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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 02.01.2008
Aktenzeichen: 14 K 2546/07 Kg
Rechtsgebiete: EStG, VO Nr. 1408/71 EG, VO Nr. 574/72 EWG


Vorschriften:

EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1
EStG § 63
EStG § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
VO Nr. 1408/71 EG
VO Nr. 574/72 EWG
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

14 K 2546/07 Kg

Tenor:

Der Bescheid vom 15. August 2006 und die Einspruchsentscheidung vom 5. Juni 2007 werden aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Gewährung von Kindergeld für seine Söhne N., P. und B. unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Der Kläger ist polnischer Staatsangehöriger.

Er ist der Vater des am 16. Oktober 1995 geborenen N., des am 19. September 1997 geborenen P. und des am 17. September 1999 geborenen B.. Alle drei Kinder leben bei der Kindesmutter in Polen.

Der Kläger ist in der Bundesrepublik Deutschland als Trockenbauer selbstständig tätig. Wohnsitz und Betriebsstätte gab der Kläger zunächst mit "A-Straße. 1" in B-Stadt an.

Am 1. März 2006 meldete sich der Kläger zur C-Straße. 2 in B-Stadt um. Dazu überreichte er die erste Seite eines Mietvertrages über eine 20 qm große Wohnung an der vorgenannten Adresse.

Unter dem 15. August 2005 beantragte der Kläger die Gewährung von Kindergeld für seine drei Kinder.

Ausweislich des auszugsweise übersetzten Formulars "E 411" hatte die Kindesmutter im Zeitraum 1. April 2005 bis 10. Oktober 2005 wegen des hohen Einkommens des Klägers keinen Anspruch auf Familienleistungen. Desweiteren enthält das Formular folgende "Informationen betreffend der Familienleistungen für die einzelnen Familienmitglieder: N. - 43 Zl., P. - 43 Zl., B. - 53 Zl."

Auf die Bitte des Beklagten, den Beginn des Mietverhältnisses in der A-Straße nachzuweisen, legte der Kläger einen Mietvertrag vor, in dem jegliche Wohnanschrift fehlt und die insgesamt sechs Personen als Mieter ausweist, wobei der Kläger als "Nr. 5" zwischen den mit Nummer 4 und 5 bezeichneten Mietern erwähnt ist. Der Mietvertrag trägt das Datum: 15. Oktober 2004.

Ausweislich einer Gewerbeummeldung hat der Kläger am 19. Oktober 2004 bei der Handwerkskammer eine sog. Handwerkskarte beantragt.

Mit Bescheid vom 15. August 2006 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung von Kindergeld ab. Zur Begründung machte sie geltend, die Voraussetzungen des § 62 EStG seien nicht erfüllt.

Am gleichen Tag ging bei der Beklagten eine Kopie der Gewerbeanmeldung des Klägers vom 5. August 2004 ein. Dazu überreichte der Kläger nunmehr die Kopie eines Mietvertrages über Dachgeschossräume in der A-Straße 1, ausweislich der das Mietverhältnis ab dem 1. Juni 2005 bestand.

Mit Schreiben vom 27. August 2006 legte der Kläger sodann Einspruch ein. Zur Begründung machte er geltend, sein gewöhnlicher Aufenthalt sei in Deutschland und außerdem sei er unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.

Auf Nachfrage der Beklagten, ob er in einer Versicherung der selbständig Erwerbstätigen für den Fall des Alters versicherungs- oder beitragspflichtig sei, gab der Kläger an, er sei weder versicherungs- noch beitragspflichtig in irgendwelchen sozialen Versicherungen.

Aufgrund einer weiteren Nachfrage der Beklagten zu einer Versicherungspflicht in Polen überreichte der Kläger die Übersetzung einer polnischen Bescheinigung derzufolge er der Sozialversicherung für Landwirte unterlag im Zeitraum vom "1.1.2006 - bis weiterhin".

Mit Einspruchsentscheidung vom 5. Juni 2007 lehnte die Beklagte den Einspruch des Klägers als unbegründet ab. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger erfülle die Anspruchsvoraussetzungen des § 62 Abs. 1 EStG für einen steuerrechtlichen Kindergeldanspruch in Deutschland. Für das genannte Kind bestehe jedoch zugleich in einem anderen Staat der Europäischen Union (EU) bzw. des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) oder der Schweiz ein Anspruch auf Kindergeld, nämlich in Polen.

Welcher Anspruch vorrangig sei, bestimme sich im Verhältnis zu anderen EU-/EWR-Staaten und der Schweiz nach den Regelungen der Verordnung (EWG) 1408/71 (VO) bzw. der hierzu ergangenen Durchführungsverordnung (EWG) 574/72 (DVO). Diese Verordnungen gingen als überstaatliche Vorschriften der deutschen Rechtsordnung vor und seien in Deutschland unmittelbar geltendes Recht (vgl. Art. 249 Abs. 2 des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft).

Unterliege der Antragsteller nach Art. 13-17 VO ausschließlich ausländischen Rechtsvorschriften, so bestehe kein Anspruch auf deutsches Kindergeld. Dies sei der Fall, wenn eine Pflichtversicherung im Heimatland bestehe.

Der Kläger sei zwar als Selbständiger in Deutschland erwerbstätig, jedoch nicht in dem gesonderten Alterssicherungssystem der Selbständigen oder in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig (s. Anhang I Teil I Buchstabe C VO).

Vielmehr unterliege er kraft Gesetzes im Bereich Pensionen-Renten, Krankenversicherung und Mutterschaftsversicherung der Sozialversicherung für Landwirte in Polen. Dies schließe einen Anspruch auf deutsches Kindergeld aus.

Mit der am 6. Juli 2007 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Beklagten zu verpflichten, ihm unter Aufhebung des Bescheides vom 15. August 2006 und der Einspruchsentscheidung vom 5. Juni 2007 ab August 2005 für seine Kinder N., P. und B. Kindergeld in der gesetzlichen Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung nimmt sie Bezug auf die Einspruchsentscheidung.

Auf Nachfrage des Gerichts hat die Handwerkskammer D-Stadt unter dem 12. Oktober 2007 mitgeteilt, dass der Kläger seit dem 5. November 2004 mit dem Fliesen-, Platten- und Mosaikleger- und Estrichlegerhandwerk in dem Verzeichnis der zulassungsfreien Handwerke geführt wird.

Am 29. November 2007 hat ein Erörterungstermin stattgefunden; auf das zugehörige Protokoll wird Bezug genommen. Im Rahmen des Erörterungstermins haben sich die Beteiligten mit einer Übertragung des Rechtsstreits auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin und mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung -FGO).

Die Klage ist begründet, soweit sich der Kläger dagegen wendet, dass die Beklagte die Festsetzung von Kindergeld für seine Söhne mit der Begründung verweigert hat, er gehöre nicht zum Kreis der Personen, die nach § 62 EStG Anspruch auf Kindergeld hätten. Insoweit ist der angefochtene Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 101 Satz 1 FGO).

Die Beklagte hat den Antrag auf Gewährung von Kindergeld für die Söhne N., P. und B. zuletzt mit der Begründung abgelehnt, man gehe davon aus, dass sich die Frage der Anwendbarkeit deutschen Kindergeldrechts nach den Regelungen der Verordnung (EWG) 1408/71 VO bzw. der dazu ergangenen Durchführungsverordnung (EWG) 574/72 DVO bestimme. Da der Kläger nicht von dem persönlichen Geltungsbereich der VO erfasst werde, sei deutsches Kindergeldrecht mithin nicht anwendbar.

Das Gericht ist der Auffassung, dass die Beklagte die Frage der Gewährung von deutschem Kindergeld ausgehend von den Regelungen des Einkommensteuergesetzes zu prüfen hat und lediglich in diesem Zusammenhang die Frage zu klären ist, ob die Ausschlussklausel des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG von speziellem europäischen Recht (hier der EG-VO Nr. 1408/71 i.V.m. VO (EWG) Nr. 574/72) verdrängt wird, was im Ergebnis auszuschließen ist, weil der Kläger - was auch die Beklagte zuletzt eingeräumt hat überhaupt nicht in den persönlichen Anwendungsbereich der vorgenannten Verordnung fällt.

Das Gericht ist nicht verpflichtet, bis zur Spruchreife aufzuklären, ob der Kläger für den Streitzeitraum nach inländischem Recht einen Anspruch auf Kindergeld für seine Söhne hat. Es darf sich vielmehr darauf beschränken, die von der Beklagten für die Ablehnung der Kindergeldfestsetzung angeführten Gründe auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen (BFH-Urteil vom 2. Juni 2005 III R 66/04, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2006, 184). Das Gericht macht von dieser Befugnis Gebrauch, weil es weiterer Aufklärung bedarf, ob der Kläger sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllt. Danach war lediglich der angefochtene Bescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben. Die Beklagte hat gemäß § 101 Satz 2 FGO über den Antrag des Klägers nach Maßgabe der nachfolgen-den Ausführungen erneut zu entscheiden.

Nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG hat für Kinder i.S. des § 63 EStG Anspruch auf Kindergeld, wer im Inland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dass der Kläger diese Voraussetzung erfüllt, ist nicht streitig. Der Kläger ist nach § 1 Abs. 1 EStG in der Bundesrepublik Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig. Die Meldebescheinigung der Stadt B-Stadt und die Gewerbe-Anmeldung lassen insoweit auch keinen Zweifel zu.

Nach § 62 Abs. 2 EStG ergibt sich für den Kindergeldanspruch des Klägers ebenfalls keine Einschränkung. Der Kläger genießt seit dem Beitritt Polens zur EU am 1. Mai 2004 gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügigkeitsG/EU) Freizügigkeit (vgl. DA 62.4.3 der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes DA-FamEStG vom 5. August 2004, BStBl I 2004, 742, i.d.F. vom 13. Juni 2007).

Da die in Polen bei der Ehefrau des Klägers lebenden Söhne seit dem Beitritt Polens zur EU am 1. Mai 2004 in einem EU-Mitgliedsstaat leben, scheitert der Anspruch auch nicht an § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG.

Ausgeschlossen sein könnte der Anspruch jedoch durch § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, wenn der Kläger oder seine Ehefrau während des Streitzeitraumes in Polen (teilweise) Anspruch auf Leistungen für die Söhne hatten, die dem Kindergeld oder einer der in § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG genannten Leistungen vergleichbar sind.

Nach dieser Vorschrift wird Kindergeld nicht für ein Kind gezahlt, für das Leistungen, die dem Kindergeld vergleichbar sind, im Ausland gewährt werden oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wären.

Dabei regelt § 65 EStG die Anspruchskonkurrenz zwischen kindbezogenen innerstaatlichen Leistungen und vergleichbaren kindbezogenen ausländischen Leistungen, sofern für Letztere nicht spezielles europäisches Recht oder Abkommensrecht gilt. Dementsprechend gilt § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in der Regel nicht für Leistungen von EU-Mitgliedstaaten und EWR-Staaten; der grundsätzliche Ausschluss nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG tritt in Fällen, in denen ein Kindergeldanspruch sowohl im Inland als auch in einem anderen EU-Staat in Betracht kommt, gegenüber vorrangigen zwischenstaatlichen Regelungen zurück. Für EU-Bürger, zu denen die polnischen Staatsangehörigen seit dem 1. Mai 2004 gehören, richtet sich die Frage des Kindergeldanspruchs folglich in erster Linie nach der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer, Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern -VO (EWG) 1408/81- (aktualisierte Gesamtfassung in der Verordnung (EG) Nr. 118/797 des Rates vom 2. Dezember 1996 -VO (EG) 1118/97-, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften -ABIEG- Nr. L 28 vom 30. Januar 1997) i.V.m. der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der VO (EWG) Nr. 1478/71 -VO (EWG) 574/72- (aktualisierte Gesamtfassung in der VO (EG) Nr. 118/97, ABIEG Nr. L 28 vom 30. Januar 1997, zum Anwendungsvorrang der VO vor § 65 EStG vgl. auch BFH-Urteil vom 13. August 2002 VIII R 54/00, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofes BFH/NV 2002, 1581; FG Brandenburg, Urteil vom 19. Juni 2002 6 K 2219/01, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2002, 1314; FG Köln, Urteil vom 23. Juni 2005, 10 K 5712/04, EFG 2005, 1704).

Vorliegend wird die Vorschrift des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG jedoch nicht durch die Verordnung Nr. 1408/71 sowie die Verordnung Nr. 574/72 verdrängt, denn das deutsche Kindergeld fällt zwar in den sachlichen Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 (vgl. dazu BFH-Urteil vom 13. August 2002 VIII R 54/00, Bundessteuerblatt BStBl II 2002, 869; Bundesverfassungsgericht -BVerfG-, Beschluss vom 8. Juni 2004, 2 BvL 5/00, Amtliche Sammlung von Entscheidungen des BVerfG -BVerfGE- 110, 412 ), da die Verordnung gemäß ihres Art. 4 Abs. 1 lit h) Familienleistungen wie das deutsche Kindergeld umfasst. Der Kläger wird aber nach im Übrigen unstreitiger Auffassung der Beteiligten nicht vom persönlichen Geltungsbereich dieser Verordnung erfasst. Denn die Verordnung ist auf Selbständige nur anwendbar, wenn sie in einer alle Erwerbstätigen umfassenden Altersversicherung versicherungs- oder beitragspflichtig sind (vgl. dazu BFH-Urteil vom 13. August 2002 VIII R 54/00, BStBl II 2002, 869; FG Münster, Urteil vom 26. Mai 2004, 1 K 2067/01, EFG 2004, 1849; Hessisches FG, Urteile vom 10. Oktober 2006 2 K 958/06, n.v. und vom 23. Mai 2007, 3 K 3143/06, n.v.).

Dies ist vorliegend nicht der Fall. Der Kläger ist im Streitzeitraum zwar in der Bundesrepublik Deutschland selbständig tätig gewesen, er unterliegt aber unstreitig nicht der Versicherungspflicht der deutschen Rentenversicherung.

Nach dem danach maßgeblichen § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG wäre der Anspruch auf Festsetzung von Kindergeld nach dem EStG hier ausgeschlossen, wenn und soweit dem Kläger in Polen Leistungen gewährt wurden bzw. werden oder bei entsprechender Antragstellung zu gewähren (gewesen) wären, die dem Kindergeld vergleichbar sind.

Die Frage lässt sich zur Zeit nicht abschließend beantworten.

Der Kläger selbst hat im Erörterungstermin vorgetragen, er habe in Polen zunächst kein Kindergeld beantragt, weil er deutsches Kindergeld habe erhalten wollen. Der auszugsweisen Übersetzung des Formulars "E 411" ist hingegen zu entnehmen, dass jedenfalls für den Zeitraum von April 2005 bis Oktober 2005 kein Anspruch auf Familienleistungen bestanden haben soll, weil das Einkommen des Klägers zu hoch war. Gegebenenfalls wird bei der zuständigen polnischen Behörde eine ausführliche Auskunft einzuholen sein, der die Gewährung der dem Kindergeld entsprechenden Leistungen nach Zeiträumen gestaffelt (August 2005 bis August 2006, ab September 2006 etc.) zu entnehmen ist.

Sollte sich dabei herausstellen, dass der Kläger und seine Ehefrau einen Kindergeldanspruch in Polen - und sei es auch nur zeitweise nicht geltend gemacht haben, wird die Beklagte durch Einholung einer Auskunft der zuständigen polnischen Behörde zu klären haben, ob dem Kläger oder seine Ehefrau Kindergeld zugestanden hätte, wenn sie es beantragt hätten und falls nicht, worauf die Verweigerung polnischen Kindergeldes ggf. beruht (womöglich tatsächlich zu hohes Familieneinkommen etc.).

Sollten dem Kläger oder seiner Ehefrau im Streitzeitraum - auch nur zeitweise polnische Familienleistungen gezahlt worden sein, müsste die Beklagte folgendes klären:

Zunächst wäre zu ermitteln, wie hoch die ggf. gewährten polnischen Familienleistungen in den unterschiedlichen Zeiträumen waren und sodann eine Entscheidung dahingehend zu fällen, ob diese polnischen Leistungen und das deutsche Kindergeld vergleichbar sind.

Die Vergleichbarkeit mehrerer kindbezogener Leistungen richtet sich nicht nach der rechtlichen Ausgestaltung des Anspruchs, sondern nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Zur Vermeidung von Doppelleistungen kommt es lediglich darauf an, ob die zu vergleichende Leistung wirtschaftlich die gleiche Zielrichtung verfolgt wie das Kindergeld (BFH-Beschluss vom 30. Juni 2005 III B 9/05, BFH/NV 2005, 2007 m.w.N.).

Im Anschluss daran wird in diesem Zusammenhang zu überlegen sein, ob die Aussage des BVerfG, wonach es denkbar wäre, dass bei ganz geringfügigen ausländischen Leistungen die funktionelle Vergleichbarkeit entfallen könnte (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 2004, 2 BvL 5/00, BVerfGE 110, 142 unter C.II 3.b)aa) (1)(a), letzter Satz), für das vorliegende Verfahren Relevanz hat, d.h. ausnahmsweise womöglich trotz des Bezuges polnischen Kindergeldes die Gewährung deutschen Kindergeldes nicht nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ausgeschlossen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO (vgl. BFH-Urteil vom 2. Juni 2005 III R 66/04, BStBl II 2006, 184).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.



Ende der Entscheidung

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