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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 05.02.2008
Aktenzeichen: 11 V 4224/07 A (BG)
Rechtsgebiete: BewG, GrStG


Vorschriften:

BewG § 22 Abs. 1
BewG § 22 Abs. 3
BewG § 22 Abs. 4 S. 1 Nr. 2
GrStG § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 3b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

11 V 4224/07 A (BG)

Tenor:

Der Einheitswertbescheid, Wertfortschreibung auf den 1.1.1998, vom 12.7.2007 wird bis einen Monat nach Bekanntgabe einer das Verfahren 11 K 4223/07 BG abschließenden Entscheidung von der Vollziehung ausgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

Gründe:

I.

Der Antragsteller ist ein rechtsfähiger Verein, der den in Europa lebenden oder sich in Europa aufhaltenden Menschen islamischen Glaubens die Möglichkeit zu ihrer Religionsausübung gibt. Nach § 1 Abs. 4 seiner Satzung charakterisiert er sich selbst wir folgt:

"Bei dem Verband ... handelt es sich um eine Religionsgemeinschaft, die im Rahmen des Art. 140 des Grundgesetzes i.V.m. den fortgeltenden Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung (WRV) vom 11. August 1919 gegründet worden ist. Dies wurde vom Innenministerium des Landes Nordrhein Westfalen mit Schreiben vom 12. August 1994 unter dem Aktenzeichen IV A 3 224 offiziell anerkannt."

Nach § 5 Abs. 1 der Satzung dient der Verein ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken im Sinne der Abgabenordnung. Wegen der weiteren Einzelheiten der Satzung wird auf den in den Gerichtsakten abgehefteten Internetauszug Bezug genommen.

Der Antragsteller erwarb durch notariellen Kaufvertrag vom 30.3.1990 das bebaute Grundstück Gemarkung T-Stadt, Flur 5, Flurstück 13, Gebäude und Freifläche, A-Stadt Straße 1, mit einer Größe von 900 qm. Das Grundstück war zu diesem Zeitpunkt mit einem Vorder- und einem Hinterhaus bebaut. Die Wohn-/Nutzfläche ohne Kellerräume betrug ausweislich der Hauptfeststellung des Einheitswerts auf den 1.1.1964 insgesamt ca. 528 qm. Der Einheitswert wurde auf den 1.1.1964 mit 162.300 DM festgestellt.

Mit Einheitswertbescheid vom 28.1.1991, Zurechnungsfortschreibung auf den 1.1.1991, stellte der Antragsgegner den Einheitswert für das erworbene Grundstück gegenüber dem Antragsteller mit 162.300 DM fest. Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller Einspruch ein, verbunden mit dem Hinweis, er nutze das Erdgeschoss (ehemalige Gaststättenräume) im Rahmen seiner satzungsgemäßen Tätigkeit allein zu gemeinnützigen Zwecken. Der Antragsgegner half dem Einspruch ab und erließ am 22.6.1991 einen geänderten Bescheid, mit dem er den Einheitwert auf 108.400 DM neu feststellte. Die im Erdgeschoss genutzen Räume bezog er gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 b Grundsteuergesetz (GrStG) nicht in die Berechnung des Einheitswerts ein.

Am 19.9.1994 erließ der Antragsgegner einen Einheitwertbescheid, Wertfortschreibung auf den 1.1.1994, in dem er den Einheitswert mit 134.700 DM feststellte. Anlass für die Wertfortschreibung war der Wegfall der öffentlichen Förderung für die vorhandenen Wohnungen. Der Einheitswert wurde im Ertragswertverfahren auf Grund einer Jahresrohmiete in Höhe von 15.105 DM berechnet. Dabei legte der Antragsgegner eine Miete in Höhe von 2,10 DM/m² zugrunde. In die Berechnung der Wohnfläche bezog er die gesamte Fläche des Gebäudes in Höhe von 528 qm ein, ohne die als Gebetsraum genutzten Räumlichkeiten auszunehmen. Der Bescheid wurde nicht mit Rechtsmitteln angefochten.

In der Folgezeit riss der Antragsteller das Gebäude teilweise ab, baute um und an und richtete in dem neu gestalteten Gebäude neben den vorhandenen Wohnungen mehrere Gebetsräume ein. Laut der in den Einheitswertakten des Antragsgegners in Kopie abgehefteten Nutzflächenberechnung des zuständigen Architekten wurde der Keller um 79,55 qm, das Erdgeschoss um 68,86 qm und das Obergeschoss um 133,69 qm erweitert. Am 14.12.2001 teilte die zuständige Bauordnungsbehörde dem Antragsgegner die Fertigstellung der Baumaßnahmen mit. Am 16.2.2002 forderte der Antragsgegner den Antragsteller auf, eine Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts auf den 1.1.2002 einzureichen. Die am 7.3.2002 eingegangene Erklärung enthält den Hinweis, dass die Baumaßnahmen 1992 begonnen und 2000 fertiggestellt worden seien. Auf Anfrage des Antragsgegners teilte das zuständige Finanzamt B-Stadt am 20.3.2002 mit, der Antragsteller sei nach wie vor als gemeinnützig anerkannt. Der Antragsgegner erließ nach vorangegangener Ortsbesichtigung am 27.6.2002 einen Einheitswertbescheid, Wertfortschreibung auf den 1.1.1998, in dem er den Einheitswert im Wege des Ertragswertverfahrens auf 38.295 EUR (74.900 DM) feststellte. Dabei legte er eine Miete in Höhe von 2,10 DM/m² und eine Wohnfläche von insgesamt 262 qm (Wohnungen im 1. Obergeschoss und im Dachgeschoss) zugrunde. Die als Gebetsraum genutzen Räume, Altbestand und Zugang, bezog er nicht in die Berechnung der Wohnfläche mit ein.

Aufgrund einer Kontrollmitteilung vom 27.10.2006 setzte das Finanzamt B-Stadt den Antragsgegner davon in Kenntnis, dass dem Antragsteller auf Grund der Ergebnisse einer Betriebsprüfung/Fahndungsprüfung die Gemeinnützigkeit rückwirkend ab 1997 aberkannt worden sei. Die Tatsachen, die zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit geführt haben, sind zwischen den Beteiligten unstreitig. Insoweit wird auf die dem Gericht und den Beteiligten bekannte Verfügung der Oberfinanzdirektionen Rheinland und Münster vom 12.4.2007 sowie auf die unstreitigen Feststellungen in der Einspruchsentscheidung im Parallelverfahren 11 K 4225/07 BG zum Einheitswertbescheid vom 11.9.2007, Art- und Wertfortschreibung auf den 1.1.2001, Bezug genommen.

Der Antragsgegner hob am 16.11.2006 den Einheitswertbescheid vom 27.6.2002 auf und erließ am 12.7.2007 einen neuen Einheitswertbescheid, Wertfortschreibung auf den 1.1.1998, in dem er den Einheitswert im Wege des Ertragswertverfahrens mit 76.847 EUR (150.300 DM) feststellte. Der Einheitswert wurde auf Grund einer Jahresrohmiete (2,10 DM/m²) für Wohnzwecke (528 qm) in Höhe von 15.105 DM und für eigengewerbliche Zwecke (69 qm) in Höhe von 1.738 DM berechnet.

Der Antragsteller hat gegen diesen Bescheid vom 12.7.2007 fristgerecht Einspruch eingelegt und Aussetzung der Vollziehung beantragt. Der Antragsgegner lehnte am 21.8.2007 den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab. Mit Einspruchsentscheidung vom 8.10.2007 wies er den Einspruch als unbegründet zurück. Dagegen richtet sich die beim Senat unter dem Aktenzeichen 11 K 4223/07 BG anhängige Klage. Zugleich beantragte der Antragsteller Aussetzung der Vollziehung beim Finanzgericht.

Der Antragsteller trägt vor:

Der Einheitswertbescheid vom 12.7.2007 hätte nicht erlassen werden dürfen, weil beim Erlass bereits Feststellungsverjährung eingetreten gewesen sei. Die regelmäßige Feststellungsfrist betrage vier Jahre und sei für den Fortschreibungszeitraum 1.1.1998 bereits am 31.12.2002 abgelaufen. Anhaltspunkte dafür, dass hinsichtlich der Grundsteuer seitens des Antragstellers eine Steuerhinterziehung begangen worden sei und die Feststellungsfrist deshalb zehn Jahre betrage, lägen nicht vor. Aus der Kontrollmitteilung des für die Körperschaftsteuer zuständigen Finanzamtes B-Stadt könne nur entnommen werden, dass ihm, dem Antragsteller, rückwirkend ab 1997 die Gemeinnützigkeit aberkannt worden sei. Eine vorsätzliche Grundsteuerhinterziehung könne ihm nicht zu Last gelegt werden.

Darüber hinaus sei ungeachtet der aberkannten Gemeinnützigkeit und der daher nicht mehr anzuwendenden Grundsteuerbefreiung gem. § 3 Abs. 1 Nr. 3 b GrStG zu seinen Gunsten die Grundsteuerbefreiung gem. § 3 Abs. 1 Nr. 4 i.V. mit Satz 2 GrStG im Wege der verfassungskonformen Auslegung anwendbar. Nach dieser Norm sei der Grundbesitz, der von einer Religionsgesellschaft, die Körperschaft des öffentlichen Rechts sei, einem ihrer Orden, einer religiösen Genossenschaft oder einem ihrer Verbände für Zwecke der religiösen Unterweisung, der Wissenschaft, des Unterrichts, der Erziehung oder für Zwecke der eigenen Verwaltung genutzt werde, von der Grundsteuer befreit. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 GrStG stünden derartigen Religionsgesellschaften jüdische Kultusgemeinden gleich, die nicht Körperschaften des öffentlichen Rechts seien. Islamische Vereinigungen von der Grundsteuerbefreiung auszuschließen, sei verfassungswidrig.

Der Antragsteller beantragt,

den Einheitswertbescheid, Wertfortschreibung auf den 1.1.1998, vom 12.7.2007 bis einen Monat nach Bekanntgabe einer das Verfahren 11 K 4223/07 BG abschließenden Entscheidung von der Vollziehung auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag als unbegründet abzulehnen.

Der Antragsgegner verweist zur Begründung seines Antrags auf die Ausführungen in der Einspruchentscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Beschluss im Parallelverfahren 11 V 4226/07 A (BG) Bezug genommen.

II.

Der Antrag ist begründet.

Gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) soll die Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung der Tatfragen auslösen. Der Erfolg braucht nicht wahrscheinlicher zu sein als der Misserfolg. Es brauchen insbesondere nicht erhebliche Zweifel in dem Sinne zu bestehen, dass eine Aufhebung des Verwaltungsaktes mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, vielmehr genügt es, dass der Erfolg des Rechtsbehelfs im summarischen Verfahren ebenso wenig auszuschließen ist, wie sein Misserfolg (vgl. Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 FGO Tz. 89 mit Nachweisen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH)).

Bei der so gebotenen summarischen Prüfung bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einheitswertbescheids. Der Antragsgegner war nicht berechtigt, den Einheitswert auf den 1.1.1998 fortzuschreiben. Weder die Voraussetzungen, die nach § 22 Abs. 1 BewG eine Wertfortschreibung wegen veränderter Verhältnisse ermöglichen, noch die, die nach § 22 Abs. 3 BewG eine Fehlerkorrektur zulassen, sind erfüllt.

Eine Wertfortschreibung auf den 1.1. 1998 wegen veränderter Verhältnisse gem. § 22 Abs. 1 BewG kommt nach Aktenlage nicht in Betracht. Zwar hat der Antragsteller in den Jahren ab 1992 das vorhandene Gebäude umfangreich umgebaut, teilweise abgerissen und wieder neu aufgebaut. Die Baummaßnahmen waren aber augenscheinlich erst im Jahr 2000 beendet. Dies folgt aus den Angaben in der Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts vom 7.3.2002. Zumindest im Rahmen der summarischen Prüfung im Eilverfahren vermag das Gericht davon nicht abzuweichen, zumal der Hinweis der Stadt C-Stadt über die Fertigstellung der Baumaßnahmen ebenfalls erst Ende 2001 beim Antragsgegner eingegangen ist und die Bauzustandsbesichtigung danach erst am 10.12.2001 stattgefunden hat. Soweit sich in dem Vermerk zum Ortstermin vom 21.5.2002 der Hinweis findet, wonach die Änderungen bereits seit 1996 bestünden, findet dies im Sachverhalt keine Bestätigung. Die Fertigstellung 1996 stünde auch im Widerspruch zu den in den Akten des Antragsgegners in Kopie abgehefteten Bauzeichnungen, die aus April 1997 datieren und vermutlich nicht erst nach Fertigstellung der Baumaßnahmen erstellt wurden.

Eine fehlerberichtigende Wertfortschreibung auf den 1.1.1998 nach § 22 Abs. 3 BewG ist ebenfalls nicht möglich. Dabei kann es dahinstehen, ob der Antragsgegner wegen Ablaufs der Feststellungsfrist überhaupt eine Fehlerkorrektur auf den 1.1.1998 hätte vornehmen können oder ob eine Fehlerkorrektur gem. § 22 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BewG stets nur zu Beginn des Kalenderjahres erfolgen kann, in dem der Fehler bekannt wird. Es fehlt an den materiellen Voraussetzungen für eine fehlerbeseitigende Wertfortschreibung, weil der Einheitswert auf den 1.1.1994 durch den bestandskräftigen Bescheid vom 19.9.1994 in zutreffender Höhe festgestellt worden ist. Bei der damaligen Berechnung des Einheitswerts hat der Antragsgegner das gesamte Gebäude (528 qm) in die Berechnung der Jahresrohmiete einbezogen, ohne die zum damaligen Zeitpunkt für Vereinszwecke genutzten Räumlichkeiten gem. § 3 Abs. 1 Nr. 3b GrStG von der Berechnung auszunehmen. Von den Beteiligten offenbar unbemerkt wurden daher bereits zu einem frühen Zeitpunkt die aus Sicht des Antragstellers unzutreffenden, aus Sicht des Antragsgegners zutreffenden Folgen aus der Aberkennung der Gemeinnützigkeit gezogen. Dieser Einheitswertbescheid auf den 1.1.1994 ist nach der Aufhebung des insoweit begünstigenden Einheitswertbescheids auf den 1.1.1998 vom 27.6.2002 der letzte gültige Bescheid vor Erlass des hier streitigen Einheitswertbescheids vom 12.7.2007. Hätte der Antragsteller auf den 1.1.1998 aus verfahrensrechtlichen Gründen überhaupt eine Wertfortschreibung vornehmen dürfen, wäre der Einheitswert der Höhe nach so zu berechnen gewesen, wie bereits im Bescheid auf den 1.1.1994 festgestellt. Eine Wertfortschreibung auf den 1.1.1998 ist folglich schon deshalb nicht zulässig, weil die Wertgrenzen des § 22 Abs. 1 BewG nicht überschritten werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.



Ende der Entscheidung

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