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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 09.05.2008
Aktenzeichen: 1 K 5404/05 U
Rechtsgebiete: UStG
Vorschriften:
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 | |
UStG § 3 Abs. 9 | |
UStG § 3a Abs. 1 |
Finanzgericht Düsseldorf
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Umsatzsteuerpflicht der von der Klägerin erbrachten Leistungen in den Jahren 1996 bis 1999.
Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer GmbH ein Unternehmen, dessen Gegen-stand seit Gründung im Jahr 1995 zunächst der Verkauf von Lotterielosen war. Entsprechend lautete die Firma der Klägerin A-Lotterielosevertrieb GmbH. Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 10.5.1999 wurde die Firma in "A-Marketing und Service GmbH" geändert; Gegenstand des Unternehmens ist nunmehr Marketing und Verkaufsförderung von Waren und Dienstleistungen aller Art.
Die Klägerin bot in den Streitjahren Interessenten in den Niederlanden die Teilnahme am deutschen Lotto 6 aus 49 in zwei verschiedenen Spielsystemen an:
Individualspiel:
Der Kunde bestellte einen Lottoschein mit konkreten Zahlen per Post oder per Email bei der Klägerin. Das monatliche Entgelt, das sich aus dem Preis für den Lottoschein und einer Servicegebühr zusammensetzte, wurde unbar entrichtet. Auf den Bestellformularen, Bestätigungsschreiben und Teilnahmebedingungen wurde den Kunden ein Gesamtpreis für die komplette Leistung (Los, Porto, Service und Organisation) in Gulden genannt. Auf dem Bestellschein besonders hervorgehoben war, dass die Klägerin insbesondere die automatische Ausbezahlung der gewonnenen Preisgelder an den Kunden übernahm. Die Klägerin füllte nach Auftragserteilung und Zahlung des Entgelts einen Lottoschein mit den vom Spieler gewünschten Zahlen aus - zunächst manuell, später dann unter Zuhilfenahme eines Computers. Auf dem Lottoschein wurde neben Namen und Adresse der Klägerin ebenso wie auf dem Bestellformular eine Kennzahl vermerkt, die die Zuordnung zum jeweiligen Spieler ermöglichte. Sodann wurde der Lottoschein bei einer Lottoannahmestelle abgegeben und dem Spieler ein Teilnahmenachweis zugesandt. Die Klägerin wertete die Lottoziehungen aus, vereinnahmte anfallende Gewinne und leitete diese anhand der Kennzahl in Gulden an den Kunden weiter.
Spielgemeinschaft:
Der Kunde beteiligte sich an einem von der Klägerin aufgelegten Spielerpool mit 125 Spielern. Die Gewinnchancen konnten dadurch erhöht werden, dass er 300, 600 oder 1000 Zahlenreihen spielte. Die vom Spielerpool zu spielenden Zahlen wurden von der Klägerin mithilfe einer speziellen Computersoftware ermittelt. Die Klägerin gewährte eine Geld-Zurück-Garantie für den Fall, dass in einem Monat keine Gewinne erzielt wurden. Kamen nicht genug Mitglieder zusammen, füllte die Klägerin die Reihen mit eigenem Geld auf. Auf dem jeweiligen Lottoschein wurde neben dem Namen der Klägerin ein Kurzname der Spielgemeinschaft bzw. eine Kennzahl und die Adresse der Klägerin angegeben. Die Klägerin wertete die Lottoziehungen aus und leitete den Gewinn an die Teilnehmer weiter. Auch hierfür wurde das einheitliche monatliche Entgelt, das sich aus dem Preis für den Lottoschein und einer Servicegebühr zusammensetzte, unbar entrichtet.
Ausweislich der den Kunden übersandten Teilnahmebedingungen war die Klägerin verpflichtet, die Spieleverträge sowohl beim Individual- als auch beim Poolspiel im Namen und für Rechnung der Kunden abzuschließen, so dass der Spielvertrag direkt zwischen der deutschen Lottogesellschaft und dem Spieler zustande komme. Die Rechnungen der Lottoannahmestellen über die verauslagten Lottokosten waren an die Klägerin gerichtet.
Die Klägerin behandelte die Leistungen als steuerfreie Ausfuhrlieferungen und erklärte in den Umsatzsteuerjahreserklärungen der Jahre 1996 - 1999 jeweils geringe Vorsteuerüberhänge. Den Jahreserklärungen wurde zugestimmt.
Im Rahmen einer bei der Klägerin durchgeführten Betriebsprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, dass der Leistungsaustausch der Klägerin mit den Kunden in den Niederlanden als steuerpflichtige Lieferung von Lottoscheinen anzusehen sei. Die Klägerin habe die Lottoscheine in eigenem Namen und für eigene Rechnung erworben und anschließend an die niederländischen Kunden weiterveräußert. Der Ort der Lieferung sei das Inland. Eine Ausfuhrlieferung in die Niederlande sei weder belegmäßig noch buchmäßig nachgewiesen.
Das beklagte Finanzamt FA folgte der Auffassung des Betriebsprüfers und erließ am 23.3.2004 entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide der Jahre 1996 bis 1999, die zu Umsatzsteuernachforderungen in Höhe von insgesamt 428.993,11 EUR führten.
In ihren hiergegen gerichteten Einsprüchen vertrat die Klägerin die Auffassung, dass es sich bei den von ihr erbrachten Leistungen um Besorgungsleistungen handele, die gemäß § 3 Abs. 11 i.V.m. § 4 Nr. 9 UStG steuerfrei seien. Die Klägerin habe ihren Kunden die Teilnahme an einer Wettleistung besorgt. Die Klägerin habe sowohl beim Individual- als auch beim Poolspiel in eigenem Namen gehandelt. Die Namen der Mitspieler seien der Lottogesellschaft nicht mitgeteilt worden. Vertragspartner der Lottogesellschaft und Empfänger der Rechnungen für die Wettleistungen sei stets die Klägerin gewesen. Sie habe auf fremde Rechnung gehandelt, weil sie die jeweiligen Gewinn an ihre Kunden weitergeleitet habe. Damit finde die auf die besorgte Leistung (Wettleistung) anzuwendende Steuerbefreiung des § 4 Nr. 9 b UStG entsprechende Anwendung auf die von ihr erbrachte Besorgungsleistung. Die Klägerin verkaufe kein bedrucktes Papier in Form von Lottoscheinen, sondern ermögliche ihren Kunden die Teilnahme am deutschen Lotto. Nicht erforderlich für die Annahme einer Besorgungsleistung sei, dass dem Kunden die Aufteilung zwischen Preis des Loses und Kosten für die zusätzlich erbrachten Leistungen im Rahmen einer Rechenschaftsverpflichtung offen zu legen sei.
Während des Einspruchsverfahrens erließ das FA geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre, in denen die Umsatzerlöse der Klägerin um die weitergereichten Lottokosten gekürzt wurden. Bei der Leistung der Klägerin habe es sich um eine Vermittlungsleistung gehandelt, als Entgelt seien die von den Teilnehmern entrichteten Gebühren abzüglich der weitergereichten Lottokosten (durchlaufende Posten) anzusetzen. Die festgesetzte Umsatzsteuerzahllast reduzierte sich dadurch auf 249.072,58 EUR.
Mit einheitlicher Einspruchsentscheidung vom 24.11.2005 wies das FA die Einsprüche der Klägerin gegen die Umsatzsteuerbescheide der Jahre 1996 bis 1999 vom 23.3.2004 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 17.11.2005 als unbegründet zurück.
Die von der Klägerin an die Kunden erbrachten Leistungen seien als Vermittlung der Lieferung von Lottoscheinen steuerpflichtig. Der Verkauf eines Loses sei der Verkauf einer Gewinnaussicht, die an den Besitz des Lotterieloses geknüpft sei und damit nach sachenrechtlichen Grundsätzen übertragen werde. Die Klägerin besorge demnach keine sonstige Leistung, sondern vermittle eine Lieferung.
Die Klägerin habe nicht nur auf fremde Rechnung, sondern auch in fremdem Namen gehandelt. Aus den Teilnahmebedingungen ergebe sich, dass Rechtsbeziehungen zwischen der Lottogesellschaft und den Kunden zustande kämen. Dem stehe nicht entgegen, dass die Klägerin auf den Lottoscheinen ihren Namen angegeben habe, weil auf Anfrage der Lottogesellschaft die Namen der Kunden aus den Unterlagen der Klägerin jederzeit zu benennen gewesen wären. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 24.11.2005 Bezug genommen.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage wendet sich die Klägerin weiterhin gegen die Beurteilung der von ihr erbrachten Leistungen als steuerpflichtige Vermittlungsleistung von Lieferungen. Tatsächlich erbringe sie in eigenem Namen eine Besorgungsleistung. Vertragspartner der Lottogesellschaft und Empfänger der Rechnungen für die Wettleistungen sei die Klägerin. Bei der von ihr erbrachten Leistung handele es sich nicht um die Gewährung von Gewinnmöglichkeiten, also die Ermöglichung der Teilnahme an einem Spiel. Vielmehr bestehe diese als sonstige Leistung im Zusammenstellen der Systemwetten, dem Ausfüllen der Tippscheine, dem Zusammenfassen der verschiedenen kleinen Einsätze zu einem großen Einsatz, dem Weiterleiten an die Lottogesellschaft und schließlich dem Auswerten und Auszahlen der Gewinne. Diese Tätigkeit werde von den Kunden durch den Ausgabeaufschlag auf den Lottoeinsatz abgegolten. Zudem sei zu berücksichtigen, dass ein Großteil der Kunden tatsächlich nicht gewinne und trotzdem die Servicegebühr zahlen müsse.
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuerbescheide der Jahre 1996 bis 1999 vom 23.3.2004, die Änderungsbescheide vom 17.11.2005 und die Einspruchsentscheidung vom 24.11.2005 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klägerin habe ausschließlich steuerpflichtige Vermittlungsleistungen erbracht. Hierbei könne dahinstehen, ob es sich bei den vermittelten Leistungen um Lieferungen oder sonstige Leistungen gehandelt habe. Auch in letzterem Fall sei § 3 Nr. 11 UStG nicht anwendbar, weil die Klägerin in fremdem Namen gehandelt habe.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die dem Gericht übersandten Steuerakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist nicht begründet. Das FA hat zu Recht die von der Klägerin erbrachten Leistungen an die in den Niederlanden lebenden Kunden der Umsatzsteuer unterworfen.
I. Die Leistungen der Klägerin sind gemäß §§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1; 3 Abs. 9; 3a Abs. 1 UStG umsatzsteuerbar und steuerpflichtig. Die Klägerin hat für ausländische Kunden im Inland deutsches Lotto gespielt. Hierin liegt eine einheitliche sonstige Leistung, bei der dahinstehen kann, ob die Klägerin gegenüber den deutschen Lottogesellschaften in fremdem oder in eigenem Namen gehandelt hat.
1. Handeln im fremden Namen
Hat die Klägerin in fremdem Namen gehandelt, hat sie mit der Vermittlung der Lottospielverträge zwischen den Spielern und der Lottogesellschaft sowie den weiteren von ihr erbrachten Servicetätigkeiten sowohl im Fall des Individualspiels als auch im Fall der Spielgemeinschaft eine einheitliche sonstige Leistung an die ausländischen Spieler erbracht.
a. Individualspiel
Die Klägerin hat beim Individualspiel Spielverträge vermittelt und weitere Serviceleistungen dergestalt erbracht, dass diese zu einer einheitlichen sonstigen Leistung an die ausländischen Spieler verschmolzen sind.
Für die Besteuerung des Unternehmers ist maßgebend, ob und welche Leistungen von ihm erbracht werden. Die Klägerin hat nicht nur die Spielverträge zwischen den ausländischen Spielern und der deutschen Lottogesellschaft vermittelt, sondern sie hat auch die Ziehung der Lottozahlen überwacht, eventuell angefallene Gewinne eingelöst und den Gewinn in niederländische Gulden umgerechnet und an den Spieler ausgezahlt. Diesen von der Klägerin erbrachten Leistungen kommt sämtlich wirtschaftliches Gewicht zu.
aa. Vermittlungsleistung
Die Klägerin hat Spieleverträge zwischen den ausländischen Spielern und der deutschen Lottogesellschaft vermittelt.
Für die Bestimmung der Leistungsbeziehungen folgt das Umsatzsteuerrecht grundsätzlich dem Zivilrecht (vgl. Husmann in Rau/Dürrwächter UStG § 1 Anm. 156). Entsprechend der Regelung des § 164 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches BGB ist demnach bei einem Handeln in fremdem Namen umsatzsteuerrechtlich nicht nur die von einem Vertreter an den Leistungsempfänger erbrachte Leistung dem Vertretenen zuzurechnen, sondern auch der Leistungsempfänger kann sich vertreten lassen. Voraussetzung hierfür ist gleichermaßen, dass zwischen dem Leistenden und dem vertretenen Leistungsempfänger unmittelbare Rechtsbeziehungen zustande kommen. Gibt der Vertreter des Leistungsempfängers in eindeutiger Weise vor oder bei Geschäftsabschluss zu erkennen, dass er in fremdem Namen und für fremde Rechnung handelt, und erklärt sich der Leistende, der dies erkannt hat, ausdrücklich oder stillschweigend damit einverstanden, kann auch eine Vermittlereigenschaft des Vertreters des Leistungsempfängers ebenso wie eine solche des Vertreters des Leistenden umsatzsteuerrechtlich anerkannt werden (vgl. zur Vermittlereigenschaft auf Seiten des Leistenden BFH, Urteil vom 16. März 2000 V R 44/99, BStBl II 2000, 361).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Klägerin in fremdem Namen die Spielverträge mit der deutschen Lottogesellschaft abgeschlossen. Zum einen war die Klägerin aufgrund ihrer Teilnahmebedingungen dazu verpflichtet, die Spieleverträge im Namen des jeweiligen ausländischen Spielers abzuschließen. Insbesondere aber hat sie gegenüber der Lottogesellschaft in eindeutiger Weise zu erkennen gegeben, dass sie für einen anderen, nämlich den ausländischen Spieler tätig wurde. Die Lottogesellschaft hat sich auch stillschweigend damit einverstanden erklärt.
Die Klägerin hat die Lottoscheine dergestalt ausgefüllt, dass neben ihrem Namen auch eine Kennziffer auf dem Schein eingetragen wurde, die einem bestimmten Einzelspieler zugeordnet war. Aufgrund der Firma der Klägerin, der Vielzahl der von ihr ausgefüllten Lottoscheine und der jeweils aufgetragenen Kennziffer war für die Lottogesellschaft eindeutig erkennbar, dass die Klägerin für die ausländischen Spieler Lotto spielte. Den Lottogesellschaften war dies auch bekannt. Unter anderem war die Tätigkeit von Unternehmen wie dem der Klägerin, nämlich gewerbliche Spielevermittler, die im Ausland Spielteilnehmer akquirierten und Spielverträge an ein Lottounternehmen vermittelten, Anlass für eine Änderung des deutschen Lottostaatsvertrages im Jahr 2004 (vgl. Gesetzesentwurf der Landesregierung, Gesetz zu dem Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland, Vorwort, A. Problem, Landtagsdrucksache des Landtags NRW, 13. Wahlperiode, Drucksache 13/5365). Zudem ging auch der Gesetzgeber davon aus, dass in derartigen Fällen die Spielverträge der Lottogesellschaft mit dem ausländischen Spieler zustande kommt (vgl. Gesetzesentwurf der Landesregierung, Gesetz zu dem Staatsvertrag zum Lotteriewesen in Deutschland, Vorwort, A. Problem, Landtagsdrucksache des Landtags NRW, 13. Wahlperiode, Drucksache 13/5365, sowie § 14 des Gesetzes zum Lotteriestaatsvertrag NRW vom 22.6.2004).
# Indem die Lottogesellschaft der Klägerin die Teilnahme für die ausländischen Spieler ermöglichte, hat sie sich stillschweigend damit einverstanden erklärt, dass die Klägerin für die ausländischen Spieler handelt.
Unschädlich in diesem Zusammenhang ist, dass die Klägerin nicht den Namen des ausländischen Spielers, sondern lediglich eine Kennziffer auf dem Lottoschein vermerkte, über welche der jeweilige Spieler zuzuordnen war. Ein Handeln in fremdem Namen setzt nicht voraus, dass der Name des Vertretenen genannt wird; vielmehr reicht es aus, wenn der Vertretene bestimmbar ist (vgl. BFH, Urteil vom 16. März 2000 V R 44/99, BStBl II 2000, 361). Beide Vertragspartner, der ausländische Spieler und die Lottogesellschaft, standen bei Vertragsabschluss fest. Zudem hatte die Lottogesellschaft auch typischerweise kein Interesse daran, den Namen des Spielers zu erfahren, obwohl dies über die Kennziffer auf dem Lottoschein durchaus möglich gewesen wäre.
bb. einheitliche, nicht aufteilbare Leistung
Die Vermittlungsleistung der Klägerin bildet mit den übrigen von ihr erbrachten Servicearbeiten eine einheitliche, nicht aufteilbare sonstige Leistung. Zwischen den von der Klägerin erbrachten Leistungen besteht kein Haupt- und Nebenleistungsverhältnis, weil ihnen sämtlich ein wirtschaftliches Gewicht zukommt.
Zur Beantwortung der Frage, ob eine sonstige Leistung, eine einheitliche Haupt- und Nebenleistung oder mehrere selbständige Leistungen vorliegen, ist das Wesen des fraglichen Umsatzes zu ermitteln. Zum einen ist jede Dienstleistung in der Regel auch eine eigene selbständige Leistung, zum anderen darf nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung eine wirtschaftlich einheitliche Leistung nicht künstlich aufgespalten werden; Leistungsvorgänge, die sich aus der Sicht des durchschnittlichen Verbrauchers als einheitliche Leistung darstellen, dürfen nicht in ihre einzelnen Bestandteile zerlegt werden (BFH, Urteil vom 31. Mai 2001 V R 97/98, BStBl II 2001, 658; Leonard in Bunjes/Geist UStG § 3 Rdnr. 85). Eine Leistung ist dann als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck hat (BFH, Urteil vom 2. März 2006 V R 25/03, BStBl II 2006, 788). Kommt der weiteren Leistung demgegenüber ein eigenes wirtschaftliches Gewicht zu, kann dies dazu führen, dass mehrere selbständige Leistungen vorliegen, oder weder die eine noch die andere Leistung überwiegt und stattdessen eine eigenständige sonstige Leistung anzunehmen ist. Letzteres ist der Fall, wenn die Leistungsteile so ineinander greifen, dass sie bei natürlicher Betrachtung hinter dem Ganzen zurücktreten (BFH, Urteil vom 18. Mai 1994 XI R 62/93, BStBl II 1994, 719; Leonard in Bunjes/Geist UStG § 3 Rdnr. 85).
Die Klägerin hat für die niederländischen Kunden deutsches Lotto gespielt. Um diesen Leistungserfolg zu bewirken, hat sie die Spielverträge vermittelt, den Spielern eine Teilnahmebestätigung über das Spiel mit den gewünschten Zahlen zugesandt, die Ziehung der Zahlen überwacht, gegebenenfalls Gewinne eingelöst, in Gulden umgerechnet und an die Gewinner überwiesen. Die Vermittlung der Spielverträge hatte ein eigenes wirtschaftliches Gewicht, weil es für die Spieler in den Niederlanden in den Streitjahren - anders als für Spieler in Deutschland - nicht ohne weiteres möglich war, in Deutschland Lotto zu spielen. Zu diesem Zwecke hätten sie jeweils nach Deutschland fahren müssen. Auch den übrigen Leistungen kommt wirtschaftliches Gewicht zu. Wenn auch die Überwachung der gezogenen Lottozahlen über die in den Niederlanden zu empfangenden Fernsehsender relativ problemlos möglich gewesen sein dürfte, hat die Klägerin den Spielern diese Arbeit gleichwohl abgenommen. Der zeitnahen Überwachung der Ziehung der Lottozahlen kommt jedoch erhebliche Bedeutung zu., weil bei nicht rechtzeitiger Abholung des Gewinnes dieser verfallen kann. Die Einlösung des Gewinnes durch die Spieler selbst wäre zwangsläufig wiederum mit einer Fahrt nach Deutschland verbundenen gewesen. Zudem hätte noch der Umtausch des Gewinnes in Gulden erfolgen müssen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung dessen, dass tatsächlich nur ein geringer Teil der Spieler tatsächlich gewonnen hat. Zum einen fielen die Überwachungsarbeiten auf jeden Fall an. Zum anderen ist Spielzweck aus der Sicht der Spieler nicht allein die Freude am Spiel, sondern der Gewinn: gespielt wird im allgemeinen, um zu gewinnen. Insgesamt hat die Klägerin eine eigenständige, nicht aufteilbare Leistung erbracht, weil die einzelnen Faktoren so ineinander greifen, dass sie bei natürlicher Betrachtung hinter dem Ganzen, nämlich dem Spielen des deutschen Lottos für die ausländischen Kunden, zurücktreten.
b. Spielgemeinschaft
Soweit die Klägerin im Rahmen einer Spielgemeinschaft für die niederländischen Spieler in Deutschland Lotto gespielt hat, verschmilzt die Vermittlungsleistung, die die Klägerin durch das Zustandekommen der Spielverträge mit der Lottogesellschaft erbracht hat, aufgrund des wirtschaftlichen Gewichtes der weiteren Leistungsbestandteile mit diesen ebenfalls zu einer einheitlichen sonstigen Leistung.
Wie beim Individualspiel, so hat die Klägerin auch bei der Spielgemeinschaft Spielverträge zwischen den ausländischen Spielern und der deutschen Lottogesellschaft vermittelt. Die Ausführungen zum Individualspiel gelten hier entsprechend. Unschädlich ist ebenfalls, dass auf den Lottoscheinen neben dem Namen und der Adresse der Klägerin lediglich ein Kurznahme der Spielgemeinschaft bzw. eine Kennziffer vermerkt war. Auch dies reicht für die Bestimmbarkeit des vertretenen Spielers aus, weil es der Klägerin anhand dieser Merkmale unschwer möglich war, einen angefallenen Gewinn festzustellen und dem Spieler zuzuordnen.
Bei der Spielgemeinschaft erbrachte die Klägerin neben der Vermittlung der Spielverträge noch weit mehr Leistungsbestandteile mit noch höherem wirtschaftlichen Gewicht als beim Individualspiel. Die Klägerin stellte die Spieler zu einem Spielpool zusammen, in dem die Gewinnchancen dadurch erhöht werden konnten, dass 300, 600 oder 1000 Zahlenreihen gespielt wurden. Hinzu kam, dass die Klägerin die zu spielenden Zahlen anhand einer speziellen Computersoftware ermittelte, eine Geld-Zurück-Garantie gewährte für den Fall, dass in einem Monat kein Gewinn erzielt wurde und bei fehlenden Mitgliedern die Reihen mit eigenem Geld aufstockte.
2. Handeln im eigenen Namen
Aber auch wenn die Klägerin ihrer Auffassung entsprechend gegenüber der deutschen Lottogesellschaft in eigenem Namen gehandelt hat, ist die von ihr an die niederländischen Spieler erbrachte Leistung als einheitliche sonstige Leistung steuerbar und steuerpflichtig.
Für ein Handeln in eigenem Namen spricht, dass die Klägerin in den Rechnungen der Lottoannahmestelle als Leistungsempfänger ausgewiesen wurde, welches grundsätzlich ein maßgeblicher Anhaltspunkt für die Bestimmung des tatsächlichen Leistungsempfängers ist (vgl. dazu Husmann in Rau/Dürrwächter UStG § 1 Anm. 156).
Die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 9 b UStG findet auf die von der Klägerin erbrachten Leistung an die ausländischen Spieler keine Anwendung, weil diese keine einheitliche Besorgungsleistung iSv § 3 Abs. 11 UStG ist. Vielmehr erbringt die Klägerin auch in diesem Fall eine einheitliche sonstige Leistung, indem sie neben der eigentlichen Besorgung der Eröffnung einer Gewinnmöglichkeit bei einer deutschen Lottogesellschaft weitere Leistungen von wirtschaftlichem Wert, und damit eine eigenständige sonstige Leistung ausführt.
Die Klägerin hat weder beim Individualspiel noch bei der Spielgemeinschaft eine einheitliche Geschäftsbesorgungsleistung in Hinblick auf gemäß § 4 Nr. 9b UStG steuerfreie Lotterieumsätze an ausländische Spieler erbracht.
Gemäß § 3 Abs. 11 UStG sind die für die besorgte Leistung geltenden Vorschriften auf die Besorgungsleistung entsprechend anzuwenden, wenn ein Unternehmer für Rechnung eines anderen im eigenen Namen eine sonstige Leistung besorgt. Der Unternehmer lässt Leistungen, die er selbst nicht schuldet, durch einen Dritten erbringen. Die Leistung eines Besorgers ist jedoch nur dann einheitlich als Besorgungsleistung iSd § 3 Abs. 11 UStG zu beurteilen, wenn neben der eigentlichen Besorgung keine weiteren Leistungen ausgeführt werden. Abzugrenzen ist hierbei zwischen Nebenleistungen ohne eigenes wirtschaftliches Gewicht und selbständigen Leistungen mit wirtschaftlichem Gewicht. Erstere sind im Vergleich zur Hauptleistung nebensächlich, hängen mit ihr im Sinne einer wirtschaftlich gerechtfertigten Abrundung und Ergänzung zusammenhängen und kommen üblicherweise in ihrem Gefolge vor. Kommt den neben der eigentlichen Besorgungsleistung erbrachten Leistungen jedoch wirtschaftliches Gewicht dergestalt zu, dass die einzelnen Faktoren der insgesamt erbrachten Leistungen so ineinander greifen, dass sie bei natürlicher Betrachtung hinter dem Ganzen zurücktreten, liegt keine Besorgungsleistung mehr vor, sondern eine eigenständige, nicht aufteilbare sonstige Leistung (BFH, Urteile vom 8. Dezember 1994 V R 132/93, BFH/NV 1995, 1026;vom 18. Mai 1994 XI R 62/93, BStBl II 1994, 719).
Die von der Klägerin an die ausländischen Spieler erbrachten Leistungen waren weder beim Individualspiel noch bei der Spielgemeinschaft auf das bloße Besorgen der Teilnahmemöglichkeit am deutschen Lotto reduziert. Die von der Klägerin insgesamt erbrachten weiteren Dienstleistungen sind keine unselbständigen Nebenleistlungen zu der Besorgungsleistung, weil sie nicht üblicherweise in ihrem Gefolge vorkommen und sie zudem, wie bereits ausgeführt, einen eigenständigen wirtschaftlichen Gehalt haben. Um mit den von den Spielern gewünschten Zahlen deutsches Lotto zu spielen, hätte es dieser weiteren Leistungen nicht bedurft. Ein bloßes Besorgen der Gewinnmöglichkeit wäre nur dann anzunehmen, wenn die Klägerin lediglich die von den Spielern getippten Zahlen gespielt und den Spielern sodann den eingereichten Lottoschein übersandt hätte. Die von der Klägerin erbrachte Leistung ging jedoch weit darüber hinaus.
Beim Individualspiel kaufte die Klägerin nicht nur die Spielmöglichkeit bei der deutschen Lottogesellschaft ein, sondern erbrachte darüber hinaus gehende eigenständige Dienstleistungen. Nachdem die Klägerin die von den Spielern gewünschte Zahlen gespielt hatte, übersandte sie eine Teilnahmebestätigung. Sodann überwachte sie die Ziehung der Lottozahlen, löste gegebenenfalls angefallene Gewinne ein und zahlte diese in Gulden an die Spieler aus.
Dass sich die Leistung der Klägerin nicht in der bloßen Ermöglichung der Teilnahme am deutschen Lottospiel erschöpfte, wird bei der Spielgemeinschaft besonders deutlich. Wie die Klägerin selbst zutreffend ausführt, bestand ihre einheitliche Leistung neben der Besorgung der Gewinnmöglichkeit zudem in der Ermittlung besonders gewinnträchtiger Zahlen, im Zusammenfassen der verschiedenen kleinen Einsätze zu einem großen Einsatz und im Zusammenstellen der Systemwetten, dem Ausfüllen der Tippscheine, dem Weiterleiten der Tippscheine an die Lottogesellschaft und schließlich dem Auswerten der Ziehungen und gegebenenfalls der Auszahlung der Gewinne in Gulden.
3. Ort der sonstigen Leistung
Die Klägerin hat ihre einheitliche sonstige Leistung an die ausländischen Spieler im Inland erbracht.
Ort der sonstigen Leistung ist der Unternehmenssitz der Klägerin im Inland, § 3a Abs. 1 Satz 1 UStG. § 3a Abs. 3 UStG kommt nicht zur Anwendung, weil die Spieler nicht Unternehmer iSv § 1 Abs. 1 UStG sind (§ 3a Abs. 3 Satz1 UStG) und die Niederlande kein Drittland, sondern Gemeinschaftsgebiet sind (§§ 3a Abs. 3 Satz 3; 1 Abs. 2a UStG).
Dies würde zudem auch dann gelten, wenn die Klägerin gegenüber den niederländischen Spielern eine getrennt zu beurteilende Vermittlung von Spielverträgen erbracht hätte. Die Vermittlung von nach § 4 Nr. 9 b UStG steuerfreien Umsätzen ist nicht steuerbefreit. Leistungsort ist das Inland, weil eine Vermittlungsleistung an dem Ort erbracht wird, an dem der vermittelte Umsatz, hier die Eröffnung einer Gewinnmöglichkeit, ausgeführt wird. Die Gewinnmöglichkeit wird durch eine deutsches Lotteriegesellschaft im Inland eingeräumt.
II. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Es ist höchstrichterlich noch nicht geklärt, welche Leistung im umsatzsteuerlichen Sinne gewerbliche Spielevermittler wie die Klägerin, und zwar unabhängig vom Wohnsitz der Spieler, erbringen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Ende der Entscheidung
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