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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 22.08.2008
Aktenzeichen: 11 K 580/07 E
Rechtsgebiete: AO, EStG


Vorschriften:

AO § 173 Abs. 1 Nr. 2
EStG § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S.2 b)
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

11 K 580/07 E

Tenor:

Die Ablehnungsbescheide vom 17. Juli bzw. 12. August 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Januar 2007 werden aufgehoben. Der Beklagte wird dazu verpflichtet, die Einkommensteuerfestsetzungen für die Jahre 2001 bis 2003 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit um die Nachteilsausgleichszahlungen i.H.v. 1.210,31 DM (2001), 999,55 EUR (2002) bzw. 1.082,70 EUR (2003) niedriger festgesetzt werden.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob das nachträgliche Bekanntwerden von Ausgleichszahlungen an eine Zusatzversorgungskasse, die der Arbeitgeber als steuerpflichtigen Arbeitslohn behandelt und lohnversteuert hat, die aber nach der neueren, zur Rechtslage vor Geltung des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 b) EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes - JStG - 2007 (BGBl. I 2007, 2878) ergangenen Rechtsprechung nicht der Steuerpflicht unterliegen, eine Änderung des Steuerbescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung - AO - rechtfertigt.

Die Kläger wurden in den Streitjahren 2001 bis 2003 als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung sowie aus privaten Veräußerungsgeschäften.

Der Kläger ist seit dem 1. März 2001 bei der Stadtsparkasse A-Stadt beschäftigt. Im Rahmen dieser Tätigkeit erwirbt er auch Ansprüche auf eine betriebliche Altersvorsorge. Bedingt durch die Auflösung der Zusatzversorgungskasse A-Stadt zum 31. Dezember 2000 wechselte die Stadtsparkasse A-Stadt zur Durchführung ihrer betrieblichen Altersvorsorge ab dem 1. Januar 2001 zur Rheinischen Zusatzversorgungskasse in B-Stadt. Zum Ausgleich der mit dem Wechsel der Versorgungseinrichtung verbundenen Nachteile für die Rheinische Zusatzversorgungskasse musste die Stadtsparkasse A-Stadt neben der allgemeinen Umlage i.H.v. 4,25 % einen sog. Nachteilsausgleich i.H.v. 2,15 % jährlich an die Rheinische Zusatzversorgungskasse zahlen. Die Stadtsparkasse A-Stadt behandelte diese zusätzliche Umlage als steuerpflichtigen Arbeitslohn ihrer Arbeitnehmer und führte die Lohnversteuerung durch. Dementsprechend enthielten auch die in den Lohnsteuerbescheinigungen des Klägers für die Jahre 2001 bis 2003 angegebenen Bruttoarbeitslöhne die Sonderzahlungen an die Rheinische Zusatzversorgungskasse. Nach den Angaben der Arbeitgeberin des Klägers entfallen folgende Sonderzahlungen an die Zusatzversorgungskasse auf den Kläger:

 20011.210,31 DM
2002999,55 EUR
20031.082,70 EUR

Die Lohnsteuerbescheinigungen des Klägers für die Jahre 2002 und 2003 enthielten in dem Feld "Raum für weitere Daten" (unter Zeile 25) die Angaben "ZUK.STPFL IN Z3 ENTH. 1.234,97 (2002) bzw. 1.470,94 (2003)".

Die Kläger gaben die bescheinigten Bruttoarbeitslöhne einschließlich der Nachteilsausgleichszahlungen als Einnahmen des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit in ihren Steuererklärungen für die Jahre 2001 bis 2003 an. Der Beklagte veranlagte die Kläger durch Bescheide vom 8. August 2002 bzw. 10. Dezember 2003 - in der Fassung der Änderungsbescheide nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO vom 13. bzw. 8. April 2004 - zur Einkommensteuer 2001 und 2002. Der Einkommensteuerbescheid für den Veranlagungszeitraum 2003 wurde - nach Zeichnung der Verfügung zur maschinellen Verarbeitung durch den zuständigen Sachbearbeiter des Beklagten am 28. Juni 2004 - am 7. Juli 2004 zur Post gegeben. Bei den bestandskräftig gewordenen Veranlagungen wurden die Einnahmen des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit erklärungsgemäß berücksichtigt.

Am 15. März 2006 informierte die Stadtsparkasse A-Stadt ihre Beschäftigten darüber, dass im Zuge des Wechsels der Versorgungseinrichtung ein Nachteilsausgleich gezahlt und als zusätzliches Einkommen der Arbeitnehmer erfasst worden sei, da die zusätzliche Umlage nach Auffassung der Finanzverwaltung steuerpflichtiges Entgelt darstelle. Diese steuerliche Handhabung sei indes fehlerhaft gewesen. Der Bundesfinanzhof - BFH - habe am14. September 2005 (VI R 148/98) entschieden, dass Sonderzahlungen an eine Zusatzversorgungskasse keinen steuerpflichtigen Arbeitslohn darstellen. Mit Schreiben vom 28. März 2006 gab die Stadtsparkasse A-Stadt dem Kläger weitere Hinweise darüber, wie in der Sache zweckmäßigerweise zu verfahren sei.

Vor diesem Hintergrund beantragten die Kläger mit Schreiben vom 8. Juli 2006 (betreffend die Veranlagungszeiträume 2002 und 2003) bzw. 6. August 2006 (betreffend den Veranlagungszeitraum 2001) eine Änderung der Veranlagungen für die Jahre 2001 bis 2003 nach § 173 AO unter entsprechender Reduzierung der Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit. Dies lehnte der Beklagte mit Schreiben vom 17. Juli 2006 (Veranlagungszeiträume 2002 und 2003) bzw. 12. August 2006 (Veranlagungszeitraum 2001) ab.

Gegen die Ablehnungsbescheide legten die Kläger am 8. August 2006 (Veranlagungszeiträume 2002 und 2003) bzw. 30. August 2006 (Veranlagungszeitraum 2001) Einsprüche ein, die der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 11. Januar 2007 als unbegründet zurückwies. Der Beklagte begründete dies damit, dass es sich zwar nicht bei den zu der Rechtsfrage ergangenen Urteilen des BFH, wohl aber bei den Sonderzahlungen an die Zusatzversorgungskasse um Tatsachen i.S.d. § 173 AO handele, diese jedoch nicht rechtserheblich seien. Rechtserheblichkeit sei nur zu bejahen, wenn das Finanzamt bei rechtzeitiger Kenntnis der Tatsache bei der ursprünglichen Veranlagung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einer niedrigeren Steuer gelangt wäre (Hinweis auf BFH-Beschluss vom 23. November 1987 GrS 1/86, BFHE 151, 495, BStBl. II 1988, 180). Dies sei jedoch nicht der Fall, da die Sonderzahlungen im Zeitpunkt der streitigen Steuerfestsetzungen seitens der Finanzverwaltung als Arbeitslohn qualifiziert worden seien.

Die Kläger haben am 13. Februar 2007 Klage erhoben. Zur Begründung tragen sie vor, die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO seien vorliegend erfüllt. Dem Beklagten sei die Tatsache, dass der Nachteilsausgleich im Bruttoarbeitslohn des Klägers enthalten war, erst nachträglich bekannt geworden; Gleiches gelte für die Kläger selbst, die erst durch das Schreiben der Stadtsparkasse A-Stadt vom 15. März 2006 darüber informiert worden seien. Dem stünden die Eintragungen auf den Lohnsteuerkarten 2002 und 2003 "ZUK.STPFL IN Z3 ENTH." nicht entgegen, da daraus weder die Existenz noch die Höhe von Sonderumlagen habe entnommen werden können. Diese Tatsache führe zu einer niedrigeren Steuer. Die Kläger treffe auch kein grobes Verschulden an deren nachträglichem Bekanntwerden.

Der von dem Beklagten erhobene Einwand der fehlenden Rechtserheblichkeit greife nicht durch, da der Beklagte die Nachteilsausgleichszahlungen bei rechtzeitiger Kenntnis des Sachverhalts dem Lohnsteuerabzug nicht hätte unterwerfen dürfen. Dass eine Versteuerung dem Fiskus nicht zugestanden habe, verdeutliche die dem Steuerpflichtigen entgegenkommende, vom Gesetz nicht gedeckte Anwendung des § 40b EStG auf diese Fälle seitens der Finanzverwaltung. Diese habe eine Versteuerung selbst für unbillig gehalten. Der Beklagte könne sich auch nicht auf eine Rechtsprechungsänderung berufen, da der BFH zuvor keine gegenteilige Auffassung vertreten habe.

Im Hinblick auf die im elektronischen Informationssystem der Finanzverwaltung NRW veröffentlichte Kurzinformation Ertragsteuer Nr. 043/2004 der Oberfinanzdirektion - OFD - Düsseldorf vom 28. Juni 2004 - diese hat der Beklagte dem Gericht auf entsprechenden Hinweis des Berichtserstatters zusammen mit der Kurzinformation für den Lohnsteuer-Außendienst Nr. 12/2001 vom 5. Dezember 2001 (Blatt 65 und 66 der Gerichtsakte) übersandt - sind die Kläger der Auffassung, der Beklagte habe es entweder schuldhaft versäumt, die Frage der Rechtserheblichkeit im Einspruchsverfahren mit ihnen zu eruieren, indem er die Einkommensteuer-Kurzinformation zurückgehalten habe, oder er habe selbst erst im Nachhinein von der Kurzinformation Kenntnis erlangt. Im letzteren Fall wäre die OFD-Verfügung aber im Zweifel mangels Kenntnis nicht befolgt worden, so dass die Rechtserheblichkeit der nachträglich bekannt gewordenen Tatsache auch für das Jahr 2003 außer Frage stehe.

In diesem Zusammenhang macht der Kläger schließlich geltend, die von dem Beklagten zitierte Tz. 159 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - zur steuerlichen Förderung der privaten Altersvorsorge und betrieblichen Altersversorgung vom 5. August 2002 (IV C 4-S 2222-295/02 u.a.) sei ohne Bedeutung, da sie sich nicht auf Sonderumlagen beziehe. Ebenso sei der vorgelegte Schriftverkehr des Finanzministeriums NRW nicht zu beachten. Hierbei handele es sich nicht um eine bindende Verwaltungsanweisung für den Veranlagungsbeamten.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

die Ablehnungsbescheide vom 17. Juli bzw. 12. August 2006 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Januar 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Einkommensteuerfestsetzungen für die Jahre 2001 bis 2003 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit um die Nachteilsausgleichszahlungen i.H.v. 1.210,31 DM (2001), 999,55 EUR (2002) bzw. 1.082,70 EUR (2003) niedriger festgesetzt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf seine Einspruchsentscheidung vom 11. Januar 2007. Ergänzend macht er geltend, die Nachteilsausgleichszahlungen seien im Hinblick auf die Eintragungen auf den Lohnsteuerkarten 2002 und 2003 "ZUK.STPFL IN Z3 ENTH." nicht nachträglich bekannt geworden, da sich daraus ergebe, dass die in den bescheinigten Beträgen enthaltenen Sonderzahlungen als Arbeitslohn behandelt und lohnversteuert worden seien; Gleiches müsse für das Jahr 2001 gelten, für das keine Lohnsteuerkarte mehr vorliege. Auch wenn die genaue Höhe der Sonderzahlungen erst im Zeitpunkt der Änderungsanträge mitgeteilt worden sei, führe dies nicht zu einem nachträglichen Bekanntwerden der Tatsache an sich.

Zur Frage der Rechtserheblichkeit trägt der Beklagte vor, dass es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu keiner anderen Besteuerung gekommen wäre, wenn der Sachverhalt der Finanzbehörde schon im Zeitpunkt der ursprünglichen Veranlagungen bekannt gewesen wäre. Es entspräche der ständigen Praxis sowie der Bindung an Recht und Gesetz (§ 19 EStG), dass die Finanzämter bei entsprechenden Eintragungen auf der Lohnsteuerkarte von einer Steuerpflicht der bescheinigten Beträge ausgehen.

Zudem habe im Zeitpunkt des Erlasses der maßgebenden Steuerbescheide die Verwaltungsauffassung bestanden, dass es sich bei den Sonderzahlungen um steuerpflichtigen Arbeitslohn handele. In diesem Zusammenhang verweist der Beklagte auf Rz. 159 des BMF-Schreibens zur steuerlichen Förderung der privaten Altersvorsorge und betrieblichen Altersversorgung vom 5. August 2002 (IV C 4-S 2222-295/02 u.a.), wonach für Umlagen, die vom Arbeitgeber an eine Versorgungseinrichtung entrichtet werden, die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 63 EStG nicht in Betracht komme. Damit stehe fest, dass bei Erlass der Einkommensteuerbescheide eine eindeutige Weisungslage bestanden habe, wonach die Zahlungen an die Zusatzversorgungskasse zum steuerpflichtigen Arbeitslohn zu rechnen gewesen seien. Dies werde durch die Mitteilung für den Lohnsteuer-Außendienst Nr. 12/2001 vom 5. Dezember 2001 untermauert, die ein Finanzbeamter, der zu der hiesigen Problematik keine weitergehenden Hinweise gefunden hätte, als bindend beachtet hätte. Gleiches gelte für die Stellungnahmen, welche die beteiligten Finanzämter in den entsprechenden finanzgerichtlichen Verfahren abgegeben haben.

Weiterhin verweist der Beklagte darauf, dass das Finanzministerium NRW in den Jahren 2000 bis 2002 auf Anfrage der im Auftrag der Stadt A-Stadt handelnden Wirtschaftsprüfungsgesellschaft C-AG wiederholt bestätigt habe, dass der von Arbeitgebern im Zuge der Übertragung der Zusatzversorgung für die Arbeitnehmer der Stadt A-Stadt und der Kapitalgesellschaften und Einrichtungen, an denen die Stadt beteiligt ist, auf die Rheinische Zusatzversorgungskasse geleistete Nachteilsausgleich erst im Zeitpunkt der Zahlung lohnsteuerlich zu erfassen und bis zu einem jährlichen Gesamthöchstbetrag nach § 40b EStG mit 20 v.H. pauschaliert zu besteuern sei. Auf die zur Gerichtsakte gereichten Schreiben (Blatt 81 ff.) wird Bezug genommen.

Der Beklagte macht schließlich geltend, § 173 AO habe nicht den Sinn, dem Steuerpflichtigen das Risiko eines Rechtsbehelfsverfahrens dadurch abzunehmen, dass ihm gestattet wird, sich auf Tatsachen gegenüber dem Finanzamt erst dann zu berufen, wenn durch eine Rechtsprechung eine Rechtslage eintritt, die eine bisher nicht vorgetragene Tatsache als relevant erscheinen lässt. Dabei könne es keinen Unterschied machen, ob es sich um eine erstmalige Rechtsprechung oder eine Rechtsprechungsänderung handelt.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Steuerakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Die Ablehnungsbescheide des Beklagten vom 17. Juli bzw. 12. August 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. Januar 2007 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten; die Sache ist spruchreif (§ 101 Satz 1 FGO). Der Beklagte hat die Änderung der formell bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzungen für die Jahre 2001 bis 2003 zu Unrecht abgelehnt. Die Kläger haben einen Anspruch auf Änderung der Bescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO.

Nach der Korrekturvorschrift des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sind Steuerbescheide zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden. Der Tatbestand ist vorliegend erfüllt. Die Nachteilsausgleichszahlungen stellen nachträglich bekannt gewordene Tatsachen im Sinne des § 173 Abs. 1 AO dar, denen insbesondere nicht die erforderliche Rechtserheblichkeit fehlt.

1. Tatsache i.S.d. § 173 Abs. 1 AO ist jeder Lebensvorgang, der insgesamt oder teilweise den gesetzlichen Steuertatbestand oder einzelne Merkmale dieses Tatbestands erfüllt, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller und immaterieller Art (ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. Urteil vom 14. Januar 1998 II R 9/97, BFHE 185, 117, BStBl II 1998, 371). Hingegen ist die steuerrechtliche Würdigung von Tatsachen und die juristische Subsumtion unter den Tatbestand einer anspruchsbegründenden Steuerrechtsnorm durch die zuständige Finanzbehörde keine Tatsache (BFH-Urteile vom 24. Juli 1984 VIII R 304/81, BFHE 141, 485, BStBl II 1984, 785; vom 2. August 1994 VIII R 65/93, BFHE 175, 500, BStBl II 1995, 264).

Vorliegend stellen die auf den Kläger entfallenden Nachteilsausgleichszahlungen als Lebensvorgänge Tatsachen dar. Gleiches gilt für die Erfassung dieser Zahlungen in den Lohnsteuerbescheinigungen des Klägers durch seine Arbeitgeberin. Hingegen handelt es sich bei der steuerrechtlichen Beurteilung dieser Zahlungen nicht um eine Tatsache. Der BFH hat die Sonderzahlung anlässlich der Überführung einer Mitarbeiterversorgung von einer Zusatzversorgungskasse auf eine andere nicht als Arbeitslohn qualifiziert (vgl. Urteile vom 14. September 2005 VI R 148/98, BFHE 210, 443, BStBl II 2006, 532;vom 15. Februar 2006 VI R 64/05, BFH/NV 2006, 1272); dem ist die Finanzverwaltung gefolgt (BMF-Schreiben vom 30. Mai 2006, BStBl I 2006, 415). Hierbei handelt es sich um die bloße steuerrechtliche Würdigung von Tatsachen bzw. um die juristische Subsumtion unter den Begriff des Arbeitslohns, die nicht in den Anwendungsbereich des § 173 Abs. 1 AO fällt.

2. Die Nachteilsausgleichszahlungen sind auch nachträglich, d.h. nach Abschluss der finanzbehördlichen Willensbildung durch abschließende Unterzeichnung des Berechnungs- oder Eingabewertbogens durch den zuständigen Finanzbeamten (herrschende Meinung, vgl. BFH-Urteil vom 24. März 1998 VII R 59/97, BFHE 185, 139, BStBl II 1998, 450 m.w.N.; a.A. Loose, in: Tipke/Kruse, AO, § 173 Rn. 44), bekannt geworden. Abzustellen ist auf die Kenntnis der sachlich und örtlich zuständigen Finanzbehörde (BFH-Urteil vom 29. Juni 1984 VI R 34/82, BFHE 141, 234, BStBl II 1984, 694 m.w.N.). Es ist nicht ersichtlich, dass der zuständige Beamte des Beklagten im Zeitpunkt der Durchführung der ursprünglichen Veranlagungen konkrete Kenntnis von den Nachteilsausgleichszahlungen hatte. Zwar waren diese in den jeweiligen Bruttoarbeitslöhnen enthalten, die auf der Lohnsteuerbescheinigung angegeben und somit gegenüber dem Beklagten bekannt gemacht worden sind. Dieser hatte jedoch keine Erkenntnisse, dass Nachteilsausgleichszahlungen an eine Zusatzversorgungskasse geleistet worden sind. Die Eintragungen auf den Lohnsteuerbescheinigungen des Klägers "ZUK.STPFL IN Z3 ENTH." dürften zwar darauf hingedeutet haben, dass der Bruttoarbeitslohn auch steuerpflichtige Zukunftssicherungsleistungen umfasste. Sie enthielten indes keinen konkreten Hinweis auf die Art der Zahlungen. Der Beklagte hätte insoweit allenfalls Mutmaßungen anstellen können (vgl. auch Urteil des FG A-Stadt vom 5. Mai 2008 17 K 692/07, zitiert nach [...]). Ferner überstiegen die bescheinigten Werte die tatsächlich geleisteten, auf den Kläger entfallenden Nachteilsausgleichszahlungen. Damit stehen die Eintragungen auf den Lohnsteuerkarten dem nachträglichen Bekanntwerden der Nachteilsausgleichszahlungen an sich - entgegen der Ansicht des Beklagten - nicht entgegen.

3. a) Die Tatsache, dass in den Streitjahren Nachteilsausgleichszahlungen geleistet worden sind, stellt sich letztlich auch als rechtserheblich dar. § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO setzt voraus, dass die nachträglich bekannt gewordene Tatsache zu einer niedrigeren Steuer als der festgesetzten führt. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH und herrschender Literaturauffassung ist eine Rechtserheblichkeit in diesem Sinne zu bejahen, wenn die Finanzbehörde bei rechtzeitiger Kenntnis einer ihr unbekannt gebliebenen Tatsache schon bei der ursprünglichen Steuerfestsetzung zu einem niedrigeren steuerlichen Ergebnis gekommen wäre (vgl. BFH-Beschluss vom 23. November 1987 GrS 1/86, BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180; BFH-Urteil vom 14. April 1999 XI R 30/96, BFHE 188, 286, BStBl 1999 II, 478; BFH-Beschluss vom 10. Oktober 2007 VI B 48/06, BFH/NV 2008, 191; von Groll, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 173 Rn. 125; Rüsken, in: Klein, AO, 9. Aufl. 2006, § 173 Rn. 71; Balmes, in: Kühn/von Wedelstädt, AO, 19. Aufl. 2008, § 173 Rn. 35; Szymczak, in: Koch/Scholtz, AO, 5. Aufl. 1996, § 173 Rn. 26). Sofern die Finanzverwaltung der Tatsache nach ihrer damaligen Rechtsauffassung hingegen keine Bedeutung beigemessen hätte, ist Rechtserheblichkeit zu verneinen (Rüsken, in: Klein, AO, 9. Aufl. 2006, § 173 Rn. 71).

Der Senat schließt sich dieser Auffassung trotz einiger Bedenken gegen die Tragfähigkeit des (ungeschriebenen) Tatbestandsmerkmals der Rechtserheblichkeit, das sich in dieser Form aus der gesetzlichen Regelung nicht unmittelbar entnehmen lässt und dessen Notwendigkeit im Hinblick auf das Korrektiv der Verschuldensprüfung in § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zumindest kritisch zu hinterfragen sein dürfte, an. Er folgt damit insbesondere nicht der Gegenmeinung (Loose, in: Tipke/Kruse, AO, § 173 Rn. 55), die allein darauf abstellt, ob die Finanzbehörde die Steuer bei Kenntnis der Tatsache anders hätte festsetzen müssen und die damit den (ursprünglichen) Rechtsansichten der Finanzverwaltung keinerlei Bedeutung beimisst. Nach der Gegenauffassung ist eine Tatsache auch dann als rechtserheblich anzusehen, wenn der Steuerpflichtige sie der Finanzbehörde erst nach einer Änderung der bis dahin gefestigten Rechtsprechung mitteilt. Diesem am Wortlaut des § 173 Abs. 1 AO angelehnten Standpunkt ist zuzugeben, dass sich Tatsachen einfacher feststellen lassen als Rechtsansichten. Für die herrschende Auffassung spricht indes der Sinnzusammenhang der Änderungsvorschriften der AO und die Notwendigkeit, die nachträgliche Berücksichtigung neuer Tatsachen von der Korrektur von Rechtsfehlern abzugrenzen (vgl. Rüsken, in: Klein, AO, 9. Aufl. 2006, § 173 Rn. 71). § 173 AO hat nämlich - darauf weist der Beklagte zu Recht hin - nicht den Sinn, dem Steuerpflichtigen das Risiko eines Rechtsbehelfsverfahrens dadurch abzunehmen, dass ihm gestattet wird, sich auf Tatsachen gegenüber dem Finanzamt erst dann zu berufen, wenn etwa durch eine spätere Änderung der BFH-Rechtsprechung eine Rechtslage eintritt, die eine bisher nicht vorgetragene Tatsache nunmehr relevant erscheinen lässt (vgl. BFH-Beschluss vom 23. November 1987 GrS 1/86, BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180 m.w.N.; BFH-Urteil vom 11. Mai 1988 I R 216/85, BFHE 153, 296, BStBl 1988 II, 715; von Groll, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 173 Rn. 125).

b) Die Frage, wie das Finanzamt den Sachverhalt bei Kenntnis der neuen Tatsachen gewürdigt hätte, ist aufgrund des Gesetzes, wie es nach der damaligen Rechtsprechung des BFH ausgelegt wurde, und der die Finanzämter bindenden Verwaltungsanweisungen zum Zeitpunkt der ursprünglichen Veranlagungen zu beurteilen. Welche Verwaltungsanweisungen im Zeitpunkt des ursprünglichen Bescheiderlasses galten, muss das Finanzgericht im Rahmen seiner tatsächlichen Feststellungen (§§ 76, 118 Abs. 2 FGO) ermitteln (BFH-Beschluss vom 23. November 1987 GrS 1/86, BFHE 153, 296, BStBl II 1988, 180; BFH-Urteile vom 11. Mai 1988 I R 216/85, BFHE 153, 296, BStBl II 1988, 715;vom 14. Dezember 1994 XI R 80/92, BFHE 176, 308, BStBl II 1995, 293). Dabei besteht keine Bindung an bestimmte Beweismittel (BFH-Urteile vom 10. März 1999 II R 99/97, BFHE 188, 276, BStBl II 1999, 433;vom 15. Dezember 1999 XI R 22/99, BFH/NV 2000, 818).

c) Im Hinblick auf die hypothetische Entscheidung des Finanzamts ist zu beachten, dass die Frage, mit welcher Wahrscheinlichkeit diese feststehen muss, nicht einheitlich beantwortet wird. Nach dem Beschluss des Großen Senats vom 23. November 1987 (GrS 1/86, BFHE 151, 495, BStBl II 1988, 180) ist Rechtserheblichkeit (nur) dann zu bejahen, wenn das Finanzamt bei rechtzeitiger Kenntnis der Tatsachen schon bei der ursprünglichen Steuerfestsetzung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einem niedrigeren steuerlichen Ergebnis gekommen wäre, hingegen zu verneinen, wenn das Finanzamt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu keiner anderen Steuer gelangt wäre.

aa) Dies hätte an sich zur Konsequenz, dass das Tatbestandsmerkmal der Rechtserheblichkeit einer nachträglich bekannt gewordenen Tatsache weder positiv festgestellt noch verneint werden könnte, wenn die Entscheidung des Finanzamts nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht. In diesen Fällen bliebe nur eine Entscheidung nach den allgemeinen Grundsätzen über die Verteilung der Feststellungslast, so dass die Nichterweislichkeit der Rechtserheblichkeit in den Fällen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu Lasten des Finanzamts und in den Fällen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zu Lasten des Steuerpflichtigen ginge (vgl. BFH-Beschlüsse vom 5. Februar 1992 I B 97/01, BFH/NV 1992, 645;vom 29. Juli 1992 I B 49/92, BFH/NV 1993, 83; Loose, in: Tipke/Kruse, AO, § 173 Rn. 53). Dementsprechend geht der BFH in seinen Urteilen vom 15. Dezember 1999 (XI R 22/99, BFH/NV 2000, 818) und20. Juni 2001 (VI R 70/00, BFH/NV 2001, 1017) auch davon aus, dass nachträglich bekannt gewordene Tatsachen nur dann rechtserheblich sind, wenn die Finanzbehörde bei rechtzeitiger Kenntnis der Tatsache schon bei der ursprünglichen Steuerfestsetzung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu einem anderen steuerlichen Ergebnis gelangt wäre (ebenso Urteil des Niedersächsischen FG vom 16. September 1992 III 568/89, EFG 1993, 342; Urteil des FG Berlin vom 11. April 1997 III 318/92, EFG 1997, 932; Urteil des Niedersächsischen FG vom 11. Januar 2007 6 K 476/02, EFG 2007, 1424). Dies hätte zur Folge, dass die bloße Möglichkeit einer anderen Entscheidung stets zur fehlenden Rechtserheblichkeit führen würde.

bb) Demgegenüber soll nach der wohl überwiegenden Rechtsprechung und Literaturmeinung bereits die Möglichkeit einer anderen Entscheidung die Rechtserheblichkeit begründen. Nach den Urteilen des BFH vom 14. Dezember 1994 (XI R 80/92, BFHE 176, 308, BStBl II 1995, 293), 13. Mai 1998 (II R 67/96, BFH/NV 1999, 1) und29. Juli 1998 (II R 39/96, BFH/NV 1999, 154) sowie dem Beschluss vom 20. Oktober 2005 (I B 49/05, BFH/NV 2006, 337) ist die Rechtserheblichkeit nachträglich bekannt gewordener Tatsachen nur dann zu verneinen, wenn das Finanzamt auch bei rechtzeitiger Kenntnis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu keiner anderen Steuer gelangt wäre. Bestand hingegen die bloße Möglichkeit einer anderen Entscheidung, sei die Rechtserheblichkeit der nachträglich bekannt gewordenen Tatsache im Umkehrschluss zu bejahen. Im Zweifel sei daher von der Rechtserheblichkeit der Tatsache auszugehen (ebenso Urteil des FG Münster vom 25. August 1999 8 K 1892/94, EFG 1999, 1264; Urteil des FG Hamburg vom 9. Oktober 2007 6 K 326/04; Urteile des FG A-Stadt vom 6. August 2007 1 K 3800/06 sowie vom 5. Mai 2008 17 K 692/07; von Groll, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 173 Rn. 125; von Wedelstädt, in: Beermann/Gosch, AO, § 173 Rn. 31; Frotscher, in: Schwarz, AO, § 173 Rn. 31; Rüsken, in: Klein, AO, 9. Aufl. 2006, § 173 Rn. 71; Balmes, in: Kühn/von Wedelstädt, AO, 19. Aufl. 2008, § 173 Rn. 35).

cc) Der erkennende Senat schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an. Sie lässt sich allerdings - wovon die oben zitierte Rechtsprechung auszugehen scheint - nicht unmittelbar aus dem Beschluss des Großen Senats des BFH herleiten. Zwar liegt es nahe anzunehmen, dass die bloße Möglichkeit einer anderen Entscheidung schon zur Begründung der Rechtserheblichkeit führt, sofern man den zuvor zitierten Rechtssatz des Großen Senats zur fehlenden Rechtserheblichkeit isoliert betrachtet. Dies ist allerdings nicht tragfähig, da beide Obersätze zur Frage der Rechtserheblichkeit im Zusammenhang gesehen werden müssen. Nach diesem Verständnis hat der Große Senat nur die "Eckpunkte" der Wahrscheinlichkeitsprüfung festgelegt.

Dass gleichwohl die bloße Möglichkeit einer anderen Entscheidung des Finanzamts ausreicht, lässt sich indes aus der Orientierung des Beweismaßes an der Sphärenverantwortlichkeit der Beteiligten herleiten. Grundsätzlich darf das Gericht im Steuerprozess einen Sachverhalt nur dann als wahr, d.h. als erwiesen erachten, wenn dieser nach seiner Vorstellung mit einem so hohen Grad der Wahrscheinlichkeit festgestellt ist, dass kein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch noch zweifelt (vgl. Seer, in: Tipke/Kruse, FGO, § 96 Rn. 66 m.w.N.). Eine Reduktion des Beweismaßes kommt jedoch vor dem Hintergrund der Sphärenverantwortlichkeit der Beteiligten in Betracht (vg. dazu Seer, in: Tipke/Kruse, FGO, § 96 Rn. 73). Bei der Beurteilung der Rechtserheblichkeit der nachträglich bekannt gewordenen Tatsache ist maßgebend auf die hypothetische Entscheidung des Finanzamts abzustellen. Diese Betrachtung orientiert sich insbesondere an der zur Zeit der ursprünglichen Veranlagung bestehenden Erlasslage. Es kommt damit auf Umstände an, denen die Finanzbehörde wesentlich näher steht als der Steuerpflichtige. Daher muss vor allem in den Fällen, in denen keine gefestigte BFH-Rechtsprechung zu der einschlägigen Rechtsfrage existiert, die Möglichkeit einer anderen Entscheidung seitens des Finanzamts ausreichen. Dies gilt im Anwendungsbereich des zugunsten des Steuerpflichtigen wirkenden § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Norm mit der Verschuldensprüfung ein weiteres Korrektiv bereit hält.

d) In Anwendung dieser Grundsätze ist die Rechtserheblichkeit der nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen im Streitfall zu bejahen. Der hypothetische Kausalverlauf kann zwar nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, es erscheint allerdings zumindest möglich, dass der Beklagte bei Kenntnis der Tatsachen jeweils zu einer niedrigeren Steuerfestsetzung gekommen wäre.

aa) Zu der hier einschlägigen Rechtsfrage der steuerlichen Behandlung von Sonderzahlungen des Arbeitgebers anlässlich der Überführung einer Mitarbeiterversorgung von einer Zusatzversorgungskasse auf eine andere vor Einfügung des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 b) EStG i.d.F. des JStG 2007, der auf nach dem 23. August 2006 geleistete Sonderzahlungen erstmals anzuwenden ist (§ 52 Abs. 36 i.d.F. des JStG 2007), existierten im Zeitpunkt der maßgeblichen Veranlagungen - soweit ersichtlich - weder gefestigte Rechtsprechungsgrundsätze noch bindende Verwaltungsanweisungen. Das vom Beklagten angeführte BMF-Schreiben zur steuerlichen Förderung der privaten Altersvorsorge und betrieblichen Altersversorgung vom 5. August 2002 (IV C 4-S 2222-295/02 u.a.) ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Zunächst konnte es aus zeitlichen Gründen ohnehin nur im Rahmen der Veranlagungen 2002 und 2003 Berücksichtigung finden. Des Weiteren wird in Rz. 159 dieses Erlasses im Hinblick auf die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 63 EStG lediglich ausgeführt, dass zu den begünstigten Aufwendungen im Sinne der Vorschrift nur die im Kapitaldeckungsverfahren erhobenen Beiträge gehören, nicht hingegen Umlagen, die vom Arbeitgeber an eine Versorgungseinrichtung entrichtet werden. Hierbei handelt es sich um eine Klarstellung, denn schon nach dem Wortlaut des Gesetzes sind nur Beiträge zum Aufbau einer kapitalgedeckten betrieblichen Altersversorgung begünstigt, nicht hingegen Umlagen. Zwar folgt daraus denknotwendig, dass derartige Umlagen als steuerbar zu behandeln sind, andernfalls wäre die Frage der Steuerfreiheit nicht von Bedeutung. Allerdings hat das BMF gerade nicht zur Behandlung von Nachteilsausgleichszahlungen im Zuge der Überführung der Mitarbeiterversorgung auf eine andere (umlagenfinanzierte) Zusatzversorgungskasse Stellung genommen, so dass der Erlass für die hier einschlägige Rechtsfrage ohne Bedeutung ist.

bb) Weiterhin führen auch die Verlautbarungen der für den Beklagten zuständigen OFD Düsseldorf zu keiner anderen Beurteilung. Zwar hat sich diese in der Mitteilung für den Lohnsteueraußendienst Nr. 12/2001 vom 5. Dezember 2001 sowie in der Kurzinformation Ertragsteuer Nr. 043/2004 vom 28. Juni 2004 für eine Erfassung der Umlagen als Arbeitslohn ausgesprochen. Jedoch folgt daraus - unabhängig von der Frage, ob es sich hierbei um bindende Verwaltungsanweisungen im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung handelt oder ob derartige Mitteilungen zumindest praktisch wie (bindende) Verwaltungsanweisungen behandelt werden - nicht, dass der Beklagte diese Stellungnahmen bei Durchführung der Veranlagungen zwingend beachtet hätte. Im Hinblick auf die Mitteilung für den Lohnsteueraußendienst vom 5. Dezember 2001 ergibt sich dies schon daraus, dass Adressat der Mitteilung nicht der Sachbearbeiter der Veranlagungsstelle, sondern der Lohnsteueraußenprüfer war. Zwar können derartige Verfügungen auch der Veranlagungsstelle als Informationsquelle dienen. Es ist jedoch nicht hinreichend sicher, dass der zuständige Veranlagungsbeamte die Mitteilung für den Lohnsteueraußendienst berücksichtigt hätte (ebenso Urteile des FG A-Stadt vom 6. August 2007 1 K 3800/06 und 5. Mai 2008 17 K 692/07).

In Bezug auf die Kurzinformation Ertragsteuer vom 28. Juni 2004 ist zu beachten, dass diese bei Durchführung der Veranlagungen für die Streitjahre aus zeitlichen Gründen noch gar keine Berücksichtigung finden konnte. Dies gilt auch für den Veranlagungszeitraum 2003. Zwar ist die Einkommensteuer 2003 am 28. Juni 2004 zur maschinellen Verarbeitung freigegeben worden. Es kann allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass der zuständige Bearbeiter bei der Freigabe bereits Kenntnis von der im elektronischen Informationssystem der Finanzverwaltung NRW veröffentlichten Mitteilung der OFD Düsseldorf hatte. Denn selbst wenn es dem Sachbearbeiter möglich gewesen wäre, die Mitteilung bereits am 28. Juni 2004 über das Informationssystem abzurufen, kann dies im Rahmen eines gewöhnlichen Geschäftsgangs nicht unterstellt werden, zumal nicht mehr nachzuvollziehen ist, zu welcher Uhrzeit die abschließende Zeichnung der Veranlagung und das Einstellen der Mitteilung in das elektronische Informationssystem der Finanzverwaltung erfolgt sind.

cc) Schließlich erlauben auch die vom Beklagten zur Gerichtsakte gereichte Schreiben der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft C-AG sowie die Antwortschreiben des Finanzministeriums NRW nicht, dass die hypothetische Entscheidung des Beklagten festgestellt werden kann. Zum einen handelt es sich schon nicht um - bindende oder nicht bindende - Verwaltungsverlautbarungen, sondern um bloßen (internen) Schriftverkehr der obersten Landesbehörde. Im Übrigen hat der einzelne Sachbearbeiter der Veranlagungsstelle im Regelfall keine Kenntnis von derartigen Vorgängen. Es kann daher nicht unterstellt werden, dass er sie bei den Veranlagungen berücksichtigt hätte (ebenso Urteil des FG A-Stadt vom 5. Mai 2008 17 K 692/07).

dd) Nach alledem lässt sich zwar nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Feststellung treffen, dass der Beklagte bei voller Tatsachenkenntnis eine niedrigere Steuer festgesetzt hätte, indem er den steuerpflichtigen Arbeitslohn des Klägers um die Nachteilsausgleichszahlungen gekürzt hätte. Ebenso wenig kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass das Finanzamt bei Kenntnis der Tatsachen zum gleichen Ergebnis gekommen wäre. Zwar dürfte dies vor dem Hintergrund der zuvor dargestellten Mitteilungen und Stellungnahmen, der steuerlichen Behandlung der Nachteilsausgleichszahlungen durch die Arbeitgeberin des Klägers und deren Hinweisen auf die gegenteilige "bisherige Auffassung der Finanzverwaltung" in ihren Schreiben vom 15. und 28. März 2006 näher liegen. Aus der Sicht eines objektiven Dritten bestand aber zumindest die Möglichkeit, dass der Veranlagungsbeamte bei steuerlicher Würdigung des Sachverhalts - wie der BFH - zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass es sich bei den Nachteilsausgleichszahlungen nicht um Arbeitslohn handelt (vgl. BFH-Urteil vom 29. Juli 1998 II R 39/96, BFH/NV 1999, 154). Eine entgegenstehende zwingende Verwaltungsübung lässt sich entgegen der Behauptung des Beklagten vorliegend nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen. Diese Möglichkeit einer anderen Entscheidung reicht - wie oben dargelegt - zur Bejahung der Rechtserheblichkeit aus.

4. Da die Kläger auch kein (grobes) Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der Nachteilsausgleichszahlungen trifft, sind sämtliche Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO erfüllt. Die Kläger haben einen Anspruch auf Änderung der bestandskräftigen Steuerbescheide.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war zuzulassen, da im Hinblick auf die oben dargestellten unterschiedlichen Ansätze in der (höchstrichterlichen) Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich erscheint (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO).



Ende der Entscheidung

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