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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 14.08.2008
Aktenzeichen: 11 K 900/06 BG
Rechtsgebiete: BewRGr, BewG


Vorschriften:

BewRGr Anl. 14 zu Abschn. 38
BewRGr Anl. 15 zu Abschn. 38
BewG § 9 Abs. 2
BewG § 22 Abs. 3
BewG § 22 Abs. 4 S. 3 Nr. 2
BewG § 83 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

11 K 900/06 BG

* Nur auszugsweise Veröffentlichung der Entscheidungsgründe*

Gründe:

Die Klage ist überwiegend begründet.

Der angefochtene Einheitswertbescheid vom 10. August 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. Januar 2006 ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO), als bei der Ermittlung des Gebäudenormalherstellungswertes ein höherer Raummeterpreis als 68 DM zugrunde gelegt wurde. .... . Soweit der Kläger den Ansatz eines unter 68 DM liegenden Raummeterpreises begehrt, ist die Klage unbegründet.

1. Das Finanzamt hat zwar zutreffend das auf dem Grundstück befindliche von dem Kläger errichtete Gebäude im Sachwertverfahren bewertet und der Gebäudeklasse 4 "Warenhäuser" der Anlage 15 zu Abschn. 38 BewRGr zugerechnet. Warenhausgrundstücke sind ebenso wie Markthallen, Verkaufsstände- Ausstellungs- und Messehallen im Sachwertverfahren zu bewerten (§ 76 Abs. 3 Nr. 2 BewG i. V. m. Abschnitt 16 Absätze 6 und 7 BewRGr).

Dem Finanzamt kann jedoch insoweit nicht gefolgt werden, als es bei der Ermittlung des Gebäudenormalherstellungswerts von einem Raummeterpreis von 105 DM/m³ ausgegangen ist. Vielmehr ist von einem Raummeterpreis von 68 DM/m³ auszugehen.

a) Bei der Bewertung eines Grundstücks im Sachwertverfahren ist vom Bodenwert, vom Gebäudewert und vom Wert der Außenanlagen auszugehen (§ 83 Satz 1 BewG). Dieser Ausgangswert ist durch Anwendung einer Wertzahl an den gemeinen Wert anzugleichen (§ 83 Satz 2, § 90 Abs. 1 BewG). Für die Ermittlung des Gebäudewerts ist zunächst ein Wert auf der Grundlage von durchschnittlichen Herstellungskosten nach den Baupreisverhältnissen des Jahres 1958 zu errechnen (§ 85 Satz 1 BewG). Dieser Wert ist nach den Baupreisverhältnissen im Hauptfeststellungszeitpunkt (1. Januar 1964) umzurechnen (§ 85 Satz 2 BewG). Der so errechnete Gebäudenormalherstellungswert ist Grundlage zur Findung des Gebäudesachwerts unter Berücksichtigung der §§ 86, 87 BewG, der nach Maßgabe des § 88 BewG in besonderen Fällen ermäßigt oder erhöht werden kann (§ 85 Sätze 3 und 4 BewG).

b) In den Anlagen 14 und 15 zu Abschn. 38 BewRGr sind für unterschiedliche Gebäudeklassen Raummeterpreise festgelegt, die auf den Baupreisverhältnissen des Jahres 1958 beruhen und durch Anwendung des für den Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 maßgeblichen Bauindex auf die Baupreisverhältnisse in diesem Zeitpunkt umgerechnet sind. Der BFH hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass diese den einzelnen Gebäudeklassen zugeordneten Durchschnittswerte zum Zwecke einer möglichst gleichmäßigen Bewertung grundsätzlich anzuwenden sind, weil ihr Ansatz dem Zweck des Sachwertverfahrens dient, das in seinen Grundzügen auf die Bewertung von bebauten Grundstücken mit einem typisierenden gemeinen Wert ausgerichtet ist (vgl. BFH-Urteile vom 26. Juni 1981 III R 3/79, BFHE 133, 437, BStBl II 1981, 643, undvom 30. Januar 1991 II R 51/88, BFH/NV 1992, 371, 372).

c) Dies setzt notwendigerweise auch die Maßgeblichkeit der Gebäudeklasseneinteilung jedenfalls für den Regelfall voraus. Soweit die BewRGr für die Abgrenzung der verschiedenen Gebäudeklassen voneinander Vorgaben machen, sind diese der Beurteilung zu Grunde zu legen. Für die Frage, ob das Gebäude des Klägers ein Warenhaus im Sinne der Gebäudeklasse 4 der Anlage 15 zu Abschn. 38 BewRGr darstellt, ist deshalb die Definition in Abschn. 16 Abs. 7 Satz 7 BewRGr maßgebend, wonach Warenhausgrundstücke Geschäftsgrundstücke sind, die im Ganzen oder weit überwiegend dem Betrieb eines Einzelhandelsunternehmens dienen und die üblichen Ladengrundstücke an Umfang übertreffen. Das Gebäude auf dem Grundstück des Klägers erfüllt diese Voraussetzungen. Es dient dem Betrieb eines Einzelhandelsunternehmens und übertrifft mit seiner Nutzfläche von mehr als 1.300 m² den Umfang üblicher Ladengrundstücke. Damit ist es in die Gebäudeklasse 4 einzustufen.

d) Die Einordnung des Gebäudes in die Gebäudeklasse 9.21 "Markthallen, Messehallen und dgl." kommt --entgegen der Auffassung des Klägers-- nicht in Betracht. Markt- und Messehallen dienen in der Regel nicht dem Einzel-, sondern dem gewerblichen Großhandel als Ausstellungs- und Handelsplatz. Markt- und Messehallen haben typischerweise anderen Funktionserfordernissen als Kaufhäuser zu genügen, insbesondere erfordert ihre Ausführung --anders als bei dem Einzelhandel dienenden Kaufhäusern-- keine aufwändige, sondern mehr eine schlichte, funktionale Baugestaltung. Bei Markt- und Messehallen ist es gewöhnlich nicht erforderlich, durch aufwändige, repräsentative Baukonstruktionen und -ausführungen ein angenehmes Verkaufsklima zu schaffen und hierdurch die Kauflust von Endverbrauchern anzuregen. Das Finanzamt hat es deshalb zutreffend abgelehnt, das dem Einzelhandel dienende Gebäude des Klägers als Markt- bzw. Messehalle und dgl. einzustufen.

2. a) Es liegen aber die Voraussetzungen vor, unter denen ausnahmsweise eine von den BewRGr abweichende Bewertung, nämlich nach den Raummeterpreisen für Markhallen, Messehallen und dergleichen (Nr. 9.21 der Anlage 15 zu Abschn. 38 BewRGr) vorgenommen werden kann. Die Einteilung in die unterschiedlichen Gebäudeklassen ist prinzipiell nicht abschließend (BFH-Urteile vom 18. Mai 1988 II R 241/85, BFHE 154, 139, BStBl II 1988, 935, sowie in BFHE 133, 437, BStBl II 1981, 643, und in BFH/NV 1992, 371, 372). Zur Gewährleistung einer möglichst gleichmäßigen Besteuerung, der Rechtssicherheit und der Praktikabilität des Bewertungsverfahrens sind Abweichungen von der Gebäudeklasseneinteilung der BewRGr beschränkt in den Fällen möglich, in denen die nach der Gebäudeklasseneinteilung maßgeblichen Durchschnittswerte für den gemeinen Wert des Gebäudes bedeutsame Eigenschaften, z.B. hinsichtlich Bauart, Bauweise, Konstruktion sowie Objektgröße, nicht ausreichend berücksichtigen und die Abweichung zwischen dem auf der Grundlage der Durchschnittswerte (nach den BewRGr) und dem nach den tatsächlichen durchschnittlichen Herstellungskosten vergleichbarer Bauwerke ermittelten Gebäudenormalherstellungswert außerhalb jeder bei Durchschnittswerten üblichen und noch vertretbaren Toleranz liegt (BFH-Urteil vom 12. Juni 2002 II R 15/99 , BFH/NV 2002, 1282 unter Hinweis auf BFH-Urteil in BFHE 133, 437, BStBl II 1981, 643 zu einem um 100 v.H. höheren Durchschnittswert nach den BewRGr).

Unter diesen Voraussetzungen ist es auch möglich, von der Mittelwertigkeit der jeweiligen Ausstattungsart abzuweichen, die nach BFH ansonsten regelmäßig als durchschnittlicher Raummeterpreis zu Grunde zulegen ist (BFH-Urteil vom 12. Juni 2002 II R 15/99, BFH/NV 2002, 1282 unter Hinweis auf BFHE 154, 139, BStBl II 1988, 935 und auf BFH/NV 1992, 371,372).

Vorstehende Erwägungen folgen aus dem Umstand, dass die Raummeter-(Quadratmeter-)preise in den Anlagen 14 und 15 zu Abschnitt 38 BewRGr keine rechtsverbindliche Kraft haben --und zwar auch für die Finanzbehörden-- (BFH-Urteil vom 26. Juni 1981 III R 3/79, BFHE 133, 437, BStBl II 1981, 643, Gürsching/Stenger, a.a.O., § 85 BewG Anm.19 mit dem Hinweis auf das Urteil des BFH vom 10.Juli 1964 III 159/60 U, BFHE 80, 131, BStBl III 1964, 523). Der Richtliniengeber selbst sieht die Einteilung in die Gebäudeklassen in den Anlagen 14 und 15 sowie die dort festgelegten Raummeter-(Quadratmeter-)preise nicht als abschließend an. Denn nach der ausdrücklichen Anweisung in Anlage 14, Teil B, Vorbemerkung Abs.2, letzter Satz, sind die Raummeterpreise für neuaufkommende Konstruktionen ggf. zu ermäßigen oder zu erhöhen (BFH-Urteil vom 26. Juni 1981 III R 3/79, BFHE 133, 437, BStBl II 1981, 643).

b) Im Streitfall ergeben sich die Anhaltspunkte für eine wie unter a) beschriebene gravierende Wertdiskrepanz, die den Ansatz von Raummeterpreisen der Gebäudeklasse 9.21 der Anlage 15 BewRGr nötig macht, aus den von dem Kläger ermittelten Baukosten des strittigen Objektes und den von ihm ermittelten Baukosten weiterer X in den letzten Jahren errichteter SB-Märkte (Anlage K 9_erw. zum Schriftsatz vom 20. Juni 2008 in der Schlussfassung laut Schriftsatz vom 13. August 2008, in der mündlichen Verhandlung in farbiger Ausfertigung nochmals überreicht). Auch die tatsächlichen Baukosten des strittigen Objektes sind naturgemäß in die Vergleichsrechnung zur Ermittlung der Wertdiskrepanz miteinzubeziehen.

Der Kläger hat mit den tatsächlichen Herstellungskosten des vom Senat zu beurteilenden Objekts und weiterer X von ihm errichteter Objekte nachgewiesen, dass die nach der Gebäudeklasseneinteilung der BewRGr maßgeblichen Durchschnittswerte für den gemeinen Wert des hier zu beurteilenden Gebäudes bedeutsame Eigenschaften nicht ausreichend berücksichtigen und die Abweichung zwischen dem auf Grund der Durchschnittswerte nach den BewRGr und dem nach den tatsächlichen durchschnittlichen Herstellungskosten vergleichbarer Bauwerke zu einem Gebäudenormalherstellungswert führen, der außerhalb jeder bei Durchschnittswerten üblichen und noch vertretbaren Toleranz liegt.

Sowohl das streitbefangene Objekt als auch die übrigen Objekte des Klägers sind in Serienbauweise errichtete Gebäude, die nach den Bau- und Ausführungsvorschriften in der firmeninternen, jährlich weiterentwickelten Baubeschreibung (Hierzu: Anlage K 10 zum Schriftsatz des Klägers vom 20. Juni 2008) sehr eng auf die betrieblichen und logistischen Anforderungen des von dem Kläger jeweils betriebenen Lebensmittel-Discount-Betriebes zugeschnitten sind. Es handelt sich um eine Art von Systembauten mit detaillierten Standardvorgaben.

Solche Bauwerke werden von den Raummeterpreisen in den Anlagen 14 und 15 zu Abschn. 38 BewRGr nicht erfasst.

Diese basieren - wie eingangs erwähnt - auf den Baupreisen des Jahres 1958, als es in Deutschland überhaupt noch gar keine Lebensmittel-Discounter in der heute üblichen Ausprägung gab. Auch ansonsten war entsprechend den obigen Feststellungen des Senats Anfang 1964 das Discountersystem im deutschen Lebensmitteleinzelhandel mit seinen standardisierten Baulichkeiten einfacherer Art im Gegensatz zu aufwändiger gestalteten Warenhäusern ... noch nicht in einem solchen Umfang vorhanden, dass die Herstellungskosten von Discounterfilialen maßgeblichen Eingang in die den Bewertungsrichtlinien zu Grunde liegenden Anlagen zu den Raummeterpreisen für das Sachwertverfahren hätten finden können, wenn diese Preise aus durchschnittlichen Herstellungskosten des Jahres 1963 ermittelt worden und nicht lediglich von 1958 auf die Baupreisverhältnisse zum 1. Januar 1964 hochgerechnet worden wären.

Im Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 hatte der Begründer des Discounter-Systems und zugleich der im Jahre 2007 umsatzstärkste Anbieter in diesem Bereich ... gerade erst seit zwei Jahren die strikte Umstellung auf dieses System vorgenommen. Anfang 1964 gab es noch gar keine Lebensmitteldiscountmärkte des Klägers ...

Dem Senat ist überdies noch aus eigener Anschauung bekannt, dass in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts Lebensmitteldiscounter in stillgelegten ehemaligen Kinogebäuden untergebracht waren. Damit wurde eine Filialgründung im Hauptfeststellungszeitpunkt regelmäßig nicht durch Errichtung der heute üblichen standardisierten Systembauten vollzogen.

Der insoweit darlegungs- und nachweispflichtige Beklagte hat ebenfalls nicht konkret vorbringen und belegen können, dass die Herstellungskosten von Lebensmittel Discountmärkten in standardisierter Bauweise in die auf durchschnittlichen Herstellungskosten schon des Jahres 1958 beruhenden Raummeterpreise der Anlagen 14 und 15 zu Abschnitt 38 BewRGr eingearbeitet worden sind.

c) Die von dem Kläger mitgeteilten Herstellungskosten der X Vergleichsobjekte führen ... unter Berücksichtigung der Umsatzsteuer zum 1. Januar 1964 zu einem durchschnittlichen Raummeterpreis (Mittelwert) von 61,28 DM. Für das im Streit befindliche Objekt ergibt sich ein Raummeterpreis von 60,81 DM.

Der Raummeterpreis ist einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen. Die Vorsteuerabzugsberechtigung gehört zu den ungewöhnlichen oder persönlichen Verhältnissen im Sinne von § 9 Abs. 2 BewG, welche bei Ermittlung des gemeinen Wertes nicht zu berücksichtigen sind (so Kleiber in Kleiber/Simon, Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 5. Auflage 2007, § 22 WertV Rz. 18 ff.).

Außerdem gab es zum Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 das System des Vorsteuerabzuges noch gar nicht mit der Folge, dass die vergleichende Wertfindung auch aus diesem Grunde nach Bruttopreisen zu erfolgen hat.

d) Die Kosten sind entsprechend der bewertungsrechtlichen Systematik ermittelt worden. Das Bauvolumen ist nach der DIN 277, Ausgabe 1950, ermittelt worden. Der vom Kläger eingeschaltete Sachverständige hat auch sämtliche Kostengruppen der DIN 276 berücksichtigt. Die in Euro ausgewiesenem Herstellungskosten sind sodann auf DM umgerechnet worden und anschließend mit Hilfe des Baupreisindexes auf die Verhältnisse des Jahres 1964 rückindiziert worden. Zutreffend ist auch vom Index für gewerbliche Betriebsgebäude des statistischen Bundesamtes ausgegangen worden. Entgegen der Ansicht des Finanzamtes ist es unschädlich, dass der Raummeterpreis für die Vergleichsgruppe vom Kläger über mehrere Jahrzehnte rückindiziert werden musste. Dies ist lediglich eine Folge daraus, dass der Gesetzgeber es trotz der bis zum heutigen Tage eingetretenen erheblichen Änderungen im Bauwesen und der erheblichen Wertveränderungen es beharrlich versäumt hat, die Einheitsbewertung des Grundvermögens an moderne Erfordernisse anzupassen oder sie durch ein viel einfacheres System als Ausgangswert für die Grundsteuer zu ersetzen. Dieses Versäumnis kann sich nicht zu Lasten des Klägers auswirken und damit den von ihm zum Hauptfeststellungszeitpunkt ermittelten Durchschnittswert der Vergleichsgruppe von 61,28 DM/m³ auch rechnerisch nicht angreifbar machen.

e) Die vom Kläger aufgeführte Vergleichsgruppe ist auch groß und aussagekräftig genug, um als Vergleichsgruppe für tatsächliche durchschnittliche Herstellungskosten herangezogen werden zu können. Sämtliche vom Kläger selbst oder durch den jeweiligen Vermieter errichteten nicht unterkellerten Märkte sind nach den obigen Ausführungen standardisierte Systembauten, die auf den heute üblichen Discountbetrieb, wie ihn beispielsweise der Kläger betreibt, zugeschnitten sind und nach einheitlichen Vorgaben und Ausstattungsstufen errichtet werden. Anhaltspunkte, die darauf schließen lassen, dass in den Baukosten der Vergleichsgruppe in bezug auf den vorgesehenen Verwendungszweck unübliche, unangemessene Aufwendungen enthalten sind, haben sich nicht ergeben.

f) Dass durch die vom Kläger praktizierte Bauweise eine kostengünstige Herstellung erreicht wird, führt nicht zur Annahme ungewöhnlicher oder persönlicher Verhältnisse im Sinne von § 9 BewG, die bei Feststellung des gemeinen Wertes auszuscheiden haben. Im Gegenteil, ein solches Verhalten ist nach Überzeugung des Senats vielmehr branchentypisch und damit zu berücksichtigen.

g) aa) Der vom Beklagten im Zuge der Ortsbesichtigung ermittelte Kubuspreis von 105 DM übersteigt die tatsächlichen durchschnittlichen Herstellungskosten der Vergleichsobjekte von 61,28 DM/m³ um rund 71 Prozent. Die für das strittige Objekt vom Kläger ermittelten Herstellungskosten von 60,81 DM/m³ werden durch den angesetzten Raummeterpreis von 105 DM um rund 73 % übertroffen. Unter Berücksichtigung des jetzt vom Beklagten für das strittige Objekt angenommenen Raummeterpreises von 110 DM ist der abweichende Prozentsatz sogar noch höher.

bb) Eine über 70 % liegende Wertabweichung liegt außerhalb jeder bei Durchschnittswerten üblichen und noch vertretbaren Toleranz. Die Toleranzgrenze ist nach Ansicht des Senates auf jeden Fall überschritten, wenn der nach den BewRGr ermittelte Raummeterpreis um mehr als 50 vom Hundert nach oben hin abweicht. Der Senat lässt sich hierbei von der BFH- Rechtsprechung zum Übermaßverbot bei der Bedarfsbewertung (§§ 138 ff. BewG) leiten, welche ebenso wie die Einheitsbewertung typisierenden Charakter hat. Dort hat der BFH einen Verstoß gegen das Übermaßverbot bejaht, wenn der nach § 148 Abs. 1 Satz 1 BewG i. d. F. des JStG 1997 (BGBl I, 2049) anzusetzende Wert für das bebaute Grundstück den Verkehrswert schon um mehr als 40 vom Hundert übersteigt mit der Folge, dass der Grundstückswert auf den niedrigeren Verkehrswert festzustellen ist (BFH-Urteil vom 2. Juli 2004 II R 9/02, BFHE 207, 42, BStBl II 2004, 1039; vgl. auch BFH-Urteil vom 5. Mai 2004 II R 45/01, BFHE 204, 570, BStBl II 2004, 1036, der Rechtsauffassung des erkennenden Senates folgend, vgl. FG-Düsseldorf, Urteil vom 20. Juni 2001 11 K 2119/99 BG, EFG 2001, 1103; auch: FG Düsseldorf Beschluss vom 15. Januar 2007 11 V 4924/06 A (BG), [...] zu § 149 BewG).

cc) Da nach Auffassung des Senates eine außerhalb der Toleranzgrenze liegende Wertabweichung schon dann vorliegt, wenn die Abweichung zwischen dem auf der Grundlage der Durchschnittswerte nach den BewRGr und dem nach den tatsächlichen durchschnittlichen Herstellungskosten vergleichbarer Bauwerke ermittelten Gebäudenormalherstellungswert 50,01 % beträgt, kann letztlich offen bleiben, ob die Herstellungskosten der X Vergleichsobjekte vom Kläger lückenlos erfasst worden sind.

Die vorerwähnte Toleranzgrenze von 50,01 % würde nämlich erst unterschritten, wenn der Vergleichswert von 61,28 DM/m³ auf 70 DM/m³ steigen müsste (105 DM abzüglich 70 DM = 35 DM Differenz = 50 % Wertabweichung).

Dies hält der Senat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für ausgeschlossen. Er ist davon überzeugt, dass die aus der Anlagenbuchhaltung stammenden und auf Hinweis des Beklagten vom Kläger nochmals überprüften und ergänzten Kosten ... nunmehr weitgehend vollständig ermittelt sind. Für Letzteres spricht, dass der Kläger bei seiner nochmaligen Überprüfung auch die Position "YZ", welche von ihm im Gegensatz zum Beklagten als Betriebsvorrichtung betrachtet wird, als Gebäudeherstellungskosten in die Vergleichsrechnung zu den X Objekten und bei den Herstellungskosten des streitbefangenen Objektes miteinbezogen hat. Ferner spricht für eine (so gut wie) vollständige Kostengrundlage, dass auch der Beklagte in Bezug auf das hier zu beurteilende Objekt in der mündlichen Verhandlung keine weiteren Einwendungen gegen die neu ermittelten Herstellungskosten erhoben hat, die zu einem Raummeterpreis von nunmehr 60,81 DM führen, welcher sich nur unwesentlich von dem Mittelwert der Vergleichsgruppe in Höhe von 61,28 DM unterscheidet.

h) Der Hinweis des Beklagten auf die Verprobung des bewertungsrechtlich gefundenen Wertes mit den Normalherstellungskosten (NHK 2000) und den Kostenkennwerten 2004 nach BKI, welche einen Raummeterpreis von 106 DM/m³ (NHK 2000) bzw. von sogar 116 DM/m³ (BKI) ergeben haben, führt entgegen der Ansicht des Finanzamts nicht zu dem Ergebnis, dass im Streitfall der angesetzte Raummeterpreis von 105 DM/m³ von Raummeterpreisen anderer vergleichbarer Objekte nicht erheblich abweicht und sogar noch hätte erhöht werden müssen.

aa) Zwar beruhen sowohl die NHK 2000 als auch die BKI-Kostenkennwerte auf Erfahrungswerten. Die Normalherstellungskosten wurden erstmals mit Runderlass des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau vom 1. August 1997 im Bereich des Bundes eingeführt und sind in aktualisierter auf Euro umgestellter Fassung als Anlage 7 Bestandteil der Wertermittlungsrichtlinien 2006 (vgl. Kleiber/Simon Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 5. Auflage 2007, S. 3049).

Diese Erfahrungswerte können im Streitfall aber nicht herangezogen werden. Nach der Rechtsprechung des BFH ist der Vergleich, der zur Rechtfertigung einer Abweichung von der bisherigen Gebäudeklasseneinteilung und der Mittelwertigkeit der jeweiligen Ausstattungsart nötig ist, durch Gegenüberstellung des auf Grund der Durchschnittswerte nach den BewRGr ermittelten Normalherstellungswertes mit dem nach den tatsächlichen durchschnittlichen Herstellungskosten vergleichbarer Bauwerke ermittelten Gebäudenormalherstellungswert durchzuführen.

bb) Hierzu eignen sich die NHK 2000 nicht.

Laut der vom Gericht eingeholten Auskunft des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung vom 30. Juli 2008 beruhen die NHK 2000 auf der Auswertung einer Datenbank mit abgerechneten und der Auswertung einer weiteren Datenbank mit geplanten Baumaßnahmen. Schon allein wegen dieses "Mischsystems", welches in erheblichem Umfang auf Kosten geplanter Maßnahmen beruht (laut Ministerium: mit einer Erfassungsdichte von ca. 70% des Hochbauvolumens in der Bundesrepublik) stellen die NHK keine vergleichbaren tatsächlichen durchschnittlichen Herstellungskosten im bewertungsrechtlichen Sinne dar.

Sie wären auch im Übrigen trotz der aufgeführten Gebäudegruppe "Typ 25" nicht aussagekräftig genug, um die bewertungsrechtliche Ermittlung des Raummeterpreises stützen zu können. Selbst das Bundesministerium konnte keine konkreten Angaben zu der gerichtlichen Anfrage machen, wieviel Objekte der Ermittlung der Normalherstellungskosten des Typs 25 (eingeschossige nicht unterkellerte Einkaufsmärkte) der NHK 2000 (Anlage 7 WertR) zugrunde liegen und wie hoch der Anteil zur Gesamtzahl solcher in der Bundesrepublik im jeweiligen Zeitraum errichteter Objekte ist. Das Ministerium konnte auch keine zahlenmäßigen Angaben zu der Frage machen, in welchem Umfang in Typ 25 der NHK 2000 Einzelhandelsdiscountermärkte erfasst sind, wie sie heutzutage (als standardisierte Systembauten) beispielsweise durch andere Discounter errichtet werden.

cc) Der nach den BewRGr ermittelte m³- Preis wird ebenfalls nicht bestätigt durch die vom Finanzamt mit Schriftsatz vom 7. März 2008 vorgenommene Vergleichsrechnung anhand der vom BKI herausgegebenen Kostenkennwerte 2004, zu den entscheidenden Teilen eingereicht mit Schriftsatz des Beklagten vom 11. August 2008.

Zwar beruhen laut der hier auch beigefügten Antwort des BKI vom 8. August 2008 auf die entsprechende Finanzamtsanfrage die BKI-Kennwerte im Gegensatz zu den NHK 2000 ausschließlich auf abgerechneten Objekten und beinhalten "alle Mengen und Kosten, die bei der Erstellung des Objekts tatsächlich angefallen sind" (vergl. auch den Endbericht des vom Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Stadtentwicklung im Jahr 2005 vergebenen Forschungsobjekts "Aktuelle Gebäudesachwerte in der Verkehrswertermittlung vom Februar 2008, erstellt vom BKI Baukostenzentrum Deutscher Architektenkammern GmbH, www.bmvbs.de, unter 1.2, 3.3;).

Aus den BKI 2004 (Verbrauchermärkte Seite 504 - 510) ergibt sich indes, dass insgesamt nur 12 Objekte der Ermittlung des Kostenkennwerts von 160 EUR zugrundeliegen, welcher vom Beklagten auf den Ausgangskostenkennwert für die Verprobung von 140 EUR heruntergerechnet wurde. Diese Gruppe ist damit nur gut ein Drittel so groß wie die vom Kläger vorgelegte Vergleichsgruppe.

Lediglich eines dieser wenigen BKI-Objekte, nämlich das Objekt Nr. 7200-045 "Verbrauchermarkt, Lebensmitteleinzelhandel mit Getränkemarkt, Backshop, Frisörsalon. Mauerwerksbau" (vgl. BKI 2004, 504 und 509) dürfte in etwa mit dem streitbefangenen Objekt vergleichbar sein. Ein weiteres Objekt mit der Nr. 7700-029 "Büromarkt; Poststelle, Fachmarkt" (vgl. BKI 2004, Seite 504 und 510) scheidet wegen der zusätzlichen Tiefgarage aus. Die übrigen 10 Objekte können nicht in die Vergleichsgruppe zu Märkten des Klägers miteinbezogen werden, denn die baulichen Beschaffenheiten sind ausweislich der näheren Beschreibungen zu den einzelnen Objektnummern zu unterschiedlich.

Ein einziges Vergleichsobjekt kann indes nicht aussagekräftig sein, um die bewertungsrechtlich Behandlung durch das Finanzamt zu bestätigen.

i) Die vorstehenden Erwägungen insgesamt führen dazu, dass im Streitfall die Bewertung insoweit abweichend von der Gebäudeklasseneinteilung der BewRGr vorzunehmen ist, als die Raummeterpreise für den Lebensmittelmarkt des Klägers nach den Werten für Markthallen, Messehallen und dgl. nach Nr. 9.21 der Anlage 15 zu Abschn. 38 BewRGr anzusetzen sind (im Prinzip ebenso Verfügung der Oberfinanzdirektion -OFD - Karlsruhe vom 6. November 2003 S 3208 A - 51 und Verfügung der OFD München vom 1. Juli 1998 S 3313 B - 1054 St 358).

Der Senat legt dabei die Mittelwerte zu den jeweiligen Ausstattungsarten zugrunde.

Er hat außerdem den Einwendungen des Beklagten in seinem Schriftsatz vom 23. Juli 2008 zur baulichen Beschaffenheit und Ausstattung des im Streit befindlichen Marktes Rechnung getragen, die den Raummeterpreis aus Sicht des Finanzamtes auf 110 DM hätten erhöhen müssen. Der Kläger hat die entsprechenden tatsächlichen Grundlagen nicht in Abrede gestellt. Dies führt dann bei dem auch vom Senat zugrundegelegten Ermittlungsbogen EW 106/75 in der Zeile 5 (Fußböden) zu einer guten Ausstattung, in der Zeile 7 (Fenster) zu einer insgesamt sehr guten Ausstattung und in der Zeile 11 (Boden- und Wandfliesen) zu einer mittleren Ausstattung.

Aufgrund der örtlichen Feststellungen des Beklagten im Ermittlungsbogen EW 106/75 in Verbindung mit den vorerwähnten Korrekturen ergibt sich damit aufgrund nachstehender Berechnung ein im Sachwertverfahren anzusetzender Raummeterpreis von 68 DM:

...

Der Wert von 68 DM/m³ liegt damit in der Nähe des vom BFH zu II R 33/05 am 15. März 2007 tatsächlich verständigten von dem Kläger betriebenen Revisionsverfahrens. Seinerzeit wurde jenes (Klage- und Revisions-)Verfahren auf der Grundlage eines gerichtlich vorgeschlagenen Raummeterpreises von 67,50 DM von den Beteiligten in der Hauptsache für erledigt erklärt.

j)

...

3) a)

...

b) Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Soweit ersichtlich, existiert bislang keine höchstrichterliche Rechtsprechung, die bei der dringend reformbedürftigen Einheitsbewertung des Grundvermögens einen als Warenhaus einzuordnenden Lebensmitteldiscountermarkt im Sachwertverfahren mit den Raummeterpreisen für Markthallen, Messehallen und dgl. nach Nr. 9.21 der Anlage 15 zu Abschn. 38 BewRGr bewertet, weil im konkreten Fall die nach der Gebäudeklasseneinteilung maßgeblichen Durchschnittswerte für den gemeinen Wert des Gebäudes bedeutsame Eigenschaften nicht ausreichend berücksichtigen und die Abweichung zwischen dem auf der Grundlage der Durchschnittswerte (nach den BewRGr) und dem nach den tatsächlichen durchschnittlichen Herstellungskosten vergleichbarer Bauwerke ermittelten Gebäudenormalherstellungswert außerhalb jeder bei Durchschnittswerten üblichen und noch vertretbaren Toleranz liegt.

Damit kommt wegen der ggf. bundesweit für vergleichbare Objekte durchzuführenden Anzahl fehlerbeseitigender Wertfortschreibungen nach § 22 Abs. 3 und Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 BewG der Entscheidung des Streitfalles eine erhebliche Breitenwirkung zu.



Ende der Entscheidung

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