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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 12.02.2008
Aktenzeichen: 13 K 2370/07 L,H(L)
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 3
EStG § 9 Abs. 1
EStG § 40 Abs. 3
EStG § 42d Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

Die Beteiligten streiten über die Beurteilung einer regelmäßigen Tätigkeitsstätte nach Ablauf von drei Monaten.

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin sind Dienstleistungen in der elektronischen Daten- und Informationsverarbeitung.

Die Arbeitnehmer der Klägerin, die jeweils auch einen Arbeitsplatz in den Räumen der Klägerin haben, werden im wesentlichen projektbezogen in den Räumlichkeiten der Kunden der Klägerin tätig.

Anstellungsverträge der Arbeitnehmer der Klägerin (vgl. auch Vertrag vom 30.08.2004 zwischen der Klägerin und "A") regeln u. a. (vgl. auch Vortrag des Beklagten) in § 1:

......."Der Angestellte erbringt seine Leistung dabei vorwiegend in den Räumlichkeiten des Kunden der Firma, für den er projektbezogen tätig ist, aber auch in den Räumlichkeiten der Firma."

Auf Grund einer bei der Klägerin durchgeführten Lohnsteueraußenprüfung kam der Prüfer in seinem Bericht vom 31.01.2007 (Prüfungsbericht) u. a. zu folgendem Ergebnis:

Für Fahrten zwischen Wohnort und Einsatzort sei Arbeitnehmern der Klägerin unentgeltlich ein Pkw zur Verfügung gestellt worden. Für die Zeit nach Ablauf von drei Monaten an derselben Tätigkeitsstätte seien die Voraussetzungen für die Anerkennung der Fahrten zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte als Dienstreise nicht mehr erfüllt. Die Fahrten zwischen Wohnung und Tätigkeitsstätte seien nach Ablauf von drei Monaten steuerlich wie Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte zu behandeln (vgl. R 37 Abs. 3 Satz 3 der Lohnsteuerrichtlinien - LStR - 2004).

Diesen Grundsätzen folgend hat der Prüfer den geldwerten Vorteil, der aus der unentgeltlichen Überlassung der Pkw für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte resultierte, ermittelt und als steuerpflichtigen Arbeitslohn der Einkommensteuer unterworfen.

Für den Prüfungszeitraum 2004 bis 2006 ergab sich bei einem nachzuversteuernden Arbeitslohn von insgesamt 32.706,32 Euro eine per Arbeitgeberhaftung einzufordernde Lohnsteuer von 11.093,-- Euro, ein Solidaritätszuschlag von 610,11 Euro und eine ev. Krchensteuer von 75,15 Euro.

Ferner stellte der Prüfer fest, dass für verschiedene Arbeitnehmer Fahrtkostenersatz pauschal mit 15 v. H. versteuert worden sei, dies allerdings zum Teil für jeden gefahrenen Kilometer und über drei Monate hinaus. Dies ergab laut Prüfer für die Streitjahre 2004 bis 2006 außerdem vom Arbeitgeber u. a. nachzufordernde Lohnsteuer i. H. v. 3.358,15 Euro sowie Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer.

Auf den Inhalt des Prüfungsberichts vom 31.01.2007 wird Bezug genommen.

Hierauf erging gegen die Klägerin am 02.03.2007 sowohl ein entsprechender Lohnsteuer- Haftungs- sowie auch Nachforderungsbescheid, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.

Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein und vertrat die Auffassung, das eine auswärtige Tätigkeitsstätte bei einem Kunden nicht zur regelmäßigen Arbeitsstätte werde, so dass weiterhin steuerfreie Reisekostenersatz (§ 3 Nr. 16 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) möglich sei.

Der Einspruch blieb erfolglos.

Auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung vom 15.06.2007 wird Bezug genommen.

Mit ihrer Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor:

Für die Annahme, eine längerfristige Dienstreise finde mit Ablauf der Drei- Monats- Frist ihr Ende, selbst wenn es sich um eine Auswärtstätigkeit handele, sei kein sachlicher Grund ersichtlich. Im Gegenteil wäre dadurch die Dienstreise im Vergleich zu Einsatzwechseltätigkeit deutlich schlechter gestellt. Gemessen an den eindeutigen Vorgaben des Bundesfinanzhofs - BFH - würden die betrieblichen Einrichtungen des Kunden nicht zu der regelmäßigen Arbeitsstätte, weil ein Kunde nicht als Arbeitgeber angesehen werden könne. Das Aufsuchen des Kunden stelle sich regelmäßig als Auswertungstätigkeit dar, mit der Folge des steuerfreien Reisekostenersatzes nach Maßgabe von § 3 Nr. 16 EStG durch den Arbeitgeber. Im Fall der Klägerin habe der Prüfer durch Inaugenscheinnahme der Betriebsräume auf der "B"straße in "C" sehen können, dass jedem Mitarbeiter im Unternehmen ein Arbeitsplatz zur Verfügung stehe. Einsatz- und Strategiebesprechung, Arbeitsplanung und Arbeitsvorbereitung würden in diesen Räumen getätigt. Die EDV- Dienstleistung könne aber in der Regel nur an den Rechnersystemen des Auftraggebers vor Ort erledigt werden. Anzumerken sei auch die Reisekostenerstattungspraxis der Finanzverwaltung, in dem Großbetriebsprüfer und Konzernbetriebsprüfer einen Anspruch auf vollen Reisekostenersatz hätten, auch wenn der Prüfungszeitraum drei Monate bei weitem überschreite. Im Zuge der gebotenen Gleichbehandlung aller Formen von Auswärtstätigkeiten könne daher nur gelten: Die Dienstreise dauere solange, wie sie als vorübergehende Auswärtstätigkeit dauere.

Auf den Inhalt des Schreibens der Klägerin vom 25.06.2007 wird Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

den Lohnsteuerhaftungs- und Nachforderungsbescheid vom 02.03.2007 in Form der Einspruchsentscheidung vom 15.06.2007 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt im Wesentlichen vor, dass es sich nach Ablauf der ersten drei Monate bei den Tätigkeitsstätten der Arbeitnehmer beim Kunden um regelmäßige Arbeitsstätten gehandelt habe, so dass Dienstreisegrundsätze nicht eingriffen.

Er verweist im Übrigen auf den Inhalt seiner Einspruchsentscheidung vom 15.06.2007.

Auf das Schreiben des Beklagten vom 10.07.2007 wird Bezug genommen.

Die Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Lohnsteuerhaftungsbescheid sowie der Lohnsteuernachforderungsbescheid vom 02.03.2007 sind nicht zu beanstanden. Sie sind rechtmäßig.

Der Beklagte hat sowohl die Nachforderung der Lohnsteuer (§ 40 Abs. 3 EStG) als auch die Lohnsteuerhaftungsbeträge (§ 42 d Abs. 1 Nr. 1 EStG) dem Grunde und der Höhe nach zutreffend angesetzt.

Entgegen der Auffassung der Klägerin waren hierfür die in Frage kommenden Zeiträume (2004 bis 2006) für die - nach Ablauf eines Dreimonats- Zeitraums vom Prüfer beanstandeten - Fahrtkosten - der im Prüfungsbericht benannten Arbeitnehmer nicht weiter Dienstreisegrundsätze (§ 3 Nr. 16 EStG) anzuwenden. Vielmehr hat der Beklagte die Fahrten der Arbeitnehmer zu ihren in aller Regel langfristigen Projekten bei Kunden ihres Arbeitgebers zutreffend nach den Grundsätzen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte behandelt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG).

Arbeitsstätte im Sinne der vorgenannten Vorschrift ist hierbei nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. BFH- Urteil vom 11.05.2005, VI R 25/04, Bundessteuerblatt - BStBl. - II 2005, 791), der sich der Senat anschließt, (nur) die regelmäßige Arbeitsstätte. Dies ist der (ortsgebundene) Mittelpunkt der dauerhaft angelegten Tätigkeit des Arbeitnehmers. Regelmäßige Arbeitsstätte im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ist der Ort, an dem der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung zu erbringen hat; dies ist im Regelfall der Betrieb oder eine Betriebsstätte des Arbeitgebers oder aber auch eine außerbetriebliche Einrichtung (z. B. beim Kunden). Demgegenüber ist es nicht von Belang, in welchem zeitlichen Umfang der Arbeitnehmer an der regelmäßigen Arbeitsstätte beruflich tätig wird (vgl. BFH- Urteil vom 02.02.1994 VI R 109/89, BStBl. II 1994, 422).

Eine zu Reisekosten führende Dienstreise liegt hingegen dann vor, wenn der Arbeitnehmer Dienste an verschiedenen Tätigkeitsstätten erbringt und die regelmäßige Arbeitsstätte unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles gegenüber der vorübergehenden Auswärtstätigkeit als dauerhafter Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit erscheint.

Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, dass bei einer längerfristigen vorübergehenden Auswärtstätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte nach Ablauf der ersten drei Monate keine Dienstreise mehr anzuerkennen und fort an die auswärtige Tätigkeitsstätte als regelmäßige Arbeitsstätte anzusehen sei (sog. Dreimonatsregelung - vgl. R 37 Abs. 3 Satz 3 LStR 2006).

Der BFH hat die Dreimonatsregelung u. a. in seinen Urteilen vom 18.05.1990 VI R 180/88 (BStBl. II 1990, 863) und vom 19.07.1996 VI R 38/93 (BStBl. II 1997, 95) seinerzeit im Grundsatz bestätigt. Er hat sich dabei von der Vorstellung leiten lassen, dass die Tätigkeit am auswärtigen Einsatzort eine solche zeitliche Nachhaltigkeit erreichen kann, dass dieser Einsatzort zur (weiteren) regelmäßigen Arbeitsstätte im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG erstarkt. Dies kann etwa der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer zu einem länger als drei Monate dauernden auswärtigen Lehrgang abgeordnet worden ist und während der Teilnahme an dieser Fortbildung gar nicht oder nur tage- oder wochenweise Dienst an seiner dauerhaften regelmäßigen Arbeitsstätte verrichtet (vgl. BFH- Urteil vom 18.05.2004, VI R 70/98, BStBl. II 2004, 962).

Von dieser von ihm selbst bislang gebilligten Dreimonatsregelung der Verwaltung ist der BFH nunmehr abgewichen (vgl. Schmidt, EStG, Komm., 26. Aufl., § 9 Anm. 116, § 19 Anm. 60 - Reisekosten -). Eine Dienstreise scheidet nach seiner Auffassung unabhängig von der Dauer der auswärtigen Tätigkeit dann aus, wenn die weitere Tätigkeitsstätte die Voraussetzungen einer weiteren regelmäßigen Arbeitsstätte erfüllt. Das ist jeweils im Einzelfall festzustellen und nicht, wie die LStR dies vorgeben, typischerweise nach Ablauf von drei Monaten zu unterstellen. Die neue Rechtsprechung betrifft nicht nur Fälle, in denen der Steuerpflichtige lediglich tage- oder stundenweise auswärts und im Übrigen in der regelmäßigen Arbeitsstätte tätig ist. Sie findet grundsätzlich auch im Fall einer längerfristigen Auswärtstätigkeit bei nur gelegentlicher Rückkehr zur bisherigen Arbeitsstätte Anwendung.

Voraussetzung für die Begründung einer weiteren regelmäßigen Arbeitsstätte ist jedoch, dass die auswärtige Tätigkeit sich bei wertender Betrachtung im Vergleich zur Arbeit an der (bisherigen) regelmäßigen Tätigkeitsstätte nicht als untergeordnet, sondern zumindest gleichgeordnet darstellt. Anhaltspunkte dafür, ob ein Verhältnis der Gleichordnung von mehreren Tätigkeitsstätten vorliegt, können sich etwa aus der Dauer und dem Gewicht der jeweiligen Tätigkeiten, der ständigen Rückkehr zur regelmäßigen Arbeitsstätte und aus der Verkehrsanschauung ergeben (so BFH- Urteil VI R 70/98, a. a. O.).

Nach dieser Rechtsprechung sind gleichgeordnet in diesem Sinne z. B. mehrere einem Arbeitnehmer zur Leitung zugewiesene Filialbetriebe oder Beratungsstellen oder zwei von einem Geschäftsführer regelmäßig an bestimmten Wochentagen aufgesuchte technischen Betriebsstätten einer GmbH (vgl. BFH- Urteil VI R 70/98, a. a. O.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen sind hier im Falle der Klägerin die Voraussetzungen für die Annahme einer weiteren Arbeitsstätte der im Prüfungsbericht benannten Arbeitnehmer bei den langfristig aufgesuchten Projekten (Kunden) gegeben.

Im Vergleich zu dem nur gelegentlich aufgesuchten - aber nach wie vor vorhandenen - Arbeitsplatz bei der Klägerin, waren die Tätigkeiten bei den im Rahmen längerfristiger Projekte nachhaltig aufgesuchten Kunden nicht der Arbeit am Arbeitsplatz der Klägerin untergeordnet, sondern zumindest gleichgeordnet.

Auch wenn die Arbeitsvorbereitung und Arbeitsnachbereitung am eigentlichen Arbeitsplatz in der Firma der Klägerin erfolgt ist, so ist doch der wesentliche Teil der Arbeit, nämlich die EDV- Dienstleistung beim Kunde, an dessen Rechnersystem vor Ort erfolgt. Die Installation bzw. die Überwachung derselben und die Einrichtung, Änderung und Erprobung der Software vor Ort, die Bereinigung von Fehlfunktionen und auch evtl. die zeitaufwändige Schulung und Einarbeitung der Arbeitnehmer der Auftraggeber sind wesentliche Punkte der Einführung und des Erfolgs einer Software.

Auch liegen die Arbeitszeiten im betrieblichen Büro - wie die Klägerin selbst angibt - weit unter den Arbeitszeiten der Arbeitnehmer bei den einzelnen Kunden (Projekten). Auch dies deutet darauf hin, dass die Bedeutung der Arbeit beim Kunden gegenüber der Arbeit im betrieblichen Büro zumindest gleichwertig und gleichgeordnet war.

Die theoretischen Vorarbeiten der Arbeitnehmer im Büro der Klägerin waren somit allenfalls gleichrangig.

Der Umstand, dass die weitere regelmäßige Arbeitsstätte der Arbeitnehmer der Klägerin hier beim einzelnen Kunden lag, steht dem vorliegendem Ergebnis nicht entgegen.

Der Betrieb der Kunden kann sehr wohl zur regelmäßigen Arbeitsstätte eines Arbeitsnehmers werden, wenn - wie hier - die Tätigkeit längerfristig also für eine gewisse, mitunter (vorher) unbestimmte Dauer angelegt ist.

Der Höhe nach sind die Haftungs- und Nachforderungsbeträge nicht zu beanstanden. Weder hat die Klägerin diesbezügliche Fehler gerügt, noch sind solche hier erkennbar.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung.

Ende der Entscheidung

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