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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 14.05.2009
Aktenzeichen: 13 V 757/09 A (E)
Rechtsgebiete: EStG, AO


Vorschriften:

EStG § 19 Abs. 1
EStG § 40b Abs. 2
AO § 130
AO § 131
AO § 173 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Vollziehung des Einkommensteueränderungsbescheids zur Einkommensteuer 2006 vom 12. Dezember 2008 wird bis zum Abschluss einer die Instanz abschließenden Entscheidung des Gerichts im Verfahren 13 K 756/09 E aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe:

I. Die Antragstellerin war im Streitjahr 2006 ebenso wie in den Vorjahren bei der "A" GmbH nichtselbständig beschäftigt. Sie wurde mit Bescheid vom 21. Mai 2005 mit ihrem Ehemann zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Unter dem 14. November 2008 übersandte das Finanzamt "B", Zentrale Außenprüfungsstelle - ZALST -, dem Beklagten eine Prüfungsmitteilung. Darin führte die ZALST aus, dass im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung bei der GmbH und deren Tochtergesellschaften festgestellt worden sei, dass der Arbeitgeber im Rahmen der laufenden Lohnabrechnung im September 2006 den steuerpflichtigen Bruttoarbeitslohn um einen Betrag in Höhe von 1.263,77 Euro gemindert habe, weil er davon ausgegangen sei, dass in dieser Höhe negativer Arbeitslohn vorliege. Dies sei - so die ZALST - nicht der Fall. Vielmehr handele es sich bei diesem Betrag um die Summe der in den Jahren 2001 bis 2005 individuell versteuerten Nachteilsausgleichszahlungen an die Rheinische Zusatzversorgungskasse Köln. Die ZALST wies darauf hin, dass der Arbeitgeber im vorliegenden Fall nicht als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden könne. Deshalb sei die zu wenig einbehaltene Steuer für 2006 beim Arbeitnehmer als Steuerschuldner nachzuerheben. Dies ZALST bat, den bislang bescheinigten Brutto-Arbeitslohn um 1.253,77 Euro zu erhöhen und die Nachversteuerung durchzuführen.

Dem entsprach der Beklagte und erließ unter dem 12. Dezember 2008 einen geänderten Einkommensteuerbescheid 2006, der infolge der Erhöhung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu einer Steuernachforderung von insgesamt 444,52 Euro führte.

Dagegen legten die Antragsteller am 30. Dezember 2008 Einspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, der Arbeitgeber habe den Arbeitslohn berechtigt um negative Einkünfte gekürzt. Ursache sei gewesen, dass in den Jahre 2001 bis 2005 ein vom Arbeitgeber wegen eines Wechsels der Zusatzversorgungskasse gezahlter Nachteilsausgleich als Vergütungsbestandteil behandelt worden sei, obwohl den betroffenen Arbeitnehmern in keiner Weise ein Vorteil zugeflossen sei. Nach Klarstellung der Rechtslage seien im Jahr 2006 zur Korrektur negative Einkünfte angesetzt worden. Dies wiederum beruhe auf einer verbindlichen Anrufungsauskunft des Finanzamts "C", der zu Folge der Arbeitgeber nach materiellem Recht zum Ansatz der negativen Einkünfte berechtigt gewesen sei und dieser Ansatz verfahrensmäßig durch Kürzung der abzuführenden Lohnsteuerbeträge habe erfolgen können. Zugleich beantragten die Antragsteller die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids.

Mit Einspruchsentscheidung vom 27. Januar 2009 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück und lehnte zugleich den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab.

Zur Begründung führte der Antragsgegner u.a. aus:

Die "A" befinde sich zu 50 % in öffentlicher Trägerschaft (Stadt Düsseldorf) und wende daher die Tarife des öffentlichen Dienstes (BAT / BMT-G) an. Damit sei für die Beschäftigten ein tariflicher Anspruch auf eine zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung begründet worden, der bis zum 31. Dezember 2000 durch die Zusatzversorgungskasse der Stadt Düsseldorf- ZVK Düsseldorf- sichergestellt worden sei. Aufgrund einer Vereinbarung vom 7. Dezember 2000 bzw. 10. Januar 2001 zwischen der Landeshauptstadt Düsseldorf als Trägerin der (ehemaligen) ZVK Düsseldorf und der Rheinischen Versorgungskasse für Gemeinden und Gemeindeverbände, Köln, als Trägerin der Rheinischen Zusatzversorgungskasse - RZVK Köln - habe die RZVK Köln zum 1. Januar 2001, 00.00 Uhr (Stichtag) die ZVK Düsseldorf mit deren Mitglieder-, Versicherten-, Rentner- bzw. Hinterbliebenen- sowie Vermögensbestand einschließlich etwaiger bestehender Verbindlichkeiten übernommen. Damit sei die "A" - ebenso wie die 32 anderen bisherigen Mitglieder der ZVK Düsseldorf - ab dem 1. Januar 2001 Mitglied der RZVK Köln.

Zum Ausgleich der mit der Übernahme der ZVK Düsseldorf für die RZVK Köln verbundenen wirtschaftlichen Nachteile (d. h. zum Ausgleich des versicherungsmathematisch ermittelten Mindervermögens der übernommenen ZVK Düsseldorf) habe jedes Mitglied der ehemaligen ZVK Düsseldorf einen so genannten Nachteilsausgleich an die RZVK Köln gezahlt, der in den Jahren 2001 bis 2015 über den jeweils geltenden Umlagesatz nach § 62 Abs. 1 der RZVK-Satzung hinausgehe. Der für die "A" vereinbarte Betrag sei in der Weise gestundet worden, dass unter Berücksichtigung eines Stundungszinses von 5,294 % auf die Dauer von 15 Jahren - beginnend mit dem 31. Januar 2001 - gleich bleibende monatliche Raten (Nachteilsausgleich incl. Zinsen) zu zahlen waren. Die Ansprüche der Beschäftigten der "A"- sowohl der versicherten Arbeitnehmer als auch der Bezieher laufender Renten - änderten sich auf Grund der Übernahme der ZVK Düsseldorf durch die RZVK Köln nach Art und Höhe nicht.

Im Ergebnis hatte - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - die "A" nach diesen Vereinbarungen für die betriebliche Altersversorgung ihrer Beschäftigten monatlich Zahlungen in Höhe von 6,65 % (4,25 % regulärer Umlagesatz nach § 62 Abs. 1 der RZVK-Satzung zuzüglich 2,4 % als individuell festgelegter Prozentsatz zur Erreichung und Zuordnung der Nachteilsausgleichszahlung einschl. Zinsen) an die RZVK Köln zu leisten mit der Maßgabe des jährlichen Differenzausgleichs der auf das jeweilige Kalenderjahr entfallenden geschuldeten Zahlungen.

Der Antragsgegner führte weiter aus, auf Grund eines Antrags vom 17. November 2000 (mit Ergänzung vom 29. Dezember 2000) der damaligen steuerlichen Vertreterin der 33 Mitglieder der ehemaligen ZVK Düsseldorf auf Auskunft mit Bindungswirkung nach Treu und Glauben (verbindliche Auskunft) im Sinne des BMF-Schreibens vom 24. Juni 1987 (Bundessteuerblatt Teil I - BStBl I - 1987, 474) in der Fassung der Änderung durch das BMF-Schreiben vom 21. Februar 1990 (BStBl I 1990, 146) hätten die 33 Mitglieder der ehemaligen ZVK Düsseldorf (einschließlich der "A") durch das Finanzamt "B" die begehrte Auskunft erhalten, dass bei dem vorgetragenen Sachverhalt die vereinbarten Nachteilsausgleichszahlungen (wörtlich: "Zusatzbeiträge") erst im Zeitpunkt der Zahlung an die RZVK Köln lohnsteuerlich zu erfassen seien und in dem durch § 40 b Abs. 2 Satz 1 EStG vorgegebenen Rahmen von (damals) 3.408,00 DM jährlich (bezogen auf die Summe aus laufendem Beitrag und Zusatzbeitrag) mit 20 v.H. pauschaliert werden dürften. Auf Grund einer weiteren Eingabe der 33 Mitglieder der ehemaligen ZVK Düsseldorf vom 26. Juni 2002 vertrat das Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen die Rechtsauffassung, dass es sich bei dem Nachteilsausgleich nicht um ein steuerfreies Sanierungsgeld, sondern um eine nachgeholte Umlagezahlung handele, die grundsätzlich als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu behandeln sei. Damit sei es zugleich bei der oben angegebenen verbindlichen Auskunft des Finanzamts "B" verblieben und die Nachteilsausgleichszahlungen (auch) von der "A" wie eine erhöhte Umlage behandelt worden. Sofern die Pauschalierungsgrenze mit der normalen Umlage (4,25 %) nicht ausgeschöpft war, sei der Nachteilsausgleich dann bis zur Höhe der für das jeweilige Kalenderjahr gültigen Pauschalierungsgrenze (§ 40 b EStG) pauschal lohnversteuert worden. Der übersteigende Betrag sei bei den einzelnen Mitarbeitern der "A" individuell versteuert worden.

Der Antragsgegner trägt weiter vor, nachdem der Bundesfinanzhof - BFH - mit Urteil vom 14. September 2005 (VI R 148/98, BStBl II 2006, 532) entschieden habe, dass den Arbeitnehmern kein Arbeitslohn im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zufließt, wenn der Arbeitgeber beim Wechsel zu einer anderen umlagefinanzierten Zusatzversorgungskasse Sonderzahlungen leistet, habe die "A" beabsichtigt, eine entsprechende Stornierung der zu Unrecht versteuerten Nachteilsausgleichszahlungen für die Jahre 2002 bis 2005 bei den Beschäftigten vorzunehmen, die sich noch in einem Beschäftigungsverhältnis befanden und auch von ihr in diesen Zeiträumen Arbeitsentgelte bezogen und Steuern für die Nachteilsausgleichszahlungen entrichtet hatten. Auf eine Rückforderung für das Jahr 2001 habe die "A" (mit Blick auf die Euro-Umstellung) wegen programmtechnischer Schwierigkeiten verzichtet. Deshalb habe die "A" mit Schreiben vom 6. Dezember 2005 (ergänzt durch Schreiben vom 17. Februar 2006) bei ihrem Betriebsstättenfinanzamt "C" eine Anrufungsauskunft gemäß § 42 e EStG dahingehend beantragt, die versteuerten Nachteilsausgleichszahlungen der Jahre 2002 bis 2005 im Kalenderjahr 2006 als negativen Arbeitslohn beim laufenden Lohnsteuerabzug berücksichtigen zu dürfen.

Mit Anrufungsauskunft vom 29. Juni 2006 habe das Finanzamt "C" der von der "A" beantragten Vorgehensweise (Berücksichtigung der Nachteilsausgleichszahlungen für 2002 bis 2005 als negativer Arbeitslohn im - damals - laufenden Kalenderjahr 2006) grundsätzlich zugestimmt. Nachdem dieser Sachverhalt dem für die Lohnsteuer zuständigen Referat der Oberfinanzdirektion Rheinland bekannt geworden sei, habe diese das Finanzamt "B" veranlasst, seine vorgenannte Anrufungsauskunft zu widerrufen. Daraufhin habe das Finanzamt "B" mit Schreiben vom 20. September 2006 an die "A" seine Anrufungsauskunft vom 29. Juni 2006 widerrufen. Zu diesem Zeitpunkt habe aber die "A" bei der Lohnabrechnung für den Monat September 2006 entsprechend der Anrufungsauskunft vom 29. Juni 2006 die Nachteilsausgleichszahlungen der Jahre 2002 bis 2005 (und nach den späteren Feststellungen der Zentralen Außenprüfung Lohnsteuer (ZALST) des Finanzamts "B" darüber hinaus auch für das Jahr 2001) bereits als negativen Arbeitslohn berücksichtigt und die Lohnsteueranmeldung für September 2006 schon am 21. September 2006 dem Finanzamt "C" übermittelt. Der mit Wirkung für die Zukunft erfolgte Widerruf der Anrufungsauskunft sei daher von der "A" nicht mehr berücksichtigt worden.

Im Rahmen einer am 17. September 2007 begonnenen Lohnsteueraußenprüfung durch die ZALST des Finanzamts "B" (Grundlage: Prüfungsanordnungen vom 2. Juli 2007) habe der Prüfer festgestellt, dass die "A" entsprechend der ursprünglichen (unzutreffenden) Anrufungsauskunft vom 29. Juni 2006 verfahren war und dass negativer Arbeitslohn mangels eines tatsächlichen Abflusses (§ 11 Abs. 2 EStG) im Kalenderjahr 2006 nicht gegeben sein konnte.

Da eine Haftungsinanspruchnahme der "A" nicht mehr möglich gewesen sei, sei es in jedem Einzelfall der betroffenen Arbeitnehmer zu der Prüfungsmitteilung gekommen, die dann auch im Fall der Antragstellerin zu dem Erlass des geänderten Steuerbescheids geführt habe. Grundlage der Änderung sei § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung - AO - gewesen, da dem zuständigen Veranlagungssachbearbeiter der Sachverhalt bis zum Eingang der Prüfungsmitteilung nicht bekannt gewesen sei.

Ergänzend weist der Antragsgegner darauf hin, dass eine Klage der "A" gegen Widerruf der Anrufungsauskunft beim FG Düsseldorf (Urt. vom 26. November 2008, 4 K 4895/07) AO erfolglos geblieben sei und über eine gegen die Entscheidung des FG Düsseldorf eingelegte Revision durch den BFH noch nicht entschieden sei (Az. des BFH VI R 3/09).

Der Antragsgegner vertritt die Ansicht, dass die Voraussetzungen für eine Änderung der Steuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO erfüllt seien. Ihm - dem Antragsgegner - sei erst durch die Prüfungsmitteilung vom 14. November 2008 bekannt geworden, dass der Arbeitgeber in der Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2006 den Bruttoarbeitslohn zu niedrig angegeben hatte. Dies sei für den Veranlagungssachbearbeiter bei der Durchführung der erstmaligen Einkommensteuerveranlagung noch nicht erkennbar gewesen, und zwar weder aus den in sich schlüssigen Angaben der Lohnsteuerbescheinigung noch aus den Angaben in der Steuererklärung. Angesichts der eindeutigen und schlüssigen Angaben habe auch keine Veranlassung bestanden, weitere Ermittlungen anzustellen. Die unzutreffende Angabe des Bruttolohns führe auch zu einer höheren Steuer, da der Antragstellerin insoweit steuerpflichtiger Arbeitslohn zugeflossen sei, der unversteuert geblieben sei. Entgegen der Annahme der Antragstellerin liege im Streitjahr 2006 weder ein Abfluss von früher versteuerten Einnahmen in Gestalt negativer Einnahmen noch Werbungskosten vor. Negative Einnahmen seien z.B. dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer sein Bezugsrecht aus einer Direktversicherung ganz oder teilweise ersatzlos verliere. Daran fehle es schon deshalb, weil sich die Ansprüche der Antragstellerin nicht verändert hätten. Die Antragstellerin habe auch keine Einnahmen zurückgezahlt, die sie in einem früheren Veranlagungszeitraum zu viel erhalten und versteuert habe. Der Nachteilsausgleich sei vielmehr ohne Inanspruchnahme der Antragstellerin allein zwischen den Zusatzversorgungskassen erfolgt. Die Antragstellerin könne die im Jahr 2006 als negative Arbeitslöhne berücksichtigten Beträge auch nicht als Werbungskosten in Ansatz bringen. Dem stehe schon entgegen, dass es im Streitjahr an einer Vermögensminderung fehle. Die Antragstellerin habe weder einen Verlust an Vorsorgeanwartschaften hinnehmen müssen, noch habe sie andere Aufwendungen gehabt, die zu einer Vermögensminderung geführt hätten.

Die Antragstellerin könne sich auch nicht darauf berufen, dass sie den ausgezahlten Nettoarbeitslohn für den Monat September 2006 bereits verbraucht habe und sie daher entreichert sei. Auf § 818 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - könne sich die Antragstellerin schon deshalb nicht berufen, weil die Vorschrift im Bereich eines öffentlich-rechtlichen Erstattungs- bzw. Rückforderungsanspruchs nach § 37 Abs. 2 AO nicht anwendbar sei. Aus der Vorschrift ergebe sich auch kein allgemeiner Rechtsgedanke, der bei einer Rückforderung zu Unrecht erstatteter Steuern auf der Grundlage von § 37 Abs. 2 AO zu berücksichtigen wäre. Vielmehr könne der Empfänger einer Geldleistung des Finanzamts nur dann darauf vertrauen, dass er diese nicht zurückerstatten muss und er sie ungeachtet der Rechtmäßigkeit der Leistung behalten darf, wenn ihn ungeschriebene Rechtsgrundsätze wie Treu und Glauben und der Grundsatz des Vertrauensschutzes vor einer Rückforderung bewahrten. An einem solchen Vertrauenstatbestand fehle es aber. Insbesondere habe die der "A" erteilte Anrufungsauskunft keinen vertrauensschutzbegründenden Tatbestand geschaffen. Dies gelte schon deshalb, weil eine dem Arbeitgeber erteilte Anrufungsauskunft keine Bindungswirkung für die Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers entfalte. Im Übrigen sei die Anrufungsauskunft bereits mit Schreiben des Finanzamts "C" vom 29. Juni 2006 widerrufen worden, also zu einem Zeitpunkt, an dem die Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum 2006 noch nicht einmal entstanden gewesen sei. Allein dies schließe einen Vertrauensschutz grundsätzlich aus.

Insgesamt stehe damit die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Nachforderungsbescheides außer Zweifel, so dass eine Aussetzung der Vollziehung schon wegen mangelnder Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs nicht in Frage komme. Denn insoweit fehle es an den für eine Aussetzung der Vollziehung erforderlichen ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung. Auch eine unbillige Härte sei nicht erkennbar, da eine Vollstreckung des Nachforderungsbetrages kaum die Gefahr einer wirtschaftlichen Existenzvernichtung für die Antragstellerin und ihrem Ehemann ergeben dürfte. Schließlich läge eine Aussetzung der Vollziehung auch nicht im Interesse der Antragstellerin, da bei einer Aussetzung der Vollziehung und einem letztlich erfolglosen Rechtsbehelf zu Lasten der Antragstellerin noch Aussetzungszinsen anfielen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 27. Januar 2009 Bezug genommen.

Den sich aus der geänderten Steuerfestsetzung ergebenden Nachzahlungsbetrag hat die Antragstellerin am 19. Januar 2009 gezahlt.

Am 27. Februar 2009 hat die Antragstellerin Klage erhoben (13 K 765/09 E) über die der Senat noch nicht entschieden hat. Darüber hinaus begehrt die Antragstellerin nunmehr Aufhebung der Vollziehung durch das Gericht.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass die Berichtigung der Einkommensteuerfestsetzung durch den Änderungsbescheid vom 12. Dezember 2008 unzulässig war. Die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO seien nicht erfüllt. Auch wenn es für die Anwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO grundsätzlich auf die Kenntnis des Festsetzungsfinanzamts ankomme und der Antragsgegner erstmals durch die Prüfungsmitteilung Kenntnis von der Kürzung des Einkommens um negatives Einkommen erhalten habe, müsse sich der Antragsgegner die Kenntnis der ZALST nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zurechnen lassen. Insoweit sei ein besonderer Sachverhalt gegeben, der die Anwendung dieser Grundsätze rechtfertige. Diese Besonderheit kommen schon dadurch zum Ausdruck, dass sich die ZALST nicht auf die Erstellung des Prüfungsberichts beschränkt habe, sondern sich offensichtlich noch vor Erstellung des Berichts an das Betriebsstättenfinanzamt gewandt und dort den Widerruf der Anrufungsauskunft initiiert habe. Aufgrund ihrer Prüfungstätigkeit habe die ZALST gewusst, dass sich ihre Auffassung von der Fehlerhaftigkeit der Anrufungsauskunft auf die Festsetzung der Einkommensteuern der Arbeitnehmer auswirken würde. Dennoch habe sie die zuständigen Finanzämter weder rechtszeitig, d.h. vor Erlass von Einkommensteuerbescheiden der Arbeitnehmer, informiert, noch anderweitig den Erlass falscher Steuerbescheide verhindert. Offensichtlich seien die Kontrollmitteilungen bewusst erst versandt worden, nachdem ein Großteil der Steuerfestsetzungen bereits bestandskräftig geworden sein mussten. Dieser Verstoß gegen Treu und Glauben könne nicht nur isoliert der ZALST zugeordnet werden. Zwar erfordere auch das Prinzip der Einheit der Verwaltung nicht, dass sich alle Finanzbehörden ständig wechselseitig über beliebig unbedeutende Ereignisse zu informieren haben. Allerdings sei die Zentralbehörde verpflichtet, eine ihrer Meinung nach unrichtige Rechtsanwendung für die Zukunft zu unterbinden. Es hätte nahe gelegen, die Oberfinanzdirektionen vor einem Erlass der Steuerbescheide zu informieren.

Darüber hinaus sind die Antragsteller der Ansicht, dass der Antragsgegner zumindest auch nach Treu und Glauben an die Anrufungsauskunft gebunden sei. Bei der Anrufungsauskunft nach § 42 e EStG handele es sich um einen feststellenden Verwaltungsakt mit Drittwirkung, der auch zugunsten der Antragsteller wirke. Zwar habe es die Rechtsprechung in der Vergangenheit stets abgelehnt, die Bindungswirkung einer Anrufungsauskunft auf die Einkommensteuer-Veranlagungsverfahren der Arbeitnehmer zu erstrecken. Den Entscheidungen lasse sich aber nicht entnehmen, dass nicht in Ausnahmefällen eine Bindungswirkung entstehen könne. Ein solcher Ausnahmefall sei hier gegeben, da die im Rahmen der Auskunft gebilligte Verfahrensweise nicht nur im Interesse der Antragstellerin und der anderen Arbeitnehmer, sondern gerade auch im Interesse der Finanzverwaltung entwickelt worden war, um dieser eine Vielzahl von Berichtigungsbescheiden zu ersparen.

Davon abgesehen sei der Widerruf unwirksam, da die Widerrufsvoraussetzungen nach § 131 Abs. 2 Nr. 1 AO oder nach § 130 Abs. 2 AO nicht vorgelegen hätten. Ungeachtet dessen könne sich der Antragsgegner aber auch deshalb nicht auf den Widerruf berufen, weil ein solcher nur für die Zukunft hätte ausgesprochen werden können. Im Zeitpunkt des Widerrufs sei aber der Ansatz der negativen Einnahmen bereits vollzogen gewesen, so dass der Widerruf ins Leere gegangen sei.

In materieller Hinsicht sei zu berücksichtigen, dass der Ansatz negativer Einnahmen zutreffend gewesen sei. Es sei unstreitig, dass der Arbeitgeber die als Nachteilsausgleich geleisteten Zahlungen bei seinen Arbeitnehmern zu Unrecht als Arbeitslohn behandelt und entsprechende Lohnsteuer abgeführt habe. Dabei habe die ursprüngliche Lohnversteuerung auf der sich im Nachhinein als falsch erwiesenen Fiktion beruht, dass es zu einem Zufluss von Arbeitslohn gekommen sei. Mit der Erkenntnis, dass es an diesem fiktiven Lohnzufluss fehle, müssten aber auch die Folgen, die aus der Annahme von Arbeitslohnzufluss gezogen worden seien, rückgängig gemacht werden. Es sei insoweit ein ebenso fiktiver Lohnabfluss anzunehmen. Deshalb sei auch unerheblich, dass bei der Rückgängigmachung kein Abfluss von Arbeitslohn festgestellt werden könne. Die damit fiktiv anzunehmenden negativen Einnahmen müssten vielmehr dazu führen, dass nunmehr die Lohnzuflüsse um die negativen Einnahmen gekürzt würden, bevor sei dem Lohnsteuerabzug unterworfen werden. Genau dies habe die Anrufungsauskunft zutreffend festgestellt.

Die Antragstellerin beantragt,

die Vollziehung des Einkommensteueränderungsbescheids zur Einkommensteuer 2006 vom 12. Dezember 2008 aufzuheben.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er bezieht sich auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass die ZALST erst im Rahmen einer im September 2007 begonnenen Außenprüfung bei der "A" festgestellt habe (Prüfungsanordnung vom 2. Juli 2007) , dass die "A" entsprechend der ursprünglichen Anrufungsauskunft vom 29. Juni 2006 verfahren sei und erst in diesem Zeitpunkt weiter festgestellt worden sei, dass mangels eines tatsächlichen Abflusses im Streitjahr 2006 kein negativer Arbeitlohn gegeben sein konnte. Erst damit sei für die Prüfer der ZALST erkennbar geworden, das ein prüfungsbedürftiger Sachverhalt vorlag. Zudem habe man der Anfang 2008 die Lohn- und Gehaltsabrechungen von der "A" erhalten, so dass erst zu diesem Zeitpunkt die Höhe der als negative Einkünfte behandelten Beträge habe ermittelt werden können. In der Folgezeit habe es dann Erörterungen mit der "A" gegeben, die jedoch letztlich nicht zum Erfolg geführt hätten, da die "A" nicht bereit gewesen sei, die Nachforderungen ganz oder teilweise freiwillig zu übernehmen. Es dann seien die Festsetzungsfinanzämter der Arbeitnehmer informiert worden und weitere Einzelheiten zur Bearbeitung der Fälle in das Informationssystem der Finanzverwaltung eingestellt worden.

Entgegen der Annahme der Antragstellerin stünden dem Erlass des Änderungsbescheides die Grundsätze von Treu und Glauben nicht entgegen. Ihm - dem Antragsgegner - seien die besteuerungserheblichen Tatsachen erst nach Erlass des ursprünglichen Steuerbescheids bekannt geworden. Denn im Zeitpunkt der Erstveranlagung (21. Mai 2007) habe es keine Veranlassung gegeben, der Einkommensteuererklärung mit Argwohn zu begegnen, zumal die Besteuerungsgrundlagen durch die ZALST auch erst Anfang 2008 und damit erheblich nach der Veranlagung ermittelt worden seien. Damit seien die Tatsachen auch "neu" im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Auch einige etwaige Kenntnis der ZALST müsse er sich nicht zurechnen lassen. Insbesondere folge aus der Pflicht zur Zusammenarbeit einzelner Dienstellen nicht, dass Tatsachen, die einer Dienststelle bekannt seien, auch einer anderen zuzurechnen seien. Dies gelte schon für den Bereich verschiedener Veranlagungsdienststellen und damit erst recht im Verhältnis zwischen Veranlagungsfinanzamt und ZALST.

Der Antragsgegner meint weiter, dass die gegenüber der "A" erteilte Anrufungsauskunft bei der Einkommensteuerveranlagung der Arbeitnehmer keine Verbindlichkeit entfalte, da es sich nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine Wissenserklärung handele. Es entspreche ständiger Rspr., dass das Veranlagungsfinanzamt durch die Auskunft bei der Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers nicht gebunden sei. Insoweit fänden die Grundsätze über die Bindungswirkung einer verbindlichen Zusage keine Anwendung. Ein Festsetzungsfinanzamt sei daher auch nicht gehindert, im Veranlagungsverfahren dem Arbeitnehmer gegenüber einen anderen, ungünstigeren Rechtsstandpunkt zu vertreten als im Anrufungsverfahren gegenüber dem Arbeitgeber. Ungeachtet dessen hätten für die "A" keine Zweifel darüber entstehen können, dass durch die Anrufungsankunft keine verbindliche Regelung getroffen werden sollte. Damit fehle es schon an einem Verwaltungsakt, der Bindungswirkung auslösen könnte. Gegenüber der Antragstellerin könne eine Bindungswirkung zudem schon deshalb nicht entstehen, weil sich die Wirkungen eines Lohnsteueranrufungsauskunft auf das Lohnsteuerabzugsverfahren beschränkten. Den gesetzlichen Regelungen könne nicht entnommen werden, dass der Gesetzgeber eine Bindung für das Veranlagungsverfahren der Arbeitnehmer beabsichtigt hätte. Vielmehr ergebe sich aus den Besonderheiten des Lohnsteuerabzugsverfahrens, dass mit der Auskunft keine endgültige Beurteilung der Rechtslage verbunden sein sollte. Darüber hinaus müsse beachtet werden, dass auch unter dem Aspekt von Treu und Glauben nur dann eine Bindungswirkung entstehen könne, wenn die Auskunft von einer für die Besteuerung zuständigen Person erteilt worden sei. Daran fehle es, weil die Auskunft seitens des Finanzamts "C" erteilt worden sei, das für die Veranlagung der Antragstellerin nicht zuständig sei.

Hinsichtlich der materiellen Rechtslage hält der Antragsgegner an seiner Ansicht fest, dass im Streitjahr 2006 keine negativen Einnahmen vorgelegen hätten, da es an einem Aufwand der Arbeitnehmer gefehlt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen.

II. Im Hinblick auf die von der Antragstellerin geleistete Zahlung des Nachforderungsbetrages und den Antrag im Schriftsatz der Antragstellerin vom 13. Mai 2009 legt der Senat das Begehren der Antragstellerin dahingehend aus, dass sie nunmehr die Aufhebung Vollziehung des sich aus dem Änderungsbescheid vom 12. Dezember 2008 ergebenden Nachzahlungsbetrages in Höhe von 444,52 Euro begehrt.

Der Antrag ist begründet.

Gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Finanzgericht (FGO) soll die Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ist der Verwaltungsakt bereits vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Ernstliche Zweifel bestehen, wenn eine summarische Prüfung ergibt, dass neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen auslösen. Der Erfolg braucht nicht wahrscheinlicher zu sein als der Misserfolg. Es brauchen insbesondere nicht erhebliche Zweifel in dem Sinne zu bestehen, dass eine Aufhebung des Verwaltungsaktes mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, vielmehr genügt es, dass der Erfolg des Rechtsbehelfs im summarischen Verfahren ebenso wenig auszuschließen ist, wie sein Misserfolg (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO, Tz. 89 mit Nachweisen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs).

Vorliegend bestehen bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung ernstliche Zweifel gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Änderungsbescheids vom 12. Dezember 2008. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob der Antragsgegner die Einkommensteuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ändern durfte.

Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Sind die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt, muss der betroffene Steuerbescheid aufgehoben oder geändert werden. Ein Ermessen steht der Finanzbehörde insoweit nicht zu ("sind aufzuheben oder zu ändern"; vgl. auch Beschluss des Bundesfinanzhofes - BFH - vom 27. Mai 2008 VIII B 127/07, Sammlung nicht amtlich veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2008, 1664).

a) Im Streitfall kommt - wovon auch die Beteiligten übereinstimmend ausgehen - als nachträglich bekannt gewordene Tatsache der Umstand in Betracht, dass der Antragsgegner erst durch ihm übersandte Prüfungsmitteilung des Finanzamts "B" erfahren hat, dass der Arbeitgeber, die "A", den Bruttolohn des Jahres 2006 in der Lohnsteuerbescheinigung 2006 zu niedrig angegeben hatte.

Der Senat sieht jedoch bei der summarischen Prüfung keine Veranlassung, auf diese Frage im Aussetzungsverfahren abschließend einzugehen. Allerdings spricht vieles dafür, dass ausgehend von These des BFH, für das nachträgliche Bekanntwerden einer neuen Tatsache komme es auf die Kenntnis der Person an, die den Steuerfall zu bearbeiten und die Steuerfestsetzung durchzuführen habe (st. Rspr., vgl. BFH-Urteile vom 12.Oktober 1983 II R 56/81, Bundesteuerblatt Teil II - BStBl II - 1984, 140; vom 5. Dezember 2002 IV R 58/01, BFH/NV 2003, 588; weitere Nachweise bei Tipke/Kruse, § 173 AO Tz. 30), die Tatbestandsvoraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO erfüllt sind. Danach kommt es ausschließlich darauf an, ob eine der mit der Bearbeitung des Steuerfalles der Antragstellerin betraute Person Kenntnis davon hatte, dass bei der Steuerfestsetzung ein geminderter Bruttoarbeitslohn angesetzt wurde. An dieser Kenntnis dürfe es - worauf der Antragsgegner zutreffend hinweist - jedenfalls im Zeitpunkt der erstmaligen Steuerfestsetzung durch den Bescheid vom 21. Mai 2007 gefehlt haben. Zu diesem Zeitpunkt dürfte dem Antragsgegner und damit auch den bei ihm zur Veranlagung berufenen Personen der gesamte Sachkomplex hinsichtlich des Nachteilsausgleichs unbekannt gewesen sein. Ausgehend von den genannten Grundsätzen dürfte einer Anwendung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO auch nicht entgegenstehen, dass der Umstand, dass die "A" bereits im September 2006 negativen Arbeitslohn im Rahmen des Lohnsteuerabzugs berücksichtigt hat, jedenfalls dem Betriebsstättenfinanzamt ("C") und der OFD Rheinland spätestens seit September 2006 bekannt waren. Denn diese Kenntnis einer für die Veranlagung nicht zuständigen Dienststelle ist dem Antragsgegner nicht zuzurechnen. Gleiches dürfte auch für eine etwaige Kenntnis der ZALST gelten, die diese zudem erst nach der Durchführung der Veranlagung der Antragstellerin erlangt haben dürfte, da mit der Lohnsteueraußenprüfung bei der "A" erst am 17. September 2008 begonnen wurde.

Gleichwohl dürfte ein endgültige Klärung der Frage einer möglichen Zurechnung der im Rahmen der Finanzverwaltung vorhandenen Erkenntnis dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Denn insoweit könnte sich im Streitfall durchaus die Frage stellen, ob nicht aufgrund besonderer Umstände des Geschehensablaufs eine Zurechnung der Kenntnis jedenfalls der übergeordneten Behörde, der OFD Rheinland, geboten sein könnte. Eine solche Zurechnung der Kenntnis nach den Erkenntnissphären wird in der Literatur (Nachweise bei Tipke/Kruse, AO/FGO, § 173 AO Tz. 31 f. m.w.N.) in Erwägung gezogen. Sie könnte vorliegend ihre Rechtfertigung darin finden, dass die der Steuernachforderung zugrunde liegenden Umstände ihre Ursache in einer zumindest widersprüchlichen Handhabung der Besteuerung durch die Finanzverwaltung haben. So war es zu dem Ansatz der negativen Einnahmen erst infolge der - wenn auch widerrufenen - Auskunft des Finanzamts "C" gekommen. Dass diese nach Ansicht der OFD Rheinland fehlerhaft war, war dieser bereit im September 2006 bekannt, da sie - unstreitig - zu diesem Zeitpunkt den Widerruf der Auskunft veranlasst hat. Damit dürften der OFD Rheinland bei summarischer Prüfung auch mögliche Folgen für die Besteuerung der einzelnen Arbeitnehmer zumindest erkennbar gewesen sein. Es hätte daher nahe gelegen, die entsprechenden Veranlagungsfinanzämter, die ohne größeren Aufwand zu ermitteln gewesen sein dürften, auf den Sachverhalt hinzuweisen. Insoweit könnte es Grund für eine Erörterung der Frage geben, ob der Prinzipienwiderspruch zwischen Vertrauensschutz und Rechtssicherheit einerseits und materieller Richtigkeit andererseits, in dessen Spannungsfeld sich § 173 AO bewegt, bei einer Kenntnis der Mittelbehörde nicht zu einer Zurechnung von deren Kenntnisse bei den Veranlagungsfinanzämter führen kann, wenn es sich - wie im Streitfall - um finanzamtsbezirksübergreifende Sachverhalte handelt.

b) Offen lässt der Senat auch die von den Beteiligten aufgeworfene Frage, ob und ggf. in welchem Umfang die durch das Finanzamt "C" erteilte und später widerrufene Anrufungsauskunft vom 29. Juni 2006 Bindungswirkung zugunsten der Antragstellerin in der Weise entfaltet, dass sie im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung zu beachten ist. Allerdings ist die Rechtsnatur der Lohnsteueranrufungsauskunft entgegen der Annahme des Antragsgegners durchaus nicht unumstritten. Zwar geht die Rechtsprechung wohl überwiegend davon aus, dass es sich nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine Wissenserklärung handelt (so FG Düsseldorf auch für den Widerruf der im Streitfall erteilten Zusage vom 29. Juni 2006 , Urteil vom 26. November 2008, 4 K 4895/07 AO m.w.N., Rev. VI R 3/09), in der Literatur findet sich indes auch die Ansicht, dass es sich um einen Verwaltungsakt handelt (vgl. statt aller Heuermann in Blümich, Kommentar zum EStG, § 42 e Rz. 26 m.w.N.). Insbesondere ausgehend von letzterer Auffassung könnte sich durchaus die Frage stellen, ob ein Widerruf nach Maßgabe der §§ 130, 131 AO zu beurteilen ist. Dann aber wäre - selbst wenn man mit dem Antragsgegner von einer rechtswidrigen Auskunft ausgeht - z.B. zweifelhaft, ob die Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 AO vorgelegen haben. Zudem würde sich die weitere Frage stellen, ob der vom Antragsgegner ausgesprochenen Widerruf ermessenfehlerfrei erfolgt ist. Denn sowohl der Widerruf als auch die Rücknahme eines Verwaltungsaktes steht im Ermessen des Finanzamts. Insofern dürfte erst die Entscheidung des BFH im Revisionsverfahren VI R 3/09 für den Streitfall endgültige Klärung erwarten lassen. Jedenfalls mittelbar könnte die Qualifikation durch den BFH damit auch Auswirkungen auf die Beurteilung der Steuerfestsetzungen gegenüber den Arbeitnehmern haben.

c) Ungeachtet der Frage der Rechtsnatur der Anrufungsauskunft und der Rechtmäßigkeit des Widerrufs stellt sich zudem im Streitfall die Frage, ob der Auskunft zugunsten der Arbeitnehmern im Veranlagungs- oder Nachforderungsverfahren Bindungswirkung entfaltet. Auch wenn der BFH insoweit (Beschluss vom 22. Mai 2007 VI B 143/06, BFH/NV 2007, 1658; Urteil vom 9.10.1992 VI R 97/90, BStBl II 1993, 166) grundsätzlich eine Bindungswirkung im Veranlagungsverfahren von Arbeitnehmern ausschließt, hält der Senat vorliegend bei summarischer Prüfung nicht für ausgeschlossen, dass sich für die Aufhebung der Vollziehung sprechende ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Änderungsbescheids daraus ergeben, dass es nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand jedenfalls offen ist, ob der Antragsgegner nicht - ungeachtet der Zurechnung von Kenntnissen anderer Dienststellen - nach den Grundsätzen von Treu und Glauben an dem Erlass des Änderungsbescheids gehindert war.

aa) Die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben ist auch im Besteuerungsverfahren grundsätzlich anerkannt. Sie verdrängen auch gesetztes Recht, wenn das Vertrauen eines Beteiligten in ein bestimmtes Verhalten eines anderen Beteiligten nach allgemeinem Rechtsgefühl in einem so hohen Maße schutzwürdig ist, dass demgegenüber der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten muss (st. Rspr. vgl. Nachweise bei Tipke/Kruse, AO/FGO, § 4 AO Tz. 128; zuletzt BFH-Urteil von 29. Januar 2009 VI R 12/06, bislang n.v.). Bei der Beurteilung, ob sich ein Steuerpflichtiger auf Treu und Glauben berufen kann, ist zu beachten, dass es sich um besondere Ausformungen des Billigkeitsgedankens handelt und daher eine einzelfallbezogene Betrachtung erforderlich ist. Treu und Glauben erfordert einen Vertrauenstatbestand, der durch ein bestimmtes Verhalten eines der Beteiligten geprägt ist, von dem ein anderer bei objektiver Beurteilung annehmen kann, jener würde an seinem Verhalten festhalten. Diesem Gedanken ist auch zu entnehmen, dass die Beteiligten des Steuerrechtsverhältnisses zu konsequentem, folgerichtigem Verhalten verpflichtet sind. Dabei wirken die Folgen eines Vertrauenstatbestands grundsätzlich nur zwischen den Beteiligten des Steuerrechtsverhältnisses. Eine unmittelbare Wirkung auf Dritte kommt im Allgemeinen nicht in Betracht (vgl. BFH-Urteil vom 5. Mai 1993 X R 111/91, BStBl II 1993, 817). Allerdings stellt sich gerade bei einer Lohnsteueranrufungsauskunft, die typischerweise durch eine besondere Stellung im Dreiecksverhältnis zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Finanzamt auch einen Drittbezug zu der Veranlagung des Arbeitnehmers aufweist, die Frage, ob sich zugunsten des Arbeitnehmers nicht zumindest eine mittelbare Bindungswirkung nach den genannten Grundsätzen von Treu und Glauben ergibt (vgl. auch Schmidt/Drenseck, EStG § 42 f EStG Rz. 12). Denn jedenfalls mittelbar wird die geschützte Rechtsphäre des Arbeitnehmers berührt, soweit sie die Höhe der auf seine Tätigkeit anfallenden Lohnsteuer betrifft. Insoweit könnte dem Umstand Rechnung zu tragen sein, dass der Arbeitnehmer Schuldner der Lohnsteuer ist und dadurch eine die Lohnsteuer betreffende Auskunft - auch wenn es sich nur um die "vorläufige" Erhebung der Steuer handelt - das Steuerrechtsverhältnis zwischen Arbeitnehmern und Finanzamt berührt.

bb) Bei summarischer Prüfung hält es der Senat zudem für möglich, dass der Antragsgegner bei seiner Entscheidung gegenüber der Antragstellerin das Verbot des "venire contra factum proprium" verletzt hat. Dieser Grundsatz, nach dem insbesondere widersprüchliches Verhalten mit dem Grundsatz von Treu und Glauben unvereinbar ist (BFH-Urteil vom 29. Januar 2009 VI R 12/06, bislang n.v. unter Hinweis auf BFH-Urteile vom 18. April 2007 XI R 47/05, BStBl II 2007, 736; vom 5. Oktober 2004 VII R 37/03, BStBl II 2005, 238; vom 16. April 1997 XI R 66/96, BFH/NV 1997, 738), bringt zwar keine Steueransprüche zum Entstehen und zum Erlöschen, könnte jedoch im Streitfall verhindern, dass der Antragsgegner den Steueranspruch gegenüber der Antragstellerin geltend machen kann. Maßgebend für die Beurteilung, ob ein treuwidriges Verhalten vorliegt, ist die Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, die zur streitigen Nachforderung geführt haben. Im Rahmen dieser auch im Streitfall zu treffenden Gesamtwürdigung dürften nicht nur die jeweiligen rechtlichen Voraussetzungen für den Erlass des gegen die Arbeitnehmer gerichteten Bescheides von Bedeutung sein, sondern darüber hinaus das Gesamtverhalten der seitens der Finanzverwaltung Handelnden bei der Behandlung der steuerlichen Folgen der Ausgleichzahlung. So kann der Umstand, dass es zu der "unrichtigen" Lohnsteuereinbehaltung im Jahr 2006 - unstreitig - erst aufgrund der als Ergebnis von Verhandlungen der "A" erteilten Anrufungsauskunft gekommen ist, möglicherweise ebenso zu berücksichtigen sein wie die Tatsache, dass die Finanzverwaltung mit Ausnahme des Widerrufs der Anrufungsauskunft zunächst untätig geblieben ist und - soweit ersichtlich - auch nicht der Versuch unternommen wurde, die Lohnsteueranmeldung, die als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gilt (§ 150 Abs. 1 Satz 2 i.V. mit §§ 167, 168 AO), zu ändern. In Betracht zu ziehen sein könnte ferner der Umstand, dass - obwohl der Oberfinanzdirektion Rheinland der Sachverhalt wohl bereits im September 2006 bekannt geworden war - mit einer Lohnsteueraußenprüfung erst im September 2007 begonnen wurde. Zieht man weiter in Betracht, dass durch die Zusage im Zusammenwirken mit dem Arbeitgeber und dem Finanzamt "C" zumindest billigend in Kauf genommen wurde, dass die rechtlichen Voraussetzungen für eine Berücksichtigung der Nachteilsausgleichszahlungen als negativem Arbeitslohn und einem Abzug der Individualsteuerbeträge im Jahr 2006 nicht erfüllt waren, könnte es sich durchaus treuwidrig darstellen, die zutreffenden steuerrechtlichen Folgen in einem späteren Veranlagungszeitraum (wieder) herzustellen. Zudem könnte in die Betrachtung einzubeziehen sein, dass es den Beteiligten auch darum ging, nachträglich den materiell "richtigen" Steueranspruch gegenüber den Arbeitnehmern zu verwirklichen, nachdem sich herausgestellt hatte, dass es in den Jahren 2001 bis 2005 zu Unrecht zu einer Versteuerung der Nachteilsausgleichs bei den Arbeitnehmern gekommen ist und zwar möglicherweise ungeachtet dessen, ob die Beteiligten zutreffend von einem fiktiven Lohnabfluss oder negativem Arbeitslohn ausgehen konnten. Zu entscheiden dürfte in diesem Zusammenhang auch darüber sein, ob es der Finanzverwaltung jedenfalls dann verwehrt ist, auf die Zuständigkeit einzelner Finanzbehörden und deren Kenntnis von entscheidungserheblichen Sachverhalten zu verweisen, wenn es sich um einen Sachverhalt handelt, bei dem mehrere Behörden tätig werden und bei dem - wie vorliegend - die Oberfinanzdirektion nicht nur Kenntnis von allen maßgeblichen Umständen hatte, sondern auch den Lauf des Geschehens nicht unwesentlich beeinflusste. Insoweit könnten Handlungen in der Sphäre der Finanzverwaltung, die isoliert betrachtet nicht treuwidrig erscheinen, den Sachverhalt bei einer Gesamtwürdigung möglicherweise unter dem Aspekt von Treu und Glauben in einem anderen Licht erscheinen lassen.

Angesichts der Vielzahl der entscheidungserheblichen Aspekte bestehen Unsicherheiten bezüglich verschiedener Rechtsfragen, wie z.B. hinsichtlich der Beurteilung des Widerrufs im vorgreiflichen Revisionsverfahren VI R 3/09 und vor allem der Gesamtwürdigung der im Rahmen einer Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben. Deshalb muss eine abschließende Würdigung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, so dass eine Aufhebung der Vollziehung gerechtfertigt erscheint.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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