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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 11.11.2004
Aktenzeichen: 14 K 4058/02 EZ
Rechtsgebiete: EigZulG


Vorschriften:

EigZulG § 5
EigZulG § 11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Streitig ist die Berechtigung des Beklagten zur rückwirkenden Aufhebung einer Eigenheimzulagenfestsetzung wegen eines Überschreitens der maßgeblichen Einkunftsgrenze.

Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden und einen im Jahr 1998 geborenen Sohn haben. Sie erwarben und bezogen im Jahr 2000 ein neu errichtetes Reihenhaus zu je 1/2 Anteil. Der Kaufpreis betrug 610.000 DM. Am 20. März 2001 stellten die Kläger einen Antrag auf Eigenheimzulage ab dem Jahr 2000. In dem zur Antragstellung verwendeten Formularvordruck Zeilen 71 bis 73 fügten die Kläger in das Leerfeld des Satzes "Der Gesamtbetrag der Einkünfte des Jahres, für das erstmals dieser Antrag gestellt wird, wird zusammen mit dem Gesamtbetrag der Einkünfte des vorangegangenen Jahres voraussichtlich...nicht übersteigen." handschriftlich den Betrag von "484.738 DM" ein.

Mit dem Bescheid über Eigenheimzulage ab 2000 vom 18. April 2001 setzte der Beklagte die Eigenheimzulage für die Jahre 2000 bis 2007 jeweils auf 6.500 DM fest.

Nach einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen zur Einkommensteuer 1999 reichten die Kläger am 28. August 2001 die Einkommensteuererklärung 1999 und am 28. Dezember 2001 die Einkommensteuererklärung 2000 ein. Der zu Grunde gelegte Gesamtbetrag der Einkünfte des Einkommensteuerbescheides 1999 vom 22. November 2001 betrug 222.091 DM und der des Einkommensteuerbescheides 2000 vom 20. März 2002 181.099 DM, insgesamt also 403.190 DM.

Der Beklagte hob die Festsetzung der Eigenheimzulage mit Bescheid vom 26. März 2002 nach § 11 Abs. 4 des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG) wegen eines Überschreitens der Einkunftsgrenze auf.

Gegen den Bescheid legten die Kläger am 2. April 2002 Einspruch ein und machten geltend, eine Aufhebung der Eigenheimzulage sei nicht zulässig, da sie bereits bei der Antragstellung Einkünfte in Höhe von 484.738 DM angegeben hätten. Das Überschreiten der Einkunftsgrenze sei dem Beklagten mithin bekannt gewesen. Materielle Fehler könnten nur nach § 11 Abs. 5 EigZulG beseitigt werden, sodass eine Aufhebung frühestens ab 2002 in Betracht komme.

Der Beklagte wies den Einspruch mit der Einspruchsentscheidung vom 26. Juni 2002 als unbegründet zurück. In den Gründen führte er an, die Tatsache, dass die Kläger in ihrem Antrag auf Eigenheimzulage von einem voraussichtlichen Gesamtbetrag der Einkünfte von insgesamt 484.738 DM ausgegangen seien, führe nicht zu einem Ausschluss der Änderungsbefugnis nach § 11 Abs. 4 EigZulG. Die Finanzbehörde könne zunächst antragsgemäß entscheiden und die endgültige Feststellung des Überschreitens der Einkunftsgrenze von der Abgabe der Einkommensteuererklärung für das Erstjahr bzw. Antragsjahr und der darauf beruhenden Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte abhängig machen, ohne dass hierin ein der Aufhebung entgegen stehender Ermittlungsfehler liege. Der von den Klägern in dem Antrag angegebene Betrag von 484.738 DM rechtfertige nicht die Annahme, die Behörde sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass trotz des Überschreitens der Einkunftsgrenze die Eigenheimzulage zu gewähren sei.

Mit ihrer Klage vom 24. Juli 2002 machen die Kläger ergänzend geltend: Da sie bereits bei der Antragstellung den Betrag von 484.738 DM angegeben hätten, der die maßgebliche Einkunftsgrenze deutlich überschreite, hätte die Behörde dem Antrag nicht stattgeben dürfen. Der Beklagte könne sich nicht darauf berufen, ihm seien die tatsächlichen Einkünfte nicht bekannt gewesen. Denn unter dem Begriff "Bekanntwerden" sei nicht die sichere Feststellung zu verstehen, sondern der Begriff müsse in Bezug zu den Angaben im Antrag gesehen werden. Da die Angabe der Einkünfte bei der Antragstellung zwingend sei, könne sie bei der Bewertung nicht außer Acht gelassen werden. Wäre dies der Fall, würde die Eigenheimzulage immer vorläufig gewährt und später eine Rückforderung erfolgen. Bei einer solchen Auslegung wäre die Angabe im Antrag jedoch völlig überflüssig, ebenso wie die Aufforderung in dem Bescheid über Eigenheimzulage, dem Finanzamt unverzüglich alle Änderungen mitzuteilen, die auf eine Gewährung der Eigenheimzulage Einfluss haben könnten. Die vom Beklagten vorgenommene Auslegung des § 11 Abs. 4 EigZulG werde dem Grundsatz der Verbindlichkeit von Verwaltungsentscheidungen nicht gerecht. Der Bürger, der vollständige und korrekte Angaben in ein Formular eintrage, dürfe darauf vertrauen, dass bei der Bescheidung die Angaben ordnungsgemäß zu Grunde gelegt und die bewilligten Gelder für die Vergangenheit verwertet werden könnten. Die Behörde sei zumindest verpflichtet, eine summarische Prüfung vorzunehmen. Die Unterlassung jedweder Prüfung der Angaben im Antrag sei vom Sinn und Zweck der Vorschrift nicht umfasst. Es solle lediglich verhindert werden, dass endgültige Entscheidungen auf Grund vorläufiger Erkenntnis ergehen. Die richtige Entscheidung des Beklagten hätte zu einer Ablehnung des Antrages führen müssen. Sollte der Beklagte bei der Bescheidung davon ausgegangen sein, die Einkunftsgrenze würde trotz gegenteiliger Angaben später unterschritten, wäre eine vorläufige Entscheidung mit entsprechendem Hinweis zu treffen gewesen. Stelle man auf die von ihnen tatsächlich erzielten Einkünfte ab, so lägen diese noch weit unter der ursprünglichen Prognose, sodass der Beklagte schon vorher ein Mehr an Erkenntnissen besessen habe. Die vom Beklagten getroffene fehlerhafte rechtliche Einordnung könne nicht zu ihren Lasten gehen.

Die Kläger beantragen,

den Bescheid über Eigenheimzulage ab 2000 vom 26. März 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. Juni 2002 dahingehend abzuändern, dass die Eigenheimzulage erst ab 2002 aufgehoben wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er nimmt Bezug auf die Gründe der Einspruchsentscheidung und macht ergänzend geltend: Bei der Antragstellung der Eigenheimzulage erfolge die Prüfung der Einkunftsgrenze am Maßstab der Wahrscheinlichkeit. Dies liege im Interesse des jeweiligen Antragstellers, da auf ein Abwarten der jeweiligen Steuerfestsetzung verzichtet werden könne. Im Gegenzug zu der schnellen Entscheidung über den Antrag müsse der Verwaltung eine entsprechende Korrekturmöglichkeit eingeräumt werden, um eine Aufhebung der Festsetzung zu ermöglichen, wenn sich die Prognose im Nachhinein als unzutreffend erweise. Auf die Gründe des Beschlusses des Finanzgerichts des Saarlandes vom 26. Juli 2001 1 V 178/01 werde insoweit verwiesen.

Zum Zeitpunkt der Festsetzung der Eigenheimzulage sei der Gesamtbetrag der Einkünfte des Erstjahres (2000) und des vorangegangenen Jahres (1999) noch nicht bekannt gewesen. Erst auf Grund der späteren Einkommensteuerbescheide für die genannten Jahre habe mit verbindlicher Wirkung festgestanden, dass keine Bewilligungsberechtigung bestand. Es sei deshalb im Zeitpunkt der Beantragung der Eigenheimzulage eine Prognose über die voraussichtlichen Gesamtbeträge der Einkünfte für 1999 und 2000 vorzunehmen gewesen. Im Zeitpunkt der Antragstellung hätten lediglich die Gesamtbeträge der Einkünfte aus den Jahren 1997 und 1998 von insgesamt 375.416 DM festgestanden. Bei einer auf diese Einkünfte gestützten Prognose sei die Einkunftsgrenze des § 5 EigZulG von insgesamt 380.000 DM nicht überschritten gewesen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Der angefochtene Aufhebungsbescheid ist hinsichtlich der Aufhebung der Eigenheimzulage für die Jahre 2000 und 2001 rechtswidrig und verletzt die Kläger insoweit in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Den Klägern steht zwar materiell-rechtlich für die Jahre 2000 und 2001 keine Eigenheimzulage zu, weil nach § 5 Satz 1 bis 3 EigZulG in der für den Streitfall maßgeblichen Gesetzesfassung der Grenzbetrag unstreitig 380.000 DM betrug, hingegen sich die Summe der Gesamtbeträge der Einkünfte der Jahre 1999 und 2000 auf insgesamt 403.190 DM (222.091 DM und 181.099 DM) beläuft.

Der Beklagte war aber verfahrensrechtlich nicht nach § 11 Abs. 4 EigZulG befugt, die Festsetzung der Eigenheimzulage wegen Überschreitens des Grenzbetrages mit Wirkung "ex tunc" für die Jahre 2000 und 2001 aufzuheben. Nach der genannten Vorschrift ist der Bescheid über die Festsetzung der Eigenheimzulage aufzuheben oder zu ändern, wenn nachträglich bekannt wird, dass der Gesamtbetrag der Einkünfte in den nach § 5 EigZulG maßgeblichen Jahren insgesamt die Einkunftsgrenze über- oder unterschreitet.

Das Überschreiten der Einkunftsgrenze ist dem Beklagten nicht nachträglich bekannt geworden. Hinsichtlich der Auslegung des Tatbestandsmerkmals des nachträglichen Bekanntwerdens im Rahmen des § 11 Abs. 4 EigZulG ist zwar die zu § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) ergangene Rechtsprechung nicht anwendbar (Beschluss des Finanzgerichts - FG - des Saarlandes vom 26. Juli 2001 1 V 178/01, n.v., Juris Nr. STRE 200171248; Beschluss des FG Hamburg vom 4. Juni 2004 VII 96/04, n.v., Juris Nr. STRE 200471271; Blümich/Erhard, § 11 EigZulG Rz. 44; Giloy, Kommentar zum Eigenheimzulagengesetz, 3. Auflage, § 11 Rz. 36; Wacker, Eigenheimzulagengesetz, 3. Auflage, § 11 Rz. 102; a. A. Handcik/Meyer, Die Eigenheimzulage, 4. Auflage, § 11 EigZulG Rz. 399). § 11 Abs. 4 EigZulG ist der Bestimmung des § 173 Abs. 1 AO nachgebildet, aber gleichwohl weiter gefasst ist. Weder ist § 11 Abs. 4 EigZulG in seiner Anwendung auf Tatsachen oder Beweismittel beschränkt, noch spielt die Frage des Verschuldens nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO eine Rolle. Ein solches Verständnis widerspräche auch dem vom Gesetzgeber mit der Vorschrift verfolgten Anliegen, wonach die (erstmalige) Prüfung der Einkunftsgrenze sehr häufig - ganz oder teilweise - am Maßstab der überwiegenden Wahrscheinlichkeit vorzunehmen ist (vgl. Wacker, a. a. O., § 11 Rz. 101). Im Interesse des Zulagenberechtigten kann die Finanzbehörde bereits vor der abschließenden Prüfung, ob die Einkommensgrenze überschritten wird, die Festsetzung der Eigenheimzulage vornehmen, die im Hinblick auf die Prüfung dieser Voraussetzung vorläufig ist. Von daher ist es im Rahmen einer angemessenen Risikoverteilung gerechtfertigt, die Behörde von umfangreichen Ermittlungen (etwa zum aktuellen Einkommen des Antragstellers) frei zu stellen. Der Behörde ist auch kein die Aufhebung ausschließender Ermittlungsfehler anzulasten, wenn sie es unterlässt, aktuelle Informationen über die Höhe der Einkünfte einzuholen (vgl. FG des Saarlandes, a.a.O.; FG Hamburg, a.a.O.; Wacker, a.a.O., § 11 Rz. 101).

Entgegen der Auffassung des Beklagten liegt aber nicht generell erst nach dem Ergehen der für den Grenzbetrag maßgeblichen Einkommensteuerbescheide ein nachträgliches Bekanntwerden vor. Die Behörde kann sich dann nicht auf ein nachträgliches Bekanntwerden berufen, wenn ihr bereits im Zeitpunkt der Schlusszeichnung sämtliche für eine Ermittlung der Gesamtbeträge der Einkünfte relevanten Umstände bekannt sind und sie sich gleichwohl mit einer fehlerhaften Wahrscheinlichkeitsprüfung begnügt (vgl. Wacker, a. a. O., § 11 Rz. 102; Erhard/Blümich, a. a. O.). Die Behörde hat im Zeitpunkt der Antragstellung anhand der Angaben des Antragstellers eine Prognoseentscheidung darüber zu treffen, ob die für die Gewährung der Eigenheimzulage maßgebliche Einkunftsgrenze überschritten wird oder nicht. Muss die Behörde bereits im Zeitpunkt dieser Prognoseentscheidung von Einkünften ausgehen, die über dem maßgeblichen Grenzbetrag liegen, sind also die Voraussetzungen für die Gewährung der Eigenheimzulage nicht schlüssig, tritt keine rechtserhebliche Änderung ein, die eine spätere abweichende Entscheidung rechtfertigt. Die Annahme, dass im Falle einer noch nicht verbindlichen Einkommensteuerfestsetzung der maßgeblichen Veranlagungszeiträume immer ein nachträgliches Bekanntwerden vorliegt, stünde im Widerspruch dazu, dass nach der Entscheidung des Gesetzgebers der Gesamtbetrag der Einkünfte verfahrensrechtlich selbstständig, d. h. unabhängig von der Durchführung und den Ergebnissen der Einkommensteuerveranlagung zu ermitteln ist. Nach den Gesetzesmaterialien zu § 5 EigZulG (BRDrs. 498/95) wurde die Regelung des Regierungsentwurfs zu § 5 Abs. 2 EigZulG, nach der dem Einkommensteuerbescheid für die Höhe des Gesamtbetrages der Einkünfte eine Feststellungswirkung zukommen sollte, gestrichen. D. h. der maßgebliche Grenzbetrag der Einkünfte ist verfahrensrechtlich grundsätzlich unabhängig von der Einkommensteuerveranlagung zu ermitteln. Folge dieser "Vereinfachung bei der Überprüfung der Einkunftsgrenze" (so Finanzausschluss BTDrs. 13/2784) soll ausweislich der Gesetzesbegründung sein, dass der Steuerpflichtige glaubhaft zu machen hat, dass er die Grenzen nicht verletzt (vgl. Wacker, a.a.O., § 5 Rz. 3).

Bereits aus dem Antrag der Kläger ergab sich, dass die von ihnen angegebenen voraussichtlichen Gesamtbeträge der Einkünfte deutlich über dem Grenzbetrag von 380.000 DM lagen. Anhaltspunkte dafür, dass sich die Einkünfte verringern würden, bestanden nicht. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass im Zeitpunkt der Antragstellung am 19. März 2001 die maßgeblichen Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 bereits abgelaufen waren. Hieraus ergab sich für den Beklagten, dass kein Anlass für die Annahme einer Änderung bestand. Deshalb hätte der Bescheid über die Festsetzung der Eigenheimzulage ab 2000 von vorneherein wegen fehlender Schlüssigkeit nicht ergehen dürfen.

Die vorstehende Rechtsauffassung steht nicht im Widerspruch zu dem vom Beklagten zitierten Beschluss des FG des Saarlandes vom 26. Juli 2001 1 V 178/01. Denn der Sachverhaltsdarstellung dieser Entscheidung lassen sich keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass im Zeitpunkt der Bewilligung der Eigenheimzulage - im Gegensatz zum vorliegenden Streitfall - eindeutige Angaben des Antragstellers zu den Einkünften vorlagen, so dass die Behörde entsprechend dem dargestellten Normzweck nur zur Vornahme einer vom Umfang her überschlägigen Prüfung verpflichtet war. In den Entscheidungsgründen wird lediglich angeführt, dass der Behörde kein Ermittlungsfehler anzulasten sei, weil sie keine Feststellungen zu den aktuellen Einkünften des Antragstellers getroffen habe.

Die Eigenheimzulage konnte somit nach § 11 Abs. 5 EigZulG nur mit "ex nunc" Wirkung für die Zukunft ab 2002 aufgehoben werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

Ende der Entscheidung

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