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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 29.05.2007
Aktenzeichen: 10 K 372/06 Kg
Rechtsgebiete: EStG, AuslG
Vorschriften:
EStG § 62 Abs. 2 Nr. 3 | |
AuslG § 30 Abs. 1 |
Finanzgericht Düsseldorf
10 K 372/06 Kg
Tenor:
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 15. April 2005 und der Einspruchsentscheidung vom 6. Januar 2006 verpflichtet, der Klägerin Kindergeld für die Zeit von Mai 2004 bis Januar 2006 zu gewähren.
Von den Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin 65 % und die Beklagte 35 %.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Kindergeldgewährung für die beiden Söhne der Klägerin "A" (geb. 1. Februar 1991) und "B" (geb. 24. September 1997) für die Zeit von Mai 2004 bis Januar 2006.
Die Klägerin ist ghanaische Staatsbürgerin und reiste am 26. April 1990 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Ihr Asylantrag wurde abgelehnt. Die dagegen erhobene Klage vor dem Verwaltungsgericht nahm die Klägerin am 1. Juli 1996 zurück.
Am 27. Juni 1997 erhielt die Klägerin eine Aufenthaltsbefugnis, die zuletzt bis zum 4. April 2005 verlängert wurde.
Am 03.05.2001 erhielt sie eine uneingeschränkte Arbeitsgenehmigung.
Am 7. April 2005 erteilte die Stadt der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG; gleichzeitig wurde ihr eine Erwerbstätigkeit gestattet.
Nach einer Bescheinigung der AOK Rheinland/Hamburg vom 3. November 2006 war die Klägerin unter anderem in der Zeit vom 1. August 2000 bis 31. Juli 2006 sozialversicherungspflichtig tätig. Vom 1.1.2005 bis 29.8.2006 bezog sie Arbeitslosengeld II (ALG II).
Der Antrag der Klägerin, ihr für die beiden Söhne "A" (geb. 1. Februar 1991) und "B" (geb. 24. September 1997) Kindergeld zu gewähren, lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 8. April 2004 ab, da die Klägerin als Ausländerin nicht die Voraussetzungen des § 62 EStG erfülle.
Mit ihrem neuerlichen Antrag vom 19. Januar 2005 wies die Klägerin auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juni 2004 (1 BvL 4/97, 5/97 und 6/97) hin, wonach der Ausschluss von Ausländern mit einer Aufenthaltsbefugnis vom Kindergeldbezug verfassungswidrig sei. Ihr sei daher Kindergeld auch für die zurückliegenden Jahre zu gewähren. Die Klägerin gab an, seit 1999 bei der Firma "C" mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden erwerbstätig zu sein.
Durch Bescheid vom 15. April 2005 lehnte die Beklagte den Kindergeldantrag der Klägerin ab.
Mit ihrem Einspruch vom 2. Mai 2005 trug die Klägerin vor, dass sie inzwischen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 AufenthG besitze und ihr die Erwerbstätigkeit gestattet sei. Die jetzige Aufenthaltserlaubnis entspreche der früheren Aufenthaltsberechtigung nach dem Ausländergesetz. Ein Ausschluss vom Bezug des Kindergeldes sei verfassungswidrig. Dies gelte erst recht hinsichtlich der ihr jetzt erteilten Aufenthaltserlaubnis.
Durch Einspruchsentscheidung vom 6. Januar 2006 wies die Beklagte den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück.
Am 27. Januar 2006 hat die Klägerin Klage erhoben mit dem Begehren, Kindergeld ab 2001 zu gewähren. Sie hat eine Verdienstbescheinigung der Firma "C" für den Monat Dezember 2005 vorgelegt, auf deren weiteren Inhalt bezug genommen wird.
Des Weiteren liegt eine Verdienstabrechnung der Firma "D" ebenfalls für Dezember 2005 vor, auf die sich das Gericht ebenfalls bezieht. Die Klägerin wiederholt im Wesentlichen ihren Vortrag aus dem Vorverfahren.
Sie beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides vom 15. April 2005 und der Einspruchsentscheidung vom 6. Januar 2006 die Beklagte zu verpflichten, ihr Kindergeld von Mai 2004 bis Januar 2006 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Sie beruft sich auf ihr Vorbringen im Vorverfahren.
Durch Beschluss vom 6. April 2006 hat der Senat den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Nach Anhörung der Beteiligten ist das Verfahren durch Beschluss vom 23.3.2007 auf den Senat zurück übertragen worden.
Auf die Aufforderung des Gerichtes, Nachweise für eine Erwerbstätigkeit im Jahr 2004 vorzulegen, hat die Klägerin erklärt, dass sie 2004 durchgängig bei den Firmen "D" und "C" erwerbstätig gewesen sei. Sie hat - bis auf den Monat Juli 2004 - Verdienstbescheinigungen vorgelegt, auf deren Inhalt verwiesen wird.
Das Gericht hat die Kindergeldakte und die Ausländerakte der Klägerin beigezogen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist begründet.
Der Bescheid vom 15. April 2005 und die Einspruchsentscheidung vom 6. Januar 2006 sind rechtswidrig, denn die Beklagte hat darin zu Unrecht einen Kindergeldanspruch der Klägerin für die Zeit von Mai 2004 bis Januar 2006 verneint.
1. Die Anspruchsberechtigung von Ausländern bezüglich des Kindergeldes beurteilt sich seit dem 1. Januar 2006 nicht mehr nach § 62 Abs. 2 EStG i. d. F. des JStG 1996 bzw. der geänderten Fassung aufgrund des Zuwanderungsgesetzes vom 30. Juli 2004, sondern nach § 62 Abs. 2 EStG i. d. F. des Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom 13. Dezember 2006 (BGBl. I 2006, 2915). In dieser Fassung ist § 62 Abs. 2 EStG auch in allen Fällen anzuwenden, in denen das Kindergeld - wie im Streitfall - noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist (§ 52 Abs. 61 a Satz 2 EStG i. d. F. des Gesetzes vom 13. Dezember 2006).
2. § 62 Abs. 2 EStG in der nunmehr gültigen Fassung stellt nach seinem Wortlaut sowohl in Nr. 1 als auch in Nr. 2 und Nr. 3 darauf ab, ob der Ausländer eine Niederlassungserlaubnis oder eine Aufenthaltserlaubnis nach dem Gesetz über den Aufenthalt, Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG) vom 30. Juli 2004 (BGBl I S. 1950) besitzt.
Eine Aufenthaltserlaubnis nach dem AufenthG - hier gestützt auf § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG - besaß die Klägerin lediglich in der Zeit ab April 2005.
In dem strittigen Zeitraum davor (Mai 2004 - März 2005) war sie lediglich im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis nach dem Gesetz über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern im Bundesgebiet (AuslG) vom 9. Juli 1990 (BGBL I S. 1354).
Aufenthaltsbefugnisse nach dem AuslG sind in § 62 Abs. 2 EStG zwar nicht aufgeführt, sie gelten jedoch entsprechend dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Zweck und Sachverhalt nach § 101 Abs. 2 AufenthG als Aufenthaltserlaubnisse fort (BFH, Urteil vom 15.03.2007 - III R 93/03-, bisher nicht veröffentlicht, abrufbar über Juris und www.bundesfinanzhof.de). Der Senat ordnet daher in ständiger Rechtsprechung die Aufenthaltsbefugnisse den in § 62 Abs. 2 EStG erwähnten Erlaubnissen zu, zumal sich auch nur so verfassungskonforme Ergebnissen erzielen lassen (Urteile vom 23. Januar 2007 - 10 K 2661/04 Kg, 10 K 5107/05 Kg -, Urteile vom 20. März 2007 - 10 K 805/05 Kg, 10 K 1510/04 Kg -).
3. Der Senat sieht die Rechtsgrundlage der der Klägerin am 27. Juni 1997 erteilten Aufenthaltsbefugnis in § 30 Abs. 1 AuslG. Die dort u.a. aufgeführten dringenden humanitären Gründen sind identisch mit den ihrer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG zugrunde liegenden Erwägungen ("dringende humanitäre oder persönliche Gründe").
Die Aufenthaltsbefugnis der Klägerin entspricht damit der in § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe c EStG erwähnten Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG mit der Folge, dass Kindergeld nur nach den näheren Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG zu gewähren ist.
Danach steht einem Antragsteller Kindergeld zu, wenn er sich seit mindestens 3 Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe a EStG) und er im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist, laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch bezieht oder Elternzeit in Anspruch nimmt (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b) EStG).
Die Klägerin erfüllte im Streitzeitraum die Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG.
Sie hielt sich seit mindestens 3 Jahren rechtmäßig, gestattet bzw. geduldet im Bundesgebiet auf (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe a EStG). Sie war auch in der streitigen Zeit von Mai 2004 bis Januar 2006 erwerbstätig (§ 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b EStG).
Aus den von der Klägerin vorgelegten monatlichen Verdienstbescheinigungen der "D" für das Jahr 2004 ergibt sich, dass die Klägerin in der Zeit von Mai bis Dezember 2004 ohne Unterbrechung erwerbstätig war. Zwar fehlt eine Verdienstbescheinigung für Juli 2004; dies steht jedoch der Annahme einer Erwerbstätigkeit für diesen Monat nicht entgegen. Aus den Bescheinigungen für Juni 2004 (Jahressumme: 1.918,96 EUR) und für August 2004 (Jahressumme: 2.728,05 EUR; Verdienst für August: 380,16 EUR) lässt sich entnehmen, dass die Klägerin im Juli 2004 einen Verdienst von 428,93 EUR hatte.
Außerdem belegen die Verdienstbescheinigungen der Firma"C" , dass die Klägerin auch für diese Firma 2004 gearbeitet hat. Die zuletzt ausgewiesene Jahressumme für November 2004 von 7.189,76 EUR spricht für eine (bis auf Dezember 2004) ganzjährige Erwerbstätigkeit auch bei dieser Firma.
Die gleiche Sachlage ergibt sich für die Zeit von Januar 2005 bis Dezember 2005.
Nach der Verdienstbescheinigung der Firma "C" für Dezember 2005 und den darin erwähnten Jahressummen für den Bruttoverdienst in Höhe von 8.090,36 EUR gibt es keinen Zweifel, dass die Klägerin durchgängig im Jahr 2005 bei dieser Firma erwerbstätig war. Aus der Verdienstbescheinigung der "D" für Dezember 2005, in denen Jahressummen in Höhe von 4.532 EUR ausgewiesen sind, lässt sich zudem ableiten, dass die Klägerin im Jahre 2005 einer zweiten durchgängigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist.
Schließlich ist auch hinsichtlich des letzten streitigen Monats (Januar 2006) durch die Verdienstbescheinigungen der Arbeitgeber "C" und "D" für März 2006 eine Erwerbstätigkeit der Klägerein im Januar 2006 nachgewiesen. Die in diesen Bescheinigungen aufgeführten Jahressummen von 1.1143,12 EUR bzw. 2.046,20 EUR sind nur dann erklärlich, wenn man eine Erwerbstätigkeit der Klägerin im Januar 2006 zugrunde legt.
Unabhängig von alledem hat die AOK Rheinland/Hamburg der Klägerin unter dem 03.11.2006 bescheinigt, vom 01.06.2000 bis 31.07.2006 (sozialversicherungspflichtig) beschäftigt gewesen zu sein. Auch dieser Umstand reicht aus, eine durchgehende Erwerbstätigkeit der Klägerin im streitigen Zeitraum anzunehmen.
4. Der Kindergeldanspruch der Klägerin ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil sie nur geringfügig beschäftigt war.
§ 62 Abs. 2 Nr. 3 b EStG macht nämlich insoweit die Kindergeldgewährung allein von einer berechtigten Erwerbstätigkeit abhängig. Anforderungen an den Umfang der Erwerbstätigkeit werden vom Gesetz nicht aufgestellt.
Selbst wenn man im Rahmen des § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG das Vorliegen einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit verlangen wollte, so würde dies dem Erfolg der Klage nicht entgegenstehen, denn die Verdienstbescheinigungen der Klägerin und die Bescheinigung der AOK Rheinland/Hamburg belegen, dass für die Klägerin Beiträge zur Sozialversicherung abgeführt wurden.
5. Die beiden Kinder der Klägerin hatten im Streitzeitraum noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet und sind daher nach §§ 63 Abs. 1 , 32 Abs. 1 und 3 EStG berücksichtigungsfähig.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1, 136 Abs. 1 Satz 1 FGO und berücksichtigt, dass die Klägerin ursprünglich Kindergeld ab Januar 2001 eingeklagt, in der mündlichen Verhandlung ihren Antrag aber auf die Zeit von Mai 2004 bis Januar 2006 beschränkt hat.
Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Es ist bislang höchstrichterlich nicht geklärt, welche Beschäftigungsverhältnisse unter § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe b EStG zufassen sind. Die Sache hat der grundsätzliche Bedeutung.
Ende der Entscheidung
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