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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Gerichtsbescheid verkündet am 02.07.2006
Aktenzeichen: 11 K 2003/02 F
Rechtsgebiete: AO 1977


Vorschriften:

AO 1977 § 169 Abs. 1 S. 1
AO 1977 § 169 Abs. 1 S. 3
AO 1977 § 174 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

11 K 2003/02 F

Tenor:

Der Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für den Zeitraum 4. April 1987 bis 10. April 1987 vom 27. Oktober 1999 ersetzt durch den Bescheid vom 21. Dezember 1999, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. März 2002 wird aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

Die Revision wird zugelassen.

Der Gerichtsbescheid ist, sofern nicht einer der Beteiligten mündliche Verhandlung beantragt, hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Streitig ist, ob zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für den Zeitraum 4. April bis 10. April 1987 vom 27. Oktober 1999 und vom 21. Dezember 1999 die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen war und ob der Beklagte in diesem Bescheid einen steuerbegünstigten Veräußerungsgewinn oder einen laufenden Gewinn in Höhe von 2.538.391,00 DM ansetzen musste.

Die Klägerin ist Gesamtrechtsnachfolgerin der X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG.

Die X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG - Herstellerin und Verarbeiterin von Brot- und Backwaren - erwarb mit notariellem Vertrag vom 3. April 1987 die Geschäfts- und Kommanditanteile von neun zur "Y-Gruppe" gehörenden Firmen für einen Gesamtkaufpreis von 2,2 Mio. DM. Zu den übernommenen Firmen der "Y-Gruppe" gehörten auch die Brotfabrik Z-GmbH & Co. KG und die Y-Brot GmbH & Co. KG.

Die X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG hatte zuvor mit Vertrag vom 31. Juli 1986 einen Liefer- und Distributionsvertrag für Brot- und Backwaren mit der B- AG in G-Stadt geschlossen. Danach war die X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG berechtigt und verpflichtet, vom 1. Januar 1987 bis 31. Dezember 1996 zuzüglich einer Verlängerungsoption von fünf Jahren alle bestehenden und zukünftigen Filialen der B-AG in einem fest umrissenen Gebiet im Westen mit Brot- und Backwaren zu beliefern. In diesem "B-Bezirk West" konnte die X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG die Belieferung nicht selbst durchführen, da sie im Westen keine Produktionsstätte besaß. Sie gewann daher die Y-Gruppe als Kooperationspartner, der die X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG die B- Belieferungsrechte für den Bezirk West "gegen eine monatliche Vergütung von 2 % des Nettoumsatzes" aus diesen Geschäften mit Vertrag vom 31. Oktober 1986 abtrat.

Sowohl die X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG als auch die Mitglieder der Y-Gruppe waren bereits vor dem am 3. April 1987 geschlossenen Kaufvertrag Mitglieder der "Arbeitsgemeinschaft Brot e. V.". Diese Arbeitsgemeinschaft stellte ihren Mitgliedern die Rezepturen und Verfahren zur Herstellung von Brot-Produkten zur Verfügung. Jedes Mitglied durfte die Brot-Produkte in einem fest umrissenen Gebiet vertreiben (s. Satzung der "Arbeitsgemeinschaft Brot e. V." vom 18. Mai 1987, Seite 173 ff. der FG-Akte).

Mit weiterem notariellen Vertrag vom 10. April 1987 (Blatt 57 der FG-Akte 11 K 4291/95 F) verkaufte die X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG ihre erworbenen Geschäfts- und Kommanditanteile an sämtlichen ehemals zur Y-Gruppe gehörenden neun Firmen an die S-Großbäckereien GmbH & Co KG.

In dem Veräußerungsvertrag vom 10. April 1987 blieben nach § 2 Nr. 2 Buchstabe h) die Brot-Vertriebsrechte bezüglich des ehemaligen "Y-Gebietes" von der Verwertung ausgenommen. Nach § 5 Nr. 6 des Vertrages hatte die S-Großbäckereien GmbH & Co KG das Recht und die Pflicht, von der X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG hergestellte Brot-Produkte zu beziehen und im "Y-Gebiet" zu vertreiben. Grundlage dieser Brot betreffenden Vereinbarung war eine vertraglich vereinbarte Abnahme von ca. 2 Mio. kg pro Jahr. Die Käuferin musste nach § 5 Nr. 7 zusätzlich zu den Preisen für -Brot pro kg einen Betrag 0,20 DM zzgl. Mehrwertsteuer zahlen. Sobald diese Zuzahlungen von 0,20 DM/kg einen Gesamtbetrag in Höhe von 1,6 Mio. DM netto erreicht hatten, sollte nach dem Vertrag diese Zusatzzahlung entfallen. Diese Vereinbarung konnte laut Vertrag auch beim Kauf eines anderen Brotes als Brot getroffen werden. Würde dieser Betrag bis Ende 1988 nicht erreicht oder kaufte die Käuferin von der Verkäuferin (X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG) kein Brot, hatte die Käuferin an die Verkäuferin laut Vertrag spätestens zum 31. Dezember 1988 den Restbetrag zu zahlen, der sich aus der vorgelegten Abrechnung als Differenzbetrag zu 1,6 Mio. DM netto ergibt (§ 5 Nr. 7 des Vertrages vom 10. April 1987).

Wegen weiterer Einzelheiten hinsichtlich der Anschaffung und Weiterveräußerung der Geschäfts- und Gesellschaftsanteile wird auf die in der Gerichtsakte 11 K 4291/95 F befindlichen Notarverträge vom 3. April 1987 und 10. April 1987 Bezug genommen (s. Blatt 42 ff. der FG-Akte 11 K 4291/95 F). Ebenso wird Bezug genommen auf die in der Gerichtsakte befindliche Satzung der Arbeitsgemeinschaft Brot e. V. C-Stadt (Blatt 173 ff. der FG-Akte).

Im Anschluss an eine Außenprüfung sah der Beklagte die zurückbehaltenen Brot-Vertriebsrechte als wesentliche Betriebsgrundlage an und vertrat die Auffassung, dass der Gewinn aus der Veräußerung der Anteile an der Brotfabrik Z-GmbH & Co KG wegen der Zurückbehaltung der Brot-Rechte als laufender Gewinn des Jahres 1987 zu erfassen sei.

Die X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG hatte während der Betriebsprüfung bei der Brotfabrik Z-GmbH & Co KG beantragt, Feststellungen im Betriebsprüfungsbericht und in den einheitlichen und gesonderten Feststellungen, die nur die X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG beträfen, nur ihr alleine mitzuteilen.

Der Beklagte stellte daraufhin mit Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 1987 vom 6. Januar 1995 einen laufenden Gewinn der X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG in Höhe von 2.085.113,00 DM für das Jahr 1987 fest. Der Feststellungsbescheid ist gerichtet an die Firma Großbäckerei X-GmbH als Empfangsbevollmächtigte der Firma Großbäckerei X-GmbH & Co KG, diese als ehemalige Gesellschafterin der Firma Brotfabrik Z-GmbH & Co KG. Als Erläuterung wurde auf den Betriebsprüfungsbericht vom 15. Februar 1994 verwiesen. Der Bescheid enthielt außerdem als Anlage eine Stellungnahme des Finanzamtes für Großbetriebsprüfung L-Stadt vom 8. Dezember 1994, auf deren Inhalt verwiesen wird (s. S. 201 f. der FG-Akte 11 K 2003/02 F).

Gegen den Bescheid vom 6. Januar 1995 legte die X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG Einspruch und nach Erlass einer ablehnenden Einspruchsentscheidung Klage (11 K 4397/95 F) ein. Während des Klageverfahrens erließ der Beklagte einen Änderungsbescheid datiert auf den 2. April 1997, in dem ein laufender Gewinn der X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG in Höhe von 2.538.391,00 DM für das Jahr 1987 festgestellt wurde.

Die festgestellten Beträge umfassten allein den Gewinn, der durch die Veräußerung der Anteile an der Brotfabrik Z-GmbH & Co KG entstanden ist. Der Gewinn der Brotfabrik Z-GmbH & Co KG aus ihren üblichen laufenden Geschäften und die Gewinnverteilung wurden in den Feststellungsbescheiden nicht mitgeteilt. Die Bescheide enthielten auch keine Angaben zu anderen Feststellungsbeteiligten.

In der mündlichen Verhandlung vom 24. Juni 1999 wies das Finanzgericht auf Bedenken hinsichtlich der formellen Rechtmäßigkeit der Bescheide hin. Der Beklagte sagte daraufhin zu, die an die X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG gerichteten Bescheide vom 2. April 1997 und 6. Januar 1995 sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben. Die Beteiligten erklärten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.

Der Beklagte hob den Feststellungsbescheid vom 6. Januar 1995 in Gestalt der Einspruchsentscheidung, diese in Gestalt des Feststellungsbescheides vom 4. April 1997 mit Bescheid vom 26. Oktober 1999 auf. Der Aufhebungsbescheid ist dem Prozessbevollmächtigten laut Fristenkontrollbuch am 28. Oktober 1999 und laut Eingangsstempel am 2. November 1999 zugegangen. Am 27. Oktober 1999 erließ der Beklagte einen nach § 174 Abs. 4 Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für den Zeitraum 4. April 1987 bis 10. April 1987 für die Klägerin als ehemalige Gesellschafterin der Brotfabrik Z-GmbH & Co KG. In diesem Bescheid stellte der Beklagte wiederum einen laufenden Gewinn in Höhe von 2.538.391,00 DM fest und erläuterte, vom Grundsatz der einheitlichen Feststellung aller im Wirtschaftsjahr erzielten Einkünfte sei wegen des Steuergeheimnisses abgewichen worden. Als Feststellungsbeteiligte bezeichnete der Beklagte die Y Brot GmbH und die X-GmbH & Co KG. Dieser Feststellungsbescheid ist laut Vermerk der Rechtsbehelfsstelle am 27. Oktober 1999 zur Post gegeben worden und dem Prozessbevollmächtigtem laut Eingangsstempel am 1. November 1999 zugegangen.

Die X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG legte Einspruch gegen den geänderten Bescheid ein.

Mit Datum vom 21. Dezember 1999 erließ der Beklagte erneut einen nach § 174 Abs. 4 AO geänderten Bescheid über die einheitliche und gesondert Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für den Zeitraum 4. April 1987 bis 10. April 1987 für die X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG als ehemalige Gesellschafterin der Brotfabrik Z-GmbH & Co KG. Der Bescheid enthält denselben Inhalt wie der Bescheid vom 27. Oktober 1999. Nunmehr wurde die X- Brot- und Backwaren GmbH & Co KG aber mit ihrem vollständigen Namen "X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG" als Adressatin und Feststellungsbeteiligte benannt. Außerdem hob der Beklagte in diesem Bescheid unter dem Punkt "B. Begründung und Nebenbestimmungen" den Feststellungsbescheid vom 27. Oktober 1999 zur Vermeidung des Rechtsscheins auf. Die Änderung erfolge aufgrund des Einspruchs der X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG, der sich hiermit erledigt habe.

Die X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG legte gegen den Bescheid vom 21. Dezember 1999 Einspruch ein.

Zur Begründung führte sie aus: Dem Erlass des geänderten Feststellungsbescheides vom 21. Dezember 1999 stehe nach der Aufhebung des ursprünglichen Bescheides vom 6. Januar 1995 die inzwischen eingetretene Festsetzungsverjährung entgegen.

Der mit Datum vom 6. Januar 1995 für 1987 erlassene Feststellungsbescheid (im Folgenden Ausgangsbescheid genannt) sei nichtig, da dieser lediglich den auf die Gesellschaft entfallenden Gewinn und nicht die Verteilung auf die Gesellschafter enthalten habe. Dadurch sei der Inhaltsadressat nicht hinreichend bestimmt. Zur hinreichenden Bestimmtheit der Inhaltsadressaten vertrete der BFH die Auffassung, dass die einzelnen Adressaten - die namentlich genannten Gesellschafter - und die ihnen jeweils zugerechneten Besteuerungsgrundlagen für jeden Dritten erkennbar aus dem Bescheid selbst oder aus den dem Bescheid hinzugefügten Anlagen hervorgehen müssten. Nicht ausreichend sei eine Verweisung auf einen Betriebsprüfungsbericht. Darüber hinaus sei der Besteuerungszeitraum im Ausgangsbescheid nicht angegeben worden, so dass nicht hinreichend bestimmt sei, für welchen Zeitraum die Gewinnfeststellung gelten sollte. Die Angabe des Besteuerungszeitraums sei eine Mindestvoraussetzung eines Feststellungsbescheides, so dass ihr Fehlen einen besonderes schwerwiegenden Fehler darstelle, der bei Würdigung aller in Betracht kommender Umstände offenkundig im Sinne des § 125 Abs. 1 AO sei. Die Nichtigkeit ergebe sich auch aus der kumulierten Betrachtung der Unbestimmtheit des Inhaltsadressaten und des Besteuerungszeitraumes.

Mit Ablauf des Jahres 1994, in welchem der Betriebsprüfungsbericht bekannt gegeben worden sei, habe die vierjährige Festsetzungsverjährung des § 169 Abs. 2 AO erneut zu laufen begonnen und mit Ablauf des Jahres 1998 geendet. Diese Festsetzungsverjährung habe durch die Anfechtung des nichtigen Ausgangsbescheides nicht gehemmt werden können.

Auch für den Fall, dass der Ausgangsbescheid nicht nichtig, sondern lediglich rechtswidrig gewesen sei, stehe dem Erlass der Feststellungsbescheide vom 27. Oktober 1999 und vom 21. Dezember 1999 die Festsetzungsverjährung entgegen. Die Festsetzungsfrist eines nicht nichtigen Bescheides werde nach § 171 Abs. 3 a AO auf Grund der Anfechtung des Bescheides vor dem Finanzgericht nur bis zur Erledigung des Finanzgerichtsverfahrens gehemmt. Durch die Zusage, den Ausgangsbescheid aufzuheben und die übereinstimmende Erledigungserklärung in der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht Düsseldorf sei über die Sache unanfechtbar entschieden worden. Die Unanfechtbarkeit führe zur sofortigen Beendigung der Ablaufhemmung. Für den Fall, dass die Ablaufhemmung noch nicht durch die übereinstimmende Erledigungserklärung beendet worden sei, sei dies spätestens mit der Aufhebung des Ausgangsbescheides wegen formeller Mängel am 26. Oktober 1999 geschehen. Der neue Feststellungsbescheid vom 27. Oktober 1999 sei erst am 1. November 1999 zugestellt worden.

Auch eine Verlängerung der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 a Satz 3 AO komme nicht in Betracht, denn der Bescheid sei nicht durch Gerichtsurteil, sondern nur auf Anraten des Gerichts aufgehoben worden. Die Tatsache, dass das Gericht in der mündlichen Verhandlung angeregt habe, einen neuen Bescheid zu erlassen, führe zu keiner Verlängerung der Ablaufhemmung. Eine entsprechende Anwendung des § 171 Abs. 3 a Satz 3 AO für den Fall, dass die Aufhebung nicht durch das Gericht, sondern durch die Finanzbehörde erfolge, sei nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nicht möglich. Zudem sei es gerade bei Fristenregelungen erforderlich, dass diese an gesetzlich möglichst eindeutig geregelte Tatbestände anknüpften, die einer erweiternden Auslegung grundsätzlich nicht zugänglich seien. Eine erweiternde Auslegung sei im vorliegenden Fall auch aus praktischen Gründen nicht erforderlich, da der Beklagte die durch die Rücknahme des Bescheides eingetretene Unanfechtbarkeit hätte vermeiden können, indem er den Ausgangsbescheid durch den Erlass eines zweiten Bescheides geändert hätte, ohne den ersten Bescheid zuvor aufzuheben, oder indem er einen Ergänzungsbescheid nach § 179 Abs. 3 AO erlassen hätte.

Darüber hinaus komme eine Berichtigung nach § 174 Abs. 4 AO nicht in Betracht. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 174 Abs. 4 AO sei das Vorliegen eines fehlerhaften, aber gleichwohl wirksamen Bescheides. Nichtige Bescheide würden von § 174 Abs. 4 AO nicht erfasst.

Die Neubescheidung nach § 174 Abs. 4 AO sei aber auch bei der Annahme einer bloßen Rechtswidrigkeit des aufgehobenen Ausgangsbescheides nicht möglich. Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 174 Abs. 4 AO sei, dass die Aufhebung des ursprünglichen Bescheides auf Grund eines Irrtums über den Sachverhalt erfolge. § 174 Abs. 4 AO erfasse lediglich die Fälle, in denen die Finanzbehörde aus einem bestimmten Sachverhalt die steuerrechtlichen Folgerungen ziehen wolle und sich dabei darüber irre, welches Steuerobjekt, Steuersubjekt oder welchen Zeitraum diese Folgerungen beträfen. Hebe die Behörde den Bescheid auf Grund formeller Mängel auf und erlasse daraufhin einen neuen Bescheid, der den selben materiell rechtlichen Lebenssachverhalt erfasse und sich an den selben Steuerschuldner richte, beträfen beide Bescheide den selben bestimmten Lebenssachverhalt, so dass ein Irrtum über diesen nicht vorgelegen haben könne. Der Beklagte habe in den neuen Bescheiden lediglich die Angabe der fehlenden Feststellungen nachgeholt. Somit liege kein Irrtum über den zu beurteilenden Sachverhalt vor. Es läge auch keine widerstreitende Steuerfestsetzung vor. Werde eine Steuerfestsetzung auf Antrag des Steuerpflichtigen geändert, ermögliche Abs. 4 nur die Änderung einer "anderen" Steuerfestsetzung, nicht die nochmalige Änderung der gleichen Steuerfestsetzung. Zwar sei die Änderung des Feststellungsbescheides nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Bescheid bereits Gegenstand einer gerichtlichen Nachprüfung gewesen sei. Vorliegend sei die Entscheidung des Beklagten aber genau zu dem Streitgegenstand, der schon zuvor Gegenstand des Finanzgerichtsverfahrens gewesen sei, ergangen.

Der Erlass der Feststellungsbescheide vom 27. Oktober 1999 und 21. Dezember 1999 könne auch nicht auf andere Änderungsvorschriften gestützt werden, da die Voraussetzungen für die Änderungsvorschriften der §§ 172 - 177 AO nicht eingreifen würden.

Hilfsweise trug die X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG ausführlich vor, dass der festgestellte Gewinn ein steuerbegünstigter Veräußerungsgewinn nach §§ 16, 34 EStG sei, da das Brot-Recht keine wesentliche Betriebsgrundlage darstelle.

Der Beklagte wies den Einspruch der X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG mit Einspruchsentscheidung vom 12. März 2002 zurück.

Zur Begründung führte der Beklagte aus, der Ausgangsbescheid vom 6. Januar 1995 sei nicht nichtig, da er nicht an einem besonders schwerwiegenden Mangel gelitten habe. Einen besonders schwerwiegenden Mangel stelle die fehlende Angabe über die Anteile aller Feststellungsbeteiligter am Gewinn nicht dar (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 1983 VIII R 90/81, Bundessteuerblatt II 1984, 474). In dem Ausgangsbescheid sei außerdem der richtige Inhaltsadressat angegeben worden. Die X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG sei namentlich als ehemalige Gesellschafterin der Brotfabrik Z-GmbH & Co KG benannt worden. Ferner sei die Höhe der Einkünfte und das Feststellungsjahr (1987) angegeben und Bezug genommen worden auf den Betriebsprüfungsbericht vom 15. Februar 1994, aus dem sich sowohl der zu Grunde liegende Sachverhalt als auch die Ermittlung und Zurechnung der Besteuerungsgrundlagen ergeben hätten. Es sei zu beachten, dass Unklarheiten und Ungenauigkeiten des Regelungsinhaltes eines Verwaltungsaktes durch Auslegung (§§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) geklärt und behoben werden könnten. Es komme entscheidend darauf an, wie der Betroffene nach den ihm bekannten Umständen den Gehalt des Verwaltungsaktes unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen dürfe, wobei nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks gehaftet werden dürfe. Die X Brot- und Backwaren GmbH & Co KG habe mit Schreiben vom 6. Mai 1992 beantragt, Feststellungen im Betriebsprüfungsbericht bzw. einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellungen, die nur sie beträfen, ihr auch allein und gesondert mitzuteilen. Diesem Antrag sei der Beklagte mit dem Ausgangsbescheid in vollem Umfang nachgekommen. Der Ausgangsbescheid sei damit, auch und gerade unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben, hinreichend bestimmt. Auch das Finanzgericht Düsseldorf sei davon ausgegangen, dass der Ausgangsbescheid allenfalls rechtswidrig, nicht aber nichtig sei. Denn es habe nach Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht nur die Aufhebung des angefochtenen Ausgangsbescheides, sondern auch den Erlass eines auf § 174 AO gestützten Änderungsbescheides angeregt. Hätte das Finanzgericht Düsseldorf den Ursprungsbescheid für nichtig gehalten, hätte es die Berichtigung nach § 174 AO nicht vorschlagen können und mit Sicherheit auch nicht vorgeschlagen.

Die Voraussetzungen der Änderungsvorschrift des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO in Verbindung mit § 181 Abs. 1 Satz 1 AO seien erfüllt. Denn der Ausgangsbescheid vom 6. Januar 1995 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. Juni 1995 und des Bescheides vom 4. April 1997 sei auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhaltes ergangen, weil der Beklagte rechtsfehlerhaft angenommen habe, dass die in dem Bescheid getroffenen Feststellungen für die Rechtmäßigkeit völlig ausreichend seien.

Die Gewinnfeststellung 1987 sei auch nicht verjährt. Zum einen sei beim Erlass des als Ergebnis des Gerichtsverfahrens ergangenen Änderungsbescheides vom 27. Oktober 1999 die Feststellungsfrist für 1987 nicht abgelaufen, weil die vorangegangene Aufhebung (Bescheid vom 26. Oktober 1999) erst einen Monat nach Bekanntgabe unanfechtbar wirksam geworden sei. Zum anderen sei § 174 Abs. 4 Satz 3 und 4 AO einschlägig. Die Änderung des Feststellungsbescheides nach § 174 Abs. 4 AO sei auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der geänderte Bescheid bereits Gegenstand einer gerichtlichen Nachprüfung gewesen sei. Das Finanzgericht Düsseldorf habe in dem seinerzeit anhängigen Verfahren in keiner Weise eine abschließende Entscheidung über die Feststellungsgegenstände getroffen. Eine Bindungswirkung für das nun anhängige Verfahren bestehe deshalb nicht.

Abschließend sei auf die Vorschrift des § 181 Abs. 5 AO hinzuweisen. Die X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG selbst werde beim Finanzamt D-Stadt unter der Steuernummer xx/111/22222 steuerlich geführt. Sie habe dort mit Schreiben vom 27. August 1999 beantragt, den vom Finanzamt D-Stadt erlassenen Feststellungsbescheid 1987 hinsichtlich der Einkünfte aus der Beteiligung an den Firmen Y-Brot GmbH & Co. KG bzw. Brotfabrik Z-GmbH & Co. KG zu ändern. Sei der vom Beklagten erlassene und von den Klägern angefochtene Feststellungsbescheid 1987 nach Ablauf der Feststellungsfrist ergangen, so sei er nach Maßgabe des § 181 Abs. 5 AO der Feststellung der X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG für 1987 in dem beim Finanzamt D-Stadt geführten Besteuerungsverfahren insoweit zu Grunde zu legen, als deren Feststellungsfrist im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Feststellungsbescheide vom 27. Oktober 1999 und 21. Dezember 1999 noch nicht abgelaufen gewesen sei. Der Hinweis auf § 181 Abs. 5 AO könne in der Einspruchsentscheidung nachgeholt werden.

Bei dem im Rahmen des Erwerbs der sog. Y-Gruppe (Vertrag vom 3. April 1987) mitangeschafften Brot-Recht handele es sich um eine wesentliche Betriebsgrundlage mit der Folge, dass die Zurückbehaltung dieser Rechte beim Weiterverkauf der Betriebe am 10. April 1987 dazu führe, dass der erzielte Veräußerungsgewinn nicht nach §§ 16, 34 EStG begünstigt sei. Auf die weiteren Ausführungen in der Einspruchsentscheidung wird verwiesen.

Die X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG hat fristgerecht Klage erhoben.

Die Klägerin ist während der Anhängigkeit der Klage Gesamtrechtsnachfolgerin der X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG geworden.

Zur Begründung wiederholt sie den Vortrag aus dem Einspruchsverfahren. Ergänzend trägt die Klägerin vor, die Ablaufhemmung sei nicht nach § 171 Abs. 3 Satz 1 AO gehemmt. Soweit der Beklagte darauf abstelle, dass die X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG in den ursprünglichen (Klage-)Schriftsätzen vom 24. Juli 1995 und 31. Juli 1995 zwei rechtlich eigenständige Anträge auf Aufhebung des angefochtenen Feststellungsbescheides und Neubescheidung gestellt habe, sei dies nicht zutreffend. Die Anfechtungsklage sei auf Änderung des angefochtenen Feststellungsbescheides gerichtet worden, dies allein sollte durch die Antragsformulierung ausgedrückt werden. Selbst für den Fall, dass die X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG tatsächlich einen Antrag auf Neubescheidung gestellt habe, sei dieser lediglich angekündigt worden und durch die übereinstimmende Erledigungserklärung gegenstandslos geworden.

Der Hinweis des Beklagten auf § 181 Abs. 5 AO gehe fehl, das Schreiben der X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG vom 27. August 1999 an das Finanzamt D-Stadt könne nicht die Festsetzungsverjährung verlängern. Diese sei bereits vor der Antragstellung abgelaufen.

Zu Unrecht sehe der Beklagte den Grundsatz des fairen Verfahrens verletzt. Dem Anraten des Gerichts auf Aufhebung der Bescheide könne nicht entnommen werden, dass nicht auf die Festsetzungsverjährung zu achten sei. Das Gericht habe mit dem Hinweis auf die Aufhebungsmöglichkeit lediglich Aussagen über das "Ob", nicht aber über das "Wie" getroffen. Dass der Beklagte die risikoreichste Variante der Neubescheidung nach isolierter Aufhebung gewählt habe, statt im Rahmen einer Neubescheidung den angefochtenen Bescheid aufzuheben, könne weder der X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG noch dem Gericht angelastet werden. Nach der Rechtsprechung des BFH seien Anregungen des Gerichts in der mündlichen Verhandlung auf Aufhebung von Bescheiden stets unverbindliche Erklärungen, die mit einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung nicht gleichgesetzt werden könnten. Auch wenn das Gericht Anregungen oder Hinweise gebe, liege die Verantwortung für die von einem Beteiligten abgegebenen Erklärungen bei diesem selbst. Dieser müsse - insbesondere dann, wenn er über eigene Rechtskenntnisse verfüge - die für ihn nachteiligen Rechtsfolgen auch dann tragen, wenn er sich über deren Auswirkungen geirrt haben sollte. Dies gelte auch, wenn er darin vom Gericht bestärkt worden sei.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für den Zeitraum 4. April 1987 bis 10. April 1987 vom 27. Oktober 1999, ersetzt durch den Bescheid vom 21. Dezember 1999, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. März 2002 aufzuheben,

hilfsweise,

den Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für den Zeitraum 4. April 1987 bis 10. April 1987 vom 21. Dezember 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. März 2002 dahingehend abzuändern, dass der festgestellte Gewinn von 2.538.391,00 DM als steuerbegünstigter Veräußerungsgewinn im Sinne von §§ 16, 34 EStG festzustellen ist,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt Klageabweisung und hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Zur Begründung führt der Beklagte ergänzend aus, die X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG habe mit dem (Klage-) Schriftsatz vom 31. Juli 1995 zum Aktenzeichen 11 K 4397/95 F zwei rechtlich eigenständige Anträge auf Aufhebung des angefochtenen Feststellungsbescheides und Neubescheidung gestellt. Die Neubescheidung sei antragsgemäß durch den Erlass des Feststellungsbescheides vom 27. Oktober 1999 erfolgt.

Durch den richterlichen Hinweis, einerseits die angefochtenen ursprünglichen Gewinnfeststellungsbescheide für 1987 aus Gründen der Rechtssicherheit aufzuheben, andererseits neue Gewinnfeststellungsbescheide für 1987 zu erlassen, habe das Gericht die Aufhebung und Neubescheidung durch den Beklagten veranlasst. Diese vom Gericht angeregte Verfahrensweise nunmehr - ohne das Hinzutreten weiterer Umstände - als rechtswidrig einzustufen, widerspräche dem Grundsatz des fairen Verfahrens (Art. 2 Abs. 1 und Art 20 Abs. 3 Grundgesetz - GG). Dieser verfassungsrechtlich garantierte Anspruch bestehe für alle Prozessbeteiligten, auch für die Finanzbehörde.

Die einzelnen Feststellungen eines Feststellungsbescheides seien selbstständiger Natur und enthielten selbstständig anfechtbare Regelungsgehalte. Fehle einer dieser eigenständigen Regelungsgegenstände, so sei der Bescheid unvollständig und gegebenenfalls rechtswidrig, aber nicht nichtig.

Am 2. Mai 2006 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Senat statt. Auf den Inhalt des Protokolls zu der mündlichen Verhandlung vom 2. Mai 2006 wird verwiesen.

In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte ergänzend vorgetragen, die Festsetzungsfrist sei noch nicht abgelaufen, weil der Antrag auf Änderung des Folgebescheides beim Finanzamt D-Stadt zu einem Zeitpunkt gestellt worden sei, zu dem die Festsetzungsverjährung hinsichtlich des Grundlagenbescheides (Ausgangsbescheides) noch nicht abgelaufen gewesen sei. Eine Änderung des Folgebescheides sei somit nach Änderung des Grundlagenbescheides jederzeit möglich (§ 171 Abs. 10 AO) mit der Folge, dass der Antrag auf Änderung des Folgebescheides eine Ablaufhemmung im Sinne des § 171 Abs. 3 AO auslösen müsse. Diese Ablaufhemmung habe erst nach Rücknahme des Änderungsantrages im Einspruchsverfahren am 28. Januar 2000 geendet. Da die neuen Feststellungsbescheide vom 27. Oktober 1999 und 21. Dezember 1999 vor dem Ende der Ablaufhemmung des Folgebescheides bekannt gegeben worden seien, hätten die neuen Feststellungsbescheide nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO ergehen können. Dieser Überlegung liege die Erwägung zu Grunde, dass die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen keinen Selbstzweck verfolge, sondern lediglich eine dienende Funktion für die Steuerfestsetzung habe. Aus der gesetzlich angeordneten eigenständigen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen könnten dem Steuerpflichtigen weder Vor- noch Nachteile entstehen. Beantrage der Steuerpflichtige eine Änderung, müsse dies auf das Steuerfestsetzungsverfahren auch dann Einfluss haben, wenn das einheitliche Besteuerungsverfahren in zwei oder möglicherweise mehrere separate Stufen (Feststellungsbescheid und Folgebescheid(e)) zerlegt sei.

Das Gericht hat die Akte des Finanzamts D-Stadt zu der "Einheitlichen und Gesonderten Feststellung der Einkünfte" der X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG (Steuernummer xx/111/22222-II/333) sowie die Akte zur Betriebsprüfung bis zum Veranlagungszeitraum 1987 zum Verfahren hinzugezogen. Die X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG hat ihre Erklärung über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für den Veranlagungszeitraum 1987 am 30. November 1988 abgegeben. Darin erklärte sie einen steuerbegünstigten Gewinn aus der Veräußerung der Y-Gruppe. Auf Grundlage der Erklärung erließ das Finanzamt D-Stadt einen Feststellungsbescheid für 1987, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand. Dieser Feststellungsbescheid wurde am 7. April 1989 und nach Durchführung einer Betriebsprüfung bei der X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG am 23. September 1992 geändert. In dem Änderungsbescheid vom 23. September 1992 wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben. Einsprüche wurden gegen die Änderungsbescheide nicht eingelegt. Am 28. August 1995 wurde der Grundlagenbescheid vom 6. Januar 1995 des Beklagten in den Folgebescheid umgesetzt. Das Finanzamt D-Stadt änderte den Feststellungsbescheid vom 23. September 1992 nach § 175 AO und setzte den Gewinn aus der Veräußerung der Anteile an der Firma Brotfabrik Z-GmbH & Co KG und der Firma Y-Brot GmbH & Co KG als laufenden Gewinn an. Insgesamt stellt das Finanzamt D-Stadt einen laufenden Gewinn in Höhe von 4.941.536,00 DM fest. Gegen diesen Feststellungsbescheid legte die X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG Einspruch ein und begehrte den Ansatz eines laufenden Gewinnes in Höhe von 1.963.432,00 DM. Diesem Begehren entsprach das Finanzamt D-Stadt durch Änderungsbescheid vom 24. Januar 1996. Mit Änderungsbescheid vom 10. Oktober 1997 vollzog das Finanzamt D-Stadt die Änderung des Grundlagenbescheides durch den Beklagten vom 2. April 1997 nach. Die X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG legte gegen diesen Änderungsbescheid keinen Einspruch ein.

Am 27. August 1999 teilte die X Brot- und Backwaren GmbH & Co KG dem Finanzamt mit, dass der Beklagte die Grundlagenbescheide vom 6. Januar 1995 und 2. April 1997 aufgehoben habe und beantragte den Ansatz eines laufenden Gewinnes der X- Brot- und Backwaren GmbH & Co KG in Höhe von ./. 839.279,00 DM (Gewinn der X- Brot- und Backwaren GmbH & Co KG ohne Beteiligungsgewinne). Diesen Antrag lehnte das Finanzamt D-Stadt ab. Den fristgerecht eingelegten Einspruch nahm die X- Brot- und Backwaren GmbH & Co KG am 28. Januar 2000 zurück.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin ist durch die Feststellungsbescheide vom 27. Oktober 1999 und 21. Dezember 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung in ihren Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-), so dass die Bescheide aufzuheben sind. Denn die Bescheide sind nach Ablauf der Festsetzungsfrist ergangen (§ 169 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 AO). Die Festsetzungsfrist ist mit der Bekanntgabe des Aufhebungsbescheides vom 26. Oktober 1999 (Aufhebung des Ausgangsbescheides) abgelaufen. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Aufhebungsbescheid dem Prozessbevollmächtigten am 28. Oktober 1999 bekannt gegeben worden ist. Die Festsetzungsfrist ist außerdem nicht durch die rechtzeitige Versendung des Feststellungsbescheides vom 27. Oktober 1999 nach § 169 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AO gewahrt worden. Zwar ist der vom Beklagten zuerst erlassene Feststellungsbescheid auf den 27. Oktober 1999 datiert, aber es steht nicht zur Überzeugung des Senates fest, dass der Feststellungsbescheid vom 27. Oktober 1999 vor Bekanntgabe des Aufhebungsbescheides den Bereich des zuständigen Finanzamtes verlassen hat.

Die Festsetzungsfrist für die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen beträgt vier Jahre (§ 181 Abs. 1 Satz 1 AO in Verbindung mit § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO), beginnend mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung eingereicht wurde (§ 181 Abs. 1 Satz 2 AO in Verbindung mit § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO). Die Brotfabrik Z-GmbH & Co. KG hat ihre Steuererklärung am 6. Juli 1989 abgegeben, so dass die regelmäßige Festsetzungsfrist mit Ablauf des 31. Dezember 1989 begann und mit Ablauf des 31. Dezember 1993 endete. Der Ablauf der regelmäßigen Festsetzungsfrist wurde durch die am 6. März 1991 begonnene Betriebsprüfung (§ 171 Abs. 4 AO) und die Anfechtung des Ausgangsbescheides vom 6. Januar 1995, der die Feststellungen der Betriebsprüfung umsetzte, gehemmt (§ 171 Abs. 3 a AO). Die durch die Anfechtung des Ausgangsbescheides eingetretene Ablaufhemmung dauerte bis zur Bekanntgabe des Aufhebungsbescheides vom 26. Oktober 1999 an.

Auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe ist in diesem Zusammenhang abzustellen, da der Aufhebungsbescheid gem. § 124 Abs. 1 Satz 1 AO erst mit der Bekanntgabe wirksam wird und somit erst zu diesem Zeitpunkt den Ausgangsbescheid aufhebt. Erst durch die Aufhebung verliert der Ausgangsbescheid seine Eignung als verjährungshemmende Maßnahme (vgl. BFH-Urteil vom 5. Oktober 2004 VII R 18/03, BFHE 208, 292, BStBl II 2005, 323).

Der Ansicht der Klägerin, die Ablaufhemmung habe bereits mit der Zusage des Beklagten, den Ausgangsbescheid aufzuheben, und der übereinstimmenden Erledigungserklärung nach § 171 Abs. 3a AO geendet, kann nicht gefolgt werden. Die Festsetzungsverjährung ist nach der BFH-Rechtsprechung verwaltungsaktbezogen: Für ihren Beginn, den weiteren Verlauf und für ihren Eintritt ist Anknüpfungspunkt eine bestimmte Steuerfestsetzung (vgl. BFH-Urteil vom 16. Mai 1990 X R 147/87, BFHE 161, 398, BStBl II 1990, 942). Somit wirkt die Ablaufhemmung bis zur tatsächlichen Aufhebung des Ausgangsbescheides. Die Erledigungserklärungen beenden lediglich den Rechtsstreit und haben zur Folge, dass die Festsetzungsfrist nicht mehr bis zur Unanfechtbarkeit des Aufhebungsbescheides läuft (§ 171 Abs. 3a Satz 3 AO). Die Auffassung der Klägerin hätte außerdem zur Folge, dass der zugesagte Aufhebungsbescheid nach Ablauf der Festsetzungsfrist ergangen wäre und somit rechtswidrig wäre. Dies würde im Ergebnis dazu führen, dass der Beklagte den Aufhebungsbescheid nicht rechtmäßig erlassen könnte.

Auch der Rechtsauffassung des Beklagten, die Ablaufhemmung sei erst mit Eintritt der Unanfechtbarkeit des Aufhebungsbescheides entfallen, schließt sich der Senat nicht an. Durch die Aufhebung des Ausgangsbescheides hat dieser seine Wirksamkeit und damit auch seine Eignung als verjährungshemmende Maßnahme verloren. Die Festsetzungsfrist ist somit unmittelbar - und nicht erst nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Aufhebungsbescheides - eingetreten (vgl. BFH-Urteil vom 5. Oktober 2004 VII R 77/03, BHFE 207, 504, BStBl II 2005, 122).

Der Aufhebungsbescheid ist dem Prozessbevollmächtigten am 28. Oktober 1999 bekannt gegeben worden. Zu dieser Überzeugung ist der Senat nach der Würdigung der Erläuterungen des Prozessvertreters der Klägerin, der Posteingangsstempel auf den Aufhebungsbescheiden vom 26. Oktober 1999 betreffend die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Y-Brot GmbH & Co KG und die Brotfabrik Z-GmbH & Co KG sowie nach Einsicht in das Fristenkontrollbuch des Prozessbevollmächtigten gelangt. Der Prozessvertreter der Klägerin hat die Diskrepanz zwischen dem Eingangsstempel und der Eintragung im Fristenkontrollbuch damit erklärt, dass der Aufhebungsbescheid hinsichtlich der Feststellung von Besteuerungsgrundlagen der Brotfabrik Z-GmbH & Co KG von der Poststelle des Bevollmächtigen, die jedes eingehende Schriftstück mit einem Posteingangsstempel versehe, offensichtlich als Kopie des Aufhebungsbescheides betreffend die Y-Brot GmbH & Co KG angesehen worden sei und aus diesem Grund keinen Eingangsstempel der Poststelle erhalten habe. Dass es sich nicht um eine Kopie handele, sei erst bei der Eintragung der Bescheide in das Fristenkontrollbuch aufgefallen, der Aufhebungsbescheid habe dann einen Eingangsstempel der für die Bearbeitung zuständigen Stelle erhalten. Dieser Vortrag ist überzeugend. Die beiden Aufhebungsbescheide sehen nach ihrem äußerlichen Aufbau und Schriftbild sehr ähnlich aus, so dass nach rein äußerlicher, oberflächlicher Betrachtung ein Bescheid als Kopie des anderen Bescheides angesehen werden kann. Darüber hinaus hat der Aufhebungsbescheid betreffend die Brotfabrik Z-GmbH & Co KG einen äußerlich anderen Eingangsstempel erhalten als der Aufhebungsbescheid betreffend die Y-Brot GmbH & Co KG. Die aus dem Fristenkontrollbuch erkennbare Bearbeitung spricht außerdem dafür, dass der Eingangsstempel das Datum (2. November 1999) ausweist, an dem die Eintragungen in das Fristenkontrollbuch gemacht worden sind. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass die eingegangenen Bescheide im Fristenkontrollbuch nicht täglich und nicht chronologisch nach den tatsächlichen Eingangsdaten eingetragen worden sind. Aus dem Fristenkontrollbuch ist ersichtlich, dass alle Eingänge vom 26. Oktober 1999 bis 2. November 1999 an einem Tag in das Fristenkontrollbuch aufgenommen worden sind. Zum anderen ist diejenige, die die Eintragung in das Fristenkontrollbuch gemacht hat, selbst nicht von der Richtigkeit des Eingangsstempels mit dem Datum 2. November 1999 ausgegangen, sondern hat den 28. Oktober 1999 als Eingangsdatum in das Fristenkontrollbuch geschrieben. Dieses Datum entspricht dem Eingangsstempel des Aufhebungsbescheides betreffend die Y-Brot GmbH & Co KG, welcher unmittelbar vor der Eintragung des Aufhebungsbescheides betreffend die Brotfabrik Z-GmbH & Co KG in das Fristenkontrollbuch aufgenommen wurde. Die Bearbeiterin ist somit eindeutig davon ausgegangen, dass beide Bescheide zusammen beim Prozessbevollmächtigten eingegangen sind. Dafür, dass diese Schlussfolgerung durch das vorherige Sortieren der Aufhebungsbescheide beeinflusst wurde, bestehen keine Anhaltspunkte. Da die Eintragungen in dem Fristenkontrollbuch nicht chronologisch erfolgten und die Feststellungsbescheide vom 27. Oktober 1999 für die X- GmbH & Co KG als ehemalige Gesellschafterin der Y-Brot GmbH & Co KG und der Brotfabrik Z-GmbH & Co KG am selben Tag, aber nicht unmittelbar zusammen mit den Aufhebungsbescheiden sondern eine Seite vorher, eingetragen worden sind, steht zur Überzeugung des Senates fest, dass die Bearbeiterin die Bescheide von einem Stapel genommen hat und - ohne vorheriges Sortieren - nacheinander eingetragen hat.

Durch den Aufhebungsbescheid vom 26. Oktober 1999 wurde auch der Feststellungsbescheid vom 2. April 1997 aufgehoben. Zwar erwähnt der Aufhebungsbescheid nur einen Feststellungsbescheid vom 4. April 1997 für die Großbäckerei X-GmbH & Co KG als ehemalige Gesellschafterin der Brotfabrik Z-GmbH & Co KG, der zusammen mit dem Ausgangsbescheid vom 6. Januar 1995 in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufgehoben werden solle. Die Bezeichnung des Feststellungsbescheides mit dem falschen Datum stellt aber nur eine Unklarheit oder Ungenauigkeit des Regelungsinhaltes des Aufhebungsbescheides dar, der durch Auslegung (§§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -) geklärt und behoben werden kann. Für die X- Brot- und Backwaren GmbH & Co KG war erkennbar, dass der Beklagte den Feststellungsbescheid vom 2. April 1997 aufheben wollte. Ein Bescheid vom 4. April 1997 existiert nicht. Unerheblich ist auch die fehlerhafte Bezeichnung der X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG in diesem Aufhebungsbescheid. Von den Beteiligten ist nicht geltend gemacht worden, dass Zweifel bestehen, wer von dem Aufhebungsbescheid betroffen sein soll. Diese könnten außerdem unter Berücksichtigung der Steuernummer und der zumindest teilweise richtigen Bezeichnung der X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG als Großbäckerei X-GmbH & Co KG durch Auslegung behoben werden (vgl. Tipke/Kruse, AO/FGO Kommentar, Loseblattsammlung, Stand Nov. 2005, § 119 AO RdNr. 4).

Die Festsetzungsfrist ist auch nicht gem. § 169 Abs. 1 Satz 3 AO gewahrt worden. Denn der Beklagte hat nicht nachgewiesen, dass der Feststellungsbescheid den Bereich des Finanzamtes vor der Bekanntgabe des Aufhebungsbescheides am 28. Oktober 1999 verlassen hat.

Die Feststellungslast für die Voraussetzungen des § 169 Abs. 1 Satz 3 AO trägt der Beklagte. Denn nur der Beklagte hat die nötige Beweisnähe, um nachweisen zu können, dass der fristwahrende Steuerbescheid den Bereich der Finanzbehörde verlassen hat (vgl. BFH-Urteil vom 28. September 2000 III R 43/97, BFHE 193, 28, BStBl II 2001, 211). Der dem Beklagten obliegende Nachweis, dass der Bescheid den Behördenbereich verlassen hat, kann nicht nach den Regeln des Anscheinsbeweises geführt werden, wenn - wie im Streitfall - die Absendung des Bescheides nicht in einem Absendevermerk der Poststelle sondern in einem Vermerk der Rechtsbehelfstelle festgehalten ist. Der Anscheinsbeweis beruht letztlich auf der Erfahrung, dass gewisse typische Sachverhalte bestimmte Folgen auslösen oder dass umgekehrt bestimmte Folgen auf einen typischen Geschehensablauf hindeuten. Somit enthält der Beweis des ersten Anscheins eine Anwendung von Erfahrungsregeln auf einen bestimmten Geschehensablauf in dem Sinne, dass bei einem feststehenden typischen Geschehensablauf und nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder einen bestimmten Kausalverlauf geschlossen werden kann. Im Streitfall müsste deshalb der Anscheinsbeweis ohne weiteren Nachweis die volle Überzeugung des Gerichts davon begründen können, dass der Feststellungsbescheid den Bereich des Finanzamtes vor Bekanntgabe des Aufhebungsbescheides am 28. Oktober 1999 verlassen hat (vgl. BFH-Urteil vom 28. September 2000 III R 43/97, BFHE 193, 28 BStBl II 2001, 211 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).

Der Absendevermerk der Rechtsbehelfstelle und die in der mündlichen Verhandlung durchgeführte Vernehmung der präsenten Zeugin M führen nicht zur Überzeugung des Senats, dass der Feststellungsbescheid den Bereich des Beklagten vor Bekanntgabe des Aufhebungsbescheides am 28. Oktober 1999 verlassen hat. Die Zeugin hat lediglich ausgesagt, der Absendevermerk bedeute, dass sie den Feststellungsbescheid am 27. Oktober 1999 in ihr Postkörbchen auf ihrem Schreibtisch gelegt habe und dass er dort am 27. Oktober 1999 von dem hausinternen Boten abgeholt worden sei. Hinsichtlich der weiteren Bearbeitung des Feststellungsbescheides konnte sie nur den üblichen Verfahrensablauf schildern. Der Postausgang werde vom hausinternen Boten zur Poststelle gebracht, die die Schreiben postversandfertig mache und im Jahre 1999 um 14.00 Uhr zur Bundespost gebracht habe. Ob diese Verfahrensweise auch bezüglich des Feststellungsbescheides vom 27. Oktober 1999 fehlerlos durchgeführt worden ist, konnte sie nicht bestätigen. Im Jahr 1999 gab es nach Aussage der Zeugin auch keine Aufzeichnungen der Poststelle, aus denen entnommen werden könnte, wann der Feststellungsbescheid vom 27. Oktober 1999 tatsächlich den Finanzamtsbereich verlassen hat. Der Bescheid könnte somit für den Weg von der Rechtsbehelfstelle zur Poststelle einen oder zwei Tage gebraucht haben und in der Poststelle nicht sofort versandfertig gemacht worden sein.

Die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 a Satz 3 AO in Verbindung mit § 10 Abs. 9 EGAO greift nicht ein, da der Ausgangsbescheid nicht durch das Gericht nach § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO sondern lediglich auf Anraten des Gerichts vom Beklagten selbst aufgehoben wurde. Die Anregung des Gerichts ist als unverbindliche Erklärung zu werten, die mit einer der Rechtskraft fähigen Entscheidung des Gerichts nicht gleichzusetzen ist (vgl. BFH-Urteil vom 5. Oktober 2004 VII R 77/03, BFHE 207, 504, BStBl II 2005, 122).

Diesem Ergebnis steht nicht das Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren entgegen (Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG). Zwar beruht die Aufhebung des Bescheides auf einer entsprechenden Anregung des Gerichts. Diese Anregung ist aber als unverbindliche Erklärung zu werten. Auch wenn das Gericht Anregungen oder Hinweise gibt, liegt die Verantwortung für die von einem Beteiligten durchgeführten Handlungen bei diesem selbst. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Beteiligte, wie im Streitfall das Finanzamt, eigene Rechtskunde besitzt. Dieser muss deshalb die für ihn nachteiligen Rechtsfolgen auch dann tragen, wenn er sich über deren Auswirkungen geirrt haben sollte und darin sogar vom Gericht bestärkt worden ist (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 5. Oktober 2004 VII R 77/03, BFHE 207, 504, BStBl II 2005, 122 mit weiterem Hinweis). Darüber hinaus hätte der Beklagte durch eine Neubescheidung mit gleichzeitiger Aufhebung des Ausgangsbescheides den Ablauf der Festsetzungsfrist verhindern können (vgl. BFH-Urteil vom 5. Oktober 2004 VII R 18/03, BFHE 208, 292, BStBl II 2005, 323). Seiner in der mündlichen Verhandlung gegebenen Zusage, den Ausgangsbescheid aufzuheben, wäre der Beklagte durch diese Verfahrensweise nachgekommen. Denn es war für die Prozessbeteiligten eindeutig erkennbar, dass die Aufhebung nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zum Erlass eines rechtmäßigen Neubescheides sein sollte.

Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des BFH-Urteils vom 6. Juli 2005 (XI R 15/04, BFHE 210, 4, BStBl II 2005, 644). In diesem Urteilsfall hat der BFH zwar eine Klagerücknahme als unwirksam behandelt, die durch einen unzutreffenden schriftlichen Hinweis des Vorsitzenden Richters des FG veranlasst wurde. Der BFH hat aber ausdrücklich dargelegt, dass dies nur ausnahmsweise erfolgte, weil der Vorsitzende Richter vor dem Hintergrund einer verfahrensrechtlich komplizierten Rechtslage schriftlich einen unzutreffenden Hinweis gegeben hat und die Zurückweisung der Klage als unzulässig in Aussicht gestellt hat. Auf Grund der richterlichen Prozessförderungs- und Fürsorgepflicht habe der Vorsitzende eine besondere "prozessuale Garantenstellung". Dagegen sind Äußerungen der Senatsmitglieder über die materielle Rechtslage keine unzulässige Beeinflussung, zumal es zu den Aufgaben des Richters gehört, den Streitfall sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht mit den Beteiligten zu erörtern (§§ 79 Abs. 1 Nr. 2, 93 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO).

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus den schriftlich angekündigten Klageanträgen der X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG im Klageverfahren 11 K 4397/95 F, den angefochtenen Ausgangsbescheid in Gestalt des Änderungsbescheides aufzuheben und einen neuen Bescheid zu erlassen. Denn der Beklagte hat diesem Antrag nicht durch Erlass der Bescheide vom 27. Oktober und 21. Dezember 1999 im Sinne der Ablaufhemmung des § 171 Abs. 3 Satz 1 AO stattgegeben. Aus der Klagebegründung im Verfahren 11 K 4397/95 F ist zu entnehmen, dass die X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG in diesem Verfahren die Feststellung eines Veräußerungsgewinnes statt eines laufenden Gewinnes begehrte. Die schriftlich gestellten Anträge sind deshalb als ein Antrag auf Änderung des Ausgangsbescheides auszulegen.

Die Festsetzungsfrist ist auch nicht unbeachtlich nach § 174 Abs. 4 Satz 3 AO, da die Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO nicht erfüllt sind. Die Regelung des § 174 Abs. 4 AO umfasst lediglich die Fälle, in denen die Finanzbehörde aus "einem bestimmten Sachverhalt" die steuerrechtlichen Folgerungen ziehen will, sich dabei aber darüber irrt, welches Steuerobjekt, welches Steuersubjekt (welchen Steuerpflichtigen; Inhaltsadressaten) und welchen Zeitraum bzw. Zeitpunkt diese Folgerungen betreffen (vgl. Tipke/Kruse, AO/FGO Kommentar, § 174 AO RdNr.15). Bestimmter Sachverhalt i.S. dieser Vorschrift ist ein steuererheblicher Lebensvorgang, an den das Gesetz steuerrechtliche Folgerungen knüpft. Der Begriff des bestimmten Sachverhaltes ist dabei nicht auf eine einzelne steuererhebliche Tatsache oder ein einzelnes steuerrechtlich bedeutsames Merkmal beschränkt, sondern erfasst den einheitlichen, für diese Besteuerung maßgeblichen Sachverhaltskomplex (vgl. BFH-Urteil vom 18. Februar 1997 VIII R 54/95, BFHE 183, 6, BStBl II 1997,647 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). Unerlässlich ist, dass der Irrtum das materielle Recht betrifft. Verstöße formellrechtlicher Art werden von § 174 Abs. 4 AO nicht erfasst. (vgl. BFH-Urteil vom 26. Oktober 1994 II R 84/91, BFH/NV 1995, 476; Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, AO § 174 RdNr. 1, 232, 235; Schwarz, Abgabenordnung, § 174 RdNr. 66).

Im vorliegenden Fall hat der Beklagte rechtsfehlerhaft angenommen, dass die in dem Ausgangsbescheid getroffenen Feststellungen für die Rechtmäßigkeit ausreichend seien und den Ausgangsbescheid aufgehoben, nachdem er erkannt hatte, dass der zeitlich genau bezeichnete Besteuerungszeitraum und alle Feststellungsbeteiligten in dem Bescheid erwähnt werden müssen. Diese Angaben stellen keinen materiellrechtlichen Lebenssachverhalt dar, an den die Steuergesetze die Entstehung eines Steueranspruchs knüpfen, sondern sind formelle Voraussetzungen, die zur Durchsetzung des Steueranspruchs in den Steuerbescheid aufgenommen werden müssen.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der BFH-Urteile vom 14. September 1978 (IV R 49/74, BFHE 126, 262, BFHE 183, 6, BStBl II 1979, 159) und vom 19. April 1994 (VIII R 48/93, BFH/NV 1995, 84), die der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 2. Mai 2006 zur Bekräftigung seiner Rechtsauffassung angeführt hat. Diesen Urteilen lagen Sachverhalte zu Grunde, die mit der Sachlage des vorliegenden Klageverfahrens nicht vergleichbar sind. Die BFH-Urteile behandelten Fälle, in denen das Finanzamt ein Wirtschaftsjahr in zwei, zeitlich aufeinander folgende Besteuerungszeiträume (Rumpfwirtschaftsjahre) aufgeteilt hatte und dementsprechend zwei einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellungsbescheide für ein Wirtschaftsjahr erlassen hatte. Ein Gewinnfeststellungsbescheid enthielt jeweils den Besteuerungszeitraum vom Beginn des Wirtschaftsjahres bis zum Ausscheiden eines Gesellschafters und der andere Gewinnfeststellungsbescheid jeweils den Besteuerungszeitraum vom Zeitpunkt des Ausscheidens des Gesellschafters bis zum Ende des Wirtschaftsjahres. Da von keiner Partei geltend gemacht worden war, dass eine das ganze Wirtschaftsjahr umfassende Gewinnfeststellung das Steuergeheimnis eines der Beteiligten verletze, war nach Ansicht des BFH ein das ganze Wirtschaftsjahr umfassender Gewinnfeststellungsbescheid zu erlassen. Der in den Verfahren angefochtene Gewinnfeststellungsbescheid mit dem Besteuerungszeitraum vom Beginn des Wirtschaftsjahres bis zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Gesellschafters sei aufzuheben und auf der Grundlage des § 174 Abs. 4 AO ein das ganze Wirtschaftsjahr umfassender Gewinnfeststellungsbescheid zu erlassen. Unerheblich sei, dass der Gewinnfeststellungsbescheid über den Besteuerungszeitraum vom Zeitpunkt des Ausscheidens des Gesellschafters bis zum Ende des Wirtschaftsjahres bereits bestandskräftig sei. Die Ersetzung dieses Bescheides könne auf § 174 Abs. 4 AO gestützt werden (vgl. BFH-Urteil vom 14. September 1978 IV R 49/74, BFHE 126, 262, BStBl II 1979, 159).

In diesen Fällen hat das Finanzamt die steuerlichen Folgen aus einem bestimmten Sachverhalt, nämlich dem Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer Personengesellschaft, die auch nach dem Ausscheiden des Gesellschafters weiterhin wirtschaftlich tätig ist, gezogen und sich darüber geirrt, dass dieser Sachverhalt nicht in verschiedene Besteuerungszeiträume aufzuteilen ist. Dieser Irrtum ist materiellrechtlicher Art und wird deshalb von § 174 Abs. 4 AO erfasst. Denn der Zeitraum, für den die nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a) AO festzustellenden Einkünfte zu ermitteln sind, ist ausschließlich dem materiellen Recht, nämlich dem Einkommensteuergesetz, zu entnehmen und gerade nicht in der Abgabenordnung, die das formelle Recht regelt, festgelegt. Der Gewinn eines Gewerbetreibenden oder Freiberuflers ist nach dem Wirtschaftsjahr zu ermitteln (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG in Verbindung mit § 4 a Abs. 1 Satz 1 EStG). Da die einheitliche und gesonderte Feststellung die Grundlage für die Festsetzung der Einkommensteuer abgeben soll, sind auch die einheitlichen und gesonderten Feststellungen nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a) AO für das Wirtschaftsjahr zu treffen (vgl. BFH-Urteil vom 19. April 1994 VIII R 48/93, BFH/NV 1995, 84 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).

Im vorliegenden Fall hat der Beklagte den Gewinn der X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG als ehemalige Gesellschafterin der Brotfabrik Z-GmbH & Co KG isoliert, dass heißt, ohne Einbeziehung der übrigen am Gewinn der Brotfabrik Z-GmbH & Co KG beteiligten Gesellschafter, festgestellt. Dies war auch zutreffend, da die Einbeziehung der X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG in die einheitliche Gewinnfeststellung zu einem Verstoß gegen das Steuergeheimnis geführt hätte (vgl. BFH-Urteil vom 24. November 1988 IV R 252/84, BFHE 155, 255, BStBl II 1989, 312). Der Beklagte hat somit gerade nicht irrtümlich ein Wirtschaftsjahr in zwei Rumpfwirtschaftsjahre aufgeteilt sondern in zutreffender Weise die materiellrechtlichen Besteuerungszeiträume bestimmt und mehrere Gewinnfeststellungsbescheide für das Wirtschaftsjahr 1987 erlassen.

Der Einlassung des Beklagten, er habe sich im Besteuerungszeitraum geirrt, dies sei daran erkennbar, dass in dem Ausgangsbescheid als Besteuerungszeitraum 1987 und gerade nicht der Zeitraum vom 4. April 1987 bis 10. April 1987 angegeben worden sei, kann nicht gefolgt werden. Durch den Verweis im Ausgangsbescheid auf den Betriebsprüfungsbericht vom 15. Februar 1994 stand eindeutig fest, dass der Ausgangsbescheid ausschließlich den Veräußerungsvorgang erfassen sollte. Der Betriebsprüfungsbericht vom 15. Februar 1994 beinhaltet ausschließlich die tatsächliche und rechtliche Beurteilung des Veräußerungsvorganges. Der laufende Gewinn der Brotfabrik Z-GmbH & Co. KG, der der Firma S-Großbäckereien GmbH & Co KG im Jahre 1987 zugerechnet wurde, und der Gewinn aus der Veräußerung der Y-Gruppe an die X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG wurden im Betriebsprüfungsbericht nicht erwähnt. Darüber hinaus enthält der Betriebsprüfungsbericht unter Tz. 10 eine Darstellung, welche Bescheide auf Grund der Feststellungen der Betriebsprüfung zu erlassen sind. Für 1987 seien drei unterschiedliche Bescheidausfertigungen zu erlassen: "a) Veräußerungsvorgang Y an Xb) Veräußerungsvorgang X an S c) Laufendes Ergebnis S". Da der Ausgangsbescheid vom 6. Januar 1995 den im Betriebsprüfungsbericht festgestellten Gewinn aus der Veräußerung der Brotfabrik Z-GmbH & Co KG von der X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG an die S-Großbäckereien GmbH & Co KG enthielt, stand somit widerspruchsfrei fest, dass dieser Bescheid den Veräußerungsvorgang der Brotfabrik Z-GmbH & Co KG von der X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG an die Firma S-Großbäckereien GmbH & Co KG betraf. Diese getrennte Erfassung war zur Wahrung des Steuergeheimnisses auch notwendig und stellt somit gerade keine irrtümliche Beurteilung sondern lediglich eine ungenaue formelle Bezeichnung des Besteuerungszeitraumes dar.

Der Ablauf der Festsetzungsfrist hinsichtlich der Feststellungsbescheide vom 27. Oktober und 21. Dezember 1999 (Grundlagenbescheide) ist auch nicht unerheblich, weil die Feststellungsfrist für die einheitliche und gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen der X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG (Folgebescheid) noch nicht abgelaufen war (§ 181 Abs. 5 Satz 1 AO).

Die X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG hat ihre Feststellungserklärung für das Streitjahr 1987 am 30. November 1988 abgegeben. Die regelmäßige Festsetzungsfrist begann somit mit Ablauf des 31. Dezember 1988 (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO) und endete vier Jahre später (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) mit Ablauf des 31. Dezember 1992.

Gründe, die zu einer Ablaufhemmung der regelmäßigen Festsetzungsfrist geführt haben, sind aus der Akte des Finanzamts D-Stadt nicht ersichtlich. Die Änderungen auf Grund der Betriebsprüfung sind bereits mit Änderungsbescheid vom 10. Juli 1992 umgesetzt worden (siehe Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO). Dieser Änderungsbescheid ist nicht durch Einspruch angefochten worden und somit bereits vor dem Ablauf der regelmäßigen Festsetzungsfrist unanfechtbar geworden. Eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO konnte nicht ausgelöst werden.

Die Festsetzungsfrist wurde auch nicht bis zum Ende des Jahres 1999 durch den Einspruch der X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG gegen den nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geänderten Bescheid vom 23. September 1992 in ihrem Ablauf gehemmt (§ 171 Abs. 3a Satz 1 AO). Denn das Finanzamt D-Stadt hat über den Einspruch durch Erlass des Abhilfebescheides vom 24. Januar 1996 entschieden. Dieser Abhilfebescheid ist unanfechtbar geworden.

Die Änderungen nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO mit Bescheid vom 10. Oktober 1997 wurden von der X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG nicht angefochten, so dass § 171 Abs. 3a Satz 1 AO auch insoweit nicht eingreifen konnte.

Der Antrag der X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG vom 27. August 1999 mit dem Begehren, das Finanzamt D-Stadt solle den laufenden Gewinn der X-Brot- und Backwaren GmbH & Co KG in Höhe von ./. 839.279,00 DM ansetzen, da der Beklagte zugesagt habe, die Ausgangsbescheide gegenüber der Y-Brot GmbH & Co KG und der Brotfabrik Z-GmbH & Co KG aufzuheben, ist nach Ablauf der Festsetzungsfrist gestellt worden. Da die Ablaufhemmung nach dem eindeutigen Wortlaut des § 171 Abs. 3 AO eine Antragstellung vor Ablauf der Festsetzungsfrist erfordert, hatte der gestellte Antrag keine Auswirkung auf die - im vorliegenden Fall bereits abgelaufene - Festsetzungsfrist.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der in der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Ansicht des Beklagten, die Festsetzungsfrist sei noch nicht abgelaufen, weil der Antrag auf Änderung des Folgebescheides zu einem Zeitpunkt gestellt worden sei, zu dem die Festsetzungsverjährung hinsichtlich des Grundlagenbescheides (Ausgangsbescheides) noch nicht abgelaufen gewesen sei. Eine Änderung des Folgebescheides sei somit nach Änderung des Grundlagenbescheides jederzeit möglich (§ 171 Abs. 10 AO) mit der Folge, dass der Antrag auf Änderung des Folgebescheides eine Ablaufhemmung im Sinne des § 171 Abs. 3 AO auslösen müsse. Der Beklagte übersieht bei dieser Argumentation, dass es sich bei dem Feststellungsbescheid (Grundlagenbescheid) und dem Folgebescheid um eigenständige Verwaltungsakte (§ 179 Abs. 1 AO, § 155 Abs. 1 Satz 1 AO) handelt, für die die Festsetzungsfristen eigenständig zu prüfen sind. Denn nach § 181 Abs. 1 Satz 1 AO gelten für die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen auch die Vorschriften über die Festsetzungsverjährung und die Ablaufhemmungen sinngemäß. Die Festsetzungsfrist ist - wie oben bereits ausgeführt - verwaltungaktsbezogen. Gegenseitige Einflüsse bestehen nur insoweit, als der Gesetzgeber diese ausdrücklich in den §§ 171 Abs. 10 AO und § 181 Abs. 5 AO vorgesehen hat. Eine gesetzliche Regelung, dass ein Antrag auf Änderung des Folgebescheides, der nach Ablauf der Feststellungs- oder Festsetzungsfrist des Folgebescheides gestellt wurde, die bereits abgelaufene Feststellungs- oder Festsetzungsfrist hinsichtlich des Folgebescheides wieder in Lauf setzt und hemmt, weil die Feststellungsfrist des Grundlagenbescheides noch nicht abgelaufen ist, gibt es nicht.

Eine der Ansicht des Beklagten entsprechende Regelung kann auch nicht unter Berücksichtigung des Gedankens angenommen werden, dass die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen keinen Selbstzweck hat und nur Teil des zwei- oder mehrstufigen Besteuerungsverfahrens ist. Dies wäre eine Rechtsanalogie. Die analoge Anwendung einer Vorschrift über ihren gesetzlichen Anwendungsbereich hinaus setzt voraus, dass das Gesetz selbst eine - bewusste oder unbewusste - Regelungslücke enthält. Eine solche Lücke kann in der Weise geschlossen werden, dass entweder auf eine für vergleichbare Fälle getroffene Regelung (Gesetzesanalogie) oder auf aus mehreren Regelungen abgeleitete Grundsätze (Rechtsanalogie) zurückgegriffen wird. Eine Regelungslücke besteht im vorliegenden Fall nach Ansicht des Senates nicht. Die gesetzlichen Regelungen zur Festsetzungs- und Feststellungsverjährung beinhalten den Grundsatz, dass der Folgebescheid erlassen oder geändert werden kann, wenn die Feststellungsfrist für den Grundlagenbescheid noch nicht abgelaufen ist (§ 171 Abs. 10 AO), und dass der Grundlagenbescheid erlassen werden kann, wenn die Festsetzungs- oder Feststellungsfrist des Folgebescheides noch nicht abgelaufen ist (§ 181 Abs. 5 Satz 1 AO). Bei der Prüfung, ob die Feststellungs- oder Festsetzungsfrist des Folgebescheides abgelaufen ist, bleibt gem. § 181 Abs. 5 Satz 1, 2. Halbsatz AO der § 171 Abs. 10 AO außer Betracht. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll somit die Festsetzungs- oder Feststellungsfrist des Folgebescheides gerade unabhängig von dem Grundlagenbescheid geprüft werden. Die Ansicht des Beklagten würde eine Prüfung der Feststellungsfrist des Grundlagenbescheides bei der Prüfung der Verjährungsfrist des Folgebescheides erfordern und somit zu dem gesetzlich in § 181 Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz AO - für einen vergleichbaren Fall - ausgeschlossenen Zirkelschluss führen (siehe dazu auch BFH-Urteil vom 19. Januar 2005 X R 14/04, BFHE 208, 410, BStBl II 2005, 242). Darüber hinaus kann eine Ablaufhemmung nach ihrer gesetzliche Konzeption nur eine laufende Frist hemmen, nicht aber eine bereits abgelaufene Frist wieder erneut in Gang setzen. Außerdem ist der Eintritt der Festsetzungsverjährung auf Grund der weitreichenden Bedeutung nach klaren und eindeutigen Regelungen zu bestimmen und nicht durch Rechtsanalogien aufzuweichen.

Da die Feststellungsbescheide vom 27. Oktober 1999 und 21. Dezember 1999 nach Ablauf der Festsetzungsfrist erlassen worden sind und allein aus diesem Grund aufzuheben sind, kann der Senat die Frage, ob der Ausgangsbescheid nichtig gewesen ist und deshalb die Festsetzungsfrist nicht hemmen konnte, dahingestellt lassen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Entscheidung zur Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren beruht auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.



Ende der Entscheidung

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