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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 28.05.2009
Aktenzeichen: 13 V 801/09 A (L)
Rechtsgebiete: EStG, FGO, AO


Vorschriften:

EStG § 42d Abs. 3
FGO § 69 Abs. 2
FGO § 69 Abs. 3
AO § 130
AO § 131
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Vollziehung des Nachforderungsbescheids über Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag vom 12. Dezember 2008 wird bis zum Abschluss einer die Instanz abschließenden Entscheidung des Gerichts im Verfahren 13 K 799/09 L aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe:

I. Der Antragsteller war im Streitjahr 2006 ebenso wie in den Vorjahren bei der "A" GmbH - "A" - nichtselbständig beschäftigt.

Unter dem 14. November 2008 übersandte das Finanzamt "B" , Zentrale Außenprüfungsstelle - ZALST -, dem Antragsgegner eine Prüfungsmitteilung. Darin führte die ZALST aus, dass im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung bei der GmbH und deren Tochtergesellschaften festgestellt worden sei, dass der Arbeitgeber im Rahmen der laufenden Lohnabrechnung im September 2006 den steuerpflichtigen Bruttoarbeitslohn um einen Betrag in Höhe von 4082,63 Euro gemindert habe, weil er davon ausgegangen sei, dass in dieser Höhe negativer Arbeitslohn vorliege. Dies sei - so die ZALST - nicht der Fall. Vielmehr handele es sich bei diesem Betrag um die Summe der in den Jahren 2001 bis 2005 individuell versteuerten Nachteilsausgleichszahlungen an die Rheinische Zusatzversorgungskasse Köln. Die ZALST wies darauf hin, dass der Arbeitgeber im vorliegenden Fall nicht als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden könne. Deshalb sei die zu wenig einbehaltene Steuer für 2006 beim Arbeitnehmer nachzufordern.

Dem entsprach der Antragsgegner und erließ unter dem 12. Dezember 2008 einen Bescheid über die Festsetzung von nachzufordernder Lohnsteuer und nachzuforderndem Solidaritätszuschlag, der infolge der Erhöhung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu einer Nachforderung von insgesamt 1.217,47 Euro führte.

Dagegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 17. Dezember 2008 Einspruch ein. Zur Begründung führte er aus, mit dem Arbeitgeber sei er der Ansicht, dass dieser den Arbeitslohn im Jahr 2006 berechtigt um negative Einkünfte gekürzt habe. Ursache sei gewesen, dass in den Jahre 2001 bis 2005 ein vom Arbeitgeber wegen eines Wechsels der Zusatzversorgungskasse gezahlter Nachteilsausgleich als Vergütungsbestandteil behandelt worden sei, obwohl den betroffenen Arbeitnehmern in keiner Weise ein Vorteil zugeflossen sei. Nach Klarstellung der Rechtslage seien im Jahr 2006 zur Korrektur negative Einkünfte angesetzt worden. Dies wiederum beruhe auf einer verbindlichen Anrufungsauskunft des Finanzamts "C", der zu Folge der Arbeitgeber nach materiellem Recht zum Ansatz der negativen Einkünfte berechtigt gewesen sei und dieser Ansatz verfahrensmäßig durch Kürzung der abzuführenden Lohnsteuerbeträge habe erfolgen können. Zugleich beantragte der Antragsteller die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Nachforderungsbescheids.

Mit Einspruchsentscheidung vom 3. Februar 2009 wies der Antragsgegner den Einspruch als unbegründet zurück und lehnte zugleich den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab.

Zur Begründung führte der Antragsgegner u.a. aus:

Die "A" befinde sich zu 50 % in öffentlicher Trägerschaft (Stadt Düsseldorf) und wende daher die Tarife des öffentlichen Dienstes (BAT / BMT-G) an. Damit sei für die Beschäftigten ein tariflicher Anspruch auf eine zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung begründet worden, der bis zum 31. Dezember 2000 durch die Zusatzversorgungskasse der Stadt Düsseldorf - ZVK D - sichergestellt worden sei. Aufgrund einer Vereinbarung vom 7. Dezember 2000 bzw. 10. Januar 2001 zwischen der Landeshauptstadt Düsseldorf als Trägerin der (ehemaligen) ZVK Düsseldorf und der Rheinischen Versorgungskasse für Gemeinden und Gemeindeverbände, Köln, als Trägerin der Rheinischen Zusatzversorgungskasse - RZVK Köln - habe die RZVK Köln zum 1. Januar 2001, 00.00 Uhr (Stichtag) die ZVK Düsseldorf mit deren Mitglieder-, Versicherten-, Rentner- bzw. Hinterbliebenen- sowie Vermögensbestand einschließlich etwaiger bestehender Verbindlichkeiten übernommen. Damit sei die "A" - ebenso wie die 32 anderen bisherigen Mitglieder der ZVK Düsseldorf - ab dem 1. Januar 2001 Mitglied der RZVK Köln.

Zum Ausgleich der mit der Übernahme der ZVK Düsseldorf für die RZVK Köln verbundenen wirtschaftlichen Nachteile (d. h. zum Ausgleich des versicherungsmathematisch ermittelten Mindervermögens der übernommenen ZVK Düsseldorf) habe jedes Mitglied der ehemaligen ZVK Düsseldorf einen so genannten Nachteilsausgleich an die RZVK Köln gezahlt, der in den Jahren 2001 bis 2015 über den jeweils geltenden Umlagesatz nach § 62 Abs. 1 der RZVK-Satzung hinausgehe. Der für die "A" vereinbarte Betrag sei in der Weise gestundet worden, dass unter Berücksichtigung eines Stundungszinses von 5,294 % auf die Dauer von 15 Jahren - beginnend mit dem 31. Januar 2001 - gleich bleibende monatliche Raten (Nachteilsausgleich einschl. Zinsen) zu zahlen waren. Die Ansprüche der Beschäftigten der "A" - sowohl der versicherten Arbeitnehmer als auch der Bezieher laufender Renten - änderten sich auf Grund der Übernahme der ZVK Düsseldorf durch die RZVK Köln nach Art und Höhe nicht.

Im Ergebnis hatte - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - die "A" nach diesen Vereinbarungen für die betriebliche Altersversorgung ihrer Beschäftigten monatlich Zahlungen in Höhe von 6,65 % (4,25 % regulärer Umlagesatz nach § 62 Abs. 1 der RZVK-Satzung zuzüglich 2,4 % als individuell festgelegter Prozentsatz zur Erreichung und Zuordnung der Nachteilsausgleichszahlung einschl. Zinsen) an die RZVK Köln zu leisten mit der Maßgabe des jährlichen Differenzausgleichs der auf das jeweilige Kalenderjahr entfallenden geschuldeten Zahlungen.

Der Antragsgegner führte weiter aus, auf Grund eines Antrags vom 17. November 2000 (mit Ergänzung vom 29. Dezember 2000) der damaligen steuerlichen Vertreterin der 33 Mitglieder der ehemaligen ZVK Düsseldorf auf Auskunft mit Bindungswirkung nach Treu und Glauben (verbindliche Auskunft) im Sinne des BMF-Schreibens vom 24. Juni 1987 (Bundessteuerblatt Teil I - BStBl I - 1987, 474) in der Fassung der Änderung durch das BMF-Schreiben vom 21. Februar 1990 (BStBl I 1990, 146) hätten die 33 Mitglieder der ehemaligen ZVK Düsseldorf (einschließlich der "A") durch das Finanzamt "B" die begehrte Auskunft erhalten, dass bei dem vorgetragenen Sachverhalt die vereinbarten Nachteilsausgleichszahlungen (wörtlich: "Zusatzbeiträge") erst im Zeitpunkt der Zahlung an die RZVK Köln lohnsteuerlich zu erfassen seien und in dem durch § 40 b Abs. 2 Satz 1 EStG vorgegebenen Rahmen von (damals) 3.408,00 DM jährlich (bezogen auf die Summe aus laufendem Beitrag und Zusatzbeitrag) mit 20 v.H. pauschaliert werden dürften. Auf Grund einer weiteren Eingabe der 33 Mitglieder der ehemaligen ZVK Düsseldorf vom 26. Juni 2002 vertrat das Finanzministerium des Landes Nordrhein-Westfalen die Rechtsauffassung, dass es sich bei dem Nachteilsausgleich nicht um ein steuerfreies Sanierungsgeld, sondern um eine nachgeholte Umlagezahlung handele, die grundsätzlich als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu behandeln sei. Damit sei es zugleich bei der oben angegebenen verbindlichen Auskunft des Finanzamts "B" verblieben und die Nachteilsausgleichszahlungen (auch) von der "A" wie eine erhöhte Umlage behandelt worden. Sofern die Pauschalierungsgrenze mit der normalen Umlage (4,25 %) nicht ausgeschöpft war, sei der Nachteilsausgleich dann bis zur Höhe der für das jeweilige Kalenderjahr gültigen Pauschalierungsgrenze (§ 40 b EStG) pauschal lohnversteuert worden. Der übersteigende Betrag sei bei den einzelnen Mitarbeitern der "A" individuell versteuert worden.

Der Antragsgegner trägt weiter vor, nachdem der Bundesfinanzhof - BFH - mit Urteil vom 14. September 2005 (VI R 148/98, BStBl II 2006, 532) entschieden habe, dass den Arbeitnehmern kein Arbeitslohn im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zufließt, wenn der Arbeitgeber beim Wechsel zu einer anderen umlagefinanzierten Zusatzversorgungskasse Sonderzahlungen leistet, habe die "A" beabsichtigt, eine entsprechende Stornierung der zu Unrecht versteuerten Nachteilsausgleichszahlungen für die Jahre 2002 bis 2005 bei den Beschäftigten vorzunehmen, die sich noch in einem Beschäftigungsverhältnis befanden und auch von ihr in diesen Zeiträumen Arbeitsentgelte bezogen und Steuern für die Nachteilsausgleichszahlungen entrichtet hatten. Auf eine Rückforderung für das Jahr 2001 habe die "A" (mit Blick auf die Euro-Umstellung) wegen programmtechnischer Schwierigkeiten verzichtet. Deshalb habe die "A" mit Schreiben vom 6. Dezember 2005 (ergänzt durch Schreiben vom 17. Februar 2006) bei ihrem Betriebsstättenfinanzamt "C" eine Anrufungsauskunft gemäß § 42 e EStG dahingehend beantragt, die versteuerten Nachteilsausgleichszahlungen der Jahre 2002 bis 2005 im Kalenderjahr 2006 als negativen Arbeitslohn beim laufenden Lohnsteuerabzug berücksichtigen zu dürfen.

Mit Anrufungsauskunft vom 29. Juni 2006 habe das Finanzamt "C" der von der "A" beantragten Vorgehensweise (Berücksichtigung der Nachteilsausgleichszahlungen für 2002 bis 2005 als negativer Arbeitslohn im - damals - laufenden Kalenderjahr 2006) grundsätzlich zugestimmt. Nachdem dieser Sachverhalt dem für die Lohnsteuer zuständigen Referat der Oberfinanzdirektion Rheinland bekannt geworden sei, habe diese das Finanzamt "C" veranlasst, seine vorgenannte Anrufungsauskunft zu widerrufen. Daraufhin habe das Finanzamt "C" mit Schreiben vom 20. September 2006 an die "A" seine Anrufungsauskunft vom 29. Juni 2006 widerrufen. Zu diesem Zeitpunkt habe aber die "A" bei der Lohnabrechnung für den Monat September 2006 entsprechend der Anrufungsauskunft vom 29. Juni 2006 die Nachteilsausgleichszahlungen der Jahre 2002 bis 2005 (und nach den späteren Feststellungen der Zentralen Außenprüfung Lohnsteuer (ZALST) des Finanzamts "B" darüber hinaus auch für das Jahr 2001) bereits als negativen Arbeitslohn berücksichtigt und die Lohnsteueranmeldung für September 2006 schon am 21. September 2006 dem Finanzamt "C" übermittelt. Der mit Wirkung für die Zukunft erfolgte Widerruf der Anrufungsauskunft sei daher von der "A" nicht mehr berücksichtigt worden.

Da eine Haftungsinanspruchnahme der "A" nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht mehr möglich gewesen sei, seien die örtlich zuständigen Wohnsitz-Finanzämter der betroffenen Arbeitnehmer in jedem Einzelfall durch eine Prüfungsmitteilung der ZALST informiert worden, dass die "A" den Bruttoarbeitslohn zu Unrecht gemindert habe und deshalb die Lohnsteuer für das Jahr 2006 nachzufordern sei. Dieser Aufforderung zur Nachforderung sei mit dem Bescheid vom 12. Dezember 2008 entsprochen worden.

Ergänzend weist der Antragsgegner darauf hin, dass eine Klage der "A" gegen Widerruf der Anrufungsauskunft beim FG Düsseldorf (Urt. vom 26. November 2008, 4 K 4895/07 AO) erfolglos geblieben sei und über eine gegen die Entscheidung des FG Düsseldorf eingelegte Revision durch den BFH noch nicht entschieden sei (Az. des BFH VI R 3/09).

Der Antragsgegner vertritt die Ansicht, dass die Voraussetzungen für eine Nachforderung erfüllt seien. Im Streitjahr 2006 sei durch den Arbeitgeber zu wenig Lohnsteuer einbehalten und abgeführt worden. Die "A" sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass zugunsten der Arbeitnehmer - und damit auch des Antragstellers - negativer Arbeitslohn in Höhe der in den Jahren 2002 - 2005 zu Unrecht besteuerten Nachteilsausgleichsbeträge entstanden sei. Dies habe zu einer unzutreffenden Angabe des Bruttolohns geführt, wodurch dem Antragsteller insoweit steuerpflichtiger Arbeitslohn zugeflossen sei, der unversteuert geblieben und daher nachzufordern sei. Entgegen der Annahme des Antragstellers liege im Streitjahr 2006 weder ein Abfluss von früher versteuerten Einnahmen in Gestalt negativer Einnahmen noch Werbungskosten vor. Negative Einnahmen seien z.B. dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer sein Bezugsrecht aus einer Direktversicherung ganz oder teilweise ersatzlos verliere. Daran fehle es schon deshalb, weil sich die Ansprüche des Antragstellers nicht verändert hätten. Der Antragsteller habe auch keine Einnahmen zurückgezahlt, die sie in einem früheren Veranlagungszeitraum zu viel erhalten und versteuert habe. Der Nachteilsausgleich sei vielmehr ohne Inanspruchnahme des Antragstellers allein zwischen den Zusatzversorgungskassen erfolgt. Der Antragsteller könne die im Jahr 2006 als negative Arbeitslöhne berücksichtigten Beträge auch nicht als Werbungskosten in Ansatz bringen. Dem stehe schon entgegen, dass es im Streitjahr an einer Vermögensminderung fehle. Der Antragsteller habe weder einen Verlust an Vorsorgeanwartschaften hinnehmen müssen, noch habe sie andere Aufwendungen gehabt, die zu einer Vermögensminderung geführt hätten.

Der Antragsteller könne sich auch nicht darauf berufen, dass er den ausgezahlten Nettoarbeitslohn für den Monat September 2006 bereits verbraucht habe und er daher entreichert sei. Auf § 818 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - könne sich der Antragsteller schon deshalb nicht berufen, weil die Vorschrift im Bereich eines öffentlich-rechtlichen Erstattungs- bzw. Rückforderungsanspruchs nach § 37 Abs. 2 AO nicht anwendbar sei. Aus der Vorschrift ergebe sich auch kein allgemeiner Rechtsgedanke, der bei einer Rückforderung zu Unrecht erstatteter Steuern auf der Grundlage von § 37 Abs. 2 AO zu berücksichtigen wäre. Vielmehr könne der Empfänger einer Geldleistung des Finanzamts nur dann darauf vertrauen, dass er diese nicht zurückerstatten muss und er sie ungeachtet der Rechtmäßigkeit der Leistung behalten darf, wenn ihn ungeschriebene Rechtsgrundsätze wie Treu und Glauben und der Grundsatz des Vertrauensschutzes vor einer Rückforderung bewahrten. An einem solchen Vertrauenstatbestand fehle es aber. Insbesondere habe die der "A" erteilte Anrufungsauskunft keinen vertrauensschutzbegründenden Tatbestand geschaffen. Dies gelte schon deshalb, weil eine dem Arbeitgeber erteilte Anrufungsauskunft keine Bindungswirkung für die Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers entfalte. Im Übrigen sei die Anrufungsauskunft bereits mit Schreiben des Finanzamts "C" vom 29. Juni 2006 widerrufen worden, also zu einem Zeitpunkt, an dem die Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum 2006 noch nicht einmal entstanden gewesen sei. Allein dies schließe einen Vertrauensschutz grundsätzlich aus.

Insgesamt stehe damit die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Nachforderungsbescheides außer Zweifel, so dass eine Aussetzung der Vollziehung schon wegen mangelnder Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs nicht in Frage komme. Denn insoweit fehle es an den für eine Aussetzung der Vollziehung erforderlichen ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung. Auch eine unbillige Härte sei nicht erkennbar, da eine Vollstreckung des Nachforderungsbetrages kaum die Gefahr einer wirtschaftlichen Existenzvernichtung für den Antragsteller ergeben dürfte. Schließlich läge eine Aussetzung der Vollziehung auch nicht im Interesse des Antragstellers, da bei einer Aussetzung der Vollziehung und einem letztlich erfolglosen Rechtsbehelf zu Lasten des Antragstellers noch Aussetzungszinsen anfielen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 3. Februar 2009 Bezug genommen.

Den Nachzahlungsbetrag hat der Antragsteller am 5. Februar 2009 gezahlt.

Am 3. März 2009 hat der Antragsteller Klage erhoben (13 K 799/09 L) über die der Senat noch nicht entschieden hat. Darüber hinaus begehrt der Antragsteller sinngemäß Aufhebung der Vollziehung durch das Gericht.

Der Antragsteller ist der Ansicht, dass der Nachforderungsbescheid vom 12. Dezember 2008 rechtswidrig ist.

Er meint, der Antragsgegner sei für den Erlass des Nachforderungsbescheids nicht zuständig. Der auf § 42d Abs. 3 Nr. 1 EStG gestützte Nachforderungsbescheid sei ein Vorauszahlungsbescheid. Für diesen sei das Betriebsstättenfinanzamt zuständig. Der Antragsgegner als Wohnsitzfinanzamt sei nur für die Geltendmachung in einem Veranlagungsverfahren zuständig. Ein solches sei aber nicht eingeleitet worden.

Auch die Tatbestandsvoraussetzungen für den Erlass eines Nachforderungsbescheides seien nicht erfüllt. Der Antragsgegner sei durch die dem Arbeitgeber erteilte Anrufungsauskunft auch am Erlass eines Nachforderungsbescheids gegenüber dem Arbeitnehmer gehindert. Jedenfalls aber sei der Erlass des Nachforderungsbescheides nach den Grundsätzen von Treu und Glauben ausgeschlossen. Bei der Anrufungsauskunft nach § 42 e EStG handele es sich um einen feststellenden Verwaltungsakt mit Drittwirkung, der auch zugunsten des Antragstellers wirke. Zwar habe es die Rechtsprechung in der Vergangenheit stets abgelehnt, die Bindungswirkung einer Anrufungsauskunft auf die Einkommensteuer-Veranlagungsverfahren der Arbeitnehmer zu erstrecken. Den Entscheidungen lasse sich aber nicht entnehmen, dass nicht in Ausnahmefällen eine Bindungswirkung entstehen könne. Ein solcher Ausnahmefall sei hier gegeben, da die im Rahmen der Auskunft gebilligte Verfahrensweise nicht nur im Interesse des Antragstellers und der anderen Arbeitnehmer, sondern gerade auch im Interesse der Finanzverwaltung entwickelt worden sei, um dieser eine Vielzahl von Berichtigungsbescheiden zu ersparen.

Davon abgesehen sei der Widerruf unwirksam, da die Widerrufsvoraussetzungen nach § 131 Abs. 2 Nr. 1 AO oder nach § 130 Abs. 2 AO nicht vorgelegen hätten. Ungeachtet dessen könne sich der Antragsgegner aber auch deshalb nicht auf den Widerruf berufen, weil ein solcher nur für die Zukunft hätte ausgesprochen werden können. Im Zeitpunkt des Widerrufs sei aber der Ansatz der negativen Einnahmen bereits vollzogen gewesen, so dass der Widerruf ins Leere gegangen sei.

In materieller Hinsicht sei zu berücksichtigen, dass der Ansatz negativer Einnahmen zutreffend gewesen sei. Es sei unstreitig, dass der Arbeitgeber die als Nachteilsausgleich geleisteten Zahlungen bei seinen Arbeitnehmern zu Unrecht als Arbeitslohn behandelt und entsprechende Lohnsteuer abgeführt habe. Dabei habe die ursprüngliche Lohnversteuerung auf der sich im Nachhinein als falsch erwiesenen Fiktion beruht, dass es zu einem Zufluss von Arbeitslohn gekommen sei. Mit der Erkenntnis, dass es an diesem fiktiven Lohnzufluss fehle, müssten aber auch die Folgen, die aus der Annahme von Arbeitslohnzufluss gezogen worden seien, rückgängig gemacht werden. Es sei insoweit ein ebenso fiktiver Lohnabfluss anzunehmen. Deshalb sei auch unerheblich, dass bei der Rückgängigmachung kein Abfluss von Arbeitslohn festgestellt werden könne. Die damit fiktiv anzunehmenden negativen Einnahmen müssten vielmehr dazu führen, dass nunmehr die Lohnzuflüsse um die negativen Einnahmen gekürzt würden, bevor sei dem Lohnsteuerabzug unterworfen werden. Genau dies habe die Anrufungsauskunft zutreffend festgestellt.

Der Antragsteller beantragt,

die Vollziehung des Nachforderungsbescheids über Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag vom 12. Dezember 2008 aufzuheben.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er hat Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen.

II. Im Hinblick auf die von dem Antragsteller bereits vor Antragstellung geleistete Zahlung des Nachforderungsbetrages legt der Senat das Begehren des Antragstellers dahingehend aus, dass er die Aufhebung der Vollziehung des sich aus dem Nachforderungsbescheid vom 12. Dezember 2008 ergebenden Nachzahlungsbetrages in Höhe von 1.217,47 Euro begehrt.

Der Antrag ist begründet.

Gemäß § 69 Abs. 3 i.V. mit Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - soll die Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ist der Verwaltungsakt bereits vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Ernstliche Zweifel bestehen, wenn eine summarische Prüfung ergibt, dass neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen auslösen. Der Erfolg braucht nicht wahrscheinlicher zu sein als der Misserfolg. Es brauchen insbesondere nicht erhebliche Zweifel in dem Sinne zu bestehen, dass eine Aufhebung des Verwaltungsaktes mit großer Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, vielmehr genügt es, dass der Erfolg des Rechtsbehelfs im summarischen Verfahren ebenso wenig auszuschließen ist, wie sein Misserfolg (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO, Tz. 89 mit Nachweisen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs).

Vorliegend bestehen bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung ernstliche Zweifel gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Nachforderungsbescheids vom 12. Dezember 2008. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob der Antragsgegner die Lohnsteuer beim Antragsteller nachfordern durfte.

a) Es ist im Streitfall bei summarischer Prüfung schon zweifelhaft, ob die Voraussetzungen für eine Nachforderung der Steuer nach § 42 d Abs. 3 Satz 4 EStG erfüllt sind. Problematisch ist in diesem Zusammenhang schon, ob nach Ablauf des Veranlagungszeitraums, in dem die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig einbehalten (§ 42 d Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 EStG) oder angemeldet wurde (§ 42 d Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 EStG), die Lohnsteuer noch als Vorauszahlungsschuld oder nur im Rahmen einer - ggf. erstmalig durchzuführenden - Einkommensteuerveranlagung geltend gemacht werden kann und ob ein noch nicht veranlagter Arbeitnehmer jedenfalls die sich aus einer Einkommensteuerfestsetzung ergebenden Folgen für die Höhe der Steuer geltend machen kann (für uneingeschränkte Möglichkeit des Nachforderungsbescheides Schmidt/Drenseck, § 42d EStG, Rz. 24; differenzierend Blümich/Heuermann, § 42 d Rz. 89). Der Senat sieht jedoch bei der summarischen Prüfung keine Veranlassung, auf diese Frage schon im Aussetzungsverfahren abschließend einzugehen. Nach den bislang bei der Entscheidung zu verwertenden Erkenntnissen ist nicht erkennbar, ob und ggf. im welchem Umfang sich der Ansatz des zusätzlichen Bruttolohns im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Antragstellers auswirkt und es - ausgehend von der nach Ablauf des Veranlagungszeitraums 2006 maßgeblichen Jahreseinkommensteuer - zu einer steuerlichen Auswirkung kommt.

Zweifelhaft könnte zudem sein, ob der Antragsgegner im Nachforderungsbescheid vom 12. Dezember 2009 das ihm zustehende Ermessen ausgeübt hat. Die Begründung des Bescheides beschränkt auf eine nur formelhafte Wiedergabe verschiedener gesetzlicher Vorschriften und den nicht näher erläuterten Hinweis, dass die Lohnsteuer weder vom Arbeitgeber aus dem Barlohn habe entrichtet werden können noch durch den Antragsteller zur Verfügung gestellt worden sei. Ungeachtet der sich in diesem Zusammenhang stellenden Frage, ob dies für eine ordnungsgemäße Ausübung des Ermessens ausreicht, erschließt sich aus den bislang vorliegenden Unterlagen nicht hinreichend sicher, dass eine Inanspruchnahme des Arbeitgebers zumindest versucht und erfolglos geblieben ist. Auch der Hinweis in der Einspruchsentscheidung, dass eine Inanspruchnahme des Arbeitgebers "aufgrund der Gegebenheiten aus rechtlichen Gründen nicht möglich war", deutet jedenfalls nicht darauf hin, dass der Antragsgegner Auswahlermessen ausgeübt hat.

b) Offen lässt der Senat auch die von den Beteiligten aufgeworfene Frage, ob und ggf. in welchem Umfang die durch das Finanzamt "C" erteilte und später widerrufene Anrufungsauskunft vom 29. Juni 2006 Bindungswirkung zugunsten des Antragstellers in der Weise entfaltet, dass sie im Rahmen eines Nachforderungsbescheids nach Ablauf des Veranlagungszeitraums zu beachten ist. Soweit nämlich eine Bindungswirkung entständen wäre, könnte es an einer "nicht vorschriftsmäßig" einbehaltenen oder abgeführten Lohnsteuer fehlen. Dazu wäre zunächst Voraussetzung, dass die Auskunft - wie der Antragsteller meint - als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist. Die in diesem Zusammenhang zu beurteilende Rechtsnatur der Lohnsteueranrufungsauskunft ist entgegen der Annahme des Antragsgegners durchaus nicht unumstritten. Zwar geht die Rechtsprechung wohl überwiegend davon aus, dass es sich nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine Wissenserklärung handelt (so FG Düsseldorf auch für den Widerruf der im Streitfall erteilten Zusage vom 29. Juni 2006 , Urteil vom 26. November 2008, 4 K 4895/07 AO m.w.N., Rev. VI R 3/09), in der Literatur findet sich indes auch die Ansicht, dass es sich um einen Verwaltungsakt handelt (vgl. statt aller Blümich/Heuermann, § 42 e EStG, Rz. 26 m.w.N.). Insbesondere ausgehend von letzterer Auffassung könnte durchaus die Frage stellen, ob ein Widerruf nach Maßgabe der §§ 130, 131 AO zu beurteilen ist. Dann aber wäre - selbst wenn man mit dem Antragsgegner von einer rechtswidrigen Auskunft ausgeht - z.B. zweifelhaft, ob die Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 AO vorgelegen haben. Zudem würde sich die weitere Frage stellen, ob der vom Antragsgegner ausgesprochenen Widerruf ermessenfehlerfrei erfolgt ist. Denn sowohl der Widerruf als auch die Rücknahme eines Verwaltungsaktes steht im Ermessen des Finanzamts. Insofern dürfte erst die Entscheidung des BFH im Revisionsverfahren VI R 3/09 für den Streitfall endgültige Klärung erwarten lassen. Jedenfalls mittelbar könnte die Qualifikation durch den BFH damit auch Auswirkungen auf die Beurteilung der Steuerfestsetzungen gegenüber den Arbeitnehmern haben.

c) Ungeachtet der Frage der Rechtsnatur der Anrufungsauskunft und der Rechtmäßigkeit des Widerrufs stellt sich zudem im Streitfall die weitere Frage, ob die Auskunft zugunsten der Arbeitnehmern im Nachforderungsverfahren Bindungswirkung entfaltet. Auch wenn der BFH insoweit (Beschluss vom 22. Mai 2007 VI B 143/06, BFH/NV 2007, 1658; Urteil vom 9.10.1992 VI R 97/90, BStBl II 1993, 166) grundsätzlich eine Bindungswirkung im Veranlagungsverfahren von Arbeitnehmern ausschließt, hält der Senat vorliegend bei summarischer Prüfung nicht für ausgeschlossen, dass sich für die Aufhebung der Vollziehung sprechende ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Änderungsbescheids daraus ergeben, dass es nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand jedenfalls offen ist, ob der Antragsgegner nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben an dem Erlass des Änderungsbescheids gehindert war.

aa) Die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben ist auch im Besteuerungsverfahren grundsätzlich anerkannt. Sie verdrängen auch gesetztes Recht, wenn das Vertrauen eines Beteiligten in ein bestimmtes Verhalten eines anderen Beteiligten nach allgemeinem Rechtsgefühl in einem so hohen Maße schutzwürdig ist, dass demgegenüber der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten muss (st. Rspr. vgl. Nachweise bei Tipke/Kruse, AO/FGO, § 4 AO Tz. 128; zuletzt BFH-Urteil von 29. Januar 2009 VI R 12/06, bislang n.v.). Bei der Beurteilung, ob sich ein Steuerpflichtiger auf Treu und Glauben berufen kann, ist zu beachten, dass es sich um besondere Ausformungen des Billigkeitsgedankens handelt und daher eine einzelfallbezogene Betrachtung erforderlich ist. Treu und Glauben erfordert einen Vertrauenstatbestand, der durch ein bestimmtes Verhalten eines der Beteiligten geprägt ist, von dem ein anderer bei objektiver Beurteilung annehmen kann, jener würde an seinem Verhalten festhalten. Diesem Gedanken ist auch zu entnehmen, dass die Beteiligten des Steuerrechtsverhältnisses zu konsequentem, folgerichtigem Verhalten verpflichtet sind. Dabei wirken die Folgen eines Vertrauenstatbestands grundsätzlich nur zwischen den Beteiligten des Steuerrechtsverhältnisses. Eine unmittelbare Wirkung auf Dritte kommt im Allgemeinen nicht in Betracht (vgl. BFH-Urteil vom 5. Mai 1993 X R 111/91, BStBl II 1993, 817). Allerdings stellt sich# gerade bei einer Lohnsteueranrufungsauskunft, die typischerweise durch eine besondere Stellung im Dreiecksverhältnis zwischen Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Finanzamt auch einen Drittbezug zu der Veranlagung des Arbeitnehmers aufweist, die Frage, ob sich zugunsten des Arbeitnehmers nicht zumindest eine mittelbare Bindungswirkung nach den genannten Grundsätzen von Treu und Glauben ergibt (vgl. auch Schmidt/Drenseck, EStG § 42 f EStG Rz. 12). Denn jedenfalls mittelbar wird die geschützte Rechtsphäre des Arbeitnehmers berührt, soweit sie die Höhe der auf seine Tätigkeit anfallenden Lohnsteuer betrifft. Insoweit könnte dem Umstand Rechnung zu tragen sein, dass der Arbeitnehmer Schuldner der Lohnsteuer ist und dadurch eine die Lohnsteuer betreffende Auskunft - auch wenn es sich nur um die "vorläufige" Erhebung der Steuer handelt - das Steuerrechtsverhältnis zwischen Arbeitnehmern und Finanzamt berührt. Dies könnte erst recht zum Tragen kommen, wenn - wie im Streitfall - die Nachforderung der Steuer durch Nachforderungsbescheid, also durch eine "Fortsetzung" oder "Nachbesserung" des ursprünglichen Lohnsteuerabzugs erfolgt.

bb) Bei summarischer Prüfung hält es der Senat zudem für möglich, dass der Antragsgegner bei seiner Entscheidung gegenüber des Antragstellers das Verbot des "venire contra factum proprium" verletzt hat. Dieser Grundsatz, nach dem insbesondere widersprüchliches Verhalten mit dem Grundsatz von Treu und Glauben unvereinbar ist (BFH-Urteil vom 29. Januar 2009 VI R 12/06, bislang n.v. unter Hinweis auf BFH-Urteile vom 18. April 2007 XI R 47/05, BStBl II 2007, 736; vom 5. Oktober 2004 VII R 37/03, BStBl II 2005, 238; vom 16. April 1997 XI R 66/96, BFH/NV 1997, 738), bringt zwar keine Steueransprüche zum Entstehen und zum Erlöschen, könnte jedoch im Streitfall verhindern, dass der Antragsgegner den Steueranspruch gegenüber dem Antragstellers geltend machen kann. Maßgebend für die Beurteilung, ob ein treuwidriges Verhalten vorliegt, ist die Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, die zur streitigen Nachforderung geführt haben. Im Rahmen dieser auch im Streitfall zu treffenden Gesamtwürdigung dürften nicht nur die jeweiligen rechtlichen Voraussetzungen für den Erlass des gegen die Arbeitnehmer gerichteten Bescheides von Bedeutung sein, sondern darüber hinaus das Gesamtverhalten der seitens der Finanzverwaltung Handelnden bei der Behandlung der steuerlichen Folgen der Ausgleichzahlung. So kann der Umstand, dass es zu der "unrichtigen" Lohnsteuereinbehaltung im Jahr 2006 - unstreitig - erst aufgrund der als Ergebnis von Verhandlungen der "A" erteilten Anrufungsauskunft gekommen ist, möglicherweise ebenso zu berücksichtigen sein wie die Tatsache, dass die Finanzverwaltung mit Ausnahme des Widerrufs der Anrufungsauskunft zunächst untätig geblieben ist und - soweit ersichtlich - auch nicht der Versuch unternommen wurde, die Lohnsteueranmeldung, die als Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gilt (§ 150 Abs. 1 Satz 2 i.V. mit §§ 167, 168 AO), zu ändern. In Betracht zu ziehen sein könnte ferner der Umstand, dass - obwohl der Oberfinanzdirektion Rheinland der Sachverhalt wohl bereits im September 2006 bekannt geworden war - mit einer Lohnsteueraußenprüfung erst im September 2007 begonnen wurde. Zieht man weiter in Betracht, dass durch die Zusage im Zusammenwirken mit dem Arbeitgeber und dem Finanzamt "C" zumindest billigend in Kauf genommen wurde, dass die rechtlichen Voraussetzungen für eine Berücksichtigung der Nachteilsausgleichszahlungen als negativem Arbeitslohn und einem Abzug der Individualsteuerbeträge im Jahr 2006 nicht erfüllt waren, könnte es sich durchaus treuwidrig darstellen, die zutreffenden steuerrechtlichen Folgen in einem späteren Veranlagungszeitraum (wieder) herzustellen. Zudem könnte in die Betrachtung einzubeziehen sein, dass es den Beteiligten auch darum ging, nachträglich den materiell "richtigen" Steueranspruch gegenüber den Arbeitnehmern zu verwirklichen, nachdem sich herausgestellt hatte, dass es in den Jahren 2001 bis 2005 zu Unrecht zu einer Versteuerung der Nachteilsausgleichs bei den Arbeitnehmern gekommen ist und zwar möglicherweise ungeachtet dessen, ob die Beteiligten zutreffend von einem fiktiven Lohnabfluss oder negativem Arbeitslohn ausgehen konnten. Zu entscheiden dürfte in diesem Zusammenhang auch darüber sein, ob es der Finanzverwaltung jedenfalls dann verwehrt ist, auf die Zuständigkeit einzelner Finanzbehörden und deren Kenntnis von entscheidungserheblichen Sachverhalten zu verweisen, wenn es sich um einen Sachverhalt handelt, bei dem mehrere Behörden tätig werden und bei dem - wie vorliegend - die Oberfinanzdirektion nicht nur Kenntnis von allen maßgeblichen Umständen hatte, sondern auch den Lauf des Geschehens nicht unwesentlich beeinflusste. Insoweit könnten Handlungen in der Sphäre der Finanzverwaltung, die isoliert betrachtet nicht treuwidrig erscheinen, den Sachverhalt bei einer Gesamtwürdigung möglicherweise unter dem Aspekt von Treu und Glauben in einem anderen Licht erscheinen lassen.

Angesichts der Vielzahl der entscheidungserheblichen Aspekte bestehen Unsicherheiten bezüglich verschiedener Rechtsfragen, wie z.B. hinsichtlich der Beurteilung des Widerrufs im vorgreiflichen Revisionsverfahren VI R 3/09 und vor allem der Gesamtwürdigung der im Rahmen einer Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben. Deshalb muss eine abschließende Würdigung dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, so dass eine Aufhebung der Vollziehung gerechtfertigt erscheint. Damit kommt es bei der Beurteilung der Erfolgaussichten des Antrags auch letztlich nicht darauf an, ob der weitere Einwand des Antragstellers durchgreift, dass der Antragsgegner als Wohnsitzfinanzamt zum Erlasse des Nachforderungsbescheids nicht zuständig gewesen wäre.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Ende der Entscheidung

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