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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 25.06.2008
Aktenzeichen: 1 V 839/08 A (U)
Rechtsgebiete: UStG, UStDV


Vorschriften:

UStG § 4 Nr. 1 Buchst. b
UStG § 6a Abs. 1 S. 1
UStDV § 17a Abs. 1
UStDV § 17a Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

1 V 839/08 A (U)

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

Der Antragsteller betreibt in A-Stadt unter der Bezeichnung "X X" einen Handel mit gebrauchten Kraftfahrzeugen. Ausweislich seiner Ausgangsrechnungen veräußerte er am 14.04. und 25.05.2004 je einen gebrauchten BMW 330d zum Preis von 14.000.- EUR bzw. 16.500.- EUR gegen Barzahlung an eine Fa. S. AUTOS S.L. mit Sitz in Spanien. Die Fahrzeuge wurden von dem spanischen Staatsangehörigen T. beim Antragsteller abgeholt. Dieser bescheinigte unter dem 14.04.2004 und 25.05.2004, dass er das jeweilige Fahrzeug in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördern werde. Der Antragsteller nahm Ablichtungen des Ausweises des T. zu seinen Unterlagen. Hinsichtlich des am 14.04.2004 veräußerten PKW legte der Antragsteller außerdem eine undatiertes Schreiben mit Briefkopf der Fa. S. AUTOS S.L. vor, in dem es heißt: "Sehr geehrter Herr A., hiermit erteilen wir Herrn T. die Vollmacht das Fahrzeug BMW 330D schwarz von Deutschland nach Spanien zu überführen." Die Fahrgestellnummer des PKW ist handschriftlich ergänzt. Das Schreiben enthält neben der Unterschrift des T. einen Stempel der Fa. S. AUTOS S.L. und darauf eine weitere - unleserliche - Unterschrift. Hinsichtlich des am 25.05.2004 veräußerten PKW legte der Antragsteller ein auf den 05.06.2004 datiertdes Schreiben mit Briefkopf der Fa. S. AUTOS S.L. vor, in dem es heißt: "Hiermit bestätigen wir der Firma X X das wir das Fahrzeug BMW 330D nach Spanien einführen Chassisnr. WB... -- Briefnr. CF... -" Das Schreiben enthält die handschriftliche Ergänzung "von Herrn T.". Wie das genannte undatierte Schreiben enthält auch dieses Schreiben neben der Unterschrift des T. einen Stempel der Fa. S. AUTOS S.L. und darauf eine weitere - unleserliche - Unterschrift, die jedoch nicht mit der Unterschrift auf dem undatierten Schreiben übereinstimmt. Der Antragsteller behandelte diese Umsätze als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen.

Anlässlich einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, mangels ordnungsgemäßen Belegnachweises seien die Lieferungen der beiden PKW steuerpflichtig. Es könne nicht festgestellt werden, wer die Vollmachten zur Entgegennahme der Fahrzeuge unterschrieben habe und in welcher Beziehung diese Person zu der Fa. S. AUTOS S.L. stehe.

Gegen den entsprechend geänderten Umsatzsteuerbescheid 2004 vom 11.12.2007 hat der Antragsteller nach erfolglosem Einspruch (Einspruchsentscheidung vom 22.01.2008) die unter dem Az. 1 K 298/08 anhängige Klage erhoben, über die der Senat noch nicht entschieden hat. Er beantragt - nach Ablehnung durch den Antragsgegner -

Aussetzung der Vollziehung durch das Gericht.

Der Antragsteller macht geltend, der Antragsgegner könne die Steuerfreiheit der fraglichen Lieferungen nicht mit der Begründung versagen, dass die Identität desjenigen, der die Abholvollmachten unterschrieben habe, nicht nachgewiesen sei. Einen derartigen Nachweis sähen die einschlägigen Vorschriften der UStDV nicht vor. Alle nach den Vorschriften der UStDV erforderlichen Aufzeichnungen und Nachweise habe der Antragsteller geführt. Darüber hinaus seien die Lieferungen nach der neueren Rechtsprechung des BFH bereits deshalb steuerfrei, weil die Fahrzeuge zweifelsfrei in einen anderen Mitgliedstaat geliefert worden seien.

Der Antragsteller beantragt,

die Vollziehung des Umsatzsteuerbescheides 2004 vom 11.12.2007 auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er hält an seiner Auffassung fest, der Antragsteller habe den Belegnachweis nicht ordnungsgemäß erbracht. Es sei auch nicht nachgewiesen, dass die Fahrzeuge tatsächlich an den Abnehmer nach Spanien verbracht worden seien.

Im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens hat der Antragsgegner eine - in englischer Sprache abgefasste - Mitteilung der spanischen Finanzbehörden ( Agencia Tributaria ) vom 27.01.2005 vorgelegt, wonach es sich bei der Fa. S. AUTOS S.L. um einen sog. missing trader handelt. Nach den Feststellungen der örtlichen Steuerbehörde sei die Fa. S. AUTOS S.L. unter ihrer Anschrift unbekannt und habe weder Räumlichkeiten noch Angestellte. Umsatzsteuererklärungen seien in Spanien nicht abgegeben worden. Bei dem Geschäftsführer G. habe es sich um einen Strohmann gehandelt. Die UStID-Nummer werde deshalb gelöscht. Hierzu hat der Antragsteller geltend gemacht, für die Beurteilung des Streitfalles seien die Verhältnisse im Zeitpunkt der jeweiligen Lieferungen maßgebend. Der Widerruf der UStID-Nummer des Abnehmers in 2005 sei deshalb für die Beurteilung des Streitfalles ohne Bedeutung.

Der Antrag ist unbegründet.

Gemäß § 69 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2 FGO soll die Vollziehung eines Verwaltungsaktes ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsaktes sind zu bejahen, wenn bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Gründen gewichtige Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (vgl. z. B. Bundesfinanzhof - BFH -, Beschluss vom 28.05.1986 I B 22/86, BStBl II 1986, 656).

Bei Anwendung dieser Grundsätze bestehen an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Umsatzsteuerbescheides 2004 keine ernstlichen Zweifel. Bei summarischer Prüfung hat der Antragsgegner die Steuerfreiheit der streitigen Lieferungen zu Recht versagt, weil der Antragsteller den jeweils erforderlichen Belegnachweis für eine innergemeinschaftliche Lieferung (§§ 6a Abs. 1, Abs. 3 UStG) nicht ordnungsgemäß geführt hat.

I.

Eine gem. § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung liegt nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet;

2. der Abnehmer ist

a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,

b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder

c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber

und

3. der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung.

Nach der Rechtsprechung des EuGH setzt eine innergemeinschaftliche Lieferung voraus, dass die Befugnis, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber übergegangen ist und der gelieferte Gegenstand vom Lieferstaat in einen anderen Mitgliedstaat physisch verbracht worden ist. Hingegen ist nicht erforderlich, dass der innergemeinschaftliche Erwerb tatsächlich besteuert worden ist (EuGH, Urteil vom 27.09.2007 Rs. C-409/04, Teleos u.a., UR 2007, 774).

Nach § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG müssen die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vom Unternehmer nachgewiesen sein. Dazu bestimmt § 17a Abs. 1 UStDV, dass bei innergemeinschaftlichen Lieferungen der Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung durch Belege nachweisen muss, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat; dies muss sich aus den Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben (sog. Belegnachweis). In den Fällen, in denen der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, soll der Unternehmer nach § 17a Abs. 2 UStDV den Belegnachweis wie folgt führen:

1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),

2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,

3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie

4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern.

Diese - mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang stehenden (vgl. dazu ausführlich BFH, Urteil vom 06.12.2007 V R 59/03, UR 2008, 186) - Verpflichtungen des Unternehmers hat der Antragsteller bei summarischer Prüfung nicht erfüllt. Denn in Fällen, in denen ein Beauftragter des Abnehmers den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, muss auch nachgewiesen werden, dass der Abholer tatsächlich Beauftragter des vom Lieferer aufgezeichneten Abnehmers war (BFH, Urteil vom 08.11.2007 V R 26/05, BFH/NV 2008, 1067; vgl. auch BFH, Urteil vom 15.07.2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81 und Beschluss vom 12.07.2006 V B 213/05, BFH/NV 2006, 2139). Die Bescheinigung des Abholers, die betreffenden Gegenstände in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu verbringen, erfüllt die Voraussetzungen des § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV nur in Verbindung mit dem weiteren Nachweis, dass der Abholer von dem Abnehmer tatsächlich entsprechend beauftragt worden ist (BFH, Urteil vom 08.11.2007 V R 26/05, BFH/NV 2008, 1067). Ob dieser Nachweis - wie der Antragsgegner im Schreiben vom 09.03.2006 ausgeführt hat - nur durch eine entsprechende Vollmacht i. V. m. einer Ablichtung der Ausweispapiere des Vollmachtgebers (bzw. dessen Geschäftsführers) erbracht werden kann, kann bei summarischer Prüfung offen bleiben. Der Senat hat jedenfalls keinen Zweifel daran, dass eine Vollmacht, die - wie vorliegend - nicht erkennen lässt, von welcher Person sie unterzeichnet worden ist, nicht ausreicht, um die Beauftragung nachzuweisen. Ist der Unterzeichner - wie hier - nicht identifizierbar, lässt sich auch nicht feststellen, dass er berechtigt war, für den aufgezeichneten Abnehmer tätig zu werden.

II.

Nach der neueren BFH-Rspr. sind die vorgenannten Nachweispflichten jedoch keine materiellen Voraussetzungen für die Befreiung als innergemeinschaftliche Lieferung. Kommt der Unternehmer seinen Nachweispflichten nicht nach, ist zwar grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht erfüllt sind. Etwas anderes gilt jedoch ausnahmsweise dann, wenn trotz der Nichterfüllung der formellen Nachweispflichten aufgrund der objektiven Beweislage zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen. Dann ist die Steuerbefreiung auch zu gewähren, wenn der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3 UStG erforderlichen Nachweise nicht erbracht hat (BFH, Urteil vom 06.12.2007 V R 59/03, UR 2008, 186 unter Bezugnahme auf das EuGH-Urteil vom 27.09.2007 C-146/05 - Albert Collée -, UR 2007, 813). Vorliegend kann jedoch - entgegen dem Vorbringen des Antragstellers - nicht davon ausgegangen werden, es stehe aufgrund der objektiven Beweislage zweifelsfrei fest, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG erfüllt seien. Dass der Abholer T. die beiden PKW tatsächlich nach Spanien gebracht hat, ist für den Senat nicht hinreichend sicher feststellbar. Weder hat der Antragsteller dies nachgewiesen noch hat der Antragsgegner entsprechende Feststellungen getroffen. Darüber hinaus genügt allein eine Beförderung oder Versendung der PKW in das übrige Gemeinschaftsgebiet noch nicht, um die materiellen Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG zu erfüllen; die Beförderung oder Versendung muss vielmehr durch den Unternehmer oder seinen Abnehmer erfolgen (BFH, Urteil vom 08.11.2007 V R 26/05, BFH/NV 2008, 1067). Da aber - nach dem vorstehend Gesagten - nicht festgestellt werden kann, dass T. als Beauftragter des Abnehmers tätig geworden ist, stehen auch die materiellen Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG nicht zweifelsfrei fest.

III.

Die Lieferungen des Antragstellers sind bei summarischer Prüfung schließlich auch nicht nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei. Nach dieser Vorschrift ist eine Lieferung, die der Unternehmer als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung behandelt hat, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. Die Frage des Gutglaubensschutzes stellt sich nach der Rechtsprechung des BFH aber erst dann, wenn der Unternehmer seinen Nachweispflichten nachgekommen ist (BFH, Urteil vom 08.11.2007 V R 71/05, BFH/NV 2008, 902 m. w. N.) Dies ist hier bei summarischer Prüfung - wie dargelegt - nicht der Fall.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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