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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Gerichtsbescheid verkündet am 27.08.2008
Aktenzeichen: 11 K 3323/07 E
Rechtsgebiete: EStG, FGO
Vorschriften:
EStG § 7 Abs. 4 | |
EStG § 9 Abs. 1 Nr. 7 | |
FGO § 100 Abs. 1 Satz 1 |
Finanzgericht Düsseldorf
Tenor:
Der Einkommensteuerbescheid 1992 vom 19. Oktober 1994 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 8. Februar, 30. Juni und 8. August 1995 sowie 3. März 2000 und der Einspruchsentscheidung vom 15. August 2007 wird dahingehend abgeändert, dass bei der Berechnung der Abschreibung, soweit sie die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der Objekte in A-Stadt, A-Straße 1, B-Straße 2, 3 und 4, C-Straße 5 sowie D-Straße 6 betrifft, neben dem Barausgleich i.H.v. 800.000,- DM, den Erwerbsnebenkosten i.H.v. 2.179,- DM und den Verbindlichkeiten i.H.v. 226.113,- DM weitere vom Kläger übernommene Schulden i.H.v. 50.831,- DM als Anschaffungskosten berücksichtigt werden.
Die Berechnung des geänderten Steuerbetrags wird dem Beklagten übertragen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe der Anschaffungskosten für Miteigentumsanteile an Grundstücken, die der Kläger im Rahmen einer Erbauseinandersetzung erworben hat.
Der Kläger wurde im Streitjahr 1992 zusammen mit seiner in der Zwischenzeit verstorbenen Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt. Er war als Mitunternehmer verschiedener Gesellschaften gewerblich und als Wirtschaftsprüfer sowohl selbständig als auch nichtselbständig tätig. Daneben erzielte er Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie Vermietung und Verpachtung.
Der Kläger war Miteigentümer von sechs Mietwohngrundstücken in A-Stadt. Das Grundstück D-Straße 6 hatten der Kläger, seine im Jahr 1967 verstorbene Mutter sowie sein Bruder im Jahr 1964 zu gleichen Anteilen erworben. Nach dem Tod seiner Mutter hatten der Kläger und sein Bruder den Miteigentumsanteil seiner Mutter geerbt und waren als Miteigentümer zu je 1/2 in das Grundbuch eingetragen worden. Die übrigen Grundstücke C-Straße 5, A-Straße 1 sowie B-Straße 2, 3 und 4 hatten im Alleineigentum der Mutter gestanden, so dass sie der Kläger und sein Bruder bei deren Versterben als Miteigentümer zu je 1/2 erworben hatten. Fortan hatten sie die Grundstücke in ungeteilter Erbengemeinschaft verwaltet.
Im Jahre 1991 übertrug der Bruder des Klägers seine Miteigentumsanteile an den vorbezeichneten Grundstücken im Rahmen der Erbauseinandersetzung der Erbengemeinschaft auf den Kläger. Im Gegenzug verpflichtete sich der Kläger, alle im Grundbuch eingetragenen Rechte und Grundpfandrechte als Selbst- und Alleinschuldner zu übernehmen, seinen Bruder von allen Darlehens- und sonstigen Verbindlichkeiten und Verpflichtungen freizustellen und einen Wertausgleich i.H.v. 800.000,- DM an seinen Bruder zu zahlen.
Die Verbindlichkeiten der Erbengemeinschaft beliefen sich am 1. November 1991 - dem Tag des Übergangs von Besitz, Nutzen, Lasten und der Gefahr des zufälligen Untergangs - auf 553.899,- DM. Davon entfielen 304.987,- DM auf Darlehensverbindlichkeiten der aus dem Kläger, seiner Mutter und seinem Bruder bestehenden Grundstücksgemeinschaft (Grundstück D-Straße 6), die im Zusammenhang mit der Baufinanzierung standen. Beim Versterben der Mutter war der auf diese entfallende Anteil an den Darlehensverbindlichkeiten i.H.v. 101.662,- DM (1/3) zu je 1/2 (50.831,- DM) auf den Kläger und seinen Bruder übergegangen. Im Zuge der Erbauseinandersetzung übernahm der Kläger sodann den originär auf den Bruder entfallenden Anteil i.H.v. 101.662,- DM sowie den von seiner Mutter auf seinen Bruder übergegangenen Anteil i.H.v. 50.831,- DM. Die übrigen Verbindlichkeiten der Erbengemeinschaft i.H.v. 248.902,- DM entsprachen den Restvaluten verschiedener Darlehen, welche die Erbengemeinschaft zur Finanzierung von Verwaltungskosten aufgenommen hatte. Davon übernahm der Kläger den auf seinen Bruder entfallenden Anteil i.H.v. 124.451,- DM (1/2) im Zuge der Erbauseinandersetzung.
Im Rahmen seiner Einkommensteuererklärungen für die Jahre 1991 bis 1995 legte der Kläger bei der Berechnung der Absetzung für Abnutzung (AfA) nach § 7 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG - für die in A-Stadt belegenen Grundstücke Anschaffungskosten i.H.v. 1.380.961,- DM zugrunde. Diese setzten sich neben dem gezahlten Wertausgleich i.H.v. 800.000,- DM und den Gerichts- und Notarkosten i.H.v. 2.179,- DM aus einem Betrag für übernommene Verbindlichkeiten i.H.v. 578.961,- DM zusammen.
Im Einkommensteuerbescheid für den Veranlagungszeitraum 1992 vom 19. Oktober 1994 behandelte der Beklagte den gezahlten Wertausgleich sowie die Gerichts- und Notarkosten (insgesamt 802.179,- DM), nicht jedoch die übernommenen Verbindlichkeiten, als Anschaffungskosten und setzte die Einkommensteuer abweichend fest. Er berief sich dabei auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 1. November 1993 (BStBl I 1993, 62, Tz. 28 und 29). Der Beklagte verteilte die Anschaffungskosten - dies ist zwischen den Parteien mittlerweile unstreitig - im Verhältnis der im Sachwertverfahren ermittelten Verkehrswerte zunächst auf die einzelnen Grundstücke und sodann jeweils auf den Grund und Boden einerseits und das Gebäude andererseits.
Gegen den Einkommensteuerbescheid 1992 legte der Kläger am 9. November 1994 Einspruch ein. Dabei wandte er sich insbesondere gegen hier nicht streitgegenständliche Besteuerungsgrundlagen. Der Beklagte stellte das Einspruchsverfahren im Hinblick auf die in diesem Zusammenhang bei dem erkennenden Senat geführten Verfahren 11 K 3391/94 und 11 K 3392/94 mit Verfügung vom 14. März 1995 ruhend.
Die Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 1992 wurde mit Bescheiden vom 8. Februar, 30. Juni und 8. August 1995 - in hier nicht streitigen Punkten - geändert. Mit Schreiben vom 8. Juli 1999 teilte der Beklagte dem Kläger u.a. mit, dass die AfA für die in A-Stadt belegenen Grundstücke nicht zutreffend berechnet worden sei und verwies auf seine im Rahmen der Einspruchs- und Klageverfahren betreffend die Streitjahre 1991, 1994 und 1996 vertretene Rechtsauffassung. Das Rechtsbehelfsverfahren sollte jedoch weiterhin ruhen, womit sich der Kläger einverstanden erklärte. Die Einkommensteuer 1992 wurde schließlich am 3. März 2002 abermals, wiederum ohne Bezug zu der hier streitigen Rechtsfrage, geändert.
Mit Einspruchsentscheidung vom 15. August 2007 setzte der Beklagte die Einkommensteuer 1992 auf 21.047,84 EUR fest. Dabei entsprach er dem Begehren des Klägers in einem hier nicht streitgegenständlichen Punkt. Bei der Berechnung der Abschreibung für die Vermietungsobjekte in A-Stadt berücksichtigte er Anschaffungskosten i.H.v. insgesamt 1.028.292,- DM; darin waren die übernommenen Verbindlichkeiten i.H.v. 101.662,- DM sowie 124.451,- DM (insgesamt 226.113,- DM) enthalten, nicht jedoch die Hälfte der Verbindlichkeiten, die bereits bei der Erblasserin bestanden hatten (50.831,- DM). Dies erfolgte in Anlehnung an die Urteile des erkennenden Senats vom 11. April 2002, die dieser in den Verfahren des Klägers gegen den Beklagten betreffend die Einkommensteuer 1991, 1994 und 1995 (11 K 701/98, EFG 2002, 1031) sowie die Einkommensteuer 1993 (11 K 5273/99, zitiert nach [...]) erlassen hatte; die Revisionen des Beklagten hatte der BFH mit Urteilen vom 14. Dezember 2004 (IX R 23/02, BFHE 208, 229, BStBl II 2006, 296 sowie IX R 24/02, BFH/NV 2005, 877) als unbegründet zurückgewiesen.
Der Kläger hat am 27. August 2007 Klage erhoben, mit der er die Berücksichtigung von Anschaffungskosten i.H.v. 1.079.123,- DM begehrt. Zur Begründung bezieht er sich auf die oben genannten Senatsurteile sowie die Revisionsentscheidungen des BFH. Der erkennende Senat habe zwar nur Verbindlichkeiten i.H.v. 226.113,- DM als Anschaffungskosten berücksichtigt und die verbleibenden 50.831,- DM als Nachlassschulden angesehen. Der BFH habe jedoch ausgeführt, dass er mangels selbständiger Revision des Klägers nicht darüber entscheiden könne, ob auch - was nach den Urteilsgrundsätzen nahe liege - Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit der Finanzierung des im Jahre 1964 gemeinschaftlich erworbenen Grundstücks, die in Höhe des Anteils der Mutter (101.662,- DM) dem Nachlass zuzurechnen waren, zur Hälfte Anschaffungskosten bilden würden. Die Einspruchsentscheidung des Beklagten habe diesen Hinweis zwar zur Kenntnis genommen, aber nicht für bindend erachtet, da über ihn nicht rechtskräftig entschieden worden sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Einkommensteuerbescheid 1992 vom 19. Oktober 1994 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 8. Februar, 30. Juni und 8. August 1995 sowie 3. März 2000 und der Einspruchsentscheidung vom 15. August 2007 dahingehend abzuändern, dass bei der Berechnung der Abschreibung, soweit sie die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der Objekte in A-Stadt, A-Straße 1, B-Straße 2, 3 und 4, C-Straße 5 sowie D-Straße 6 betrifft, neben dem Barausgleich i.H.v. 800.000,- DM, den Erwerbsnebenkosten i.H.v. 2.179,- DM und den Verbindlichkeiten i.H.v. 226.113,- DM weitere vom Kläger übernommene Schulden i.H.v. 50.831,- DM als Anschaffungskosten berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf seine Einspruchsentscheidung vom 15. August 2007 sowie auf die Ausführungen des erkennenden Senats in seinen Urteilen vom 11. April 2002 (11 K 701/98, EFG 2002, 1031 sowie 11 K 5273/99, zitiert nach [...]).
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Gerichtsakten zu den Verfahren 11 K 7011/96, 5759/97, 701/98 und 11 K 5273/99 sowie der beigezogenen Steuerakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die im Namen der Eheleute S. erhobene Klage ist im Hinblick darauf, dass die Ehefrau des Klägers verstorben ist, als alleinige Klage des Herrn S. auszulegen.
Die so verstandene Klage ist begründet.
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 1992 vom 19. Oktober 1994 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 8. Februar, 30. Juni und 8. August 1995 sowie 3. März 2000 und der Einspruchsentscheidung vom 15. August 2007 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger dadurch in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Beklagte ist bei der Bemessung der AfA bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung der in A-Stadt belegenen Grundstücke zu Unrecht nur von Anschaffungskosten i.H.v. 1.028.292,- DM ausgegangen. Vielmehr sind weitere Anschaffungskosten i.H.v. 50.831,- DM zu berücksichtigen.
Die nach § 9 Abs. 1 Nr. 7 EStG als Werbungskosten zu berücksichtigende AfA gemäß § 7 Abs. 4 EStG bemisst sich nach den - auf das Gebäude entfallenden - Anschaffungskosten. Welche Aufwendungen zu den Anschaffungskosten zählen, bestimmt sich auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) nach § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches - HGB - (BFH-Urteil vom 12. September 2001 IX R 52/00, BFHE 198, 85, BStBl II 2003, 574). Danach sind Anschaffungskosten u.a. die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben.
1. Besonderheiten sind bei der Erbauseinandersetzung zu beachten, bei der es sich um einen dem Erbfall nachfolgenden selbständigen Rechtsvorgang handelt. Die Aufteilung des nach Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten verbleibenden Vermögens einer Erbengemeinschaft vollzieht sich nach dem Verhältnis der Erbteile (§ 2047 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -). Ist eine Naturalleistung nicht möglich, muss das gemeinschaftliche Vermögen nach der gesetzlichen Regelung (§ 753 BGB) veräußert und der Erlös verteilt werden. Von dieser Art der Auseinandersetzung können die Miterben allerdings abweichen und vereinbaren, dass das Vermögen in bestimmter Weise unter sie verteilt werden soll. Dadurch wird dem erbrechtlichen Auseinandersetzungsanspruch, der durch die Auseinandersetzungsvereinbarung konkretisiert wird, genügt (BFH-Beschluss vom 5. Juli 1990 GrS 2/89, BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837).
a) Wird das Gemeinschaftsvermögen einer Erbengemeinschaft im Wege der Erbauseinandersetzung unter die Miterben verteilt, so liegt in der Erfüllung des erbrechtlichen Auseinandersetzungsanspruchs kein Anschaffungsgeschäft, vielmehr führt dann der übernehmende Miterbe die Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers fort (vgl. BFH-Beschluss vom 5. Juli 1990 GrS 2/89, BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837; BFH-Urteil vom 19. Dezember 2006 IX R 44/04, BFHE 216, 255, BStBl II 2008, 216). Dies gilt jedoch nur, soweit der Miterbe Vermögen entsprechend seiner Erbquote erhält. Übersteigt der Wert des Erlangten hingegen den Wert des Erbanteils und muss der begünstigte Erbe Ausgleichszahlungen leisten, liegt nach der Rechtsprechung des BFH im Umfang des Mehrempfangs ein entgeltlicher Vorgang vor; die Ausgleichszahlungen eines Erben im Rahmen einer Erbauseinandersetzung gehören daher zu den Anschaffungskosten (BFH-Urteile vom 9. Juli 1985 IX R 49/83, BFHE 144, 366, BStBl II 1985, 722; vom 2. September 1987 IX R 15/84, BFHE 151, 143, BStBl II 1988, 250).
b) Nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 5. Juli 1990 (GrS 2/89, BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837, unter II.2.d)) ist es allerdings ohne Bedeutung, wie sich das dem Miterben entsprechend seiner Erbquote zugeteilte Nachlassvermögen zusammensetzt (sog. Saldothese). Die wertmäßige Angleichung, d.h. Abstimmung mit dem Auseinandersetzungsguthaben, kann demnach auch dadurch bewirkt werden, dass der Miterbe Verbindlichkeiten der Erbengemeinschaft übernimmt; ob dabei sein rechnerischer Anteil an den Verbindlichkeiten überschritten wird, ist ebenfalls ohne Bedeutung. Dem sind die Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 11. Januar 1993, BStBl I 1993, 62, Rn. 25; vom 14. März 2006, BStBl I 2006, 253, Rn. 23) und die herrschende Literaturmeinung (vgl. nur Hörger, in: Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 16 Rn. 799; Wacker, in: Schmidt, EStG, 27. Aufl. 2008, § 16 Rn. 630, m.w.N.) gefolgt.
c) Mit Urteil vom 14. Dezember 2004 (IX R 23/02, BFHE 208, 229, BStBl II 2006, 296) hat der BFH - unter Bezugnahme auf die BFH-Urteile vom 20. Dezember 1990 (XI R 1/85, BFH/NV 1991, 382) und 25. Juli 1991 (XI R 9/85, BFH/NV 1992, 30 - dieses betrifft allerdings die Schuldübernahme im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge) jedoch entschieden, dass auch übernommene Schulden Anschaffungskosten darstellen können, soweit sie die Erbquote übersteigen. Zur Abgrenzung dieser Entscheidung gegenüber dem Beschluss des Großen Senats vom 5. Juli 1990 (GrS 2/89, BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837) hat er ausgeführt, der BFH habe der Schuldübernahme dort keine Bedeutung beigemessen, weil dem Miterben bei der Auseinandersetzung Nachlassvermögen entsprechend seiner Erbquote zugeteilt worden sei. Wie bei einer Schenkung erwerbe er den Gegenstand so, wie er beim Übergeber vorhanden ist. Die Verbindlichkeiten würden dann nur Rechenposten für die Ermittlung des Werts des Erbanteils bilden. Hingegen lägen Anschaffungskosten vor, wenn der Erbe - wie im Entscheidungsfall - von der Erbengemeinschaft mehr Gemeinschaftsvermögen erhält, als dies dem Wert seines Erbanteils entspricht und er im Gegenzug Abfindungsleistungen erbringt, indem er über seine Erbquote hinaus Verbindlichkeiten der Erbengemeinschaft übernimmt. Dann liege in der Erbauseinandersetzung ein mit einem Kauf vergleichbares Rechtsgeschäft. In dieser Entscheidung sehen große Teile der Steuerrechtsliteratur (vgl. Wacker, in: Schmidt, EStG, 27. Aufl. 2008, § 16 Rn. 630; derselbe, DStR 2005, 2014, 2018; Röhrig/Doege, DStR 2006, 969, 973; Zimmermann, DB 2006, 1392; Gragert, NWB Fach 3, S. 13937) und die Finanzverwaltung (vgl. Nichtanwendungserlass des BMF vom 30. März 2003, BStBl I 2006, 306) einen Widerspruch zu den im Beschluss des Großen Senats aufgestellten Grundsätzen.
d) Nach dem BFH-Urteil vom 19. Dezember 2006 (IX R 44/04, BFHE 216, 255, BStBl II 2008, 216) führt die Schuldübernahme (auch) dann zu Anschaffungskosten, wenn eine Erbengemeinschaft vor dem in der Teilungsanordnung festgelegten Termin durch Realteilung aufgelöst wird und ein Miterbe Schulden übernimmt, die auf einem für einen anderen Miterben bestimmten Grundstück lasten, sofern die Schuldübernahme eine Gegenleistung dafür ist, dass der übernehmende Miterbe den ihm erst zu einem späteren Zeitpunkt zugedachten Grundbesitz vorzeitig aus dem Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft in sein eigenes Vermögen überführen kann. Durch dieses Urteil sieht sich die Finanzverwaltung in ihrer Rechtsauffassung bestätigt, wonach eine Schuldübernahme auch insoweit nicht zu Anschaffungskosten führt, als sie die Erbquote übersteigt (vgl. BMF-Schreiben vom 14. März 2006, BStBl I 2006, 253, Rn. 23, Fußnote 1). Auch in der Literatur wird davon ausgegangen, dass der BFH seine Rechtsprechung dahingehend eingeschränkt hat, dass die Schuldübernahme nur bei vorzeitiger Erbauseinandersetzung Gegenleistung sei (Wacker, in: Schmidt, EStG, 27. Aufl. 2008, § 16 Rn. 630, m.w.N.).
2. Der erkennende Senat folgt im Ausgangspunkt der Rechtsprechung des Großen Senats des BFH, wonach bei einer Erbauseinandersetzung die wertmäßige Angleichung auch dadurch bewirkt werden kann, dass der Miterbe Verbindlichkeiten der Erbengemeinschaft übernimmt; ob dabei sein rechnerischer Anteil an den Verbindlichkeiten überschritten wird, ist ohne Bedeutung (BFH-Beschluss vom 5. Juli 1990 GrS 2/89, BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837). Wird dem Miterben - per Saldo - Nachlassvermögen entsprechend seiner Erbquote zugeteilt, stellen die Verbindlichkeiten nur Rechenposten dar, um den Wert des unentgeltlich Erlangten zu bestimmen. Anschaffungskosten entstehen insoweit nicht.
In Übereinstimmung mit dem BFH-Urteil vom 14. Dezember 2004 (IX R 23/02, BFHE 208, 229, BStBl II 2006, 296) ist hiervon allerdings der Fall abzugrenzen, in dem der Miterbe - per Saldo - mehr Nachlassvermögen erhält, als ihm nach seiner Erbquote zusteht, insbesondere wenn er die ganze Erbschaft übernimmt. In diesem Fall führt die überquotale Übernahme von Verbindlichkeiten zum Ausgleich der Wertdifferenz zu Anschaffungskosten (ebenso BFH-Urteil vom 20. Dezember 1990 XI R 1/85, BFH/NV 1991, 382; anders dagegen BFH-Urteil vom 26. Juni 1991 XI R 5/85, BFH/NV 1992, 24). Die Zuweisung von (aktiven und passiven) Wirtschaftsgüter erfolgt dann - soweit sie per Saldo die Erbquote übersteigt - nicht in Erfüllung des erbrechtlichen Auseinandersetzungsanspruchs. Insofern kann es keinen Unterschied machen, ob zum Ausgleich der Wertdifferenz Zahlungen geleistet oder Verbindlichkeiten übernommen werden (vgl. Heuermann, INF 2005, 242). Würde der Miterbe die gesamtschuldnerischen Verbindlichkeiten nicht übernehmen, müsste die Ausgleichszahlung an den oder die anderen Miterben - hierbei handelt es sich unstreitig um Anschaffungskosten - entsprechend höher sein, um den oder die Miterben wertmäßig gleichzustellen (vgl. Pfützenreuter, jurisPR-SteuerR 13/2005, Anm. 4). Gründe für eine Differenzierung zwischen den beiden Varianten des Wertausgleichs sind nicht ersichtlich. Schließlich ist zu bedenken, dass die Übernahme von Verbindlichkeiten auch nach allgemeinen steuerrechtlichen Grundsätzen zu Anschaffungskosten führt (vgl. Glanegger, in: Schmidt, EStG, 27. Aufl. 2008, § 6 Rn. 140 "Schulden").
Nach der Überzeugung des erkennenden Senats ist die zuletzt genannte Konstellation im Beschluss des Großen Senats vom 5. Juli 1990 (GrS 2/89, BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837) - ebenso wie im BMF-Schreiben vom 14. März 2006 (BStBl I 2006, 253, Rn. 23) - nicht ausdrücklich behandelt worden (ebenso Zimmermann, DB 2006, 1392, 1393). Dementsprechend wird auch in der Literatur teilweise davon ausgegangen, dass Anschaffungskosten vorliegen, soweit die Übernahme von Verbindlichkeiten einen Spitzenausgleich darstellt (Ehmcke, in: Blümich, EStG, § 6 Rn. 216 unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 20. Dezember 1990 XI R 1/85, BFH/NV 1991, 382). Das BFH-Urteil vom 19. Dezember 2006 (IX R 44/04, BFHE 216, 255, BStBl II 2008, 216) stellt vor dem Hintergrund dieses Verständnisses keine (partielle) Rechtsprechungsänderung dar, sondern behandelt eine eigene Fallgruppe (Schuldübernahme bei vorzeitiger Erbauseinandersetzung). Dafür spricht schon, dass sich der BFH in dieser Entscheidung nicht mit seinem Urteil vom 14. Dezember 2004 (IX R 23/02, BFHE 208, 229, BStBl II 2006, 296) auseinandergesetzt hat, was andernfalls nahe gelegen hätte.
3. Nach diesen Grundsätzen betragen die Anschaffungskosten des Klägers für die Anteile an den Mietwohngrundstücken nicht lediglich 1.028.292,- DM, sondern 1.079.123,- DM. Der Kläger hat im Zuge der Erbauseinandersetzung sämtliche Grundstücke und die damit zusammenhängenden Verbindlichkeiten übernommen und damit per Saldo mehr Gemeinschaftsvermögen erlangt, als ihm nach seinem Erbteil (50 %) zugestanden hat. Zum Ausgleich musste er sowohl eine Zahlung leisten als auch Verbindlichkeiten übernehmen. Die Schuldübernahme stellt dabei keinen bloßen Rechenposten dar, sondern führt zu Anschaffungskosten, soweit sie über die Erbquote des Klägers (50 %) hinausgeht. Dies gilt auch für die Hälfte der Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit der Finanzierung des im Jahr 1964 erworbenen Grundstücks (50.831,- DM), die in Höhe des Anteils der Mutter (101.662,- DM) dem Nachlass zuzurechnen waren. Darauf hat auch der BFH in seinem Urteil vom 14. Dezember 2004 (IX R 23/02, BFHE 208, 229, BStBl II 2006, 296) - wenngleich im Wege eines sog. obiter dictums - hingewiesen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Übertragung der Steuerberechnung auf den Beklagten beruht auf § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.
Die Revision war vor dem Hintergrund der entgegenstehenden Erlasslage sowie der zuvor dargestellten Entscheidungen des BFH, deren Verhältnis zueinander nicht hinreichend geklärt scheint, wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) sowie zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO) zuzulassen.
Ende der Entscheidung
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