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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 12.03.2009
Aktenzeichen: 12 K 1130/08 AO
Rechtsgebiete: AO, EStG


Vorschriften:

AO § 37 Abs. 1
AO § 37 Abs. 2
AO § 118
AO § 240 Abs. 1
EStG § 36 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Abrechnungsbescheid vom 7.1.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.2.2008 wird dahingehend geändert, dass Säumniszuschläge auf die darin ausgewiesenen Rückforderungsbeträge zur Einkommensteuer 1996 und zum Solidaritätszuschlag 1996 nicht entstanden sind.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu 55%, der Beklagte zu 45% .

Tatbestand:

Streitig ist, ob Säumniszuschläge entstanden sind.

Die streitgegenständlichen Säumniszuschläge resultieren aus zwei unterschiedlichen Sachverhalten:

1) Nachdem die Kläger für den Veranlagungszeitraum 1996 zunächst keine Steuererklärung abgegeben hatten, erließ das Finanzamt einen auf geschätzten Besteuerungsgrundlagen beruhenden Einkommensteuerbescheid, in dem es unter anderem einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung von ca. 119.000 DM berücksichtigte. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren, das ohne Begründung geblieben war, erhoben die Kläger gegen diesen Bescheid Klage (Az. 12 K 6115/98 E, U). Im Klageverfahren gewährte das Finanzamt nach Einreichung der Steuererklärung mit Wirkung vom 20.10.1998 die Aussetzung der Vollziehung. Das Klageverfahren erledigte sich in der Hauptsache, nachdem das Finanzamt unter dem 12.11.1998 einen geänderten Einkommensteuerbescheid erlassen hatte, der nunmehr eine Steuer von 0,- DM auswies. Die Verfahrenskosten wurden den Klägern auferlegt. Dabei folgte das Gericht der Argumentation der Kläger, dass es sich um eine Strafschätzung gehandelt habe, nicht. Auch wenn der Verlust der Kläger aus Vermietung in der Vergangenheit weitaus (um ca. 160.000 DM) höher gewesen sei, sei das Finanzamt nicht verpflichtet gewesen, von einem im Lohnsteuerermäßigungsverfahren geschätzten Verlust aus Vermietung und Verpachtung auszugehen.

Im Mai 1999 erkannte das Finanzamt, dass es den Klägern im Zusammenhang mit der Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuer 1996 am 12.11.1998 versehentlich einen um mehr als 30.000 EUR überhöhten Betrag erstattet hatte - die ausgesetzten Beträge waren als gezahlt behandelt worden. Hierauf beziehen sich die in den vorgelegten Akten befindlichen und hier wegen der Einzelheiten ihres Inhalts in Bezug genommenen Schreiben des Finanzamtes vom 21.5. und 11.6.1999. Bei dem Schreiben vom 21.5.1999 handelt es sich um eine Mitteilung über den nach Erledigung des Klageverfahrens wegen Einkommen- und Umsatzsteuer 1996 bevorstehenden Ablauf der Aussetzung der Vollziehung. Des weiteren enthält dieses Schreiben den ausdrücklich als solchen bezeichneten Hinweis, dass es infolge einer irrtümlichen Abrechnung zu einer ungerechtfertigten - nicht bezifferten - Überzahlung gekommen sei, "die nun durch Zahlung der ausgesetzten Beträge teilweise zurückzuzahlen sei". Mit Schreiben vom 11.6.1999 teilte das Finanzamt "zur Ergänzung [des] Schreibens vom 21.05.99" dem Klägervertreter betragsmäßige Einzelheiten mit.

Mit Bescheid vom 13.7.1999 änderte das Finanzamt aus Gründen, die sich aus den vorgelegten Akten nicht ergeben, den Einkommensteuerbescheid 1996 unter Hinweis auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO). Ausweislich der mit diesem Bescheid verbundenen Abrechnung forderte es von den Klägern - insoweit rechnerisch unstreitig - nunmehr die Rückzahlung bereits erstatteter Einkommensteuer in Höhe von 51.259 DM nebst Säumniszuschlägen und Kirchensteuer. Erst ab August 2000 bis April 2001 bedienten die Kläger diese Beträge zum Teil in Raten. Der Restbetrag wurde schließlich durch Aufrechnung von Erstattungsansprüchen aus den Veranlagungen 2001 und 2002 getilgt. Auf die jeweiligen Zahlungsrückstände sind Säumniszuschläge im Gesamtumfang von rund 10.000 EUR berechnet worden.

2) Auf den Lohnsteuerkarten der Kläger für 1998 trug das Finanzamt Freibeträge von je 158.750 DM ein. Mangels Abgabe einer Steuererklärung schätzte es in dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheid für 1998 vom 23.1.2001 die Einkünfte der Kläger aus nichtselbständiger Arbeit mit insgesamt 247.025 DM sowie einen Verlust aus Vermietung und Verpachtung von 81.800 DM. Hieraus ergab sich ein Nachzahlungsbetrag (nur Einkommensteuer) von 42.650 DM. Im Erläuterungsteil des Bescheides wurde darauf verwiesen, dass die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit entsprechend den Feststellungen der Lohnsteuer-Außenprüfung geschätzt worden seien. Der Schätzung der Vermietungseinkünfte seien die Vorjahreswerte zuzüglich eines Sicherheitszuschlages von 10% zugrunde gelegt worden.

Ihren gegen diesen Bescheid gerichteten Einspruch begründeten die fachkundig vertretenen Kläger lediglich damit, dass keine Lohnsteuer angerechnet worden sei. Der Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen, Aussetzung der Vollziehung wurde nicht gewährt. Nach Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung mit Bescheid vom 29.6.2005 legten die Kläger auch gegen diesen Bescheid Einspruch ein. Am 26.8.2005 reichten sie die Steuererklärung ein, woraufhin das Finanzamt die Aussetzung der Vollziehung gewährte. Für den Zeitraum von der ursprünglichen Fälligkeit der Einkommensteuer 1998 (26.1.2001) bis zur Aussetzung der Vollziehung sind Säumniszuschläge von rund 12.000 EUR entstanden.

3) Die Ablehnung des von den Klägern - unter anderem - beantragten Erlasses der Säumniszuschläge zur Einkommensteuer 1996 und 1998 mündete in das Klageverfahren 18 K 3739/06 AO. Auch dieses Klageverfahren erledigte sich in der Hauptsache, nachdem der Berichterstatter in einem Erörterungstermin angeregt hatte, zunächst zur Klärung der Frage, in welcher Höhe überhaupt Säumniszuschläge entstanden sind, den nunmehr hier streitbefangenen Abrechnungsbescheid zu erlassen. Dieser datiert vom 7.1.2008 und weist Säumniszuschläge im Gesamtumfang von 22.363 EUR wie folgt aus:

 Steuerart und JahrFälligkeitSZ/EUR
ESt 199616.08.19998.415,99
Soli 199616.08.19991.604,27
ESt 199826.08.200511.775,42
Soli 199826.08.2005567,54
  22.363,22

Den hiergegen gerichteten Einspruch wies das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 28.2.2008 als unbegründet zurück. In den hier wegen ihrer Einzelheiten in Bezug genommenen Gründen der Einspruchsentscheidung vertritt das Finanzamt den Standpunkt, dass es sich bei dem Anspruch auf Rückzahlung der zu Unrecht erstatteten Einkommensteuer 1996 entgegen der von den Klägern vertretenen Rechtsansicht um eine Steuerforderung im Sinne von § 240 AO handele. Säumniszuschläge entstünden daher auch dann, wenn einem auf § 37 Abs. 2 AO gestützten Rückforderungsanspruch nicht entsprochen werde.

Hinsichtlich der Einkommensteuer 1998 sei entgegen der Ansicht der Kläger nicht von der Nichtigkeit des ursprünglichen Steuerbescheides auszugehen, folglich seien auch insoweit Säumniszuschläge verwirkt. Eine als willkürlich anzusehende Strafschätzung liege nicht vor. So habe die Bearbeiterin die Schätzungserwägungen notiert und dabei - hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung - den Abzug der Sonderabschreibung verneint. Das Gesetz über die Sonderabschreibungen für Investitionen im Fördergebiet sehe ein fünfjähriges Wahlrecht des Steuerpflichtigen vor. Danach stehe dem Investor die Verteilung des begünstigten Anschaffungspreises als Abzugsbetrag frei, ohne an die Behandlung in den Vorjahren gebunden zu sein. Das Finanzamt habe dieses Wahlrecht nicht im Schätzwege ausüben können, da es noch bis zum Veranlagungsjahr 1999 Geltung gehabt habe. Die Besteuerungsgrundlagen habe es in der Erläuterung zum Bescheid für die einzelnen Vermietungsobjekte beziffert.

Mit ihrer fristgerecht erhobenen Klage tragen die Kläger vor, dass es sich bei dem Rückzahlungsanspruch für die am 12.11.1998 irrtümlich erfolgte Erstattung um einen zivilrechtlichen Herausgabeanspruch handele. Ein Steueranspruch bestehe gemäß § 38 AO zu dem Zeitpunkt, in dem der Tatbestand verwirklicht werde, an den das Gesetz eine bestimmte Leistungspflicht knüpfe. Um diese Voraussetzung zu schaffen, reiche es nicht aus, den Steuerpflichtigen Mitteilungen, Mahnungen und Vollstreckungsankündigungen zu schicken, da sich hieraus keine Leistungspflicht ergebe. Des Weiteren tragen sie vor, dass ein auf § 37 Abs. 2 gestützter Rückforderungsanspruch im Rahmen von § 218 Abs. 1 AO durch Verwaltungsakt geltend gemacht werden müsse. Auch fehle die Berechnungsgrundlage für die Säumniszuschläge, da gemäß § 240 Abs. 1 S. 3 AO die Säumnis erst dann eintrete, wenn die Steuer festgesetzt oder angemeldet worden sei. Ein Zinslauf können nur durch einen Mahnbescheid in Gang gesetzt werden, dies müsse in dementsprechender Form auch für die Finanzverwaltung gelten.

Hinsichtlich der Einkommensteuerfestsetzung 1998 vom 23.01.2001 sind die Kläger weiterhin der Ansicht, dass es sich um einen nichtigen Verwaltungsakt handele, der nicht zur Entstehung von Säumniszuschlägen führen könne. Es sei in evidenter Weise gegen die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Schätzung verstoßen worden sei, unter anderem durch Nichtberücksichtigung der Fördergebietsabschreibung. Überdies sei unberücksichtigt geblieben, dass sie zum Zeitpunkt des Schätzungsbescheides vom 23.1.2001 zahlungsunfähig gewesen seien. Hierin liege ein Verstoß gegen die Regeln des Bayerischen Landesamts für Steuern vor. Auch sei offenbar vor der Schätzung kein Kontakt mit der Vollstreckungsstelle aufgenommen worden.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

den Abrechnungsbescheid vom 7.1.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.2.2008 dahingehend zu ändern, dass darin Säumniszuschläge zur Einkommensteuer und zum Solidaritätszuschlag 1996 und 1998 mit 0,- EUR ausgewiesen werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Finanzamt sieht im Einkommensteuerbescheid für 1996 vom 13.7.1999 das erste "klare" Leistungsgebot hinsichtlich der Rückforderung des überzahlten Betrages. Ab diesem Zeitpunkt seien Säumniszuschläge verwirkt.

Gründe, die zur Nichtigkeit des Einkommensteuerbescheides für 1998 führen könnten, seien nicht ersichtlich.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist teilweise begründet.

1) Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, soweit er Säumniszuschläge im Zusammenhang mit dem im Tatbestand unter 1) dargestellten Sachverhalt ausweist. Unabhängig von der Frage, ob Säumniszuschläge auf Rückforderungsansprüche der hier in Rede stehenden Art überhaupt entstehen können, setzt die Verwirkung von Säumniszuschlägen nämlich eine wirksame Festsetzung des ihnen zugrunde liegenden Anspruchs voraus (vgl. Tipke/Kruse, Kommentar zur Abgabenordnung, § 240 Tz. 20). Die Geltendmachung einer auf § 37 Abs. 2 AO gestützten Rückforderung erfordert demnach den Erlass eines Rückforderungsbescheides. Ohne eine solche Festsetzung ist die Verwirklichung des Anspruchs grundsätzlich unzulässig (Tipke/Kruse, Kommentar zur Abgabenordnung, § 37 Tz. 126 f.).

Im Streitfall ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, denn es ist nicht erkennbar, dass das Finanzamt einen wirksamen Rückforderungsbescheid erlassen hat. Zwar weist es im Abrechnungsteil des Einkommensteuerbescheides für 1996 vom 13.7.1999 den versehentlich überwiesenen Betrag als "bereits erstattet" aus, woraus rechnerisch ein Zahlungsanspruch des Finanzamtes gegen die Kläger resultiert. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um einen Verwaltungsakt, mithin um keinen "Bescheid" im vorgenannten Sinne. Feststellungen in der sogenannten "Anrechnungsverfügung" ergehen nämlich nur insoweit in Form eines Verwaltungsaktes, wie sie auf § 36 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) beruhen, also über geleistete Vorauszahlungen und einbehaltene Steuerabzugsbeträge abrechnen. Soweit sie hingegen über geleistete Zahlungen, Umbuchungen, Erstattungen und dergleichen abrechnen, haben sie lediglich den Charakter einer Information über den Kassenstand (BFH-Beschluss vom 19.10.2006, VII B 78/06, BFH/NV 2007, 200). Rechtsgrundlage für die Rückforderung des versehentlich gezahlten Betrages - und in der Folge für die Entstehung von Säumniszuschlägen - kann die Anrechnungsverfügung daher mangels Verwaltungsaktsqualität nicht sein.

Der Rückforderungsanspruch ist auch nicht zu einem anderen Zeitpunkt durch Verwaltungsakt geltend gemacht worden. Im Abrechnungsbescheid vom 7.1.2008 wird zwar die Formulierung "zu der mit Bescheiden vom 21.5.99, 11.6.99 und 13.7.99 zurück geforderten Einkommensteuer 96" verwendet, was die Vermutung nahe legt, dass bereits im Mai und Juni 1999 Rückforderungsbescheide ergangen sind; diese lässt sich jedoch nicht bestätigen. Denn das Schreiben vom 11.6.1999 hat schon seiner Formulierung nach nur unterrichtenden Charakter. Dem Schreiben vom 21.5.1999 fehlt der für eine Qualifikation als Verwaltungsakt im Sinne des § 118 AO erforderliche Regelungscharakter, weil es nicht unmittelbar auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet ist. Unerheblich ist auch, dass der Rückforderungsanspruch als solcher bereits im Zeitpunkt der irrtümlichen Überweisung an die Kläger entstanden sein dürfte, da der Anspruch jedenfalls, wie ausgeführt, nicht in der gebotenen Weise verwirklicht worden ist.

Ohne dass es nach dem zuvor Gesagten noch entscheidungserheblich wäre, weist der Senat ergänzend darauf hin, dass nach seiner auf dem Wortlaut des § 240 Abs. 1 AO gründenden Überzeugung, die verspätete Erfüllung auch von wirksam festgesetzten Rückforderungsansprüchen nicht zur Entstehung von Säumniszuschlägen führt. Denn die in § 240 Abs. 1 Satz 1 und 2 getroffene gesetzliche Regelung macht die Entstehung von Säumniszuschlägen davon abhängig, dass Steuern, zurückzuzahlende Steuervergütungen oder Haftungsschulden bei Fälligkeit nicht entrichtet werden. Sonstige Ansprüche, wie etwa der Anspruch auf Rückerstattung nach § 37 Abs. 2 AO, werden dort hingegen nicht erwähnt (ebenso FG Düsseldorf, Beschluss vom 9.3.2000, 18 V 200/99 A (AO), EFG 2000, 531). Die Gegenmeinung (vgl. Tipke/Kruse, Kommentar zur Abgabenordnung, § 240 Tz. 9 m.w.N., § 37 Tz. 109 ff.) verkennt nach Ansicht des Senats, dass § 240 Abs. 1 AO eben nicht allgemein die in § 37 Abs. 1 AO definierten Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erfasst, soweit sie zu Gunsten des Finanzamtes bestehen, sondern eine ausdrückliche Beschränkung auf eine Teilmenge dieser Ansprüche enthält.

Zwar kann sich aus dieser Auffassung im Einzelfall ein wirtschaftlicher Vorteil für zahlungsunwillige Schuldner ergeben, zu einem schlechthin unvertretbaren Ergebnis und daher korrekturbedürftigen Ergebnis führt sie hingegen nicht. Nach der Erfahrung des Gerichts knüpfen auf § 37 Abs. 2 AO gestützte Rückforderungen nämlich in der Regel, wie auch im Streitfall, an ein im Verantwortungsbereich des Finanzamtes liegendes Versehen an. Nach dessen Entdeckung hat es die Behörde in der Hand, ihren Anspruch - auch zwangsweise - durchzusetzen, wobei sie, im Gegensatz zu privaten Gläubigern, nicht einmal der Einrede der Entreicherung ausgesetzt ist.

2) Im Übrigen hat die Klage keinen Erfolg. Säumniszuschläge zur Einkommensteuer 1998 sind in der im Abrechnungsbescheid ausgewiesenen Höhe entstanden, denn der auf geschätzten Besteuerungsgrundlagen beruhende Einkommensteuerbescheid vom 31.1.2001 ist wirksam und nicht etwa, wie die Kläger meinen, nichtig.

Nach § 125 Abs. 1 AO ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Danach kann die Nichtigkeit eines Schätzungsbescheids nur dann angenommen werden, wenn sich das Finanzamt nicht an den wahrscheinlichen Besteuerungsgrundlagen orientiert, sondern bewusst zum Nachteil des Steuerpflichtigen schätzt oder wenn das Schätzungsergebnis trotz der vorhandenen Möglichkeiten, den Sachverhalt aufzuklären, krass von den tatsächlichen Gegebenheiten abweicht und in keiner Weise erkennbar ist, dass überhaupt und ggf. welche Schätzungserwägungen angestellt wurden (BFH-Urteil vom 15.5.2002, X R 33/99, BFH/NV 2002, 1415).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist der Bescheid vom 31.1.2001 nicht nichtig. Die Schätzungserwägungen sind in der Akte dokumentiert und im Erläuterungsteil des Bescheides wiedergegeben worden. Anhaltspunkte für eine subjektiv willkürliche Schätzung ergeben sich weder aus dem Akteninhalt noch aus dem Schätzungsergebnis selbst. Hinsichtlich der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit liegt es mangels anderer Erkenntnisquellen auf der Hand, dass insoweit die Feststellungen der Lohnsteueraußenprüfung zugrunde gelegt worden sind. Der Senat hält es nicht nur für vertretbar, sondern geradezu für geboten, dass hierbei die Anrechnung von Lohnsteuerabzugsbeträgen unterblieben ist. Denn wegen der im Lohnsteuerermäßigungsverfahren angegebenen voraussichtlichen Verluste aus Vermietung und Verpachtung ist tatsächlich keine Lohnsteuer einbehalten und abgeführt worden. Es ist nicht Sinn des Schätzungsverfahrens, Besteuerungsgrundlagen oder - wie hier - abrechnungsrelevante Umstände, die das Finanzamt kennt, im Rahmen der Schätzung zu modifizieren. Nur soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie nämlich zu schätzen, § 162 Abs. 1 Satz 1 AO.

Ebensowenig führt das Ergebnis der Schätzung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zur Nichtigkeit des Bescheides. Die vom Finanzamt insoweit vorgetragene Erwägung, die Fördergebietsabschreibung sei nicht berücksichtigt worden, weil es zur Disposition der Kläger gestanden habe, diese erst im Folgejahr geltend zu machen, ist nicht zu beanstanden. Zwar halten die Kläger diesen Standpunkt für unvertretbar, weil bei der wenige Tage zuvor erfolgten Schätzung für 1999 die Fördergebietsabschreibung ebenfalls unberücksichtigt geblieben war; ob der unterbliebene Ansatz einer Abschreibung, deren Berücksichtigung die Ausübung eines Wahlrechts in einer noch abzugebenden Steuererklärung erfordert, überhaupt rechtsfehlerhaft ist, erscheint aber bereits isoliert betrachtet zweifelhaft. Im Streitfall kommt es hierauf jedoch nicht an. Denn die Beklagtenvertreterin hat in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, dass im Zeitpunkt der Schätzung der Veranlagungszeitraum 1997 rechtsbehelfsbefangen war, weshalb die Fördergebietsabschreibung auch für dieses Jahr noch hätte geltend gemacht werden können. Diese Ungewissheit rechtfertigt es nach Ansicht des Senats, hinsichtlich der Fördergebietsabschreibung die Ausübung des Wahlrechts nicht in bestimmter Weise zu unterstellen; keinesfalls aber führt diese Vorgehensweise zu einer als willkürlich zu bezeichnenden, krassen und schlechthin unvertretbaren Fehlerhaftigkeit der Schätzung. Im Übrigen würden selbst grobe Schätzungsfehler nur zur Rechtswidrigkeit der Schätzung führen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 30.8.2007, II B 90/06, BFH/NV 2008, 13). Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass sich offenbar nicht einmal dem Klägervertreter die nunmehr hinsichtlich der Vermietungseinkünfte behauptete grobe Fehlerhaftigkeit der Schätzung aufgedrängt hat. Anders ist nämlich nicht zu erklären, dass der gegen den Bescheid vom 23.1.2001 gerichtete Einspruch nur mit der Nichtanrechnung von Lohnsteuerabzugsbeträgen begründet worden ist.

Ebensowenig teilt der Senat die Ansicht der Kläger, das Finanzamt habe bei der Schätzung ihre wirtschaftliche Situation im Zeitpunkt der Schätzung berücksichtigen müssen. Die Festsetzung der Einkommensteuer richtet sich vielmehr allein danach, welche Besteuerungstatbestände in dem jeweiligen Veranlagungszeitraum erfüllt worden sind. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob und ggf. in welchem Umfang das Unvermögen, die festgesetzte Steuer bei Fälligkeit zu entrichten, Anlass zu Billigkeitsmaßnahmen gibt. Etwas anderes folgt auch nicht aus der - das Gericht nicht bindenden - Verwaltungsanweisung des Bayrischen Landesamtes für Steuern vom 10.9.200. Denn bei dem dort gegebenen Hinweis, eine Schätzung solle sich am unteren Rande des Schätzungsrahmens bewegen, sofern bereits vorhandene Rückstände in einem überschaubaren Zeitraum nicht beizutreiben seien, handelt es sich um eine rein verwaltungspraktische Erwägung. Diese lässt es lediglich zu, einen im Einzelfall von § 162 AO eröffneten Spielraum in bestimmter Weise auszunutzen. Ein bewusster Nichtansatz bekannter Besteuerungsgrundlagen kann damit nicht gemeint sein - eine derartige Verwaltungsanweisung würde gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstoßen.

Der angefochtene Bescheid war daher lediglich in aus dem Tenor ersichtlichen Umfang abzuändern.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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