieferung zu verneinen, wenn der neue Eigentümer nur mit Zustimmung des bisherigen Eigentümers über den Gegenstand verfügen könne. Das sei hier indes nicht der Fall. Die AG bzw. die Klägerin dürfe die Erweiterungen weder endgültig behalten noch ohne Mitbestimmung der Stadt hierüber verfügen.

Die Klage ist begründet.

Eine Lieferung der Kanalnetzerweiterungen an die Stadt ist im Streitjahr nicht erfolgt; der Beklagte hat die hierfür berechnete, im Tenor ausgewiesene Umsatzsteuer zu Unrecht festgesetzt.

Lieferungen i. S. des § 3 Abs. 1 UStG sind Leistungen, durch die ein Unternehmer den Abnehmer befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Eine Lieferung liegt vor, wenn die wirtschaftliche Substanz, der Wert und der Ertrag eines Gegenstandes vom Leistenden auf den Leistungsempfänger übergeht und dies von den Beteiligten endgültig gewollt ist. Die Übertragung der Verfügungsmacht mag in der Regel mit dem bürgerlich-rechtlichen Eigentumsübergang verbunden sein, ist indes nicht daran gebunden; maßgebend sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls (vgl. etwa die Fälle der Errichtung von Gebäuden auf fremdem Boden, s. BMF-Schreiben vom 23. 07. 1986, Bundessteuerblatt -BStBl- I 1986, 432). Die Verschaffung der Verfügungsmacht verlangt, dass der Abnehmer faktisch in der Lage ist, mit dem Gegenstand nach Belieben zu verfahren - insbesondere ihn wie ein Eigentümer nutzen und veräußern kann -, und dass er, dem wirtschaftlichen Eigentümer i. S. von § 39 AO vergleichbar, einen entsprechenden Herrschaftswillen ausübt. Der Gegenstand der Leistung ergibt sich aus den Abmachungen der Beteiligten; abzustellen ist auf den wirtschaftlichen Kern des Vertragsverhältnisses (BFH-Urteile vom 24. 11. 1992 V R 80/87, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 1993, 634; vom 12. 05. 1993 XI R 56/90, BStBl II 1993, 847).

Vorliegend sind die Voraussetzungen einer Lieferung nicht erfüllt. Die AG hat die wirtschaftliche Verfügungsmacht an den Neuanlagen nicht auf die Stadt A übertragen, sondern diese selbst behalten. Das gilt unabhängig von den - zwischen den Beteiligten kontrovers diskutierten - Fragen, wer zivilrechtliche Eigentümerin der neu errichteten Teile des Kanalnetzes geworden ist und ob die AG die Neubauten als Wirtschaftsgüter bzw. Teile eines bestehenden Wirtschaftsguts bilanzieren und abschreiben durfte; diese Problematik mag in dem noch anhängigen Verfahren wegen Körperschaftsteuer 1997 (6 K 4574/06 K) von Bedeutung sein, ist indes für die umsatzsteuerliche Einordnung, die nach vorstehenden Grundsätzen auf die wirtschaftliche Bedeutung des Vorgangs abstellt, nicht entscheidungserheblich.

Nach der wirtschaftlichen und technischen Bedeutung des Vorgangs unter Berücksichtigung des Willens der Beteiligten ist die wirtschaftliche Verfügungsmacht an den neuen Anlagen bei der AG verblieben und nicht etwa auf die Stadt übertragen worden. Die AG hat die neuen Abwasseranlagen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erstellt. Nach dem Willen der Parteien des Entsorgungsvertrages (§ 6 Abs. 1, 3) sollte sie hieran auch "weitestgehend" Eigentum erlangen oder zumindest eigentumsähnliche Sicherungen erhalten. Ungeachtet der - nach obigen Ausführungen nicht entscheidungserheblichen - Frage der tatsächlich erlangten zivilrechtlichen Stellung der AG haben die Vertragsbeteiligten mit dieser Abrede den übereinstimmenden Willen zum Ausdruck gebracht, dass der AG die stärkste Rechtsposition eingeräumt werden sollte, die nach Rechtsgrundsätzen hier möglich war; nicht die Stadt, sondern die Herstellerin der Anlagen sollte über das neue Netz verfügen können. Ob und in welchem Umfang dieser Vertragswille zivilrechtlich umgesetzt werden konnte, insbesondere ob die AG oder aber die Stadt zivilrechtliche Eigentümerin geworden ist bzw. zumindest eigentümerähnliche Rechte erhalten hat, kann angesichts der umsatzsteuerlich allein maßgebenden Einräumung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht dahinstehen. Zudem haben die Vertragsparteien selbst in den Schlussbestimmungen der Vereinbarungen (§ 21 Abs. 3) an die wirtschaftliche Betrachtungsweise angeknüpft und geregelt, dass für den Fall der Rechtsunwirksamkeit einer Vertragsbestimmung diese durch eine andere, im wirtschaftlichen Erfolg ihr nach Möglichkeit gleich kommende Vorschrift ersetzt werden solle.

Für die wirtschaftlich bei der AG verbleibende Verfügungsbefugnis spricht darüber hinaus die weitere Vertragsvereinbarung, dass die AG die Gefahr des zufälligen Untergangs und der Wiederherstellung zu tragen und außerdem die notwendigen Unterhaltungs- und Instandsetzungsarbeiten sowie Erneuerungs- und Verbesserungsmaßnahmen durchzuführen hat (§ 6 Abs. 2). Die Sicherung von Fortbestand und Funktionsfähigkeit des neuen Netztes oblag der AG als Inhaberin der tatsächlichen Sachherrschaft.

Der Verbleib nicht nur der Substanz, sondern auch von Wert und Ertrag der neuen Anlagen bei der AG findet seinen Niederschlag ebenso in der Bestimmung zur Vertragsbeendigung (§ 17 Abs. 6). Nach Satz 1 der Regelung schuldet die Stadt A der AG zu diesem Zeitpunkt die Übernahme der Anlagen gegen Zahlung des "angemessenen Wertes unter Berücksichtigung der durch die Verrechnung in den Entgelten bereits amortisierten Beträge"; nach Satz 2 der Vertragsklausel wird dagegen "für die übrigen Aktiva und Verbindlichkeiten der Buchwert" angesetzt. Ungeachtet der Frage, wie der Begriff des "angemessenen Wertes" hier rechtlich zu einzuordnen ist (ob als Teilwert, gemeiner Wert, Verkehrswert o. ä.), und abgesehen von der tatsächlichen Problematik, den Wert eines Abwassernetzes zu bestimmen, wird der AG bzw. der Klägerin mit dieser vertraglichen Regelung auf den Zeitpunkt des Vertragsendes ein Betrag zuerkannt, der vom Buchwert abweicht. Denn der steuerliche Rechtsbegriff des "Buchwerts" wird - in Abgrenzung zum unbestimmten Begriff des "angemessenen Wertes" - in Satz 2 der Regelung als solcher bezeichnet, jedoch ausdrücklich allein auf die "übrigen" Wirtschaftsgüter bezogen. Da die Klägerin über die Vertragslaufzeit hinweg mit den laufenden Entgelten in Höhe der linearen Abschreibung einen anteiligen Ersatz der Herstellungskosten zzgl. - über die Verzinsung - eines Unternehmerlohns erhält und diese laufend vergüteten Beträge bei der Endabrechnung in Abzug gebracht werden, wird ihr mit dem anteilig übersteigenden "angemessenen Wert" ein in den Neuanlagen enthaltener Wert zuerkannt, der nicht gleichbleibend und ungeachtet der konkreten wirtschaftlichen Umstände rein rechnerisch ermittelt ist, sondern der den tatsächlichen Verhältnissen Rechnung trägt und damit Ausdruck des Verbleibs von Wert und Ertrag bei der AG bzw. der Klägerin ist. Dabei ist nicht entscheidungserheblich, ob es sich bei dem Wert um (etwaige) stille Reserven i. e. Sinne oder um abweichende Beträge handelt oder ob sich herausstellen mag, dass über die verrechneten laufenden Entgelte kein zusätzlich zu vergütender Werte (mehr) besteht.

Dass die AG bzw. die Klägerin zur Erfüllung ihrer vertraglich übernommenen Entwässerungsleistungen fortlaufend die von ihr hergestellten Neuanlagen nutzt, beruht damit bei Würdigung des Willens der Vertragsparteien und der wirtschaftlichen Vorgänge nicht darauf, dass die Stadt die Netzerweiterung als Lieferempfängerin der AG sogleich wieder (unentgeltlich) überlassen hätte - was einen Umweg bedeutet hätte -, sondern ist Ausdruck der bei der AG verbliebenen Befähigung, wie ein Eigentümer über den Substanzwert der Neuanlagen zu verfügen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung.

Ende der Entscheidung

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