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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 10.05.2007
Aktenzeichen: 11 K 2363/05 E
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 3 Nr. 40
EStG § 3 c Abs. 2
EStG § 17
EStG § 23 Abs. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

11 K 2363/05 E

Tenor:

Der Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 20.05.2005 wird insoweit geändert, dass der geltendgemachte Veräußerungsverlust i. S. d. § 17 EStG nicht nur zur Hälfte sondern in seiner vollen Höhe von 43.750 EUR berücksichtigt wird. Die Steuerberechnung wird dem Beklagten übertragen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreites.

Die Revision wird zugelassen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Streitig ist, ob ein Veräußerungsverlust i. S. d. § 17 Einkommensteuergesetz (EStG) wegen der Anwendung des sogenannten Halbabzugsverbots gem. § 3 c Abs. 2 EStG bei der Steuerfestsetzung des Jahres 2002 nur zur Hälfte zu berücksichtigen ist.

Der Kläger kaufte im August 2000 insgesamt 87.500 Aktien der nicht börsennotierten AB-AG. Dieses Aktienpaket machte 12,5 % des Grundkapitals der AG i. H. v. 700.000 EUR aus. Auf die Aktien mit einem Nennwert von 1 EUR pro Aktie waren erst 0,25 EUR pro Aktie, d. h. für das 12,5 %-ige Aktienpaket 21.875 EUR eingezahlt. Diesen Betrag zahlte der Kläger als Kaufpreis. Das strategische Gesamtkonzept der AB-AG war ausgerichtet auf die Geschäftsfelder der Venture-Capital-Beteiligungen und des aktiven Eigenhandels mit Wertpapieren in den Marktsegmenten Neuer Markt in Deutschland und NASDAQ in den USA. Auf Grund der Börsenkrise entwickelte sich das Geschäft der AB-AG im Jahr 2001 immer schlechter. Die AB-AG wurde zum 01.01.2002 in C-AG umbenannt und durch Erweiterung des Geschäftsgegenstandes strategisch neu ausgerichtet. Da sich die geschäftlichen Erwartungen aber auch im weiteren Verlauf nicht erfüllten, verhandelte der Kläger im Herbst 2002 mit seinen Mitgesellschaftern über einen Ausstieg aus der AG. Die Mitgesellschafter erklärten sich bereit, sein Aktienpaket zu übernehmen. Da das eingezahlte Kapital aber längst aufgezehrt worden war und die Verbindlichkeiten nur durch die noch ausstehenden Einlagen der Gesellschafter abgedeckt wurden, bestanden die Mitgesellschafter auf einem finanziellen Ausgleich für die Übernahme der Haftung für die noch ausstehenden Einlagen. Mit Kaufverträgen vom 19. und 20.12.2002 übertrug der Kläger seine Aktien an die Mitgesellschafter und zahlte ihnen als Ausgleich für die Freistellung von der Haftung bezüglich der noch ausstehenden Einlagen weitere 21.875 EUR.

Den Verlust i. H. v. insgesamt 43.750 EUR erklärten die Kläger in ihrer Einkommensteuererklärung für 2002 als Veräußerungsverlust i. S. d. § 17 EStG.

Durch Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 30.03.2004 wurde die Einkommensteuer der Kläger unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ohne Berücksichtigung des erklärten Veräußerungsverlustes festgesetzt.

Die Kläger legten gegen den Einkommensteuerbescheid fristgerecht Einspruch ein. Daraufhin erließ der Beklagte am 12.05.2004 einen gem. § 164 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid für 2002 und berücksichtigte negative Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb i. H. v. 21.875 EUR. Am 06.07.2004 änderte der Beklagte den Einkommensteuerbescheid der Kläger erneut, an den Einkünften aus Gewerbebetrieb änderte sich jedoch nichts.

Mit Einspruchsentscheidung vom 04.05.2005 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung beruft sich der Beklagte darauf, dass gem. § 52 Abs. 4 a Nr. 2 EStG 2002 die Vorschrift des § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG anzuwenden sei, da für die Gesellschaft, deren Aktien verkauft worden seien, zu diesem Zeitpunkt bereits das neue Körperschaftsteuergesetz in der Fassung des Art. 3 des Gesetzes vom 23.10.2000 gegolten habe. Die bei der Ermittlung des Veräußerungsergebnisses zu berücksichtigenden Anschaffungs- und Veräußerungskosten dürften somit gem. § 3 c Abs. 2 EStG nur zur Hälfte abgezogen werden. Trotz eines vereinbarten Entgeltes von 0 EUR liege eine Veräußerung und damit der Tatbestand des § 17 EStG vor. § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG verstoße auch nicht gegen die Verfassung. Der Gesetzgeber habe bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Es werde angenommen, dass bei der Entscheidung des Gesetzgebers, die Hälfte des Veräußerungspreises bei der Errechnung des § 17 EStG unterliegenden Ergebnisses anzusetzen, davon ausgegangen worden sei, dass ein Ausgleich für die bereits erfolgte Versteuerung der Erträge bei der Kapitalgesellschaft bereits dann gegeben sei, wenn die mit der Veräußerung im wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Kosten ebenfalls nur zur Hälfte Berücksichtigung fänden.

Am 20.05.2005 änderte der Beklagte den Einkommensteuerbescheid der Kläger aus Gründen, die in keinem Zusammenhang mit dem Klageverfahren stehen.

Die Kläger haben am 06.06.2005 Klage erhoben.

Zur Begründung ihrer Klage ergänzen die Kläger ihre Sachverhaltsdarstellung im Verwaltungsverfahren wie folgt: Die C-AG befinde sich auf Grund eines Beschlusses der außerordentlichen Hauptversammlung der AG vom 15.07.2004 in Liquidation. Von den noch vorhandenen Gesellschaftern habe ein wesentlicher Anteil der ausstehenden Einlagen zur Tilgung der Fremdverbindlichkeiten eingezahlt werden müssen.

Die Kläger sind der Ansicht, dass § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG i. V. m. § 3 c Abs. 2 Satz 1 EStG den Gewinn aus der Veräußerung eines Kapitalgesellschaftsanteils hälftig von der Einkommensteuer befreien soll, um eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung mit Einkommen- und Körperschaftsteuer auszuschließen. Die Einbeziehung von Veräußerungsgewinnen in das Halbeinkünfteverfahren rechtfertige sich daraus, dass der Gesetzgeber den Gewinn aus Anteilsveräußerungen mit einer Totalgewinnausschüttung gleichsetze. Es solle steuerlich keinen Unterschied machen, ob der Anteilseigner seine Beteiligung an der Kapitalgesellschaft veräußere oder diese zuvor ihre offenen Rücklagen und ihre stillen Reserven an den Anteilseigner ausschütte. Da der Anteilswert durch die Gewinnausschüttung sinke, trete kein zusätzlicher Veräußerungsgewinn mehr ein. Es mache daher Sinn, die Anteilsveräußerung der Ausschüttung wirtschaftlich gleichzustellen. In beiden Fällen kumuliere die auf der Ebene der Kapitalgesellschaft entstandene bzw. noch entstehende Körperschaftsteuer mit der Einkommensteuer des Anteilseigners. Um diese wirtschaftliche Steuerkumulation zu beseitigen, sei das Halbeinkünfteverfahren nicht nur auf Ausschüttungen, sondern auch auf Veräußerungen anzuwenden.

Vor diesem Hintergrund qualifiziere die ganz herrschende Meinung die hälftige Freistellung des Veräußerungspreises i. S. d. § 17 Abs. 2 EStG durch § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG nicht als echte Steuerbefreiung. Die Vorschrift sei systematisch deplaziert. Bei dieser "unechten Befreiung" handele es sich um ein technisches Instrument um die körperschaftsteuerliche Vorbelastung beim Anteilseigner zu berücksichtigen. Zur Begründung dieser Rechtsansicht berufen sich die Kläger u. a. auf Schön, StuW 2000, 151, 154; ders., FR 2001, 381; 385; Pezzer, FR 2000, 144, 150; ders., DStJG Bd. 25, 37, 55; Sigloch, StuW 2000, 160, 166; Rödder/Schumacher, DStR 2000, 353, 357; dies., DStR 2001, 1634, 1640; Crezelius, DB 2001, 221, 228; Kessler, StbJb. 2000/01, 339, 361 f.; Breuninger, StbJb. 2002/03, 333, 340; Harle, BB 2003, 184, 187; Schneider in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 17 Rz. C 42; von Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghof, EStG, § 17 Rz. C 42; von Beckerath in Kirchhof, EStG, 4. Auflage, § 3 c Tz. 29; Intemann in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 3 c Nr. 40 EStG Tz. 13, 18.

Existiere materiellrechtlich gar keine Steuerbefreiung, sei es nur vordergründig plausibel, korrespondierend zu dem Halbeinnahmeverfahren auch nur den "Halbabzug" der Erwerbsaufwendungen zuzulassen. Besonders drastisch seien die systeminkonsequenten Folgen des sogenannten Halbabzugsverbotes des § 3 c Abs. 2 EStG im Fall von Veräußerungsverlusten. Bei Veräußerungsverlusten entstehe a priori keine wirtschaftliche Doppelbelastung von Körperschaft- und Einkommensteuer, die durch ein sogenanntes Halbeinkünfteverfahren auf Einkommensteuerebene abzumildern wäre. § 3 Nr. 40 EStG sei bei Veräußerungsverlusten schlicht funktionslos. Wende man § 3 Nr. 40 EStG i. V. m. § 3 c Abs. 2 Satz 1 EStG in vermeintlich formaler Konsequenz gleichwohl auf Veräußerungsverluste an, wandele sich das zum Schutz des Anteilseigners vor wirtschaftlicher Doppelbelastung eingeführte Halbeinkünfteverfahren dysfunktional zu seinen Lasten. Es erhalte plötzlich den Charakter eines hälftigen Verlustabzugsverbotes, das weder mit den speziellen Verlustausgleichsbeschränkungen in §§ 17 Abs. 2 Satz 4, 23 Abs. 3 Sätze 8, 9 EStG abgestimmt sei noch sich ansonsten in das Einkommensteuersystem einfüge. Das sogenannte Halbabzugsverbot bei Verlusten widerspreche der vom Gesetzgeber mit dem Halbeinkünfteverfahren verfolgten Intention. Wenn der Gesetzgeber - wie zunächst geplant - zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht das Halbeinkünfteverfahren, sondern nach österreichischem Vorbild den Steuersatz halbiert hätte, wären Veräußerungsverluste in vollem Umfang ausgleichsfähig geblieben. Im Anwendungsbereich des § 34 EStG sei noch niemand auf die Idee gekommen, Negativposten nur hälftig abzuziehen. Ein Grund für die Einbeziehung der Verlustfälle in den Anwendungsbereich des § 3 c Abs. 2 EStG ergebe sich aus den Gesetzesmaterialien nicht.

Die Anwendung des sogenannten Halbabzugsverbotes i. S. d. § 3 c Abs. 2 EStG auf einen Veräußerungsverlust i. S. d. § 17 EStG verstoße gegen das verfassungsrechtlich fundierte objektive Nettoprinzip und gegen das in Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz verankerte Gebot der Folgerichtigkeit.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts werde der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers im Bereich des Steuerrechts durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit begrenzt (BVerfG-Beschluss vom 04.12.2002 2 BvR 400/98, 1735/00, BVerfGE 107, 27, 46). Eine Konkretisierung des Prinzips der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit stelle das objektive Nettoprinzip dar (BVerfG-Beschlüsse vom 30.09.1998 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88, 96; vom 11.11.1998 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, 280, 290; vom 07.12.1999 2 BvR 301, 98, BVerfGE 101, 297, 310; vom 04.12.2002 2 BvR 400/98, 1735/00, BVerfGE 107, 48). Dies bedeute, dass der Gesetzgeber sämtliche Einkunftsarten nach dem Nettoprinzip, das die durch die Erwerbstätigkeit bedingten Aufwendungen zum Abzug zulasse, zu erfassen habe, weil die Aufwendungen das disponible, für die Einkommensbesteuerung verfügbare Einkommen minderten. Dies gelte gerade auch für die Verrechnung von erwerbswirtschaftlich eingetretenen Verlusten mit positiven Einkünften. Nach ganz herrschender Meinung verstoße das hälftige Abzugsverbot des § 3 c Abs. 2 EStG gegen das objektive Nettoprinzip (Schön, StuW 2000, 151, 154; ders., FR 2001, 381, 386; Crezelius, DB 2001, 221, 227; Frotscher, DStR 2001, 2044, 2050; Pezzer, DStJG Bd. 25, 43, 54 ff.; Harenberg, FR 2002, 768, 770; Herrmann in Frotscher, EStG, § 3 c Tz. 7; Intemann in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 3 Nr. 40 EStG Tz. 13, 18; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 24. Auflage, § 17 Rz. 190). Die Anwendung des § 3 c Abs. 2 EStG benachteilige den Steuerpflichtigen, der einen Verlust aus der Veräußerung einer Kapitalbeteiligung in vollem Umfang zu tragen habe, gegenüber anderen Steuerpflichtigen, insbesondere solchen, die einen Veräußerungsverlust aus einem Mitunternehmeranteil i. S. d. § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG in vollem Umfang einkommensteuerlich mit anderen Einkünften saldieren können. Der durch die Anwendung des Halbabzugsverbots bewirkte Zugriff auf steuerlich indisponible Einkommensteile führe nicht nur zur Verletzung des Grundrechts des Klägers aus Art. 3 Abs. 1 GG sondern auch zu einer unverhältnismäßigen Überbesteuerung und zu einem Verstoß gegen Art. 14 GG.

Außerdem verstoße das sogenannte hälftige Verlustausgleichsverbot gegen das in Art. 3 Abs. 1 GG verankerte Gebot der Folgerichtigkeit. Ausnahmen von der folgerichtigen Umsetzung der mit dem objektiven Nettoprinzip getroffenen Belastungsentscheidung bedürften nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eines besonderen, sachlich rechtfertigenden Grundes. Ein solcher Rechtfertigungsgrund sei bei der Beschränkung des Verlustabzuges nicht ersichtlich. Pezzer habe die Willkürlichkeit des Halbabzugsverbotes durch § 3 c Abs. 2 EStG wie folgt beschrieben (vgl. Pezzer, DStJG Bd. 25, 55 f.): "Während der Gesetzgeber für die Besteuerung der Einnahmen Körperschaft und Anteilseigner, zumal Mutter- und Tochtergesellschaft, wirtschaftlich als Einheit betrachte und eine Mehrfachbelastung durch das Halbeinkünfteverfahren und die Befreiung gem. § 8 b KStG verhindern wolle, kapriziere man sich beim Abzug von entsprechenden Ausgaben auf die Trennung der Steuersubjekte. Dieser in sich widersprüchliche Wechsel der Grundprinzipien lasse sich nur als willkürlich bezeichnen und verstärke die verfassungsrechtlichen Bedenken."

Außerdem sind die Kläger der Ansicht, dass, da der Kläger keinerlei Einnahmen aus der Veräußerung erzielt habe und die geltendgemachten Aufwendungen ursprüngliche und nachträgliche Anschaffungskosten seien, § 3 c Abs. 2 Satz 1 EStG bereits auf Grund seines Wortlautes keine Anwendung finde. Denn gem. § 3 c Abs. 2 Satz 1 1. Halbs. EStG dürften nur alle Veräußerungs- und Werbungskosten, die mit den dem § 3 Nr. 40 EStG zu Grunde liegenden Einnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, nur zur Hälfte abgezogen werden. Nach seinem Wortlaut und in Übereinstimmung mit dem Normzweck finde das Halbabzugsverbot des § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG i. V. m. § 3 c Abs. 2 Satz 1 EStG auf einen Veräußerungsverlust keine Anwendung. Etwas anderes ergebe sich auch nicht dadurch, dass § 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 EStG den Veräußerungsverlust trotz eines Kaufpreises von 0 EUR erfasse. Die Einordnung eines Veräußerungsverlustes unter § 17 EStG setze nicht automatisch die Rechtsfolge des § 3 Nr. 40 Buchst. c i. V. m. § 3 c Abs. 2 Satz 1 EStG in Gang.

Auch wenn der Wortlaut des § 3 c Abs. 2 Satz 1 1. Halbs. EStG insoweit nicht ganz eindeutig sei, ergebe sich das Auslegungsergebnis rechtsmethodisch zumindest im Wege einer teleologischen Reduktion und verfassungskonformen Auslegung der Vorschrift. Da das Halbabzugsverfahren die Grundrechte des Klägers aus Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG verletze, sei bei Bestehen von zwei Auslegungsmöglichkeiten die Auslegung zu wählen, die zu einem verfassungskonformen Ergebnis führe. Bei teleologisch verfassungskonformer Auslegung seien mithin die Totalverlustfälle aus dem Anwendungsbereich des § 3 Nr. 40 Buchst. c i. V. m. § 3 c Abs. 2 Satz 1 EStG herauszunehmen.

In der Dissertation von Beck zum Thema "Die Besteuerung von Beteiligungen an körperschaftsteuerpflichtigen Steuersubjekten im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht" sei nachgewiesen worden, dass die systematische Stellung des § 3 Nr. 40 EStG verfehlt sei. Die Überschrift "steuerfreie Einnahmen" treffe weder auf die Dividenden noch auf die Veräußerungsgewinne zu. Ziel des Gesetzgebers sei gerade keine Privilegierung dieser Einkünfte gewesen. Vielmehr habe der Gesetzgeber allein die mit diesen Einkünften zusammenhängende steuerliche Vorbelastung durch Körperschaftsteuer berücksichtigen und die ertragsteuerliche Einmalbesteuerung des Gewinns sicherstellen wollen. Von einer Nichtberücksichtigung eines steuerlichen Negativergebnisses des Anteilseigners spreche die Gesetzesbegründung an keiner Stelle. Der Entwurf der sogenannten Brühler Kommission habe vorgesehen, dass auf der Ebene der Anteilseigner die körperschaftsteuerliche Vorbelastung dadurch berücksichtigt werden solle, dass die Nettodividende (ausgeschütteter Gewinn abzüglich der Werbungskosten) zur Hälfte in die Bemessungsgrundlage für die persönliche Einkommensteuer des Anteilseigners einbezogen werde. Damit wäre auch ein negatives Endergebnis berücksichtigt worden und der Begriff "Halbeinkünfteverfahren" für die Besteuerung beim Anteilseigner wäre richtig gewesen. Der Gesetzesentwurf habe statt dessen § 3 c Abs. 2 EStG eingeführt, wonach die Aufwendungen nur zur Hälfte berücksichtigt werden dürfen, während andererseits von den Bruttoeinnahmen die Hälfte über § 3 Nr. 40 EStG erfasst werde. Es handele sich somit um ein Halbeinnahmeverfahren, das um ein Halbabzugsverfahren ergänzt werde. Eine amtliche Begründung für das Verfahren, zweimal die Hälfte vom Bruttobetrag statt nur einmal die Hälfte des positiven Nettobetrages zu besteuern, fehle.

Der bei den Klägern vom Beklagten nicht berücksichtigte hälftige Verlust bleibe steuerlich endgültig unberücksichtigt, obwohl er in vollem Umfang als echter Verlust angefallen sei. Ihn hälftig auszuschließen, entspreche auch keinem Verbot des doppelten Verlustabzuges. Auf der Ebene der AG bleibe der Verlust hängen, da keine positiven Gewinne erwirtschaftet worden seien und auch in Zukunft nicht mehr erwirtschaftet werden. Die nachschusspflichtigen Mitgesellschafter hätten sich auf ihre nachträglich erbrachten Einlagen die Ausgleichzahlung des Klägers mindernd anrechnen zu lassen und unterfielen im Übrigen nach der vom Beklagten vertretenen Rechtsauffassung ebenfalls dem Abzugsverbot.

Art. 14 GG schütze den als Ergebnis eigenverantwortlich unternehmerischer Tätigkeit erzielten Ertrag, soweit dieser unverzichtbar sei, um negative Einkünfte auszugleichen, die ihrerseits als Ergebnis eigenverantwortlicher Tätigkeit innerhalb derselben oder mehrerer Einkunftsarten entstanden seien. Der gem. § 17 EStG einkommensteuerlich relevante Verlust i. H. v. 43.750 EUR sei Ausfluss einer durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Kapitalanlage. Um diesen Verlust wirtschaftlich zu tragen, müsse der Kläger 43.750 EUR Einkünfte aus nichtselbstständiger bzw. selbstständiger Tätigkeit, die durch Art. 12 Abs. 1 GG und deren Ergebnis durch Art. 14 GG geschützt würde, aufbringen. Da dieser Betrag zur Steuerzahlung nicht mehr zur Verfügung stehe, sei neben Art. 3 GG auch Art. 14 GG verletzt.

Die Kläger beantragen,

1.) den Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 20.05.2005 insoweit zu ändern, dass der geltendgemachte Veräußerungsverlust i. S. d. § 17 EStG nicht nur zur Hälfte sondern in seiner vollen Höhe von 43.750 EUR berücksichtigt wird,

hilfsweise das Verfahren auszusetzen und nach Art. 100 Abs. 1 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Vereinbarkeit des Halbabzugsverbotes des § 3 c Abs. 2 Satz 1 EStG mit Art. 3 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG einzuholen,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage als unbegründet abzuweisen,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Zur Begründung seines Antrags beruft sich der Beklagte darauf, dass ein Verlust aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften i. S. d. § 17 EStG unter Anwendung der Vorschriften der §§ 17 Abs. 2, 3 Nr. 40 Buchst. c und 3 c Abs. 2 EStG anzusetzen sei. Dies bedeute, dass Veräußerungspreis, Veräußerungskosten und Anschaffungskosten der Anteile jeweils nur zur Hälfte zu berücksichtigen seien.

Entgegen der Auffassung der Kläger sei das Veräußerungsgeschäft unter den Wortlaut der §§ 3 Nr. 40 Buchst. c und 3 c Abs. 1 Satz 1 EStG subsumierbar. Der Kläger habe sehr wohl einen Veräußerungspreis und damit Einnahmen i. S. d. §§ 3 Nr. 40 Buchst. c und 3 c Abs. 2 Satz 1 EStG erzielt. Selbst wenn man unterstelle, dass die übertragenen Anteile keinen wirtschaftlichen Wert mehr gehabt hätten, so sei davon auszugehen, dass die Anteilserwerber zumindest i. H. der Geldzahlung des Klägers i. H. v. 21.875 EUR eine adäquate Gegenleistung erbracht hätten, in dem sie die noch ausstehende Einzahlungsverpflichtung auf die Stammeinlage übernommen hätten.

Der gem. § 3 c Abs. 2 EStG nur hälftig vorzunehmende Ansatz der Veräußerungs- und Anschaffungskosten sei systemgerecht, da die Aufwendungen insoweit mit steuerfreien Einnahmen gem. § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG in Zusammenhang stünden. Die Vorschrift des § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG bewirke beim Gesellschafter eine faktische Steuerbefreiung i. H. v. 50 % der Einnahmen aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften. Ob und in welchem Umfang im konkreten Einzelfall auf Ebene der Gesellschaft eine entsprechende steuerliche Belastung entstehe oder entstanden sei, spiele für die Gewährung der Steuerbefreiung keinerlei Rolle. Ebensowenig entscheidend sei, ob die steuerliche Entlastung beim Gesellschafter durch die Vorschriften der §§ 3 und 3 c EStG stets zu einer exakten Beseitigung einer Doppelbelastung bei Gesellschafter und Gesellschaft führe, denn letztlich lasse sich beim Anteilseigner immer erst unter Berücksichtigung seiner gesamten persönlichen Besteuerungsmerkmale ersehen, in welchem Umfang sich eine Steuerbefreiung überhaupt wirtschaftlich auswirke. Ausgehend davon, dass § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG beim Anteilseigner eine echte Steuerbefreiung hinsichtlich der hälftigen Einnahmen bewirke, sei es nur systemkonsequent, die im Zusammenhang mit den steuerbefreiten Einnahmen stehenden Aufwendungen gem. § 3 c Abs. 2 EStG auch nur hälftig steuermindernd zu berücksichtigen.

Der Einwand der Kläger, die Anwendung des § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG gehe bei Veräußerungsverlusten ins Leere und widerspreche der Intention des Gesetzgebers, mit dem Halbeinkünfteverfahren die Doppelbelastung von Körperschaft- und Einkommensteuer zu beseitigen, vermöge nicht zu überzeugen. Die Anwendung der §§ 3 Nr. 40 Buchst. c und 3 c Abs. 2 EStG hänge maßgeblich davon ab, ob der Veräußerer Einnahmen erziele. Ob er aus dem Veräußerungsgeschäft insgesamt einen Gewinn erwirtschafte oder einen Verlust erleide, sei für die Gewährung der Steuerbefreiung nicht von Bedeutung. Dies folge zwingend aus der gesetzgeberischen Intention. Die Frage der steuerlichen Doppelbelastung stelle sich nämlich immer nur dann, wenn der Anteilseigner Einnahmen erziele. Werden - anders als im Streitfall - keine Einnahmen erzielt, weil z. B. Verluste der Gesellschaft zu einer Wertminderung der Anteile geführt hätten, dann sei davon auszugehen, dass auch auf der Ebene der Gesellschaft auf Grund der Verluste keine entsprechende steuerliche Belastung vorliege. Folglich stünden die Vorschriften der §§ 3 Nr. 40 Buchst. c und 3 c Abs. 2 EStG nicht im Widerspruch zu den gesetzgeberischen Intentionen im Zusammenhang mit der Einführung des Halbeinkünfteverfahrens.

Entgegen der Auffassung der Kläger liege kein Verstoß gegen das Prinzip der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit vor. Soweit die Kläger in dem hälftigen Verlustabzugsverbot eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung sehen, könne dem schon deshalb nicht gefolgt werde, weil das EStG keine einheitliche Regelung zur steuerlichen Behandlung von Verlusten beinhalte. Verluste seien zum Teil uneingeschränkt (vgl. § 2 Abs. 3 EStG), zum Teil eingeschränkt ausgleichsfähig bzw. verrechenbar (vgl. §§ 2 b, 10 d, 15 a EStG) oder steuerlich gar nicht berücksichtigungsfähig (vgl. § 17 Abs. 2 Satz 4 EStG). Insofern lasse sich aus der Systematik des EStG kein Anspruch der Kläger herleiten, Veräußerungsverluste i. S. d. § 17 EStG uneingeschränkt abziehen zu können.

Ein Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip sei ebenfalls nicht erkennbar. Wenn der Gesetzgeber Gewinne und Verluste insofern gleichbehandele, als beide nur zur Hälfte angesetzt werden, sei dies einleuchtend. Ein Widerspruch zu der mit der Einführung des Halbeinkünfteverfahrens verfolgten gesetzgeberischen Intention sei nicht erkennbar. Durch § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG werde immer dann eine steuerliche Doppelbelastung vermieden, wenn der Anteilseigner Einnahmen erziele, die zuvor auf Ebene der Gesellschaft der Besteuerung unterlegen hätten und zwar unabhängig davon, ob und in welchem Umfang dem Anteilseigner Aufwendungen entstanden seien. Diese generalisierende Betrachtungsweise sei gerechtfertigt. Denn es sei nicht einleuchtend, demjenigen Anteilseigner nur die Hälfte seiner Aufwendungen zu gewähren, der insgesamt einen Veräußerungsgewinn erzielt habe, während demjenigen Anteilseigner, der - und sei es auch nur i. H. eines einzigen Euros - einen Veräußerungsverlust erleide, der unbegrenzte Abzug seiner Aufwendungen gestattet würde. Im letzteren Fall wäre zudem zu berücksichtigen, dass es unter Umständen bereits auf der Ebene der Gesellschaft zu einer steuerlichen Entlastung kommen könne, wenn die Gesellschaft z. B. laufende Verluste mit Gewinnen aus anderen Veranlagungszeiträumen verrechne. In diesem Fall käme ein unbegrenzter Abzug der Aufwendungen einer doppelten Begünstigung von Gesellschaft und Gesellschaftern gleich. Dies zeige bereits, dass sehr viele unterschiedliche Fallgestaltungen denkbar seien, die nicht alle im Einzelnen zu regeln seien.

Soweit die Kläger eine Ungleichbehandlung gegenüber einem Mitunternehmer geltend machten, der einen Verlust aus der Veräußerung seiner Beteiligung i. S. d. § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG in vollem Umfang mit Gewinnen aus anderen Einkunftsarten ausgleichen könne, sei ebenfalls kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG erkennbar. Die unterschiedliche Behandlung rechtfertige sich daraus, dass bei der Veräußerung der Beteiligung einer Kapitalgesellschaft nicht die stillen Reserven der Wirtschaftsgüter der Gesellschaft aufgedeckt und der Erwerber daher seine Steuer nicht durch Abschreibung erhöhter Buchwerte mindern könne. Bei Veräußerung einer Beteiligung einer Personengesellschaft würden die stillen Reserven des anteiligen Betriebsvermögens in vollem Umfang aufgedeckt, so dass der Erwerber auf der Grundlage seiner Anschaffungskosten steuermindernde Abschreibungen auf die anteiligen Wirtschaftsgüter vornehmen könne (vgl. BT-Drs. 14/2683).

Die unterschiedliche steuerliche Behandlung der Verluste aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften und Mitunternehmeranteilen sei im Übrigen auch deshalb nicht verfassungswidrig, weil die Besteuerung über den Gesamtzeitraum der Einkünfteerzielung und nicht nur hinsichtlich der Veräußerung von Anteilen an Personengesellschaften bzw. Kapitalgesellschaften miteinander verglichen werden müsse. Durch die systembedingte unterschiedliche Besteuerung der beiden Gruppen seien zwar Unterschiede in der Besteuerung feststellbar. Dies führe aber nicht dazu, dass eine der beiden Gruppen erheblich benachteiligt werde. Der nur hälftigen Verlustberücksichtigung beim Verkauf der Anteile an Kapitalgesellschaften stünden erhebliche Möglichkeiten der Steuerersparnis bei der laufenden Besteuerung gegenüber (z. B. die nur hälftige Besteuerung ausgeschütteter Gewinne). Dieser Vorteil gleiche den Nachteil der nur hälftigen Verlustberücksichtigung bei Verkauf der Anteile in einem solchen Maße aus, dass noch verbleibende Unterschiede nicht verfassungswidrig seien.

Aus dem Sachvortrag der Kläger sei nicht erkennbar, dass der nur hälftige Ansatz der Veräußerungsverluste bei ihnen zu einer unverhältnismäßigen Übermaßbesteuerung führe. Art. 14 GG schütze grundsätzlich nicht gegen die Auferlegung von Geldleistungspflichten. Nur wenn eine solche Pflicht den Betroffenen übermäßig belaste und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtige, käme eine Verletzung der Grundrechte aus Art. 14 in Betracht. Zur Begründung dieser Ansicht beruft sich der Beklagte auf Bundesverfassungsgericht Kammerbeschluss vom 22. Juli 1991 1 BvR 313/88, HFR 1992, 423.

Eine teleologische Reduktion des § 3 c Abs. 2 EStG komme nicht in Betracht. Der gem. § 3 c Abs. 2 EStG nur hälftig vorzunehmende Ansatz der Veräußerungs- und Anschaffungskosten sei systemgerecht und verhindere ungerechtfertigte Gestaltungsmodelle in diesem Bereich. Dies werde an folgendem Beispiel deutlich: A beteilige sich am 01.01. an einer Gesellschaft, die thesaurierte Gewinne habe. Die Anschaffungskosten betragen 100. Dies entspreche gleichzeitig der Höhe der thesaurierten Gewinne. Am 02.01. schütte die Gesellschaft von den thesaurierten Gewinnen 80 aus. Am 03.01. verkaufe A die Anteile wieder für 20. Wirtschaftlich betrachtet seien diese Geschäfte für den A neutral. Nach den bestehenden gesetzlichen Regelungen würden sie auch genauso behandelt. Die Ausschüttung von 80 würde nach dem Halbeinkünfteverfahren eine Steuerbemessungsgrundlage von 40 ergeben. Der Verlust aus dem Verkauf der Beteiligung sei auf Grund einer Bemessungsgrundlage von ./. 40 zu versteuern. Nach der Rechtsansicht der Kläger käme man jedoch zu dem Ergebnis, dass der Verlust aus der Beteiligung in Höhe von ./. 80 zu besteuern wäre, so dass der A aus einem wirtschaftlich neutralen Vorgang einen steuerlichen Verlust von 40 erzielen würde. Dieses Beispiel zeige, dass nur ein hälftiger Ansatz der Anschaffungskosten zu einem richtigen und vernünftigen Ergebnis führe.

Den Bedenken, dass die Regelung des § 3 c Abs. 2 EStG gegen das Nettoprinzip und damit gegen Art. 3 GG verstoße, sei der BFH in seinem Urteil vom 27.10.2005 IX R 15/05 BFHE 211, 273, BStBl. II 2006, 171 entgegengetreten.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Der Beklagte hat zu Unrecht bei der Ermittlung des Veräußerungsverlustes im Sinne des § 17 EStG die Anschaffungskosten des Klägers für die Aktien gemäß § 3 c Abs. 2 Satz 1 2. Halbs. EStG nur zur Hälfte berücksichtigt. § 3 c Abs. 2 Satz 1 2. Halbs. EStG ist bei verfassungskonformer Auslegung bei Aufgabe- und Veräußerungsverlusten nicht anwendbar.

Gemäß dem durch das Steuersenkungsgesetz vom 23. Oktober 2000 eingefügten § 3 c Abs. 2 EStG dürfen Betriebsvermögensminderungen, Betriebsausgaben, Veräußerungskosten oder Werbungskosten, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Einnahmen stehen, die gemäß § 3 Nr. 40 EStG zur Hälfte von der Einkommensteuer befreit sind, bei der Ermittlung der Einkünfte nur zur Hälfte abgezogen werden; Entsprechendes gilt, wenn bei der Ermittlung der Einkünfte der Wert des Betriebsvermögens oder des Anteils am Betriebsvermögen oder die Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder der an deren Stelle tretende Wert mindernd zu berücksichtigen sind.

Die Regelung in § 3c Abs. 2 EStG wurde im Zusammenhang mit dem sog. "Halbeinkünfteverfahren" eingeführt. Dieses Verfahren soll nach der Gesetzesbegründung die Doppelbelastung ausgeschütteter Gewinne in pauschaler Form durch eine Entlastung sowohl auf der Unternehmensebene als auch auf der Anteilseignerebene beseitigen. Die Gewinne der Körperschaft werden definitiv mit einem einheitlichen Körperschaft-steuersatz von 25 % belastet. Auf der Ebene der Anteilseigner wird die körperschaftsteuerliche Vorbelastung der ausgeschütteten Gewinne dadurch berücksichtigt, dass die Dividende nur zur Hälfte in die Bemessungsgrundlage für die persönliche Einkommensteuer der Anteilseigner einbezogen wird. Insgesamt soll sich dadurch eine Belastung der ausgeschütteten Gewinne ergeben, die der steuerlichen Belastung bei anderen Einkunftsarten angenähert ist (vgl. BT-Drucksache 14/2683, 94). Das sog. "Halbabzugsverbot" gemäß § 3c Abs. 2 EStG wurde im Gesetzgebungsverfahren nicht näher begründet (vgl. BT-Drucksache 14/2683, 113).

Dass Veräußerungsgewinne ebenso wie Dividenden der Halbeinkünftebesteuerung unterliegen, wurde im Gesetzgebungsverfahren damit begründet, dass bei einer Veräußerung eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft durch eine natürliche Person die bei der Kapitalgesellschaft mit 25 % versteuerten offenen Rücklagen und die von ihr künftig mit 25 % zu versteuernden stillen Reserven im Veräußerungsgewinn enthalten seien. Unter Berücksichtigung der Vorbelastung und der Verhaftung der stillen Reserven auf der Ebene der Kapitalgesellschaft sei es sachgerecht, den Gewinn aus der Veräußerung einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft nur zur Hälfte zu besteuern. Die Vorbelastung bei der Kapitalgesellschaft und die Halbeinkünftebesteuerung ergäben zusammen eine Einmalbesteuerung. Anders als bei der Veräußerung eines Betriebes durch einen Einzelunternehmer oder der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils eines Gesellschafters einer Personengesellschaft würden durch die Veräußerung eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft stille Reserven der Wirtschaftsgüter der Kapitalgesellschaft nicht aufgedeckt. Der Erwerber könne daher auch seine Steuer nicht durch die Abschreibung erhöhter Buchwerte mindern (BT-Drucksache 14/2683, 96).

Der Begriff "Halbeinkünfteverfahren" ist im Grunde nicht zutreffend, vielmehr handelt es sich um ein Halbeinnahmeverfahren, das um ein Halbausgabeverfahren ergänzt wird (vgl. Intemann in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG und KStG, § 3 Nr. 40 Anm. 12). Die Abzugsbeschränkung durch § 3c Abs. 2 EStG wird von der herrschenden Lehre als system- und verfassungswidrig wegen Verstoßes gegen das objektive Nettoprinzip und das Gebot der Folgerichtigkeit angesehen (vgl. Sigloch, StuW 2000, 160, 166; Intemann in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG und KStG, § 3 Nr. 40 Anm. 13; von Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3 c A 140; Heuermann, DB 2005, 2708; Pezzer in Seeger, Perspektiven der Unternehmensbesteuerung, DStJG Bd. 25, 37, 54 f.; Schön, FR 2001, 381, 386; Haep/Nacke in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG und KStG, Steuerreform 1999/2000/2002, § 3c R 3; a. A.: Altehoefer in Lademann, EStG, § 3c Anm. 20). Die Systemwidrigkeit wird darin gesehen, dass das sog. "Halbeinkünfteverfahren" nach dem Willen des Gesetzgebers die Doppelbelastung ausgeschütteter Gewinne durch eine Entlastung sowohl auf der Unternehmensebene als auch auf der Anteilseignerebene beseitigen solle. Die Aufwendungen, deren Abzug durch § 3c Abs. 2 EStG beschränkt werde, stünden daher nicht zur Hälfte mit steuerfreien Einnahmen im Zusammenhang, sondern mit Einnahmen, die im Rahmen einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Gesamtbetrachtung auf der Ebene der Gesellschaft versteuert werden. Die Regelung in § 3 Nr. 40 EStG sei keine echte Steuerbefreiung, sondern ein steuertechnisches Instrument, eine Besteuerung wie bei anderen Einkunftsarten herbeizuführen (Schön, FR 2001, 381, 386). Für die Besteuerung der Einnahmen betrachte der Gesetzgeber Körperschaft und Anteilseigner als Einheit, um eine steuerliche Doppelbelastung zu verhindern, während er beim Abzug der durch die Einnahmen veranlassten Ausgaben die Steuersubjekte getrennt betrachte. Dieser Prinzipienwechsel verstoße gegen das objektive Nettoprinzip in Verbindung mit dem Gebot der Folgerichtigkeit (Pezzer in Seeger, Perspektiven der Unternehmensbesteuerung, DStJG Bd. 25, 37, 55 f).

Zwar ist die im Streitfall anzuwendende Abzugsbeschränkung gemäß § 3 c Abs. 2 Satz 1 2. Halbs. EStG für Anschaffungskosten nach Ansicht des Senates nicht systemwidrig, wenn kein Veräußerungsverlust entstanden ist bzw. ein Veräußerungsverlust auf der Ausschüttung versteuerter Rücklagen beruht. Wie Heuermann überzeugend dargelegt hat, können Wertsteigerungen im Privatvermögen gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG - und damit auch gemäß § 17 EStG - nur zutreffend besteuert werden, wenn die Anschaffungskosten einer Beteiligung nur zur Hälfte bei der Ermittlung eines Veräußerungsgewinnes berücksichtigt werden (vgl. Heuermann DB 2005, 2708, 2709). Das Halbabzugsverbot ist bei Wertsteigerungen im Privatvermögen steuersystematisch notwendig, um den Gewinn aus der Veräußerung einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft zur Hälfte zu besteuern, wie der Gesetzgeber dies beabsichtigt hat (BT-Drucksache 14/2683, 96). Denn der Gesetzgeber hat in § 3 Nr. 40 Buchst. c und Buchst. j EStG nicht wie in § 8 b Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes den Gewinn aus der Veräußerung eines Anteils zur Hälfte steuerfrei gestellt, sondern statt dessen in § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c und j EStG die hälftige Steuerfreiheit des Veräußerungspreises anordnet (vgl. BFH-Urteil vom 27. Oktober 2005 IX R 15/05, BFHE 211, 273, BStBl II 2006, 171).

Etwas anderes gilt nach Ansicht des Senates jedoch dann, wenn - wie im Streitfall - der Veräußerungspreis 0 EUR betragen hat und ein Veräußerungsverlust entstanden ist.

§ 3 c Abs. 2 Satz 1 EStG bezieht sich seinem Wortlaut nach nur auf Anschaffungskosten, die mit einer "Betriebsvermögensmehrung" oder "Einnahmen" in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Auf Verluste bezieht sich § 3 c Abs. 2 Satz 1 EStG seinem Wortlaut nach nicht. Auch die Begründung des Gesetzesentwurfes (BT-Drucksache 14/2683, 92 ff.) bezieht sich nur auf Veräußerungsgewinne. Der im Gesetzesentwurf dargelegte Gesetzeszweck, mit dem Halbeinkünfteverfahren zu berücksichtigen, dass bei Veräußerungsgewinnen ebenso wie bei Dividenden die Gewinne der Kapitalgesellschaft und die stillen Reserven bereits mit 25% Körperschaftsteuer versteuert worden seien, erklärt nur das Halbeinkünfteverfahren bei Veräußerungsgewinnen. Bei Aufgabe- und Veräußerungsverlusten gibt es weder eine "Vorbelastung" noch eine entsprechende "Vorbegünstigung" bei der Kapitalgesellschaft. Zwar kann eine Kapitalgesellschaft Verluste gemäß § 8 KStG i.V.m. § 10 d EStG in gewissem Umfang vor- oder zurücktragen. Auf den Aufgabe- oder Veräußerungsverlust des Gesellschafters gemäß § 17 EStG wirkt sich diese Verlustverrechnung im Regelfall jedoch nicht aus. Im Streitfall kommt hinzu, dass die AG nur Verluste erzielt hat, so dass eine Verlustverrechnung schon deshalb ausschied.

Der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung an keiner Stelle dargelegt, dass und warum Veräußerungsverluste im Sinne des § 17 EStG nur noch zur Hälfte steuerlich berücksichtigt werden sollen. Dies hätte sich jedoch aufgedrängt, da das bis zur Einführung des sogenannten Halbeinkünfteverfahrens gültige Recht eine vollständige Berücksichtigung der Verluste vorsah. Die Veräußerung von Beteiligungen an Kapitalgesellschaften wurde nur deshalb ins Halbeinkünfteverfahren miteinbezogen, um die Veräußerung nicht schlechter zu behandeln als eine Vollausschüttung sämtlicher thesaurierten Gewinne und stillen Reserven.

Nur die durch Art. 3 GG gebotene Auslegung, dass die Abzugsbeschränkung gemäß § 3 c Abs. 2 Satz 1 2. Halbs. EStG bei Aufgabe- und Veräußerungsverlusten nicht anwendbar ist, berücksichtigt nach Ansicht des Senates hinreichend das verfassungsrechtliche Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und das Gebot der Folgerichtigkeit. Entgegen der Ansicht des Beklagten gibt es verfassungsrechtliche Schranken, die der Gesetzgeber bei seiner Entscheidung, ob und in welchem Umfang Verluste steuermindernd zu berücksichtigen sind, zu beachten hat (vgl. BVerfG-Beschluss vom 30. September 1998 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88).

Nach der Rechtsprechung des BVerfG wird die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte tatbestandlich zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es als rechtlich gleich qualifiziert, für den Bereich des Einkommensteuerrechts durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit. Danach muss im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern, während die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedriger Einkommen angemessen sein muss. Bei der Ausgestaltung des steuerlichen Ausgangstatbestandes hat der Gesetzgeber die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umzusetzen. Ausnahmen von der folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (BVerfG-Beschluss vom 4. Dezember 2002 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534).

Das BVerfG hat es bisher offengelassen, ob das sog. "objektive Nettoprinzip", nach dem der Einkommensteuer grundsätzlich nur der Saldo aus Erwerbseinnahmen und Erwerbsaufwendungen unterliegt, verfassungsrechtlich geboten ist (vgl. Lang, StuW 2007, 3). Das BVerfG hat jedoch betont, dass das objektive Nettoprinzip Bedeutung im Zusammenhang mit den Anforderungen an die gebotene hinreichende Folgerichtigkeit bei der näheren Ausgestaltung der gesetzgeberischen Grundentscheidung hat. Zu diesen gesetzgeberischen Grundentscheidungen gehört die Beschränkung des steuerlichen Zugriffs nach Maßgabe des objektiven Nettoprinzips als Ausgangstatbestand der Einkommensteuer mit der Folge, dass Ausnahmen von der folgerichtigen Umsetzung der mit dem objektiven Nettoprinzip getroffenen Belastungsentscheidung eines besonderen sachlich rechtfertigenden Grundes bedürfen (BVerfG-Beschluss vom 4. Dezember 2002 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27, BStBl II 2003, 534).

Ein besonderer sachlich rechtfertigenden Grund für die nur hälftige Berücksichtigung des Aufgabe- bzw. Veräußerungsverlustes könnte darin zu sehen sein, dass nach der im Einkommensteuergesetz angelegten grundsätzlichen Systematik Wertveränderungen bei Kapitalanlagen im Privatvermögen grundsätzlich - abgesehen von den Ausnahmereglungen der §§ 17, 23 EStG - nicht steuerbar sind (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 2006 VIII R 79/03, BFH/NV 2007, 579). Verluste aus Kapitalanlagen könnten daher nur insoweit steuerlich zu berücksichtigen sein, wie auch Gewinne besteuert werden. Da auf Grund des sog. Halbeinkünfteverfahrens Veräußerungspreise auf der Besteuerungsebene des Steuerpflichtigen nur zur Hälfte besteuert werden, könnte es gerechtfertigt sein, dass auch Verluste sich nur zur Hälfte steuerlich auswirken.

Diese rein formale Argumentation berücksichtigt jedoch nicht, dass der Gesetzgeber Veräußerungsgewinne nur deshalb zur Hälfte besteuern will, weil die "Vorbelastung" bei der Kapitalgesellschaft und die Halbeinkünftebesteuerung zusammen eine Einmalbesteuerung ergeben (BT-Drucksache 14/2683, 96). Wenn ein Verlust aus der Veräußerung oder Aufgabe von Anteilen an Kapitalgesellschaften darauf beruht, dass Anschaffungskosten und/oder nachträgliche Anschaffungskosten höher als der Veräußerungspreis sind, erfasst eine nur hälftige Berücksichtigung der Anschaffungskosten den vom Steuerpflichtigen wirtschaftlich zu tragenden Verlust nicht in vollem Umfang. Auch auf der Ebene der Kapitalgesellschaft hat sich der Verlust im Streitfall, wie auch in vielen anderen Fällen, steuerlich nicht ausgewirkt. Ein Teil des Verlustes wird somit steuerlich nicht berücksichtigt, obwohl er das disponible für die Einkommensbesteuerung verfügbare Einkommen der Kläger mindert. Einen besonderen sachlich rechtfertigenden Grund im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für diese Benachteiligung des Steuerpflichtigen ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien nicht und ein solcher Grund ist für den Senat auch nicht erkennbar.

Nach Ansicht des Senates lässt sich das Halbabzugsverbot der Anschaffungskosten bei Verlusten aus der Veräußerung oder Aufgabe von Anteilen an Kapitalgesellschaften auch nicht mit einer vom Gesetzgeber vorgenommenen Typisierung bei der Annahme einer steuerlichen Vorbelastung des Veräußerungserlöses eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft rechtfertigen. Wie oben bereits dargelegt, gibt es eine der Vorbelastung des Veräußerungserlöses entsprechende Vorbegünstigung eines Veräußerungsverlustes nicht. Dass der Gesetzgeber eine steuerliche Vorbelastung von Gewinnen auf der Ebene der Kapitalgesellschaft zugunsten des Steuerpflichtigen typisierend unterstellt, rechtfertigt nach Ansicht des Senates nicht, dass ein Teil eines wirtschaftlich vom Steuerpflichtigen zu tragenden Verlustes steuerlich unberücksichtigt bleibt.

Das Halbabzugsverbot der Anschaffungskosten bei Aufgabe- und Veräußerungsverlusten im Sinne des § 17 EStG lässt sich nach Ansicht des Senates auch nicht damit begründen, dass jede Typisierung zu hinzunehmenden Ungerechtigkeiten in Einzelfällen führen kann. Denn das Halbabzugsverbot führt nicht zu Ungerechtigkeiten in wenigen Einzelfällen, sondern wirkt sich bei sämtlichen Veräußerungs- und Aufgabeverlusten aus.

Die Übertragung der Berechnung der festzusetzenden Steuer auf den Beklagten beruht auf § 100 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.



Ende der Entscheidung

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