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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 02.07.2009
Aktenzeichen: 11 K 2388/08 EZ
Rechtsgebiete: EigZulG, BewG


Vorschriften:

EigZulG § 11 Abs. 5
BewG § 22 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger erwarben mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 31. März 2000 die mit der Nummer 7 des Aufteilungsplans bezeichnete Eigentumswohnung (ETW) in dem Objekt B-Straße 1 in A-Stadt. Sie nutzen diese Wohnung seit dem 2. Mai 2000 zu eigenen Wohnzwecken.

Das Gebäude B-Straße 1 wurde zunächst in 1975/76 als Studentenwohnheim errichtet, in dem keine abgeschlossenen Wohnungen vorhanden waren, sondern insgesamt 65 Wohnräume sowie Gemeinschaftsküchen und -bäder auf den einzelnen Etagen. Das Objekt wurde dann in 1999/2000 innen vollständig umgebaut und in Eigentumswohnungen aufgeteilt. Es entstanden damit erstmals Wohnungen im bewertungsrechtlichen Sinne.

Die Kläger beantragten am 12. April 2000 die Festsetzung der Eigenheimzulage ab dem Kalenderjahr 2000. Der Beklagte setzte mit Bescheid vom 11. Mai 2000 die Eigenheimzulage für die Jahre 2000 - 2007 in Höhe von jährlich 5.500 DM fest. Der Betrag setzt sich zusammen aus zwei Kinderzulagen in Höhe von jeweils 1.500 DM und dem Fördergrundbetrag in Höhe von 2.500 DM (Höchstbetrag). Dabei ging der Beklagte davon aus, dass es sich bei der Wohnung der Kläger um ein sog. Altobjekt im Sinne von § 9 Abs. 2 Satz 2 Eigenheimzulagegesetz (EigZuIG) handelte.

Am 15. Mai 2002 stellten die Kläger einen Antrag auf Änderung der Eigenheimzulagefestsetzung mit Rückwirkung ab dem Erstjahr gem. § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO). Sie trugen vor, sie seien erst zu diesem Zeitpunkt darüber informiert worden, dass es sich bei ihrer Wohnung um ein neu hergestelltes Objekt im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 1 EigZuIG handele. Der Beklagte lehnte den Änderungsantrag am 6. Juni 2002 ab. Dagegen wandten sich die Kläger mit ihrem Einspruch vom 12. Juni 2002, der zunächst im Hinblick auf anhängige Klageverfahren von Miteigentümern ruhte. Nachdem einige der Miteigentümer die Klage im Anschluss an einen Erörterungstermin zurück genommen hatten, nahmen auch die nunmehr anwaltlich vertretenen Kläger mit Schreiben vom 7. Dezember 2004 ihren Einspruch zurück. Ein weiterer Miteigentümer war zunächst mit seiner Klage vor dem erkennenden Senat unterlegen (vgl. Entscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf vom 17. März 2005 11 K 691/03 EZ, EFG 2005, 931). Im Revisionsverfahren hob der Bundesfinanzhof (BFH) durch Gerichtsbescheid vom 7. November 2006 (IX R 19/05, BStBl. II 2007, 693) die Entscheidung des Finanzgerichts auf und gab der Klage statt. Nach Ansicht des BFH hatte der Umbau im konkreten Streitfall zu einer neuen Wohnung im Sinne des EigZulG geführt. Am 22. Mai 2007 stellten die Kläger unter Bezugnahme auf die vorgenannte Entscheidung des BFH den Antrag, auch ihnen die erhöhte Grundförderung für eine neu hergestellte Wohnung gem. § 9 Abs. 2 Satz 1 EigZulG zu gewähren.

Mit Bescheid vom 14. September 2007 setzte der Beklagte im Wege einer fehlerbeseitigenden Neufestsetzung gem. § 11 Abs. 5 EigZuIG die Eigenheimzulage für 2007 auf 8.000 DM/4.090,34 Euro fest (5.000 DM Fördergrundbetrag gem. § 9 Abs. 2 Satz 1 EigZuIG zzgl. 2 Kinderzulagen zu je 1.500 DM). Den weitergehenden Antrag für die Vorjahre 2000 - 2006 lehnte der Beklagte ab. Er wies darauf hin, dass eine fehlerbeseitigende Neufestsetzung gem. § 11 Abs. 5 EigZulG nur mit Wirkung ab dem Kalenderjahr möglich sei, in dem der Fehler dem Finanzamt bekannt werde. Im vorliegenden Fall sei der Fehler erst durch den Antrag auf Änderung der Festsetzung bekannt geworden. Gegen die Ablehnung der Neufestsetzung der Eigenheimzulage für die Kalenderjahre 2000 - 2006 legten die Kläger Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 28. Mai 2008 als unbegründet zurückwies. Zur Begründung führte der Beklagte aus: Die Änderung der Eigenheimzulage für die Jahre 2000 - 2001 scheitere bereits an der eingetretenen Festsetzungsverjährung, die für diese Kalenderjahre Ende 2005 und Ende 2006 eintrat. Für die übrigen Streitjahre 2002 - 2006 fehle es an einer Änderungsnorm. Der EigZul-Bescheid könne weder nach § 129 AO noch nach § 172 AO oder § 173 AO geändert werden, weil die Voraussetzungen für eine Änderung nach diesen Vorschriften nicht vorlägen. Eine Änderung nach § 11 Abs. 5 EigZulG komme für die Altjahre ebenfalls nicht in Betracht. Dem Beklagten sei der Fehler der Eigenheimzulagefestsetzung erst durch die Entscheidung des BFH bekannt geworden. Eine Änderung sei folglich erst ab 2007 möglich.

Dagegen wenden sich die Kläger mit der Klage. Sie tragen unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im Einspruchsverfahren vor: Der Gerichtsbescheid sei dem Beklagten bereits 2006 zugegangen, so dass zumindest auch für 2006 eine Fehlerberichtigung hätte vorgenommen werden müssen. Unbeachtet dessen sei der Fehler auch schon 2002 bekannt gewesen, weil seinerzeit auf die später bestätigte zutreffende Rechtslage verwiesen worden sei. Etwaige Festsetzungsverjährung sei dabei unbeachtlich.

Die Kläger beantragen,

den Beklagten zu verurteilen, in Abänderung des Bescheides vom 14. September 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. Mai 2008 eine Neufestsetzung der den Klägern erstmals mit Bescheid vom 11. Mai 2000 gewährten Eigenheimzulage für die Jahre 2002 bis einschließlich 2006 dergestalt vorzunehmen, dass diesen für den vorbezeichneten Zeitraum auch die erhöhte Grundförderung für eine neu hergestellte Wohnung nach § 9 Abs. 2 Satz 1 Eigenheimzulagengesetz gewährt wird,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er nimmt Bezug auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt er vor: Von der fehlerhaften Festsetzung habe er im Streitfall erst durch das Revisionsverfahren Kenntnis erlangt. Bis zu diesem Zeitpunkt hätten unterschiedliche Rechtsauffassungen geherrscht, die seitens der Kläger durch Rücknahme des damals eingelegten Einspruchs nicht weiterverfolgt worden seien. Der für die Anwendung des § 11 Abs. 5 EigZulG maßgebliche Zeitpunkt liege in dem Moment, als das Finanzamt durch den Änderungsantrag Kenntnis davon erlangt habe, dass das Objekt der Kläger nach der Entscheidung vom 6. November 2006 ebenfalls als neu hergestellte Wohnung anzusehen sei.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Die Kläger haben keinen Anspruch auf Neufestsetzung der Eigenheimzulage für die Kalanderjahre 2002 bis 2006 (vgl. § 101 Finanzgerichtsordnung -FGO-).

Eine Änderung des Bescheids über die Festsetzung der Eigenheimzulage vom 11. Mai 2000 ist nicht möglich. Spätestens seit Rücknahme des Einspruchs durch die Kläger am 7. Dezember 2004 ist dieser Bescheid bestandskräftig. Er ist - insoweit besteht Einigkeit zwischen den Beteiligten - nicht mit Korrekturvorschriften der AO abänderbar.

Die Eigenheimzulage kann auch nicht nach § 11 Abs. 5 EigZulG neu festgesetzt werden. Unstreitig ist die EigZul zwar fehlerhaft im Sinne dieser Vorschrift festgesetzt worden, denn statt der Grundzulage in Höhe von 5.000 DM für einen Neubau ( § 9 Abs. 2 Satz 1 EigZulG in der 2000 geltenden Fassung - a.F. -) hat der Beklagte nur die Grundzulage für die Renovierung eines Altbaus (2.500 DM; § 9 Abs. 2 Satz 2 EigZulG a.F.) zugrunde gelegt. Dieser Fehler ist dem Beklagten jedoch erst später, und zwar erst im Kalenderjahr 2007, bekannt geworden.

Für den Zeitpunkt der Fehlerberichtigung kommt es nicht darauf an, wann dem Beklagten aufgrund der Rechtsprechung der Fehler abstrakt hätte bekannt gewesen sein müssen. Insoweit gilt für die Änderung nach § 11 Abs. 5 EigZulG dasselbe, was der erkennende Senat in seiner Entscheidung vom 12. Februar 2004 (11 K 2918/01, EFG 2004, 962) zur fehlerberichtigenden Artfortschreibung i.S. des § 22 Abs. 2 BewG ausgeführt hat. Auch nach § 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2, 1. Halbsatz BewG kann die Artfortschreibung erst zu Beginn des Kalenderjahres erfolgen, in dem der Fehler dem Finanzamt bekannt wird. Die bloße Verkündung oder Veröffentlichung einer BFH-Entscheidung - im seinerzeitigen Streitfall die Entscheidung des BFH vom 05.10.1984 (III R 192/83) - führt nicht zum Bekanntwerden des Fehlers, denn durch die Verkündung oder Veröffentlichung des Urteils hat das Finanzamt lediglich die Möglichkeit, abstrakt Kenntnis zu nehmen, dass die durchgeführte Bewertungspraxis unzutreffend gewesen ist. Diese Möglichkeit einer abstrakten Kenntnisnahme einer Fehlerquelle führt nicht zur konkreten Kenntnis eines Fehlers im Sinne des § 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2, 1. Halbsatz BewG. § 22 Abs. 3 und 4 BewG stellen - wie alle Berichtigungsvorschriften - Voraussetzungen für die Berichtigung von konkreten Steuerbescheiden auf. Das Bekanntwerden erfordert deshalb und nach dem Wortsinn eine positive Kenntnis des Fehlers im Einzelfall bzw. das positive Erkennen, dass im Einzelfall möglicherweise ein Fehler vorliegt.

Diese zum Bewertungsrecht aufgestellten Grundsätze gelten auch im Rahmen des § 11 Abs. 5 EigZulG. Diese Norm will - wie im Bewertungsrecht - eine Fehlerbeseitigung nur für die Zukunft zulassen, falls nach den Vorschriften der AO für die vergangenen Bewilligungszeiträume keine Änderung mehr möglich ist. Im Streitfall ist der Beklagte erst mit dem Antrag auf Änderung der EigZul vom 22. Mai 2007 erstmalig (wieder) mit der EigZul-Festsetzung der Kläger befasst worden. Frühestens ab diesem Zeitpunkt hatte er Kenntnis von der fehlerhaften Festsetzung im konkreten Fall der Kläger. Eigene Recherchen, welche Fälle von der geänderten Rechtsauffassung betroffen waren und eine fehlerbeseitigende Neufestsetzung erforderten, hat der Beklagte ausweislich der Steuerakten erst im Juni 2007 angestellt.

Der Senat verkennt nicht, dass diese enge Auslegung des Begriffs "Bekanntwerden eines Fehlers" insbesondere dann zu Lasten des Steuerpflichtigen geht, wenn das Finanzamt nur aufgrund besserer Erkenntnis seine Rechtsauffassung später ändert, der Steuerpflichtige aber alle Tatsachen für die zutreffende Rechtsauffassung bereits vorher vollständig erklärt hatte (so Halaczinsky in Rössler/Troll, BewG, § 22 Rz. 78). Andererseits würde ohne die Bezugnahme zu einem konkreten Steuerfall die Zahl der Neufestsetzungen bei jeder besseren Erkenntnis seitens des Finanzamtes eine Vielzahl von Neufestsetzungen auslösen, die - zum Zwecke der Gleichmäßigkeit der Besteuerung - eine ständige Überwachung aller Fälle, bei denen sich aufgrund einer geänderten Rechtsauffassung eine Neufestsetzung ergeben könnte, voraussetzen würde.

Ausgehend von der o.g. engen Auslegung des "Bekanntwerdens" war der Fehler zwar auch schon in dem Zeitpunkt bekannt, als die Kläger 2002 die Änderung ihrer Festsetzung beantragten, denn die Eigenheimzulage war objektiv fehlerhaft festgesetzt. Die spätere Entscheidung des BFH hat diese objektive Fehlerhaftigkeit lediglich bestätigt, nicht aber erst die Fehlerhaftigkeit herbeigeführt. Auch war dem Beklagten der Fehler seinerzeit bekannt, denn die Kläger hatten durch ihren Änderungsantrag auf die fehlerhafte Festsetzung in ihrem konkreten Fall hingewiesen. Die Rücknahme des Einspruchs führt jedoch dazu, dass eine Neufestsetzung für die Jahre vor 2007 nicht möglich ist.

Dabei lässt der Senat die Beantwortung der Frage, ob durch die bestandskräftige Ablehnung der beantragten Neufestsetzung seinerzeit schon jegliche Neufestsetzungen für den Zeitraum von 2002 bis 2006 ausgeschlossen sind, offen. Jedenfalls hatte der Beklagte nach der Rücknahme des Einspruchs jedoch keine Kenntnis (mehr) von der fehlerhafte Festsetzung der Eigenheimzulage. Es bestand für ihn auch keine Veranlassung, die bestandskräftig abgeschlossenen Verfahren im Hinblick auf eine mögliche andere Rechtsauffassung weiterhin zu "beobachten".

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war zuzulassen. Die Entscheidung hat im Hinblick auf die Auslegung des "Bekanntwerdens eines Fehlers" über den Einzelfall und über das auslaufende Recht der Eigenheimzulage hinaus grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).

Ende der Entscheidung

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