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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 11.09.2009
Aktenzeichen: 1 K 996/07 U
Rechtsgebiete: UStG, 6. RL 77/388/EWG


Vorschriften:

UStG § 15a
6. RL 77/388/EWG Art. 17 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Unter Änderung des Umsatzsteuerbescheides für das Jahr 2004 vom 1.9.2006 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 14.2.2007 wird die Umsatzsteuer auf ./. 1.706,60 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens fallen der Klägerin zu 7/10 und dem Beklagten zu 3/10 zur Last.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, soweit nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Höhe einer nach § 15a des Umsatzsteuergesetzes -UStG durchzuführenden Vorsteuerkorrektur im Jahr 2004.

Die Klägerin ist in der Rechtsform einer GbR Eigentümerin des Grundstücks A-Straße 1 in A-Stadt. Aufgrund des Bauantrags vom 12.3.2001 und der Baugenehmigung vom 19.12.2001 begann die Klägerin Ende 2001 nach Abriss eines alten Gebäudes mit dem Neubau eines Wohn- und Geschäftshauses mit Tiefgaragenstellplätzen. Das Gebäude wurde im Jahr 2004 fertiggestellt.

Die Klägerin nahm in der Bauphase den Vorsteuerabzug für die Baukosten insoweit in Anspruch, als diese auf umsatzsteuerpflichtig zu vermietende Gewerbeflächen im Erdgeschoss und 1. Obergeschoss sowie 8 Tiefgaragenstellplätze entfielen. Den Anteil der abzugsfähigen Vorsteuern ermittelte sie nach dem Verhältnis der voraussichtlichen steuerpflichtigen Ausgangsumsätze zu den steuerfreien mit 78,15 % (sog. Umsatzschlüssel).

Der Aufteilungsmaßstab und damit die Höhe der abzugsfähigen Vorsteuern der Jahre 2001 und 2002 war Gegenstand der finanzgerichtlichen Verfahren 5 K 1192/03 U und 5 K 491/04 U, in denen der Bekl. nach Hinweis des Gerichts jeweils dem Aufteilungsmaßstab der Klägerin folgte.

Nach Fertigstellung des Gebäudes im Jahr 2004 wurde - anders als geplant - auch das 1. Obergeschoss vorne (seit 11/04) und das 1. Obergeschoss hinten sowie ein Tiefgaragenstellplatz (seit 1/04) umsatzsteuerfrei vermietet. Zwei Stellplätze blieben unvermietet. Der Anteil der umsatzsteuerpflichtigen Mieten an der Gesamtmiete belief sich im Zeitraum Januar bis Oktober 2004 auf 66,18 % und im Zeitraum November bis Dezember 2004 auf 49,06 %.

Die Klägerin errechnete den wegen dieser Nutzungsänderung nach § 15a UStG zu korrigierenden Vorsteuerbetrag auf der Grundlage des Umsatzschlüssels dergestalt, dass sie den für das 1. Obergeschoss und den weiteren Tiefgaragenstellplatz nach dem prognostizierten Umsatzschlüssel bis einschließlich 12/2004 in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug ermittelte und diesen Betrag sodann verteilt über den Berichtigungszeitraum von 10 Jahren rückgängig machte. Hinsichtlich der Einzelheiten der Berechnung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 14.3.2004 Bezug genommen. Für das Streitjahr 2004 ergab sich nach dieser Berechnung ein Korrekturbetrag iHv 2.037,55 EUR, den die Klägerin bei ihrer Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2004 berücksichtigte.

Nachdem der Bekl. der Umsatzsteuererklärung mit Mitteilung vom 13.6.2006 zunächst zugestimmt hatte, setzte er mit Änderungsbescheid vom 1.9.2006 die Umsatzsteuer unter Berücksichtigung eines Korrekturbetrages nach § 15a UStG iHv 4.557,54 EUR auf ./. 950,60 EUR fest. Zur Erläuterung führte er mit Schreiben vom 16.6.2006 aus, dass bei der Berechnung des Korrekturbetrages nach § 15a UStG nicht nur die tatsächlich abweichende Nutzung verschiedener Objekte, sondern auch die Gesetzesänderung des § 15 Abs. 4 UStG zu berücksichtigen sei. Hiernach sei eine Aufteilung der Vorsteuern bei gemischt genutzten Gebäuden nur dann anhand des Verhältnisses der Umsätze , die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigten, vorzunehmen, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich sei. Bei dem Gebäude der Klägerin sei jedoch eine Zurechnung anhand der qm-Zahlen möglich (sog. Flächenschlüssel), so dass diese Aufteilung vorzuziehen sei. Hiernach ergebe sich ein unstreitiger Anteil von 38,74 % der Gesamtquadratmeter, der zu steuerpflichtigen Vermietungszwecken genutzt werde. Hinsichtlich der Berechnung wird auf die korrigierten Anlagen 1 bis 3 zum Änderungsbescheid vom 1.9.2006 Bezug genommen.

Mit ihrem hiergegen gerichteten Einspruch vertrat die Klägerin die Auffassung, dass der Bekl. zu Unrecht die Gesamtquadratmeterzahl anstelle der Umsätze als Verteilungsschlüssel des § 15a UStG berücksichtigte. Die Neuregelung des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG widerspreche Art. 17 Abs. 5 i.V.m. Art. 19 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG 6. EG-Richtlinie, welche als Regelverteilungsschlüssel die Umsätze vorsehe.

Mit Einspruchsentscheidung vom 14.2.2007 wies der Bekl. den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Mit ihrer hiergegen gerichteten Klage begehrt die Klägerin weiterhin die Berücksichtigung des Umsatzes als Verteilungsschlüssel für die nach § 15a UStG vorzunehmende Vorsteuerkorrektur.

Zwischen den Beteiligten ist zwischenzeitlich unstreitig, dass sich die insgesamt angefallenen Vorsteuern für das gesamte Gebäude einschließlich Tiefgarage auf 126.747,45 EUR (1999 - 2003) und 12.178,47 EUR (2004), mithin 138.925,92 EUR, belaufen.

Die Klägerin beantragt,

den geänderten Umsatzsteuerbescheid 2004 vom 1.9.2006 und die Einspruchsentscheidung vom 14.2.2007 aufzuheben,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Der Korrekturbetrag des § 15a UStG sei zu Recht unter Berücksichtigung der Neufassung des § 15 Abs. 4 UStG anhand der Gesamtquadratmeterzahl des gemischt genutzten Gebäudes berechnet worden. Nach Abschnitt 208 Abs. 2 Satz 8 der Umsatzsteuerrichtlinien 2005 -UStR seien die Vorsteuerbeträge bei gemischt genutzten Gebäuden in der Regel nach dem Verhältnis der Nutzflächen aufzuteilen. Habe ein Unternehmer die abziehbare Vorsteuer für einen Zeitraum vor dem 1.1.2004 nach dem Umsatzschlüssel ermittelt und sei eine andere Methode der wirtschaftlichen Zuordnung möglich, so sei diese Aufteilungsmethode für die Ermittlung der abziehbaren Vorsteuer für Zeiträume ab dem 1.1. 2004 anzuwenden und regelmäßig eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG vorzunehmen, weil sich aufgrund der Rechtsänderung die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse geändert hätten, Abschnitt 215 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 UStR (vgl. BMF-Schreiben vom 24.11.2004 IV A 5-S 7306-4/04, BStBl I 2004, 1125).

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die dem Gericht übersandten Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist teilweise begründet.

Der Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2004 berücksichtigt zu Recht einen Korrekturbetrag nach § 15a UStG, weil die Klägerin entgegen der ursprünglichen Planung das 1. Obergeschoss sowie 3 statt der geplanten 2 (von insgesamt 10) Tiefgaragenstellplätze umsatzsteuerfrei vermietet.

Der Bekl. hat zu Unrecht den Korrekturbetrag des § 15a UStG unter Berücksichtigung der im Streitjahr geltenden Neufassung des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG anhand der Gesamtquadratmeterzahl des gemischt genutzten Gebäudes anstelle des zugunsten der Klägerin seit dem Veranlagungszeitraum 1999 berücksichtigten Umsatzschlüssels berechnet. Zwar steht die ab 2004 geltende Regelung des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG nach Auffassung des Senats in Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht. Jedoch ist zum einen allein die Gesetzesänderung des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG kein Anwendungsfall des § 15a Abs. 1 UStG. Zum anderen ist der Bekl. im Rahmen der Vorsteuerkorrektur des § 15a UStG ebenso wie der Steuerpflichtige für den Korrekturzeitraum von 10 Jahren an den einmal gewählten und bestandskräftig festgesetzten ursprünglichen Aufteilungsschlüssel nach dem Verhältnis der steuerpflichtigen zu den steuerfreien Umsätzen gebunden.

I. Korrekturbetrag des § 15a UStG dem Grunde nach

Gemäß § 15a Abs. 1 UStG ist der für die Anschaffung oder Herstellung eines Wirtschaftsgutes in Anspruch genommene Vorsteuerabzug zu berichtigen, wenn sich bei diesem Wirtschaftsgut, das nicht nur einmalig zur Ausführung von Umsätzen verwendet wird, innerhalb von 5 Jahren, bzw. 10 Jahren bei Grundstücken einschließlich ihrer wesentlichen Bestandteile, die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse ändern.

Eine Änderung der für den ursprünglichen Vorsteuerbetrag maßgeblichen Verhältnisse liegt insoweit vor, als die Klägerin entgegen der ursprünglichen Planung auch das 1. Obergeschoss sowie einen weiteren Tiefgaragenstellplatz im Streitjahr nunmehr umsatzsteuerfrei vermietet. Insoweit verwendet die Klägerin das Gebäude nicht mehr zur Erzielung umsatzsteuerpflichtiger, sondern umsatzsteuerfreier Umsätze. Die Änderung der Nutzung und damit auch der Korrekturzeitraum des § 15a UStG beginnt jeweils mit Beginn des - von der Planung abweichenden - steuerfreien Mietverhältnisses, also für das 1. Obergeschoss hinten und einen Tiefgaragenstellplatz ab 1/04 und für das 1. Obergeschoss vorne ab 11/04 (tatsächliche abweichende Verwendung, vgl. BFH, Urteil vom 25. April 2002 V R 58/00, BFHE 200, 434, BStBl II 2003, 435; FG Niedersachsen, Urteil vom 23. April 2009 16 K 271/06, [...]). Für die (noch) nicht vermieteten Tiefgaragenstellplätze ist keine Vorsteuerkorrektur durchzuführen.

II. Umfang des Korrekturbetrages nach § 15a UStG

Der Korrekturbetrag des § 15a UStG für das entgegen der Planung steuerfrei vermietete 1. Obergeschosses und des Tiefgaragenstellplatzes ist nicht auf der Grundlage des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG in der im Streitjahr 2004 geltenden Neufassung nach dem Flächenschlüssel, sondern vielmehr auf der Grundlage des in den Vorjahren für den Vorsteuerabzug gewählten Umsatzschlüssels zu berechnen.

1. Die Regelung des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG steht in Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht.

§ 15 Abs. 4 Satz 3 UStG findet nicht deshalb keine Anwendung, weil er gegen die 6. EG-Richtlinie verstößt.

Grundsätzlich ist die Aufteilung von Vorsteuern für Lieferungen und sonstige Leistungen, die nicht direkt steuerpflichtigen oder steuerfreien Ausgangsumsätzen zugeordnet werden können, anhand eines geeigneten Aufteilungsmaßstabes im Wege einer sachgerechten Schätzung vorzunehmen. Gemäß § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG, der seit dem 1.1.2004 Anwendung findet, ist eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, nur zulässig, wenn keine andere wirtschaftliche Zuordnung möglich ist. Dies bedeutet für den Vorsteuerabzug von Aufwendungen für die Errichtung gemischt genutzter Gebäude, dass dieser regelmäßig entsprechend dem Flächenverhältnis zwischen steuerfrei und steuerpflichtig vermieteten Gebäudeteilen erfolgen muss. Damit ist die Anwendung des Umsatzschlüssels seit dem 1.1.2004 für die Vorsteueraufteilung bei Gebäuden praktisch ausgeschlossen. Demgegenüber sieht Art. 17 Abs. 5 Unterabsätze 1 und 2 der 6. EG-Richtlinie den Umsatzschlüssel als Regel-Aufteilungsmaßstab (vgl. so ausdrücklich BFH, Urteile vom 17. August 2001 VR 1/01, BFHE 196, 345, BStBl II 2002, 833; und V R 28/01, BFH/NV 2001, 228) vor. Gleichwohl steht § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht.

Soweit Gegenstände und Dienstleistungen von einem Steuerpflichtigen sowohl für Umsätze verwendet werden, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht, bestimmt Art. 17 Abs. 5 Unterabsatz 1 der 6. EG-Richtlinie, dass der Vorsteuerabzug nur für den Teil der Mehrwertsteuer zulässig ist, der auf den Betrag der erstgenannten Umsätze entfällt. Dieser Pro-rata Satz wird nach Art. 19 der 6. EG-Richtlinie für die Gesamtheit der vom Steuerpflichtigen bewirkten Umsätze festgelegt (Art. 17 Abs. 5 Unterabsatz 2 der 6. EG-Richtlinie).

Gemäß Art. 19 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie ergibt sich der Pro-rata Satz des Vorsteuerabzugs nach Art. 17 Abs. 5 Unterabsatz 1 der 6. EG-Richtlinie aus einem Bruch, der im Zähler den je Jahr ermittelten Gesamtbetrag der zum Vorsteuerabzug nach Art. 17 Abs. 2 und 3 der 6. EG-Richtlinie berechtigenden Umsätze, abzüglich der Mehrwertsteuer und im Nenner den je Jahr ermittelten Gesamtbetrag der im Zähler stehenden sowie der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätze, abzüglich der Mehrwertsteuer enthält.

Allerdings ermächtigt Art. 17 Abs. 5 Unterabsatz 3 der 6. EG-Richtlinie die Mitgliedstaaten, von der Regelung des Unterabsätze 1 und 2 abweichende Bestimmungen über die Aufteilung der Vorsteuern zu treffen. So können nach Art. 17 Abs. 5 Unterabsatz 3 lit. c der 6. EG-Richtlinie die Mitgliedstaaten dem Steuerpflichtigen gestatten oder ihn verpflichten, den Abzug je nach der Zuordnung der Gesamtheit oder eines Teils der Gegenstände oder Dienstleistungen vorzunehmen. Diese Ausnahmeregelung stellt eine hinreichende gemeinschaftsrechtliche Ermächtigungsgrundlage für die Einschränkung der Wahlmöglichkeit für Berechnungsmethoden zur Ermittlung der Höhe der abzugsfähigen Vorsteuer durch § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG dar (im Ergebnis ebenso Birkenfeld, Umsatzsteuerhandbuch § 184 Rz 371; Grune in Aktuelles Steuerrecht 2007, 53; Stadie, UStG 1. Auflage 2009, § 15 Rz 285, 294; ders. in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, UStG § 15 Rz 53, 864; Huschens in INF 2004, 56 (62); Kraeusel in UVR 2004, 2 (18); Lübke/Georgy in UR 2003, 266 (270)).

Nach den Richtlinienbestimmungen sind die insgesamt angefallenen Vorsteuern zunächst danach aufzuteilen, ob sie unmittelbar einem Gegenstand zugeordnet werden können, mit dem steuerfreie oder steuerpflichtige Umsätze erzielt werden. Für den verbliebenen Rest, der einer direkten Zuordnung nicht zugänglich ist, ist der Teil der Vorsteuer nicht abziehbar, der dem zu Ausschluss des Vorsteuerabzugs führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzuordnen ist. Diese wirtschaftliche Zuordnung ist nach dem Wortlaut der Art. 19 und 17 der 6. EG-Richtlinie grundsätzlich nach der Grundregel des Umsatzschlüssels vorzunehmen (vgl. BFH, Urteile vom 17. August 2001 VR 1/01 BFHE 196, 345, BStBl II 2002, 833; und V R 28/01 BFH/NV 2001, 228).

Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 lit. c der 6. EG-Richtlinie ermöglicht es den Mitgliedstaaten jedoch, verschiedene andere Methoden zur Vorsteueraufteilung vorzusehen und von der Pro-rata-Regelung abzuweichen. Hierbei steht die Festlegung der Methoden und Kriterien zur Aufteilung der Vorsteuerbeträge - ebenso wie bei der Zuordnung von Vorsteuern zur wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen - im Ermessen der Mitgliedstaaten, die hierbei Zweck und System der 6. EG-Richtlinie berücksichtigen und daher eine Berechnungsweise vorsehen müssen, die objektiv widerspiegelt, welcher Teil der Eingangsaufwendungen dem jeweiligen Umsatz tatsächlich zuzurechnen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 13. März 2008 Rs C-437/06 Securenta in UR 2008, 344). Eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, sich bei Ausübung des gesetzgeberischen Ermessens auf eine einzige sachgerechte Methode zu beschränken, lässt sich der 6. EG-Richtlinie auch in Hinblick auf die Vorsteueraufteilung bei gemischt genutzten Gegenständen nicht entnehmen.

Zu den Methoden, die objektiv widerspiegeln, welcher Teil der Aufwendungen welchen Eingangsumsätzen des Steuerpflichtigen zuzurechnen sind, gehört auch der sogenannte Flächenschlüssel. Dass der deutsche Gesetzgeber dem Flächenschlüssel den Vorrang vor dem Umsatzschlüssel einräumt, wird nicht nur von fiskalischen Überlegungen getragen. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Umsatzschlüssel stark vereinfachend ist und zu unsachgemäßen Ergebnissen führen kann. Letzteres ist nicht nur der Fall, wenn Umsätze miteinbezogen werden, für die die gemischt genutzten Gegenstände tatsächlich nicht verwendet werden (so Stadie UStG 1. Auflage 2009, § 15 Rz 285, 294); sondern grundsätzlich auch bei der Herstellung von Gebäuden: der auf den einzelnen Gebäudeteil entfallende Herstellungsaufwand hängt nicht von der erzielbaren Miete ab, sondern verteilt sich im Allgemeinen gleichmäßig auf das gesamte Gebäude (so Lübke/Georgy in UR 2003, 265 (270)). Auch Grundsätze der Praktikabilität sprechen für eine Einschränkung des Umsatzschlüssels bei der Vorsteueraufteilung, insbesondere bei der Herstellung gemischt genutzter Gebäude: Bereits die nach und nach erfolgende Vermietung eines neu errichteten Gebäudes kann - wie der Streitfall zeigt - zur berechnungsfehleranfälligen Anwendung des § 15a UStG führen, ebenso ist, wenn sich der Umsatzschlüssel in den Folgejahren, z.B. durch Mieterhöhungen oder -senkungen ändert, jedes Jahr eine erneute Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG anhand des geänderten Aufteilungsmaßstabes vorzunehmen (vgl. Regierungsentwurf eines Steueränderungsgesetzes 2003, Art. 4 Nr. 2, Nr. 18 lit. d, BT-Drucksache 15/1562; Paukstadt/Krieg in UVR 2008, 10 (15)).

Aus dem Wortlaut des Art. 17 Abs. 5 Unterabsatz 3 lit. c der 6. EG-Richtlinie lässt sich ebenfalls nicht ableiten, dass der Richtliniengeber dem jeweiligen nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit verwehren wollte, dem Steuerpflichtigen für nicht gegenständlich zuzuordnende Vorsteuerbeträge einen anderen Aufteilungsschlüssel als den Umsatzschlüssel vorzugeben (so jedoch FG Niedersachsen, Urteil vom 23. April 2009 16 K 271/06, [...]; Lauterer in UStB 2005, 302 (304); Paukstadt/Krieg in UVR 2008, 10 (114f), Sikorski in Berater-Brief Vermögen 2005, 31 (37),von Streit in UR 2006, 254 (255)). Zwar wird der Umsatzschlüssel durch den Wortlaut des Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 lit c der 6. EG-Richtlinie nicht ausgrenzt. Aber ebenso, wie der Umsatzschlüssel eine Zuordnung der Eingangsleistungen zu den Umsätzen herstellt, bewirkt auch der Flächenschlüssel eine für die wirtschaftliche Zuordnung geeignete Aufteilung (vgl. EuGH, Urteil vom 13. März 2008 Rs C-437/06 Securenta UR 2008, 344). Zudem ist nicht erkennbar, welcher Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift des Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 lit c der 6. EG-Richtlinie in ersterem Fall noch verbliebe.

2. Die gesetzliche vorgesehene Änderung des Aufteilungsschlüssels ist jedoch kein Anwendungsfall des § 15a UStG.

Der gesetzlich vorgeschriebene Wechsel des Aufteilungsmaßstabes durch die Neufassung des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG zum 1.1.2004 führt weder allein zur Anwendung des § 15a UStG noch ist der neue Aufteilungsmaßstab bei der Berechnung eines aus anderen Gründen anfallenden Vorsteuerkorrekturbetrages nach § 15a UStG anzuwenden. Zwar kann auch eine Gesetzesänderung ebenso als Änderung für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse angesehen werden wie die tatsächliche Änderung der Ausgangsumsätze. Dies gilt jedoch nur für solche Gesetzesänderungen, die zu einer Änderung der rechtlichen Qualifikation der Ausgangsumsätze von umsatzsteuerfrei zu steuerpflichtig -oder umgekehrt- führen.

Nach dem Wortlaut des § 15a UStG ist eine Vorsteuerberichtigung bei Änderung der "für den Vorsteuerabzug maßgebenden Verhältnisse" vorzunehmen. Maßgebende Verhältnisse sind die steuerpflichtigen und steuerfreien Verwendungsumsätze. Im Regelfall liegt eine Änderung der Verhältnisse vor bei einem Übergang von steuerpflichtigen zu steuerfreien Verwendungsumsätzen oder umgekehrt, oder bei einer Änderung der Verwendungsanteile im Fall einer gemischten Verwendung, also bei Änderungen, die sich auf die Höhe der steuerfreien oder steuerpflichtigen Umsätze auswirken (vgl. BFH, Urteil vom 17. August 2001 VR 1/01, BFHE 196, 345, BStBl II 2002, 833). Auch eine Rechtsänderung kann eine Änderung der maßgebenden Verhältnisse iSv § 15a UStG bewirken, wenn die Rechtsänderung Einfluss auf die Steuerpflicht der Verwendungsumsätze hat. Dies ist der Fall, wenn die maßgeblichen Verwendungsumsätze innerhalb des Berichtigungszeitraums durch Gesetzesänderung von der Umsatzsteuer befreit werden (vgl. BFH, Urteil vom 28. Juni 1995 XI R 40/94 BFHE 178, 251, BStBl II 1995, 805) oder wenn das Recht, für die Besteuerung von Verwendungsumsätzen zu optieren, durch Gesetzesänderung aufgehoben wird und die maßgeblichen Verwendungsumsätze zwingend steuerfrei werden (vgl. EuGH, Urteil vom 29. April 2004 Rs C-487/01 und Rs C -7/02 Gemeente Leusden, BFH/NV Beilage 2004, 250, UR 2004, 302).

Keine Änderung der Verhältnisse iSv § 15a UStG liegt jedoch vor, wenn die ursprünglich in zulässiger Weise gewählte Methode der Vorsteueraufteilung durch eine Gesetzesänderung unzulässig wird. Diese Rechtsänderung betrifft keine materiellrechtliche Abzugsgrundsätze, weil die Verwendungsumsätze unverändert bleiben. Bleibt die Steuerpflicht der Verwendungsumsätze jedoch unverändert, haben sich auch die maßgeblichen Verhältnisse iSv § 15a Abs. 1 UStG nicht geändert (Lausterer in UStB 2005, 302 (307); Wagner in Sölch/Ringleb UStG § 15 Rz 679, 688; § 15a Rz 130; Wenzel in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist UStG § 15a Rz 121; a.A. ohne Begründung: Birkenfeld, Umsatzsteuerhandbuch § 184 Rz 403, Hundt-Eßwein in UStB 2004, 237 (239); Huschens in INF 2004, 56 (62); Kraeusel in UVR 2004, 2 (18); Serafini in Gestaltende Steuerberatung 2005, 56 (63); Stadie in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist § 15 Rz 882 a.E.; BMF-Schreiben vom 24.11.2004 IV A 5-S 7306-4/04, BStBl I 2004, 1125 Rz 10).

Gegen eine Anwendung des seit dem 1.1 2004 anzuwenden Flächenschlüssels im Rahmen der Berechnung des nach § 15a UStG zurückzufordernden Vorsteuerbetrages spricht zudem, dass der Bekl. ebenso wie die Klägerin grundsätzlich an den einmal in zulässiger Weise gewählten Aufteilungsmaßstab für die Herstellungskosten eines gemischt genutzten Gegenstandes auch im Rahmen des § 15a UStG gebunden ist. Die Bestandskraft der Steuerfestsetzung für das Erstjahr gestaltet die für das Erstjahr maßgebende Rechtslage für die Verwendungsumsätze (BFH, Urteil vom 17. August 2001 V R 1/01, BFHE 196, 345, BStBl II 2002, 833; Urteil vom 2. März 2006 V R 49/05 BFHE 213, 249, BStBl II 2006, 729; Urteil vom 28. September 2006 V R 43/03 BFHE 215, 335, BStBl II 2007, 417; Urteil vom 22. November 2007 V R 43/06 BFHE 219, 450, BStBl II 2008, 770; Beschluss vom 14. März 2008 V B 137/06 BFH/NV 2008, 1213). Diese Grundsätze sind aus Vertrauensschutzgründen auch bei einer gesetzlich vorgeschriebenen Änderung des Aufteilungsmaßstabs zu beachten; ein einmal zulässig gewählter Maßstab der Vorsteueraufteilung von Herstellungskosten kann nicht mehr geändert werden (Wagner in Sölch/Ringleb § 15 Rz 688; Grune in Aktuelles Steuerrecht 2007, 53 (70); Lausterer in UStB 2005, 302 (307), Müller in EFG 2004, 309).

IV.

Die für das Jahr 2004 festzusetzende Umsatzsteuer berechnet sich demnach wie folgt:

 1. Korrekturbetrag nach § 15a UStG:1.878,82 EUR
Insgesamt angefallene Vorsteuer 99 - 03:126.747,45 EUR
Davon als Vorsteuer abgezogen 78,15 %:99.053,13 EUR
Umsatzsteuerpflichtige Nutzung 1-10/04: 66,18 %:83.881,46 EUR
Differenz:15.171,66 EUR
10 % , davon 10/12:1.264,31 EUR
Umsatzsteuerpflichtige Nutzung 11-12/04: 49,06 %:62.182,30 EUR
Differenz:36.870,83 EUR
10 % , davon 2/12:614,51 EUR
Korrekturbetrag nach § 15a UStG: 1.264,31 EUR + 614,51 EUR =1.878,82 EUR
2. Berechnung der abzugsfähigen Vorsteuern aus Herstellungskosten in 2004 
Insgesamt angefallene Vorsteuer:12.178,47 EUR
Davon nach dem aktuellen Umsatzschlüssel abzugsfähig:7.712,22 EUR
1-10/04: 10.148,73 EUR, davon 66,18 %:6.716,43 EUR
11-12/04: 2.029,74 EUR, davon 49,06 %:995,79 EUR
3. Berechnung der festzusetzenden Umsatzsteuer 2004 
Umsätze (unverändert): 
steuerfrei23.590 EUR
steuerpflichtig 27.660 EUR Umsatzsteuer hierauf4.425,60 EUR
Korrekturbetrag nach § 15a UStG1.878,82 EUR
Vorsteuer 
aus Herstellungskosten7.712,22 EUR
aus lfd Kosten 38,74 % aus 771,30 EUR298,80 EUR
festzusetzende Umsatzsteuer ./.1.706,60 EUR

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.

VI.

Die Revision war nach § 115 Abs. 1 Nr. 1 FGO zuzulassen, weil sowohl die Frage der Vereinbarkeit des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG mit dem Gemeinschaftsrecht als auch die Frage, ob es sich bei der Gesetzesänderung des § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG um einen Anwendungsfall des § 15a Abs. 2 UStG handelt, in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet wird und höchstrichterlich noch nicht geklärt ist.

VII.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

Ende der Entscheidung

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