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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 26.11.2008
Aktenzeichen: 1 V 2477/08 A(U)
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 10 Abs. 4
UStG § 10 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide 2004 bis 2006 vom 14. und 26.05.2008 und der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide I/2007 bis IV/2007 vom 21.05.2008 wird in Höhe weiterer Beträge von 507,72 EUR (2004), jeweils 987,60 EUR (2005 und 2006) sowie jeweils 293,20 EUR (I/2007 bis IV/2007) bis zum Ablauf eines Monats nach Ergehen einer das Einspruchsverfahren abschließenden Entscheidung ausgesetzt. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller zu 65 % und der Antragsgegner zu 35 %.

Gründe:

Die Beteiligten streiten über die Höhe der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage für die Verpachtung eines Schweinemaststalls durch den Antragsteller an eine von ihm beherrschte KG.

Der Antragsteller ist mit einem Kapitalanteil von 90 % alleiniger Komplementär und Geschäftsführer der mit Gesellschaftsvertrag vom 28.06.2002 gegründeten Rainer L. KG (im Folgenden: KG). Einziger Kommanditist mit einem Kapitalanteil von 10 % ist Peter T. Im Jahre 2002 errichtete der Antragsteller einen Schweinemaststall mit 720 Mastplätzen (nebst Betriebsvorrichtungen und anderer Betriebsausstattung) zu Herstellungskosten von 208.163,35 EUR, den er ab dem 01.07.2002 zu einem monatlichen Pachtzins von 650,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer an die KG verpachtete.

Anlässlich einer Umsatzsteuersonderprüfung vertrat die Prüferin die Auffassung, die Verpachtungsumsätze des Antragstellers an die KG seien unter Ansatz der Mindestbemessungsgrundlage gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 i. V. m. § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG zu besteuern. Etwas anderes gelte nur dann, wenn das vereinbarte, unter der Mindestbemessungsgrundlage liegende Entgelt marktüblich sei. Dies sei indes hier nicht der Fall. Die Ermittlung eines marktüblichen Mindestpachtpreises richte sich üblicherweise nach dem wirtschaftlichen Gebrauchswert des Stallgebäudes. Danach sei im Streitfall unter Berücksichtigung der durchschnittlichen jährlichen Kosten von einem marktüblichen Mindestpachtpreis von 28,92 EUR pro Mastplatz/Jahr auszugehen. Dies werde bestätigt durch eine Auskunft der Landwirtschaftskammer NRW, wonach die Pachtpreise derartiger Objekte aus dem Baujahr 2002 in der Regel zwischen 20,00 EUR und 40,00 EUR pro Mastplatz/Jahr lägen. Die Mindestbemessungsgrundlage betrage im Streitfall - unter Berücksichtigung der zum 01.07.2004 in Kraft getretenen Änderung des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG - 12.260,25 EUR (2003), 18.303,37 EUR (2004) und 24.172,50 EUR (2005 - 2007). Auf Tz. 15 des Umsatzsteuer-Sonderprüfungsberichtes vom 11.04.2008 wird Bezug genommen.

Gegen die den Prüfungsfeststellungen entsprechenden Umsatzsteuerbescheide 2003 bis 2006 vom 14. und 26.05.2008 bzw. Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide I/2007 bis IV/2007 vom 21.05.2008 hat der Antragsteller Einsprüche eingelegt, über die der Antragsgegner noch nicht entschieden hat. Anträgen auf Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide entsprach der Antragsgegner nur hinsichtlich eines anderen im Einspruchsverfahren streitigen Punktes (Behandlung eines ab dem 01.07.2004 an den Antragsteller vorweg zu zahlenden Gewinnanteils als steuerpflichtiges Entgelt für die Geschäftsführertätigkeit des Antragstellers, Tz. 16 des Umsatzsteuer-Sonderprüfungsberichtes vom 11.04.2008). Im vorliegenden Verfahren begehrt der Antragsteller die Aussetzung der Vollziehung auch insoweit, als der Antragsgegner die Umsätze aus der Verpachtung des Schweinemaststalls erhöht hat.

Der Antragsteller macht geltend, der Ansatz der Mindestbemessungsgrundlage gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 1 i. V. m. § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG komme im Streitfall nicht in Betracht, da der vom Antragsteller vereinbarte Pachtzins im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses marktüblich gewesen sei. Dies ergebe sich aus einem Schreiben der Landwirtschaftskammer NRW vom 24.04.2008, wonach die Pachtpreise zwischen 5,00 EUR und 22,28 EUR pro Mastplatz/Jahr und durchschnittlich bei 14,17 EUR pro Mastplatz/Jahr lägen. Jedenfalls habe eine Begrenzung auf das marktübliche Entgelt zu erfolgen.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide 2003 bis 2006 vom 14. und 26.05.2008 und der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide I/2007 bis IV/2007 vom 21.05.2008 in Höhe weiterer Beträge von 713,64 EUR (2003), 1.680,54 EUR (2004), 2.619,60 EUR (2005), 2.443,27 EUR (2006) und jeweils 777,70 EUR (I/2007 bis IV/2007) auszusetzen, hilfsweise, die Beschwerde zuzulassen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Der Antrag ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist er unbegründet.

Gemäß § 69 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2 FGO soll die Vollziehung eines Verwaltungsaktes ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsaktes sind zu bejahen, wenn bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Gründen gewichtige Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. z. B. Bundesfinanzhof - BFH -, Beschluss vom 28.05.1986 I B 22/86, BStBl II 1986, 656).

Bei Anwendung dieser Grundsätze bestehen an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide 2004 bis 2006 und Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide nur insoweit ernstliche Zweifel, als der Antragsgegner für die Zeit ab 01.07.2004 eine Bemessungsgrundlage von mehr als 18.000.- EUR p. a. (25.- EUR pro Mastplatz/Jahr) angesetzt hat.

Bei summarischer Prüfung war der Antragsgegner grundsätzlich dazu berechtigt, die Umsätze des Antragstellers gegenüber der KG nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG zu bemessen. Nach dieser Vorschrift unterliegen entgeltliche Leistungen, die u. a. Gesellschafter an ihnen nahestehende Personen ausführen, der sog. Mindestbemessungsgrundlage. Die Besteuerung erfolgt nicht auf der Grundlage des vereinbarten Entgelts, sondern nach Maßgabe der Bemessungsgrundlagen des § 10 Abs. 4 UStG. Der - im UStG nicht definierte - Begriff der nahestehenden Person meint solche Personen, die auf ihre Geschäfts- bzw. Leistungsbeziehungen einen außerhalb dieser Beziehung begründeten Einfluss ausüben können (vgl. Wagner in Sölch/Ringleb, UStG, § 10 Rn. 444). Das ist bei Leistungen zwischen Gesellschaften und ihren Anteilseignern regelmäßig der Fall und gilt auch hier im Hinblick auf die 90%ige Beteiligung des Antragstellers als Komplementär des Pächterunternehmens; ob die nahestehende Person ein vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer ist, ist unerheblich (BFH, Urteil vom 24.01.2008 V R 39/06, UR 2008, 342).

Bei Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage bemisst sich der Umsatz gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG in der bis zum 30.06.2004 gültigen Fassung nach den bei der Ausführung der Umsätze entstandenen Kosten, soweit sie zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben. Mit Wirkung ab 01.07.2004 ist § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG dahingehend geändert worden, dass bei der Verwendung eines Wirtschaftsgutes - abweichend von der bis zum 30.06.2004 erfolgten Anknüpfung an die ertragsteuerliche Abschreibung - nunmehr eine Verteilung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten (von mehr als 500 EUR) auf den Zeitraum angeordnet wird, der dem für das Wirtschaftsgut maßgeblichen Berichtigungszeitraum nach § 15a UStG entspricht. Diesen Vorgaben entspricht - bei summarischer Prüfung - die Berechnung des Antragsgegners.

Die Regelung des § 10 Abs. 5 UStG ist eine zulässige Sondermaßnahme i. S. von Art. 27 der 6. EG-Richtlinie; sie darf indes nur angewandt werden, soweit es zur Verhütung von Steuerhinterziehungen und -umgehungen unbedingt erforderlich ist. Das ist nicht der Fall, wenn nahestehende Personen für die zwischen ihnen erbrachte Leistung ein marktübliches Entgelt vereinbaren (EuGH, Urteil vom 29.05.1997 Rs. C-63/96 - Skripalle -, UR 1997, 301).

Vorliegend kann bei summarischer Prüfung nicht festgestellt werden, dass der zwischen dem Antragsteller und der KG vereinbarte monatliche Pachtzins von 650,00 EUR (netto) marktüblich ist. Den Nachteil hieraus trägt der Antragsteller, zumal - wie vom Antragsgegner zutreffend dargelegt - das marktübliche Entgelt im Regelfall nicht - wie hier - unter den Kosten des Leistenden liegt. Ein wirtschaftlich handelnder Unternehmer, der dem Leistungsempfänger nicht "nahe steht", wird die Bestimmung des Pachtzinses regelmäßig an seinen Selbstkosten ausrichten und keinen unterhalb der Selbstkosten liegenden Pachtzins akzeptieren. Die Annahme, dass der vorliegend vereinbarte monatliche Pachtzins von 650,00 EUR (netto) - dies entspricht einem Betrag von 10,83 EUR pro Mastplatz/Jahr - nicht marktüblich ist, wird durch die vom Antragsgegner eingeholte Auskunft der Landwirtschaftskammer NRW vom 08.04.2008 bestätigt, wonach die Pachtpreise derartiger Objekte aus dem Baujahr 2002 in der Regel zwischen 20,00 EUR und 40,00 EUR pro Mastplatz/Jahr liegen. Außerdem befinden sich in den Steuerakten des Antragsgegners Ablichtungen von zwei Stallpachtverträgen, in denen Pachten von 38,34 EUR pro Mastplatz/Jahr (Jahrespacht von 90.000.- DM für 1200 Mastplätze) und 51,72 EUR bzw. 34,48 EUR pro Mastplatz/Jahr (Jahrespacht von zunächst 36.000.- EUR, später herabgesetzt auf 24.000.- EUR für 696 Mastplätze) vereinbart worden sind. Unter diesen Umständen ist das vom Antragsteller vorgelegte Schreiben der Landwirtschaftskammer NRW vom 24.04.2008, wonach die Pachtpreise zwischen 5,00 EUR und 22,28 EUR pro Mastplatz/Jahr schwanken und durchschnittlich bei 14,17 EUR pro Mastplatz/Jahr liegen, nicht dazu geeignet, die Marktüblichkeit des vom Antragsteller vereinbarten Pachtpreises von 10,83 EUR pro Mastplatz/Jahr glaubhaft zu machen, zumal sich diese Angaben - anders als die Angaben im Schreiben der Landwirtschaftskammer NRW vom 08.04.2008 - nicht speziell auf einen neuen Maststall (Baujahr 2002) beziehen.

Ernstlich zweifelhaft ist jedoch, ob auch dann die (volle) Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 i. V. m. § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG anzusetzen ist, wenn das vereinbarte Entgelt zwar niedriger ist als das marktübliche Entgelt, letzteres jedoch unterhalb der Mindestbemessungsgrundlage liegt (so aber Abschnitt 158 Abs. 1 Satz 5 UStR). Ernstlich in Betracht kommt, dass in derartigen Fällen im Hinblick auf die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts eine "Deckelung" der Bemessungsgrundlage auf das marktübliche Entgelt vorzunehmen ist (offen gelassen vom BFH im Urteil vom 24. 01. 2008 V R 39/06, UR 2008, 342, aber unter Hinweis auf entsprechende Erwägungen von Wagner in Sölch/Ringleb, UStG, § 10 Rn. 443; ebenso Meyer in EFG 2006, 1018). Da diese - auch im Hinblick auf die Änderung des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG ab 01.07.2004 - schwierig zu beantwortende Rechtsfrage im Aussetzungsverfahren nicht geklärt werden kann, ist insoweit Aussetzung der Vollziehung zu gewähren. Da sich das Aussetzungsverfahren wegen seines Charakters als summarisches Eilverfahren auf die Beurteilung der präsenten Beweismittel beschränkt und die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Höhe des marktüblichen Entgelts für den hier in Rede stehenden Schweinemaststall nicht in Betracht kommt, schätzt der Senat das marktübliche Entgelt unter Berücksichtigung der vorliegenden Unterlagen für Aussetzungszwecke auf 18.000.- EUR p. a. (25.- EUR pro Mastplatz/Jahr). Somit ist die beantragte Aussetzung zu gewähren, soweit der Antragsgegner für die Zeit ab 01.07.2004 eine Bemessungsgrundlage von mehr als 18.000.- EUR p. a. angesetzt hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO.

Die Beschwerde war nicht zuzulassen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Streitfall eine Entscheidung des BFH (§§ 128 Abs. 3 Satz 2, 115 Abs. 2 FGO).

Ende der Entscheidung

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