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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 09.09.2004
Aktenzeichen: 12 K 3009/02G
Rechtsgebiete: GewStG, EStG


Vorschriften:

GewStG § 9 Nr. 2
EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

12 K 3009/02G

Tenor:

Die Gewerbesteuermessbescheide 1992 bis 1995 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06.05.2002 werden geändert und der Gewerbeertrag der Klägerin nach § 9 Nr. 2 Gewerbesteuergesetz für 1992 um 586.272,- DM, für 1993 um 744.386,- DM, für 1994 um 2.036.779,- DM und für 1995 um 1.296.449,- DM gekürzt.

Die Neuberechnung des Gewerbesteuermessbetrages wird jeweils dem Beklagten übertragen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

Die Beteiligten streiten um die rechtlichen Voraussetzungen einer Kürzung des Gewerbeertrags.

Gesellschaftszweck der Klägerin ist die Vermittlung von Beteiligungen und sonstigen Vermögensanlagen, insbesondere der Vertrieb von Beteiligungen an Schiffahrtsgesellschaften. In den Streitjahren 1992 bis 1995 vermittelte die Klägerin überwiegend Beteiligungen an Gesellschaften, an denen sie auch selbst beteiligt war. Die Provisionszahlungen für die Vermittlungsleistung der Klägerin erfolgten in diesen Fällen nicht unmittelbar durch die Gesellschaft, sondern im wesentlichen durch drei zwischengeschaltete Vertriebsgesellschaften, nämlich dem Büro "A", der "Q" sowie der "W". Die zugrundeliegenden rechtlichen Beziehungen sind in allen Fällen gleich gestaltet und werden von den Beteiligten anhand der Beteiligung MS "E" KG wie folgt exemplarisch dargestellt:

Die "W" war an der MS "E" KG (folgend: KG) mit einem Kommanditanteil von 500.000,- DM beteiligt. Nach dem Gesellschaftsvertrag der KG (Bl. 31 ff. GA) war die "W" berechtigt, Teile ihrer Einlage als Treuhänderin für Dritte zu halten. Des weiteren war sie nach dem Gesellschaftsvertrag verpflichtet, die Plazierung des erforderlichen Eigenkapitals einschließlich der dazugehörigen Werbe- und Vertriebsmaßnahmen durchzuführen. Ein nach seiner Präambel "zur Ausgestaltung der übernommenen Gesellschafterleistungen" abgeschlossener gesonderter Geschäftsbesorgungsvertrag (Bl. 51 ff. GA) regelte einen Vergütungsanspruch der "W" sowie ihre Berechtigung, die Geschäftsbesorgung in Teilbereichen auf Dritte zu übertragen. Auf der Grundlage des Vertrages über den Erwerb einer treuhänderisch gehaltenen Kommanditbeteiligen (Bl. 25 ff. GA) übernahm die Klägerin einen Teil-Gesellschaftsanteil der "W" i. H. v. nominell 50.000,- DM. Nach dem Wortlaut dieses Vertrages erkannte die Klägerin die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages der KG sowie des gesonderten Geschäftsbesorgungsvertrages als für sich verbindlich an. § 3 Abs. 3 des Vertrages regelt einen Vergütungsanspruch der Klägerin für Vertriebsleistungen sowie eine entsprechende Abtretung des der "W" gegen die KG zustehenden Vergütungsanspruchs. Die Abrechnungen der in der Folgezeit von der Klägerin erbrachten Vertriebsleistungen erfolgten jeweils über die "W" gegenüber der KG. Wegen der weiteren Einzelheiten werden die von der Klägerin als Anlagen zur Klageschrift vorgelegten Ablichtungen der Vertragsunterlagen in Bezug genommen.

Soweit die Klägerin in den Streitjahren Vermittlungsleistungen auf der Grundlage der vorbeschriebenen rechtlichen Gestaltung erbracht hat, nahm sie eine Kürzung des Gewerbeertrages nach § 9 Nr. 2 Gewerbesteuergesetz in der für die Streitjahre geltenden Fassung GewStG vor. Im Rahmen der vom Finanzamt für Großbetriebsprüfung "R" durchgeführten Außenprüfung gelangte die Prüferin zu der Auffassung, daß die Zahlungen nicht als Sondervergütungen i. S. d. 2. Alt. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz EStG zu qualifizieren, sondern dem originären Betrieb der Klägerin zuzurechnen seien und eine Kürzung des Gewerbeertrages nicht vorzunehmen sei. Auf den schriftlichen Bericht vom 05.11.1998 nebst Anlagen wird Bezug genommen. Der Beklagte änderte daraufhin die bisherigen Feststellungen des Gewerbesteuermeßbetrages entsprechend und hob den Vorbehalt der Nachprüfung jeweils auf. Die hiergegen erhobenen Einsprüche blieben erfolglos, auf die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 06.05.2002 wird verwiesen.

Mit der am 04.06.2002 beim Gericht eingegangenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie trägt vor, daß es sich bei den Provisionen um Sondervergütungen handele. Sie seien als solche bei der KG der Gewerbeertragsteuer unterworfen worden, eine nochmalige Versteuerung bei ihr der Klägerin komme nach der Vorschrift des § 9 Nr. 2 GewStG nicht in Betracht. Die Höhe der Beteiligung sowie der Umstand, daß die Beteiligung über die "W" treuhänderisch vermittelt werde, seien unbeachtlich. Ausschlaggebend sei vielmehr eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis. Dieses Merkmal müsse weit verstanden und stets dann bejaht werden, wenn wie vorliegend bereits der Gesellschaftsvertrag die Leistungspflicht konkret oder abstrakt umschreibe. Der gesonderte Geschäftsbesorgungsvertrag stelle insoweit nur eine Konkretisierung der durch § 8 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrages der KG begründeten Leistungspflicht der "W" dar. Diese Leistungspflicht habe sie die Klägerin durch Abschluß des Anteilserwerbs- und Treuhandvertrages als eigene Pflicht übernommen. An dieser Beurteilung ändere der Zahlungsweg nichts; denn die "W" habe lediglich eine Durchleitungs- und Kassenfunktion übernommen, die Abrechnung sei vertragsgemäß unmittelbar gegenüber der KG erfolgt.

Die Klägerin beantragt,

wie erkannt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt durch Verweis auf seine Einspruchsentscheidung vor, daß die Klägerin durch den Vertrieb der Beteiligungen ausschließlich ihren eigenen Gesellschaftszweck gefördert habe. Darauf deute insbesondere die Gesamtschau von geringer Beteiligungsquote, geringem Mitunternehmerrisiko sowie erstrebter Gewerbesteuerersparnis hin. Die Pflicht der Klägerin zur Erbringung der Vertriebsleistungen sei auch nicht auf den Gesellschaftsvertrag der KG, sondern auf schuldrechtliche Vereinbarungen mit der "W" zurückzuführen. Die Mitunternehmerstellung der Klägerin in der KG ändere daran nichts. Schließlich sei auf die Rechtsprechung zu § 17 a. F. EStG zu verweisen. Danach seien Rechtsbeziehungen zwischen Gesellschafter und Gesellschaft bei einer geringfügigen Beteiligung regelmäßig nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt.

Die Klage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.

Nach § 9 Nr. 2 GewStG ist der gewerbesteuerrechtlich relevante Gewinn der Klägerin in dem klageweise geltend gemachten und in der Höhe zwischen den Beteiligten unstreitigen Umfang zu kürzen; denn bei den verfahrensgegenständlichen Vermittlungsprovisionen handelt es sich jeweils um Anteile am Gewinn einer inländischen Personengesellschaft, bei der die Klägerin als Mitunternehmerin des Gewerbebetriebs anzusehen ist.

Der Senat geht mit den Beteiligten davon aus, daß die anhand der MS "E" KG exemplarisch dargestellte Vertragsgestaltung sämtlichen hier in Rede stehenden Beteiligungen zugrundeliegt. Diese vertraglichen Verbindungen begründen jeweils die Mitunternehmerstellung der Klägerin; denn sie hat ihre Gesellschaftsanteile entgeltlich erworben und ihre Stellung nach den Gesellschaftsverträgen sowie der tatsächlichen Handhabung bleibt nicht wesentlich hinter dem zurück, was handelsrechtlich das Bild des Kommanditisten bestimmt (vgl. z. B. Bundesfinanzhof BFH v. 24.01.1980 IV R 156-157/78 BStBl 1980 II 271 m. w. N.; zu treuhänderisch gehaltenen Beteiligungen BFH v. 06.07.1995 IV R 79/94 BStBl 1996 II 269). Diese Rechtsfolge wird offensichtlich vom Beklagten nicht in Frage gestellt.

Nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 (2. Alt.) EStG sind Vergütungen, die der Gesellschafter von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft oder für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern bezogen hat, Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Die von der Klägerin für die Vermittlung der Gesellschaftsanteile bezogenen Provisionen sind Vergütungen i. S. der Vorschrift.

Die Regelung bezweckt die Gleichstellung der Mitunternehmer einer Personengesellschaft mit einem Einzelunternehmer und macht das Besteuerungsergebnis unabhängig davon, ob die Leistungen eines Gesellschafters durch Gewinn vorab oder besonderes Entgelt vergütet werden (vgl. Schmidt, EStG, § 15 Rz. 561 m. w. N.). Dementsprechend ist es für die Annahme einer Sondervergütung grundsätzlich unbeachtlich, in welcher Höhe der Mitunternehmer an der Mitunternehmerschaft beteiligt ist. Lediglich Vergütungen für Leistungen, bei denen ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Leistung und der Mitunternehmerschaft ausgeschlossen erscheint, diese also nur zufällig zusammentreffen, fallen nicht in den Anwendungsbereich des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG (vgl. z. B. BFH v. 24.01.1980 IV R 156-157/78, a. a. O. und v. 01.02.2001, IV R 3/00 BStBl 2001 II 520). Im Streitfall traf die Vermittlung der Gesellschaftsanteile nicht zufällig mit einer Mitunternehmerstellung der Klägerin zusammen, sondern war im vorhinein vertraglich vereinbart.

Der Umstand, daß der eigene Geschäftszweck der Klägerin die Vermittlung von Beteiligungen umfaßt, ändert an dem Ergebnis nichts. § 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 (2. Alt.) EStG hat, wenn der Gesellschafter - wie im Streitfall die Klägerin - seine Leistungen im Rahmen seines eigenen Gewerbebetriebs erbringt, Vorrang vor einer Zuweisung der Vergütung zu den Betriebseinnahmen des eigenen Gewerbebetriebs des Gesellschafters (vgl. BFH-Urteil v. 22.11.1994 VIII R 63/93 BStBl 1996 93 und v. 28.10.1999 VIII R 41/98 BStBl 2000 II 339, Schmidt, EStG, § 15 Rz. 568 m. w. N.).

Der pauschale Hinweis des Beklagten auf die Rechtsprechung des BFH zu § 17 EStG a. F. ist für das Gericht nicht nachvollziehbar. Die Vorschrift regelt vollkommen andere Lebenssachverhalte, eine Relevanz der vom BFH hierzu entwickelten Grundsätze für den vorliegenden Fall ist weder vorgetragen noch erkennbar.

Die Übertragung der Neuberechnung der jeweiligen Gewerbesteuermessbeträge beruht auf § 100 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung -FGO, die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.



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