Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 20.12.2007
Aktenzeichen: 11 K 679/05 E
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 1
EStG § 5
EStG § 16 Abs. 2
EStG § 16 Abs. 3
EStG § 16 Abs. 4
EStG § 18 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

11 K 679/05 E

Tenor:

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 15. Mai 2003 sowie der Einspruchsentscheidung vom 20. Januar 2005 verpflichtet, den Einkommensteuerbescheid für 1998 vom 12. Juni 2002 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 10. November 2003 und 26. November 2004 dahingehend zu ändern, dass der Veräußerungsgewinn bei den Einkünften des Klägers aus selbstständiger Arbeit um 173.740 DM verringert wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Steuerberechnung wird dem Beklagten aufgegeben.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 1/10, der Beklagte zu 9/10.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, in welcher Höhe der Restbuchwert für ein Patent im Rahmen der Ermittlung eines Veräußerungsgewinns gegen den Veräußerungspreis zu saldieren ist.

Die Klägerin und der im Februar 2007 verstorbene Kläger waren Ehegatten und wurden im Streitjahr 1998 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Auf Grund erbvertraglicher Regelungen ist der Kläger von der Klägerin beerbt worden.

Der Ehemann der Klägerin hatte im Jahr 1985 eine Erfindung zum Patent angemeldet. Die Nutzung des Patentes überließ er ab 1987 im Rahmen eines Lizenzvertrages der A- GmbH, deren Gesellschafter er war. Die Lizenzeinnahmen wurden als Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit erklärt und besteuert. Mit Wirkung zum 1. Januar 1998 verkaufte der Kläger das Patent zu einem Preis von 2.000.000 DM und gab damit zugleich seine Erfindertätigkeit auf.

Bereits vor der Veräußerung beantragte der Steuerberater der Kläger mit Schreiben vom 11. November 1997 die Erteilung einer verbindlichen Auskunft zur Frage der steuerlichen Behandlung des beabsichtigten Veräußerungsvorgangs. Der Berater vertrat hierbei die Auffassung, dass das Patentrecht im Privatvermögen des Klägers gehalten werde und der geplante Veräußerungsvorgang deshalb keinen ertragsteuerlichen Verpflichtungen unterliege. Nachdem der Kaufvertrag am 4. Dezember 1997 geschlossen worden war, ohne dass der Beklagte zuvor die beantragte verbindliche Auskunft erteilt hatte, traten die Beteiligten in der Folgezeit in Verhandlungen darüber ein, wie dieser Veräußerungsvorgang ertragsteuerlich zu behandeln sei. Die Gespräche mündeten in einer am 28. Mai 2002 zwischen den Beteiligten getroffenen tatsächlichen Verständigung. Diese hatte folgenden Inhalt:

"Die Tätigkeit als Erfinder einer Methode zur ................ wurde erst mit Verwertung der Erfindung am 01.01.1987, also mit Abschluss der diesbezüglichen Lizenzverträge, mit Einkunftserzielungsabsicht betrieben. Die bis dahin ausgeübte Tätigkeit als o. g. Erfinder wurde nicht mit der Absicht betrieben, Einkünfte zu erzielen.

Der Einlagewert des Patents zum 01.01.1987 in das Betriebsvermögen des Herrn B. beträgt 375.000 DM.

Die Restnutzungsdauer des Patents wird zum Einlagezeitpunkt, 01.01.1987, mit 19 Jahren und 3 Monaten angenommen, da das Patent eine Laufzeit bis Ende März 2006 hat."

Entsprechend dieser tatsächlichen Verständigung ermittelte das Finanzamt den Veräußerungs-/Aufgabegewinn aus der freiberuflichen Tätigkeit mit 1.789.862 DM. Hierbei berücksichtigte es einen Restbuchwert des Patents zum Veräußerungszeitpunkt i. H. v. 160.720 DM sowie weitere, im einzelnen unstreitige Kostenpositionen (u. a. Veräußerungskosten). Der Restbuchwert ergab sich ausgehend von einem Einlagewert i. H. v. 375.000 DM und unter Abzug der Abschreibungen für das Patent für die Jahre 1987 bis 1997 i. H. v. 19.480 DM jährlich.

Die Ermittlung des Restbuchwertes war bereits in einer der tatsächlichen Verständigung vorangegangenen Erörterung beim Beklagten Gesprächsgegenstand gewesen. In diesem Gespräch wurde nach überschlägiger Berechnung der Abschreibungen für die Jahre 1987 bis 1997 ein Buchwert bei Aufgabe der freiberuflichen Tätigkeit von ca. 160.000 DM genannt. Einwendungen gegen diese überschlägige Ermittlung des Restbuchwertes sind nach dem vom Beklagten über dieses Gespräch gefertigten Aktenvermerk seitens des Steuerberaters der Kläger nicht erhoben worden.

Der Beklagte erließ daher in Umsetzung der tatsächlichen Verständigung am 12. Juni 2002 einen geänderten Einkommensteuerbescheid 1998, in dem er den oben bereits genannten Aufgabegewinn der Einkommensteuer unterwarf. Der Änderungsbescheid erging wie bereits die Vorbescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

Zugleich erließ der Beklagte einen geänderten Einkommensteuerbescheid 1997, in dem er die ermittelte Jahres-AfA i. H. v. 19.480 DM bei den Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit des Ehemanns der Klägerin noch in Abzug brachte. Weitere Änderungen der Veranlagungen führte der Beklagte nicht durch, da die Vorjahre bereits bestandskräftig waren.

Am 24. Januar 2003 beantragten die Kläger, den Einkommensteuerbescheid 1998 gem. § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) zu ändern und die für die Jahre 1987 bis 1996 bei der Ermittlung des Aufgabegewinnes 1998 noch nicht berücksichtigten Abschreibungsbeträge in Abzug zu bringen.

Der Beklagte lehnte den Änderungsantrag mit Bescheid vom 15. Mai 2003 ab. Er wies darauf hin, dass die nachträgliche Aufnahme des Wirtschaftsgutes "Patent" in die Bilanz eine berichtigende Einbuchung darstelle, die, entsprechend der Ausführung im Urteil des Bundesfinanzhofsvom 24. Oktober 2001 (X R 153/97, BStBl. II 2002, 75), eine Nachholung nicht angesetzter Absetzungen für Abnutzung (AfA) nicht zulasse.

Die Klägerin und ihr Ehemann legten am 11. Juni 2003 Einspruch ein. Sie trugen vor, dass im Gegensatz zu dem vom Beklagten angeführten BFH-Urteil die Aktivierung des Wirtschaftsgutes "Patent" nicht lediglich vergessen worden sei. Vielmehr habe in den Jahren 1987 bis 1997 keine subjektive Kenntnis darüber bestanden, dass das Wirtschaftsgut hätte aktiviert werden müssen. Denn bis zu diesem Zeitpunkt seien die Kläger nicht von einer mit Gewinnerzielungsabsicht betriebenen Tätigkeit ausgegangen. Erst die tatsächliche Verständigung im Jahr 2002 habe zu der Erkenntnis geführt, dass die Tätigkeit des Klägers mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben worden sei und somit eine AfA-Berechtigung überhaupt bestanden habe. Es liege somit lediglich ein Rechtsirrtum vor, der unter Berücksichtigung der im Urteil des Bundesfinanzhofsvom 15. Dezember 1993 (X R 102/92, BFH/NV 1994, 543) dargelegten Grundsätze zu einer Nachholung der unterlassenen AfA im ersten offenen Veranlagungsjahr führe. Weiterhin sei zu beachten, dass der Kläger keine Bilanzen, sondern Gewinnermittlungen nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) erstellt habe und somit die Grundsätze zur Vorrangigkeit der Abschnittsbesteuerung vor der Erfassung des zutreffenden Totalgewinns ebenfalls nicht anwendbar seien.

Zugleich mit dem Einspruch stellten die Kläger einen Änderungsantrag gem. § 164 Abs. 2 AO bezüglich der Einkommensteuer 1997,um ggf. bereits in diesem Jahr die Berücksichtigung der unterlassenen Abschreibung zu erreichen. Über diesen Antrag ist bislang nicht entschieden worden.

Während des Einspruchsverfahrens erließ der Beklagte am 10. November 2003 sowie am 26. November 2004 geänderte Einkommensteuerbescheide. Die Änderungen erfolgten aus anderen, hier nicht streitbefangenen Gründen.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 20. Januar 2005 als unbegründet zurück. Er führte aus, dass das Wirtschaftsgut "Patent" zu Recht mit dem Wert eingebucht worden sei, mit dem es bei von Anfang an richtiger Bilanzierung zu Buche gestanden hätte. Eine Nachholung der bisher auf Grund der eingetretenen Bestandskraft der Vorjahressteuerfestsetzungen "unterlassenen" Abschreibungen für Abnutzungen in der Weise, dass der Restbuchwert um diese AfA-Beträge erhöht werde, sei nicht zulässig. Denn der Bilanzansatz für eine fehlerberichtigende Einbuchung bei unterlassener Aktivierung eines Wirtschaftsgutes bestimme sich, auch für den Fall erstmaliger Bilanzerstellung, nach dem Wert, mit dem das bisher zu Unrecht nicht bilanzierte Wirtschaftsgut bei von Anfang an richtiger Bilanzierung zu Buche stehen würde. Es sei daher im Fall der Ermittlung des Einbuchungswertes des Wirtschaftsgutes eine "Schattenrechnung" durchzuführen. Eine Nachholung von bisher unterlassener AfA könne auf Grund des bei der Einkommensteuer vorrangigen Prinzips der Abschnittsbesteuerung vor dem Prinzip der richtigen Erfassung des Totalgewinns nicht erfolgen. Denn eine Nachholung der AfA würde dem Grundsatz, dass die Einkommensteuer als Jahressteuer kraft Gesetzes jeweils mit Ablauf eines Veranlagungszeitraums entstehe, widersprechen. Dieses Prinzip der Abschnittsbesteuerung betreffe auch den einkünftebezogenen Aufwand der wie die AfA zeitanteilig den jeweiligen Veranlagungszeiträumen zuzuordnen sei. Diese Aufteilung sei zwingend. Eine Ausnahme hiervon sei ebenso wenig vorgesehen wie bei der zeitlichen Zuordnung der mit der Verausgabung abzusetzenden Aufwendungen. Der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes ermittelte Jahres-AfA-Betrag gehöre daher von Gesetzes wegen zu den Besteuerungsgrundlagen der jeweiligen Jahressteuerbescheide.

Es sei nicht entscheidend, ob der Ehemann der Klägerin die Berücksichtigung der AfA bewusst oder unbewusst unterlassen habe. Maßgeblich sei lediglich, dass das Wirtschaftsgut zu dessen notwendigem Betriebsvermögen gehört habe. Mit Abschluss der tatsächlichen Verständigung habe Einigkeit darüber bestanden, dass das Patent seit dem 1. Januar 1987 notwendiges Betriebsvermögen der freiberuflichen Tätigkeit des Ehemanns der Klägerin gewesen sei und als solches zum 1. Januar 1987 in das Betriebsvermögen einzulegen gewesen sei.

Die Kläger und ihr Ehemann haben am 21. Februar 2005 Klage erhoben. Sie tragen ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen vor: Fragen der rechtlichen Konsequenzen aus dem der Verständigung zu Grunde liegenden Sachverhalt, wie z. B. der Verlust von Abschreibungsbeträgen für nicht mehr änderbare Jahre, seien nicht Gegenstand der tatsächlichen Verständigung gewesen. Dies sei rechtlich auch nicht zulässig. Neben der vom Beklagten angeführten BFH-Entscheidung vom 24. Oktober 2001 lägen auch mehrere Entscheidungen des BFH vor, in denen die Nachholung von Abschreibungsbeträgen zugelassen worden und letztlich dem zutreffenden Totalgewinn Vorrang vor dem Prinzip der Abschnittsbesteuerung eingeräumt worden sei. Auf Grund der fehlenden Kenntnis des Ehemanns der Klägerin über die Betriebsvermögenseigenschaft des Patentes in den Jahren 1987 bis 1997 könne ausgeschlossen werden, dass der Nichtansatz von Abschreibungen versehentlich oder gar vorsätzlich erfolgt sei. Soweit der Beklagte der Auffassung sei, dass es sich um einen Fall der Bilanzberichtigung gem. § 4 Abs. 2 EStG handele, sei darauf hinzuweisen, dass diese Regelung allein die steuerliche Vermögensübersicht, demnach die Steuerbilanz, betreffe. Der Ehemann der Klägerin habe jedoch seinen Gewinn gem. § 4 Abs. 3 EStG ermittelt und in Unkenntnis darüber, dass überhaupt Betriebsvermögen vorhanden sei, auch keine Vermögens- oder Bestandsübersichten eingereicht. Auf Grund der Umstände dieses Einzelfalles sei daher dem Prinzip der zutreffenden Ermittlung des Totalgewinns Vorrang vor dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung zu gewähren.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Beklagten unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 20. Januar 2005 zu verpflichten, den Einkommensteuerbescheid für 1998 vom 15. Mai 2003 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 10. November 2003 und 26. November 2004 dahingehend zu ändern, dass der Veräußerungsgewinn bei den Einkünften ihres Ehemannes aus selbstständiger Arbeit um 194.800 DM verringert wird,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

dass der Veräußerungsgewinn bei den Einkünften des Ehemannes der Klägerin aus selbstständiger Arbeit nur um 173.740 DM gemindert wird sowie

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Er trägt ergänzend vor, dass es nicht entscheidend sei, ob das Wirtschaftsgut "Patent" versehentlich oder willkürlich nicht aktiviert worden sei. Es sei auch nicht entscheidend, ob deshalb dem Ehemann der Klägerin die Betriebsvermögenseigenschaft des Patentes bewusst gewesen sei oder nicht. Vielmehr sei ausschließlich auf die Zugehörigkeit des Patents zum notwendigen Betriebsvermögen abzustellen. Fehle es bezüglich dieses Patentes gleichwohl an der Aktivierung in der Bilanz, so habe der BFH in seinerEntscheidung vom 24. Oktober 2001 (X R 153/97) dem Prinzip der abschnittsweisen Erfassung des Werteverzehrs von der Abnutzung unterliegenden Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens den Vorrang vor dem Gedanken der richtigen Erfassung des Totalgewinns eingeräumt. Da dieses Prinzip der Berücksichtigung der Absetzung für Abnutzung ebenso wie die allgemeinen Kriterien für die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zum notwendigen Betriebsvermögen sowohl im Fall der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG als auch im Fall der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG gleichermaßen Geltung hätten und insbesondere auch bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ein Ausweis von Anlagevermögen erfolge, müssten die Schlussfolgerungen aus der BFH-Entscheidung auch für den Fall einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG gezogen werden. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass der Ehemann der Klägerin seit 1989 Einkünfte aus selbstständiger Arbeit aus der Tätigkeit als Erfinder erklärt habe. Ihm müsse daher die Betriebsvermögenseigenschaft des Patentes sehr wohl bewusst gewesen sein.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Steuerakten des Beklagten (1 Band Einkommensteuerakte, 3 Bände Rechtsbehelfsvorgang) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist im Wesentlichen begründet.

Der Ablehnungsbescheid vom 15. Mai 2003 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 20. Januar 2005 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten soweit der Beklagte es abgelehnt hat, den im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung 1998 angesetzten Veräußerungsgewinn bei den Einkünften des verstorbenen Ehemanns aus selbstständiger Arbeit um 173.740 DM zu verringern (§ 101 der Finanzgerichtsordnung FGO ) Der Beklagte war daher zu verpflichten, einen entsprechend geänderten Einkommensteuerbescheid für 1998 zu erlassen. Der weitergehende Antrag der Klägerin ist unbegründet.

Der Beklagte hat zu Unrecht bei dem auf der Grundlage des § 18 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i. V. m. § 16 Abs. 2 und 3 EStG zu ermittelnden Veräußerungsgewinn lediglich einen Buchwert in Höhe von 160.720 DM berücksichtigt.

Der Kläger hat durch den Verkauf des Patentes zum 1. Januar 1998 einen Veräußerungsgewinn erzielt und mit dieser Veräußerung zugleich auch seine freiberufliche Erfindertätigkeit aufgegeben. Aus diesem Grund hat der Beklagte zutreffend für das Veranlagungsjahr 1998 einen Veräußerungsgewinn ermittelt und der Besteuerung zu Grunde gelegt.

Nach § 18 Abs. 3 i. V. m. § 16 Abs. 2 Satz 1 und 2, Abs. 4 EStG ist Ausgangsgröße für die Ermittlung des Gewinns aus der Aufgabe der freiberuflichen Tätigkeit der Veräußerungspreis für das im Rahmen der Aufgabe veräußerte Wirtschaftsgut "Patent", von dem neben den übrigen unstreitigen Positionen (u. a. Veräußerungskosten) der Buchwert des Patentes als einzigem Wirtschafsgut im Betriebsvermögen abzusetzen war. Der Wert des Betriebsvermögens ist nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG zu ermitteln. Steuerpflichtige, die wie der Kläger den laufenden Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt haben, müssen daher zur Ermittlung des Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinns zum Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG übergehen.

Der Beklagte hat bei Durchführung des Bestandsvergleichs den Buchwert des Patentes zu Unrecht um die seit der Einlage des Patentes in das Betriebsvermögen zum 1. Januar 1987 in der Gewinnermittlung nicht berücksichtigten AfA-Beträge gekürzt.

Die zwischen den Beteiligten im Mai 2002 getroffene tatsächliche Verständigung steht einer Änderung des Buchwertansatzes nicht entgegen.

Zwar ist, wie dem Vermerk über die Vorgespräche zu entnehmen ist, die Frage der Berechnung des Restbuchwertes im Zusammenhang mit dem Veräußerungsgewinn Gesprächsthema gewesen; der Beklagte hat insoweit überschlägig einen Betrag von 160.000 DM ermittelt. Eine konkrete Festlegung über die Höhe des anzusetzenden Restbuchwertes ist jedoch nicht getroffen worden. Sie ergab sich auch nicht zwangsläufig aus dem in der Verständigung festgelegten Einlagewert sowie der Restnutzungsdauer. Denn zum einen musste für die Bestimmung des im Veräußerungszeitpunktes anzusetzenden Restbuchwertes die Überlegung hinzutreten, ob auch für bestandskräftig veranlagte Jahre nicht in der Gewinnermittlung erfasster AfA-Aufwand abzuziehen war. Zum anderen handelte es sich bei diesem weiteren Schritt um eine Frage richtiger Rechtsanwendung, die einer tatsächlichen Verständigung nicht zugänglich sein konnte (vgl. Rüsken, in Klein, AO, 9. Aufl. 2006, § 162 Rdnr. 31 mit Nachweisen der Rechtsprechung des BFH).

Die in den bestandskräftig veranlagten Jahren seit Einlage des Patentes in das Betriebsvermögen steuerlich nicht genutzten AfA-Beträge standen dem Ehemann der Klägerin noch im Veräußerungszeitpunkt zur Verfügung, so dass sie sich über den Restbuchwert mindernd auf den Veräußerungsgewinn auswirken konnten. Entsprechend hätte der Kläger auch bei Fortführung seiner selbstständigen Tätigkeit das noch nicht in Anspruch genommene AfA-Volumen in späteren Jahren nutzen können. In beiden Fällen wird auf diesem Weg die betriebliche Nutzungsperiode eines Wirtschaftsgutes durch eine zutreffende Ermittlung des Totalgewinns abgeschlossen.

Diese Auffassung des Senates stützt sich auf die Rechtsprechung verschiedener Senate des Bundesfinanzhofs (BFH): So hat bereits der 6. Senat in einerEntscheidung vom 21. Februar 1967 (VI R 295/66, BFHE 88, 316, BStBl. III 1967, 386) dargelegt, dass es grundsätzlich statthaft sein müsse, eine versehentlich unterlassene AfA in späteren Jahren auszugleichen. Zwar habe der Gesetzgeber die Absetzungen für Abnutzung den Werbungskosten des Veranlagungsjahres zugeordnet. Gleichwohl bestehe die Eigenart der AfA jedenfalls bei der Überschussrechnung darin, dass Abzüge gemacht werden dürften, gleich viel, ob, wann und in welcher Höhe zuvor tatsächliche Zahlungen geleistet worden seien. Es werde also nicht im Sinne des § 11 Abs. 2 EStG gefragt, was im Veranlagungszeitraum an Ausgaben geleistet wurde. Vielmehr würden rechnerisch die Anschaffungskosten nach der voraussichtlichen Nutzungsdauer auf die einzelnen Nutzungsjahre verteilt. Es handele sich eben nicht um die Erfassung von Ausgaben (Werbungskosten) der einzelnen Veranlagungsperioden, sondern um die Berücksichtigung des Werteverzehrs durch den Gebrauch der Sache.

In Fortführung dieser Rechtsprechung hat der bislang für die Besteuerung selbstständiger Einkünfte zuständige 4. Senat des BFH in einerEntscheidung vom 7. Oktober 1971 (IV R 181/66, BFHE 103, 564, BStBl. II 1972, 271) im Fall eines Rechtsanwaltes, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelte, anlässlich der Veräußerung eines PKW aus dem Betriebsvermögen die Kürzung des Verkaufserlöses um den Restbuchwert zugelassen, obwohl dieser Restbuchwert bei Anwendung von Bilanzierungsregeln wegen in Vorjahren unterlassener AfA an sich überhöht war. Bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG mindere so der 4. Senat des BFH der Teil der Anschaffungskosten, der sich durch AfA noch nicht als Betriebsausgabe ausgewirkt habe, in voller Höhe den Veräußerungsgewinn. Fehler in der Vornahme der AfA in Vorjahren glichen sich bei der Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG im Augenblick der Veräußerung aus.

Auch in jüngeren Entscheidungen hat der 4. Senat des BFH diese Rechtsprechung fortgeführt (vgl. BFH-Urteile vom 16. Februar 1995 IV R 29/94, BFHE 177, 389, BStBl. II 1995, 635 undvom 30. Juni 2005 IV R 20/04, BFHE 210, 313, BStBl. II 2005, 758). Zwar lag der letzteren Entscheidung die Veräußerung eines Wirtschaftsguts aus dem Umlaufvermögen zu Grunde. Gleichwohl lassen sich dieser Entscheidung wegen der Bezugnahme auf frühere Entscheidungen Rückschlüsse auch auf Fälle der Veräußerung von Anlagevermögen entnehmen. In diesem Fall hatte es ein Steuerpflichtiger versäumt, die Anschaffungskosten für ein Grundstück des Umlaufvermögens im Jahr der Zahlung als Betriebsausgabe geltend zu machen. Der 4. Senat des BFH vertrat die Auffassung, dass auf Grund des Grundsatzes der Abschnittsbesteuerung dieser unterlassene Abzug nicht im ersten "offenen" Veranlagungsjahr abgezogen werden könne. Dies gelte unabhängig davon, aus welchem Grund der Steuerpflichtige die Anschaffungskosten nicht abgezogen habe. Sei es, dass der Steuerpflichtige im Jahr der Zahlung davon ausgegangen sei, es handele sich bei dem angeschafften Wirtschaftsgut nicht um Umlauf-, sondern um Anlagevermögen, bei dem der sofortige Abzug nach § 4 Abs. 3 Satz 3 und 4 EStG nicht in Betracht komme. Sei es wie der Ehemann der Klägerin im vorliegenden Fall , dass der Steuerpflichtige fälschlich davon ausgegangen sei, es handele sich bei dem angeschafften Wirtschaftsgut um Privatvermögen. Dies bedeute jedoch nicht, dass die Anschaffungskosten steuerlich endgültig "verloren" wären. Vielmehr minderten sie einen später anfallenden Gewinn aus der Veräußerung oder der Entnahme des Wirtschaftsgutes. Hierzu verweist der Senat auf seine oben bereits wiedergegebeneEntscheidung vom 7. Oktober 1971 (IV R 181/66, BFHE 103, 564, BStBl. II 1972, 271). Grund für die spätere Nachholbarkeit im Veräußerungsfall ist nach Auffassung des 4. Senats die notwendige Angleichung der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG an die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich. Dies sei dadurch begründet, dass der Erlös aus der Veräußerung eines solchen Gegenstandes nur dann in voller Höhe als Betriebseinnahme angesetzt werden könne, wenn vorher die Kosten der Anschaffung des Gegenstandes in voller Höhe Betriebsausgaben gewesen seien.

Neben dem sich hieraus bei der Ermittlung eines Veräußerungsgewinns ergebenden Vorrang der zutreffenden Ermittlung des Totalgewinns vor dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung lässt sich der zitierten Rechtsprechung auch entnehmen, dass es für die spätere Berücksichtigung von AfA keine Rolle spielt, aus welchen Grund der Steuerpflichtige die Vornahme von AfA unterlassen hat. Miterfasst werden soll ausdrücklich auch der Fall, in dem ein Steuerpflichtiger wie hier der Ehemann der Klägerin hinsichtlich des Patentes ein Wirtschaftsgut zu Unrecht dem Privatvermögen zugeordnet hat.

Begrenzt wird die spätere Berücksichtigung ungenutzten AfA-Volumens lediglich in den Fällen, in denen die AfA in Vorjahren unter Verstoß gegen Treu und Glauben bewusst bzw. willkürlich unterlassen oder nicht vorgenommen worden ist (vgl. BFH-Urteile vom 7. Oktober 1971 IV R 181/66, BFHE 103, 564, BStBl. II 1972, 271 undvom 16. Februar 1995 IV R 29/94, BFHE 177, 389, BStBl. II 1995, 635). Hierfür gibt es im vorliegenden Fall keine hinreichenden Anhaltspunkte. Zwar hat der Kläger die aufgrund der Überlassung des Patentes vereinnahmten Lizenzentgelte bei den Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit erklärt. Ungeachtet dessen ging der Kläger noch in seinem Antrag auf verbindliche Auskunft im November 1997 davon aus, dass das Patent Privatvermögen sei und deshalb die damals bevorstehende Veräußerung keine ertragsteuerlichen Konsequenzen haben würde. Erst im Zusammenhang mit den Gesprächen über die tatsächliche Verständigung im Jahr 2002 ist dem Kläger offenbar deutlich geworden, dass es sich bei dem Patent um Betriebsvermögen handelte. Diesen Sachverhalt hat der Kläger in der tatsächlichen Verständigung akzeptiert. Die Feststellung, dass die AfA-Beträge willkürlich unterlassen worden sein könnten, rechtfertigt dieser Sachverhalt nicht.

Die vom Beklagten angeführte Rechtsprechung des 10. Senates des BFH (vgl.Urteil vom 24. Oktober 2001 X R 153/97, BFHE 197, 105, BStBl II 2002, 75) rechtfertigt im Ergebnis keine abweichende Bewertung. Hiernach soll eine "Nachholung" von AfA dann nicht in Betracht kommen, wenn ein Wirtschaftsgut bei einer Gewinnermittlung im Wege des Bestandsvergleichs bislang gar nicht bilanziert worden sei. Die berichtigende Einbuchung habe nach Durchführung einer sogenannten "Schattenrechnung" mit dem Wert zu erfolgen, der sich bei von Anfang an richtiger Bilanzierung ergeben hätte (vgl. BFH-Urteil vom 24. Oktober 2001 X R 153/97, BFHE 197, 105, BStBl. II 2002, 75). Das Prinzip der Abschnittsbesteuerung erfasse auch den Teil des einkünftebezogenen Aufwands, der im Wege der AfA zwingend zeitanteilig den Veranlagungszeiträumen zwischen Anschaffung und Ende betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer zugeordnet sei. Gegenüber diesem, für die Einkommensteuer als Jahressteuer geltenden Prinzip der abschnittsweisen Erfassung des Werteverzehrs trete der Gedanke der richtigen Erfassung des Totalgewinns zurück.

Mit dieser Entscheidung hat der 10. Senat des BFH den Anwendungsbereich des Grundsatzes des formellen Bilanzzusammenhangs, der regelmäßig für offene Folgejahre die Nachholung von AfA im Wege der Neuverteilung des AfA-Volumens auf die verbleibende Restnutzungsdauer ermöglicht (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 1996 XI R 41/95, BFHE 180, 572, BStBl II 1996, 601; BFH-Urteil vom 3. Juli 1980 IV R 31/77, BFHE 131, 229, BStBl. II 1981, 255), für diejenigen Fallkonstellationen eingeschränkt, in denen ein Wirtschaftsgut bislang überhaupt nicht bilanziert worden ist.

Diese vom 10. Senat vorgenommene Differenzierung führt dazu, dass die Höhe des Gewinns letztlich davon abhängt, ob ein Wirtschaftsgut in der Bilanz ausgewiesen ist oder nicht; dem äußerlichen Akt des Bilanzausweises kommt materielle Bedeutung zu (vgl. Weber/Grellet, FR 2002, 210).

Die Folge dieser Rechtsprechungsdifferenzierung würde zu dem unbefriedigenden Ergebnis führen, dass der "kleine" Fehler eines zu geringen AfA-Ansatzes durch Nachholung geheilt werden könnte, der "große" Fehler einer wie hier aufgrund Rechtsirrtums insgesamt unterlassenen AfA steuerlich endgültig wäre. Jedenfalls fehlt es nach Auffassung des Senates in den Fällen der Einnahmeüberschussrechnung mangels Bilanzerstellung an einem hinreichenden rechtlichen Anknüpfungspunkt dafür, die vom 10. Senat des BFH getroffene Differenzierung auch auf Fälle der Einnahmen-Überschuss-Rechnung zu übertragen. Aus dem Gesetz ergibt sich lediglich, dass derjenige Steuerpflichtige, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, gemäß Satz 5 dieser Vorschrift, die nicht abnutzbaren Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens unter Angabe des Tages der Anschaffung oder Herstellung und der Anschaffungs- oder Herstellungskosten in besonders, laufend zu führende Verzeichnisse aufzunehmen hat. Eine Pflicht zur Aufzeichnung der abnutzbaren Wirtschaftsgüter existierte jedoch im Streitjahr 1998 nicht; sie wurde erst mit Wirkung ab dem 6. Mai 2006 (vgl. § 52 Abs. 10 S. 2 EStG n. F.) in die Regelung des § 4 Abs. 3 Satz 5 EStG aufgenommen.

Des Weiteren spricht für den Vorrang der Erfassung des richtigen Veräußerungs- (=Total-)gewinns, dass der Gesetzgeber bereits durch die entsprechende Anwendung der AfA-Regeln auf die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG für abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens die aus § 11 Abs. 2 EStG grundsätzlich folgende Zuordnung einer Betriebsausgabe zu dem Veranlagungszeitraum der Anschaffung des Wirtschaftsgutes durchbrochen hat. Zwar ordnet § 4 Abs. 3 Satz 3 EStG auch für die Einnahmeüberschussrechnung an, dass die Vorschriften über die AfA zu befolgen "sind", so dass auch der Einnahmeüberschussrechner keine Wahlmöglichkeit hat, sondern die AfA jährlich als Aufwand zu erfassen hat. Gleichwohl erscheint eine Gleichbehandlung "vergessenen" AfA-Aufwandes mit dem Fall der vergessenen "einfachen" Betriebsausgabe nicht sachgerecht. Denn die Regelungen über die AfA betreffen einen periodenübergreifenden Sachverhalt (Werteverzehr) und sind Voraussetzung für einen in einem späteren Veranlagungszeitraum zu ermittelnden Totalgewinn aus dieser Nutzungsperiode.

Hiervon ausgehend kommt es für die Ermittlung des Restbuchwertes des Patentes ausschließlich auf die tatsächlich vorgenommene Höhe der AfA an. Wird diese, wie im vorliegenden Fall, auf Grund eines Rechtsirrtums unterlassen, setzt sich der Restbuchwert in Höhe des Einlagewertes zum 1. Januar 1987 in ungekürzter Höhe so lange fort, bis erstmalig wie hier durch Änderung der Veranlagung 1997 ein AfA-Betrag von diesen Buchwert abgesetzt worden ist. Der AfA-Betrag für 1997 ist jedoch entsprechend der oben dargestellten Rechtsgrundsätze zur Nachholung unterlassener AfA durch Verteilung des noch vorhandenen AfA-Volumens auf die Restnutzungsdauer neu zu ermitteln, da Fehler bei der AfA-Berücksichtigung ab der ersten noch offenen Veranlagung zu korrigieren sind. Die Veranlagung für 1997 ist im Hinblick auf den noch nicht beschiedenen Änderungsantrag nach § 164 Abs. 2 AO noch offen. Ausgehend von einer von 1997 bis März 2006 verbleibenden Restnutzungsdauer des Patentes von 9 Jahren und drei Monaten ergibt sich eine jährliche AfA in Höhe von 40.540 DM. Im Zeitpunkt der Ermittlung des Veräußerungsgewinns zum 1. Januar 1998 wies das Wirtschaftsgut Patent somit noch einen Restbuchwert in Höhe von 334.460 DM (375.000 DM ./. 40.540 DM AfA 1997) auf. Der angesetzte Veräußerungsgewinn war lediglich um 173.740 DM zu verringern war (Restbuchwert 334.460 DM ./. Restbuchwert laut Bescheid 160.720 DM).

Die Übertragung der Neuberechnung der Einkommensteuer auf den Beklagten beruht auf einer sinngemäßen Anwendung des § 100 Abs. 2 S. 2 FGO.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO und orientiert sich am Maß des Obsiegens und Unterliegens.

Die Revision war zuzulassen, da die Rechtsache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).



Ende der Entscheidung

Zurück