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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 28.06.2007
Aktenzeichen: 11 V 1910/07 A (BG)
Rechtsgebiete: GG, WRV, GrStG, AO


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
WRV Art. 137 Abs. 5
GrStG § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 4
GrStG § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Buchst. b
AO § 53
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

11 V 1910/07 A (BG)

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Rechtsstreites.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob der von dem Antragsteller für ein Kulturzentrum genutzte Teil eines Grundstücks gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Grundsteuergesetz (GrStG) von der Grundsteuer befreit ist.

Der Antragsteller ist gemäß seiner im Internet veröffentlichten Satzung ein rechtsfähiger Verein. In der Satzung heißt es in § 1 Abs. 4: "Bei dem Verband der Kulturzentren handelt es sich um eine Religionsgemeinschaft, die im Rahmen des Art. 140 des Grundgesetzes i. V. m. den fortgeltenden Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung (WRV) vom 11. August 1919 gegründet worden ist. Dies wurde vom Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen mit Schreiben vom 12. August 1994 unter dem Az.: IV A 3-224 offiziell anerkannt." Gemäß § 3 der Satzung bietet der Verein den in Europa lebenden oder sich in Europa aufhaltenden Menschen gleichen Glaubens die Möglichkeit zu ihrer Religionsausübung an. Insbesondere werden folgende Tätigkeiten ausgeübt: Einrichtung und Unterhaltung von Gemeinden im Rahmen der religiösen und kulturellen Aktivitäten sowie von Schüler- und Studentenwohnheimen im Rahmen der erzieherischen Aktivitäten in ganz Europa und Unterweisung im Glauben und Lehre und Wahrung der kulturellen Werte. In § 5 Abs. 1 der Satzung heißt es: "Der Verein dient ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken im Sinne des Abschnitts "Steuerbegünstigte Zwecke" der Abgabenordnung. Wegen der weiteren Einzelheiten der Satzung des Antragstellers wird auf den in der Gerichtsakte abgehefteten Internetauszug Bezug genommen.

Der Antragsteller erwarb durch notariellen Kaufvertrag vom 8. Oktober 2004 ein bebautes Grundstück mit einer Größe von zehn Quadratmetern und ein Flurstück, mit einer Größe 763 qm.

Der Antragsteller beantragte bei der Stadt eine Nutzungsänderung eines Teiles des Gebäudes von einer Gaststätte in ein Kulturzentrum. Gemäß einem von dem Antragsteller im Verwaltungsverfahren eingereichten Bauplan enthält das Kulturzentrum je einen Gebets- und Aufenthaltsraum für Männer und Frauen, eine Bibliothek, ein Gästezimmer, zwei Teeküchen, jeweils einen Raum für eine Predigerin und einen Raum für einen Prediger. Die restlichen Teile des Gebäudes wurden unverändert für Wohnzwecke genutzt. Die Nutzfläche des Erdgeschosses wird vom Antragsteller in seiner Erklärung zur Feststellung des Einheitswertes auf den 1. Januar 2005 mit 400 qm angegeben. Ferner beruft sich der Antragsteller in dieser Erklärung darauf, dass die Nutzfläche im Erdgeschoss gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 b GrStG von der Grundsteuer befreit sei. Zum Nachweis seiner Gemeinnützigkeit reichte der Antragsteller einen Feststellungsbescheid für 2000 bis 2002 zur Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer des Finanzamtes vom 10. Oktober 2003 beim Antragsgegner ein, aus dem sich ergibt, dass der Antragsteller von der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer befreit sei, weil er ausschließlich und unmittelbar steuerbegünstigten gemeinnützigen Zwecken im Sinne der §§ 51 ff. AO diene. Auf der Kopie des Bescheides befindet sich ein handschriftlicher Vermerk vom 25. November 2004, dass der Antragsteller lt. Auskunft des zuständigen Bearbeiters immer noch gemeinnützig sei.

Mit Einheitswertbescheid (Wert-, Art- und Zurechnungsfortschreibung auf den 1. Januar 2005) vom 26. Januar 2005 wurde für das Grundstück ein Einheitswert in Höhe von 17.895 EUR sowie die Grundstücksart Mietwohngrundstück und Betriebsgrundstück festgestellt. Der Einheitswert wurde unter Berücksichtigung der Jahresrohmiete für Wohnzwecke in Höhe von 6.147 DM berechnet. Die Jahresrohmiete wurde auf Grund einer Wohnfläche von 247 qm und einer Monatsmiete je qm in Höhe von 1,75 DM (5.187 DM) und der Miete für vier "Garagen/überdachte Stellplätze" in Höhe von 20 DM pro Monat (960 DM) ermittelt. Die als Kulturzentrum genutzten Räume wurden antragsgemäß bei der Bewertung nicht berücksichtigt.

Am 8. November 2006 erhielt der Antragsgegner eine Mitteilung des Finanzamtes, Betriebsprüfungsstelle, vom 27. Oktober 2006, in der mitgeteilt wurde, dass auf Grund der Ergebnisse der Betriebsprüfung/Fahndungsprüfung dem Antragsteller die Gemeinnützigkeit rückwirkend ab 1997 aberkannt worden sei (bestandskräftige Körperschaftsteuerbescheide 1997 bis 2004 vom 7. September 2006).

Aus einer in der Akte des Antragsgegners abgehefteten Verfügung der Oberfinanzdirektion Rheinland und Münster vom 12. April 2007 ergibt sich, dass dem Antragsteller im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung im Anschluss an eine Betriebsprüfung ab 1997 die Gemeinnützigkeit aberkannt worden sei, weil die tatsächliche Geschäftsführung nicht der Satzung entsprochen habe.

Daraufhin erließ der Antragsgegner am 12. Dezember 2006 einen gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geänderten Einheitswertbescheid (Wertschreibung auf den 1. Januar 2005), mit dem der Einheitswert für das Grundstück auf 132.475 EUR festgestellt wurde. Der Einheitswert wurde auf Grund einer Jahresrohmiete für Wohnzwecke in Höhe von 6.147 DM und einer Jahresrohmiete für eigengewerbliche Zwecke in Höhe von 30.360 DM berechnet. Die Jahresrohmiete für eigengewerbliche Zwecke wurde auf Grund einer Nutzfläche von 400 qm und einer Monatsmiete von 5,50 DM/m² (26.400 DM) und einer Monatsmiete für "Garagen/überdachte Stellplätze" in Höhe von 11 x 30 DM monatlich (insgesamt 3.960 DM) ermittelt.

Der Antragsteller hat gegen diesen Änderungsbescheid fristgerecht Einspruch eingelegt und Aussetzung der Vollziehung beantragt. Der Antragsgegner lehnte am 24. April 2007 den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab. Über den Einspruch hat er bisher noch nicht entschieden.

Der Antragsteller beantragte am 23. Mai 2007 Aussetzung der Vollziehung durch das Finanzgericht.

Zur Begründung dieses Antrags beruft er sich u. a. darauf, dass er ein 1976 gegründeter, bundesweit operierender Dachverband mit ca. 10.000 Mitgliedern sei. Dem Antragsteller seien ca. 300 Gemeindevereine angeschlossen. Er gelte als der zweitgrößte Verband in Deutschland. Der Verband biete nach § 3 seiner Satzung den in Europa lebenden oder sich in Europa aufhaltenden Menschen und juristischen Personen soziale, kulturelle sowie religiöse Dienste zum Zwecke der Förderung der Erziehung, Bildung, Religion, Jugendfürsorge, Völkerverständigung und Integration an.

Der Antragsteller ist der Ansicht, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Änderungsbescheides bestünden. Der Grundbesitz des Antragstellers sei, soweit er als Kulturzentrum genutzt werde, gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 i. V. m. Satz 2 GrStG steuerbefreit.

Von der Grundsteuer befreit sei gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 GrStG der Grundbesitz, der von einer Religionsgesellschaft, die Körperschaft des öffentlichen Rechts sei, einem ihrer Orden, einer religiösen Genossenschaft oder einem ihrer Verbände für Zwecke der religiösen Unterweisung, der Wissenschaft, des Unterrichts, der Erziehung oder für Zwecke der eigenen Verwaltung genutzt werde. Vereinigungen - wie den Antragsteller - von der Grundsteuerbefreiung auszuschließen, sei verfassungswidrig.

Die grundsteuerliche Begünstigung ausschließlich bestimmter Kultusgemeinden verstoße sowohl gegen das allgemeine Gleichheitsgrundrecht des Art. 3 Abs. 1 GG als auch gegen das in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG geregelte spezielle Gleichheitsrecht ("religiöse Anschauung"). Dem dem Grundgesetz verpflichteten Staat sei es verboten, vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich zu behandeln. Dies gelte erst recht für die in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG geregelten Merkmale. Die Merkmale des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG kennzeichne, dass "auf deren Vorhandensein oder Fehlen der Einzelne keinen oder nur einen begrenzten Einfluss nehmen kann" (vgl. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts [BVerfGE] 96, 288, 302). In diesem Zusammenhang normiere Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG, dass niemand wegen seiner religiösen Anschauung benachteiligt oder bevorzugt werden dürfe. Das Grundrecht des § 3 Abs. 3 Satz 1 GG sei nach allgemeiner Meinung insbesondere dann betroffen, wenn bestimmte religiöse Gemeinschaften oder deren Angehörige, wie im Fall des § 3 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG bevorzugt würden. Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG sichere die weltanschauliche und religiöse Neutralität des Staates. Bei der Glaubensfreiheit ergebe sich im Zusammenspiel mit den speziellen Gleichheitsgrundrechten des Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG sowie den Vorgaben des Art. 136 Abs. 1 WRV und dem Verbot der Staatskirche in Art. 137 Abs. 1 WRV die religiösweltanschauliche Neutralität des Staates (vgl. BVerfGE 93, 1, 16 f.) . Danach habe sich der Staat in Fragen des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses neutral zu verhalten. Die Neutralität untersage insbesondere "die Privilegierung bestimmter Bekenntnisse ebenso wie die Ausgrenzung Andersgläubiger" (vgl. BVerfGE 93, 1, 17) . Zwar sei eine Förderung religiöser und weltanschaulicher Tätigkeiten und Vereinigungen im GG nicht ausgeschlossen (vgl. von Kampenhausen, Handbuch des Staatsrechts, Bd. 6 Rn 392 f). Doch sei dabei eine strikte Gleichbehandlung zu beachten. In der Rechtsprechung des BVerfG sei anerkannt, dass Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG insbesondere betroffen sei, wenn bestimmte religiöse Vereine gegenüber anderen benachteiligt werden (vgl. BVerfGE 7, 155, 170 f.) .

Im Streitfall sei auch nicht erkennbar, inwieweit die grundsteuerliche Begünstigung bestimmter Kultusgemeinden zur Lösung von speziellen Problemen notwendig sei, die ihrer Natur nach nur bei Gebäuden auftreten können, die von Anhängern des gleichen Glaubens genutzt werden. Es sei kein sachlicher Grund für die grundsteuerliche Begünstigung bestimmter Kultusgemeinden erkennbar. Zwar ermögliche Art. 137 WRV bestimmte Sonderrechte öffentlichrechtlicher Glaubensgemeinschaften. Die großen Kirchen dürften über ihre Sonderstellung gemäß Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 WRV hinaus jedoch nicht privilegiert werden. Das BVerfG habe bereits entschieden, dass eine Gerichtskostenbefreiung ab einer bestimmten Größe der religiösen Vereinigung unzulässig sei (vgl. BVerfGE 19, 1, 10) . Diese Rechtsprechung belege, dass die verfassungsrechtliche Rechtfertigung für die Privilegierung bestimmter Glaubensrichtungen streng zu prüfen sei und nur im Ausnahmefall unter bestimmten Ausnahmevoraussetzungen gerechtfertigt sein könne. In seinem Urteil vom 15. Januar 2002, NJW 2002, 663 habe das BVerfG z.B. im Zusammenhang mit dem tierschutzrechtlichen Schächtungsverbot zudem festgestellt, dass die Gleichbehandlung des jüdischen und islamischen Glaubens ein verfassungsrechtliches Gebot des Art. 3 GG sei.

§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG verstoße gegen die Gleichheitsgrundrechte des Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 GG, wenn lediglich bestimmte Kultusgemeinden von der Grundsteuer befreit seien. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG sei daher verfassungskonform insoweit auszulegen, dass sämtliche Religionsgemeinschaften von der Grundsteuer befreit seien, die mit anderen Kultusgemeinden vergleichbar seien. Das Innenministerium des Landes NRW habe dem Antragsteller mit Schreiben vom 12. August 1994 bestätigt, dass dieser eine Religionsgemeinschaft im Sinne des Art. 140 GG i. V. m. § 137 Abs. 2 WRV sei. Der Antragsteller sei als zweitgrößter Verband in Deutschland mit seiner religiösen Zielsetzung mit Kultusgemeinden, jedenfalls im Hinblick auf die Anwendung der Grundsteuerbefreiung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG, vergleichbar.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

den Einheitswertbescheid (Wertfortschreibung auf den 1. Januar 2005) vom 12. Dezember 2006 bis einen Monat nach Bekanntgabe einer Einspruchsentscheidung insoweit von der Vollziehung auszusetzen, wie der Einheitswert gegenüber dem Bescheid vom 26. Januar 2005 erhöht wurde.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag als unbegründet abzulehnen.

Zur Begründung seines Antrags beruft sich der Antragsgegner darauf, dass dem Antragsteller die Grundsteuerbefreiung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 i. V. m. Satz 2 GrStG nicht zu gewähren sei. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 GrStG seien von der Grundsteuer nur Religionsgesellschaften befreit, die Körperschaften des öffentlichen Rechts seien. Der Antragsteller sei jedoch im Verzeichnis der Kirchen, Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsvereinigungen, die in Nordrhein-Westfalen die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts besitzen, nicht aufgeführt.

Zwar stünden den Religionsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts seien, gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG die jüdischen Kultusgemeinden gleich, die nicht Körperschaften des öffentlichen Rechts seien. Eine entsprechende Anwendung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG auf andere Religionsgesellschaften sehe das Grundsteuergesetz jedoch nicht vor.

II.

Der Antrag ist unbegründet.

Gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) soll die Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung der Tatfragen auslösen. Der Erfolg braucht nicht wahrscheinlicher zu sein als der Misserfolg. Es brauchen insbesondere nicht erhebliche Zweifel in dem Sinne zu bestehen, dass eine Aufhebung des Verwaltungsaktes mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, vielmehr genügt es, dass der Erfolg des Rechtsbehelfs im summarischen Verfahren ebenso wenig auszuschließen ist, wie sein Misserfolg (vgl. Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 FGO Tz. 89 mit Nachweisen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH)).

Der Antragsgegner ist bei der gebotenen summarischen Prüfung bei der Festsetzung des Einheitswertes zu Recht davon ausgegangen, dass dem Antragsteller die Grundsteuerbefreiung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 und 2 GrStG nicht zusteht.

Obwohl über die persönliche und sachliche Grundsteuerpflicht gemäß § 184 Abs. 1 AO durch den Grundsteuermessbescheid entschieden wird, kann ein behaupteter Anspruch auf Befreiung von der Grundsteuer nach der Rechtsprechung des BFH auch durch Anfechtung des Einheitswertbescheides geltend gemacht werden, sofern die Finanzbehörde nicht ausdrücklich die Entscheidung über grundsteuerrechtliche Fragen dem Steuermessbetragsverfahren vorbehalten hat (vgl. BFH-Urteil vom 24. Juli 1985 II R 227/82, BFHE 144, 201, BStBl. II 1986, 128), was sie im Streitfall nicht hat. Der Antragsteller kann die Grundsteuerbefreiung somit im Verfahren gegen den Einheitswertbescheid geltend machen.

Von der Grundsteuer befreit ist gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 GrStG der Grundbesitz, der von einer Religionsgesellschaft, die Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, einem ihrer Orden, einer ihrer religiösen Genossenschaften oder einem ihrer Verbände für Zwecke der religiösen Unterweisung, der Wissenschaft, des Unterrichts, der Erziehung oder für Zwecke der eigenen Verwaltung genutzt wird. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG stehen die jüdischen Kultusgemeinden, die nicht Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, derartigen Religionsgesellschaften gleich.

Der Antragsteller ist unstreitig keine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Dem Antragsteller steht ohne eine Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechtes die Grundsteuerbefreiung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 und 2 GrStG nicht zu.

Der Wortlaut der Vorschrift ist eindeutig. Nur jüdischen Kultusgemeinden, die nicht Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, steht die Grundsteuerbefreiung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG zu. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG ist weder auslegungs- noch analogiefähig.

Eine Auslegung des Gesetzes, die über den möglichen Wortsinn des Gesetzes hinausgeht, ist keine Auslegung mehr und daher nach ganz h. M. und ständiger Rechtsprechung nicht zulässig (vgl. Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 4 Tz. 340 m. w. N.). Auch eine Rechtsfortbildung in dem Sinne, dass § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG auf den Antragsteller analog angewandt wird, ist nicht zulässig. Eine derartige ergänzende Rechtsfortbildung setzt eine Lücke im Gesetz voraus (vgl. Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 4 Tz. 345 m. w. N.). Eine derartige Lücke enthält § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG jedoch nicht, da der Gesetzgeber ausschließlich die jüdischen Kultusgemeinden den Religionsgesellschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind, gleichstellen wollte.

Der Antragsteller kann mit seinem Begehren, eine Grundsteuerbefreiung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG zu erhalten, nur dann Erfolg haben, wenn § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG verfassungswidrig ist und das Bundesverfassungsgericht die Norm nicht als nichtig sondern als unvereinbar mit der Verfassung ansieht. Diese Entscheidungsvariante könnte dem Antragsteller die Chance eröffnen, dass der Gesetzgeber die Begünstigung durch eine Änderung des Gesetzes nachträglich auf ihn ausweitet (vgl. Levedag, FR 2006, 491, 496 ff).

Bei der gebotenen summarischen Prüfung bestehen jedoch keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 und 2 GrStG. Entgegen der Ansicht des Antragstellers verstößt die Norm weder gegen Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG.

Art. 3 Abs. 1 GG verbietet nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG eine an sachwidrigen Kriterien ausgerichtete Differenzierung (vgl. BVerfG-Beschluss vom 3. Juli 1973 1 BvR 368/65, 1 BvR 369/65, BVerfGE 35, 324). Art. 3 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt, kurzum, wenn die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muss (vgl. Leibholz/Rinck, GG, Art. 3 Rz. 21 m. w. N.). Der Gleichheitssatz verlangt weder, dass bei der Ordnung eines bestimmten Lebensgebietes alle tatsächlichen Verschiedenheiten vernachlässigt werden, noch, dass alle vorgegebenen Ungleichheiten berücksichtigt werden. Entscheidend ist vielmehr, ob für eine am Gerechtigkeitsdenken orientierte Betrachtungsweise die tatsächlichen Ungleichheiten in dem jeweils in Betracht kommenden Zusammenhang so bedeutsam sind, dass sie beachtet werden müssen (vgl. Leibholz/Rinck, GG, Art. 3 Rz. 26 m. w. N.).

Das Grundgesetz gebietet nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht, dass der Staat alle Religionsgesellschaften schematisch gleich behandelt. Der Staat darf, der verfassungsrechtlichen Unterscheidung in Art. 137 Abs. 5 WRV folgend, steuerliche Privilegierungen auf die Religionsgesellschaften beschränken, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind. Denn durch die Verleihung des Status einer öffentlichrechtlichen Körperschaft kommt zum Ausdruck, dass es sich hier um Religionsgesellschaften handelt, die durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder, die Gewähr der Dauer bieten, die also innerhalb des öffentlichen Lebens und demgemäß auch für die staatliche Rechtsordnung besondere Bedeutung besitzen. Diese Unterscheidung würde nur dann den Gleichheitssatz verletzen, wenn es anderen Religionsgesellschaften in unzumutbarer Weise erschwert würde, den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu erlangen, obwohl sie die materiellen Voraussetzungen hierfür erfüllen (vgl. BVerfG-Beschluss vom 4. Oktober 1965 1 BvR 498/62, BVerfG 19, 129, 134).

Anhaltspunkte dafür, dass es für den Antragsteller unzumutbar ist, den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zu beantragen, wenn er die Grundsteuerbefreiung in Anspruch nehmen will, ergeben sich nicht aus den Akten und sind dem Senat auch nicht bekannt.

Gemäß Art. 137 Abs. 5 Satz 1 WRV i. V. m. Art. 140 GG blieben Religionsgesellschaften Körperschaften des öffentlichen Rechts, soweit sie solche bisher, d. h. zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Weimarer Verfassung am 11. August 1919, waren. Diese sog. "altkorporierten" Religionsgemeinschaften sind die evangelische und die katholische Kirche und ihre Untergliederungen. Anderen Religionsgesellschaften sind gemäß Art. 137 Abs. 5 Satz 2 WRV i. V. m. Art. 140 GG auf Antrag die gleichen Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewährung der Dauer bieten.

Eine Religionsgemeinschaft, die Körperschaft des öffentlichen Rechts werden will, muss darüber hinaus nach der Rechtsprechung des BVerfG rechtstreu sein. Sie muss die Gewähr dafür bieten, dass sie das geltende Recht beachtet, insbesondere die ihr übertragene Hoheitsgewalt nur in Einklang mit den verfassungsrechtlichen und sonstigen gesetzlichen Bindungen ausüben wird. Sie muss außerdem die Gewähr dafür bieten, dass ihr künftiges Verhalten die in Art. 79 Abs. 3 GG umschriebenen fundamentalen Verfassungsprinzipien, die dem staatlichen Schutz anvertrauten Grundrechte Dritter sowie die Grundprinzipien des freiheitlichen Religions- und Staatskirchenrechts des GG nicht gefährdet. Eine darüber hinausgehende Loyalität zum Staat verlangt das GG nicht (vgl. BVerfG-Urteil vom 19. Dezember 2000 2 BvR 1500/97, BVerfGE 102, 370, NJW 2001, 429 ).

Der Körperschaftstatus wird durch das Bundesland verliehen, in dem die Religionsgemeinschaft ihren Sitz hat. Gleichwohl erzeugt diese Maßnahme, die in Form eines statusbegründenden Rechtsaktes vorgenommen wird, eine "überregionale" Wirkung, denn der landesrechtlich eingeräumte Körperschaftstatus hat bundesweite Verbindlichkeit (vgl. Korioth in Maunz-Dürig, GG, Art. 140, Art. 137 WRV Tz. 72). Im Land Nordrhein-Westfalen, dem Sitz des Antragstellers, erfolgt die Verleihung durch Gesetz. Im Land Nordrhein-Westfalen sind u. a. der neuapostolischen Kirche des Landes Nordrhein-Westfalen, dem Bund Freier evangelischer Gemeinden in Deutschland, der Freireligiösen Landesgemeinde Nordrhein-Westfalen, der Gemeinschaft der Siebenten-Tags-Adventisten in Nordrhein-Westfalen, der Mennonitengemeinde zu Krefeld, der Heilsarmee in Deutschland, der Griechisch-Orthodoxen Metropolie von Deutschland die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen worden (Vgl. v. Hippel-Rehborn, Gesetze des Landes NRW, Nr. 89a, "Verleihung der Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an Religionsgemeinschaften").

Auch eine Privilegierung einer Religionsgesellschaft - wie dies durch § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG für jüdische Kultusgemeinden geschieht - ist im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nach der Rechtsprechung des BVerfG zulässig, wenn ein sachgerechter Grund dafür besteht (vgl. BVerfG-Entscheidung vom 28. April 1965 1 BvR 346/61, BVerfG 19, 1).

Ein derartiger sachlicher Grund für die Privilegierung der jüdischen Kultusgemeinden gegenüber anderen Religionsgesellschaften besteht. Durch das preußische Gesetz über die Juden vom 23. Juli 1847 hatten die altpreußischen jüdischen Synagogengemeinden die Stellung einer öffentlichrechtlichen Körperschaft erhalten. Gemäß dem Gesetz über die Rechtsverhältnisse der jüdischen Kultusvereinigungen vom 28. März 1938 haben die jüdischen Kultusvereinigungen und ihre Verbände mit Ablauf des 31. März 1938 ihre Stellung als Körperschaften des öffentlichen Rechts, soweit sie diese bisher besaßen, verloren. Auf Grund dieser historischen Vorgeschichte und der Verfolgung und Ermordung der Juden im Dritten Reich war der Gesetzgeber berechtigt, jüdische Kultusgemeinden vergleichbar der evangelischen und katholischen Kirche ohne ein Anerkennungsverfahren einer öffentlichrechtlichen Körperschaft gleichzustellen. Ein Gleichbehandlungsanspruch ergibt sich daraus für den Antragsteller nicht.

Der Antragsgegner war auch, wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, berechtigt den Einheitswertbescheid (Wert-, Art- und Zurechnungsfortschreibung auf den 1. Januar 2005) vom 26. Januar 2005 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO zu ändern. Denn dem Antragsgegner ist erst im November 2006 bekannt geworden, dass auf Grund der Ergebnisse der Betriebsprüfung/Fahndungsprüfung dem Antragsteller die Gemeinnützigkeit rückwirkend ab 1997 aberkannt worden ist. Die Nutzfläche im Erdgeschoss war somit nicht mehr gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 b GrStG von der Grundsteuer befreit. Denn sie diente weder ausschließlich gemeinnützigen noch ausschließlich mildtätigen Zwecken i. S. des § 53 AO.

Die Aussetzung der Vollziehung ist auch nicht deshalb zu gewähren, weil die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Eine derartige unbillige Härte liegt nach der Rechtsprechung des BFH vor, wenn dem Steuerpflichtigen durch die Zahlung Nachteile drohen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder nur schwer wiedergutzumachen wären oder wenn die wirtschaftliche Existenz gefährdet würde (vgl. Tipke/Kruse, AO/FGO § 69 Tz. 101 ff. m. w. N.). Der Antragsteller hat nicht vorgetragen, dass eine derartige unbillige Härte bestehe und aus den Akten ergeben sich auch keine Anhaltspunkte für eine unbillige Härte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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