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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 01.06.2006
Aktenzeichen: 15 K 293/05 H
Rechtsgebiete: FGO, AO


Vorschriften:

FGO § 56 Abs. 1
FGO § 56 Abs. 2 S. 2
AO § 34 Abs. 1
AO § 69
AO § 191 Abs. 1
AO § 219 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

15 K 293/05 H

Haftung f. rückständige Ansprüche d. Fa. "E-GmbH"

In dem Rechtsstreit

...

hat der 15. Senat in der Besetzung:

Vorsitzender Richter am Finanzgericht

Richter am Finanzgericht

Richter am Finanzgericht

ehrenamtlicher Richter

ehrenamtlicher Richter

auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 01.06.2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Der Haftungsbescheid vom 07.10.2004 wird dahingehend geändert, dass die Haftungssumme auf 212.752,69 EUR herabgesetzt wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Inanspruchnahme aufgrund eines Haftungsbescheids.

Der Kläger war Gesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der ""E-GmbH"" (ehemals ""I-GmbH""), "F-Straße 1, XXXXX "S-Stadt". Die Gesellschaft wurde am 04.07.2001 gegründet. Gegenstand des Unternehmens war nach § 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags "das Halten von Beteiligungen an anderen Gesellschaften, die Verwaltung von eigenem Vermögen und die Beratung von anderen Unternehmen". Das Stammkapital betrug 30.000,00 EUR. Gesellschafter waren neben dem Kläger der Rechtsanwalt Dr. "G", "Y-Straße 2, XXXXY S-Stadt" und der Rechtsanwalt "L", "B-Straße 3, XXXXZ S-Stadt". Die Gesellschafter übten ihre Tätigkeit als Rechtsanwälte gemeinschaftlich in der Rechtsanwaltsozietät Dres. "G" & "I", "F-Straße 1, XXXXX "S-Stadt" aus. Der Mitgesellschafter "L" schied im Juli 2002 aus der Gesellschaft aus.

Das Wirtschaftsjahr der Gesellschaft lief vom 01.07. bis zum 30.06. des Folgejahres. Im ersten Geschäftsjahr ihrer Tätigkeit erwirtschaftete die Gesellschaft einen Gewinn von 137.544,46 EUR. Dieser wurde in der Bilanz zum 30.06.2002 vollständig in die Kapitalrücklage eingestellt. Die Bilanz auf den 30.06.2003 wies einen Fehlbetrag in Höhe von ./. 156.614,38 EUR auf. Über sonstiges, werthaltiges Vermögen verfügte die Gesellschaft nicht.

Vom 10.12.2002 bis zum 12.12.2002 führte der Beklagte - das Finanzamt "S-Stadt" - bei der GmbH eine Umsatzsteuersonderprüfung durch (PrüfLNr. XXX/02). Im Rahmen dieser Betriebsprüfung wurde ein Mehrumsatz in Höhe von 38.500,00 EUR festgestellt, so dass sich die Gesamtumsätze der Gesellschaft im III. Quartal 2002 statt auf 200.000,00 EUR auf 238.500,00 EUR beliefen (vgl. Tz. 14 des Prüfungsberichts). Das Mehrergebnis betrug 6.160,00 EUR. Die Umsatzsteuersonderprüfung wurde vom Kläger als Geschäftsführer der Gesellschaft begleitet. Noch vor Auswertung des Berichts wurde dieser dem Kläger zur Stellungnahme zugeleitet.

Anlässlich der Auswertung des Berichts kam es beim Beklagten bei der Erstellung des geänderten Vorauszahlungsbescheids für das III. Quartal 2002 vom 30.01.2003 zu einem Eingabefehler. Statt des Umsatzes in Höhe von 238.500,00 EUR wurde dieser Betrag als "Vorsteuerbeträge aus Rechnungen von anderen Unternehmen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG) und aus innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäften (§ 25b Abs. 5 UStG)" eingegeben. Dies führte zu einer Erstattung zugunsten der Gesellschaft in Höhe von 210.247,56 EUR. Aufgrund des geänderten Umsatzsteuervorauszahlungsbescheids vom 30.01.2003 wurde der Gesellschaft der ausgewiesene Betrag am 05.02.2003 auf deren Konto "111" bei der "E-Bank" erstattet. In Kenntnis, dass diese Erstattung zu Unrecht erfolgte, veranlasste der Kläger zwei Tage später am 07.02.2003 die sofortige Umbuchung des Gesamtbetrags auf das Konto "222" der GmbH bei der "W-Bank". Am 10.02.2003 sind dann auf telefonischen Auftrag des Klägers drei Überweisungen über 160.000,00 EUR, 20.000,00 EUR und 30.000,00 EUR getätigt worden. Der Mitgesellschafter des Klägers tätigte am 11.02.2003 eine Bareinzahlung über 20.000,00 EUR und überwies anschließend den Betrag von 27.237,03 EUR an die "C-Bank" für den Erwerb eines Kraftfahrzeugs. Die Überweisung über 160.000,00 EUR wurde zunächst storniert. Der Betrag wurde dann jedoch unter dem Wertstellungsdatum 10.02.2003 in drei Teilbeträgen von 35.469,94 EUR, 10.796,26 EUR sowie 113.733,80 EUR an die Gesellschafter überwiesen. Der Zahlungseingang vom 05.02.2003 ist in der auf den 30.06.2003 aufgestellten Gewinnermittlung der Gesellschaft nicht enthalten. Die Bilanz auf den 30.06.2003 weist einen Verlust in Höhe von ./. 159.764, 61 EUR aus.

Im Juni 2003 bemerkte der Beklagte den Erfassungsfehler. Am 23.06.2003 erließ er einen nach § 129 Abgabenordnung - AO - geänderten Vorauszahlungsbescheid für das III. Quartal 2002, was zur Rückforderung des zu Unrecht erstatteten Betrags führte. Neun Tage nach Zugang des Bescheids änderte die Gesellschaft ihren Namen in ""EGmbH"". Die Gesellschafter begannen mit der stillen Liquidation der Gesellschaft. Eine weitere Geschäftstätigkeit wurde nicht mehr ausgeführt. Der rückständige Umsatzsteuer laut Bescheid vom 23.06.2003 wurde von der Gesellschaft nicht beglichen. Seitens der Gesellschafter wurden im Hinblick auf die Liquiditätslage der Gesellschaft auch keine Tätigkeiten entfaltet, dieser im Kreditwege oder durch Einlagen wieder Geldmittel zur Verfügung zu stellen.

Der Beklagte stellte im Anschluss an eine erfolglose Vollstreckung gegen die Gesellschaft am 18.11.2003 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Am 16.12.2003 wurde ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt. In einer Besprechung am 21.11.2003 teilte der Kläger dem zukünftigen Insolvenzverwalter auf die Frage nach vertraglichen Vereinbarungen über die Tätigkeit der Gesellschafter mit, dass derartige Verträge nicht vorhanden seien und insbesondere auch kein Geschäftsführeranstellungsvertrag geschlossen worden sei. Später legte der Kläger einen auf den 07.02.2003 datierten Gesellschafterbeschluss vor, nach dem im Hinblick auf das "erfolgreiche" Wirtschaftsjahr 2002/2003 (das mit einem Verlust von 159.000 EUR geendet hatte) ein "Vorabgewinn von insgesamt 100.000 EUR" an die beiden Gesellschafter ausgeschüttet wurde.

Zudem führte der Kläger aus, mit dem Betrag von 210.000,00 EUR seien Verbindlichkeiten der GmbH gegenüber ihren Gesellschaftern bedient worden. Im Rahmen der vorläufigen Insolvenzverwaltung wurden dann mit Schreiben vom 13.01.2004 auf den Beginn des Jahres 2002 datierte Verträge über Tätigkeitsvergütungen vorgelegt. Danach wurden im Februar 2002 die Beträge unter folgenden Bezeichnungen an die beiden Gesellschafter überwiesen:

 Tätigkeitsvergütung allgemein113.733,80 EUR
Tätigkeitsvergütung allgemein35.740,00 EUR
Tätigkeitsvergütung "T" - Empfänger Dres. "G" & "I" 32.000,00 EUR
Büromiete 01.07.2002 bis 28.02.20038.800,00 EUR
Vorschuss Büromiete 01.03.2003 bis 30.06.2003 4.400,00 EUR
Laufende Buchhaltung 07/2002 bis 02/20031.600,00 EUR
Vorschuss laufende Buchhaltung 03.2003 bis 06.2003 800,00 EUR
Pauschalhonorar für die Erstellung des Jahresabschlusses 2002 5.000,00 EUR
Insgesamt 202.073,80 EUR

Die Zahlungen an die Gesellschafter wurden in der auf den 30.06.2003 aufgestellten Gewinnermittlung unter den Konten "10" (Sonstige betriebliche Aufwendungen), "11" (Rechts- und Beratungskosten) sowie "12" (Büromiete) und "13" (Aktive Rechnungsabgrenzung) gebucht. Belege, insbesondere hinsichtlich der behaupteten Gesellschafterdarlehen, waren mit Ausnahme einer Rechnung für den Jahresabschluss 2001/2002 sowie eines Mietvertrages nicht vorgelegt worden.

Da die fällige Umsatzsteuer seitens der GmbH nicht gezahlt worden war, erließ der Beklagte am 07.10.2004 gegenüber dem Kläger einen Haftungsbescheid für die rückständigen Umsatzsteueransprüche nebst Säumniszuschlag in Höhe von insgesamt 225.040,69 EUR. Darin enthalten war der irrtümlich ausgezahlte Betrag in Höhe von 204.570,69 EUR sowie Säumniszuschläge in Höhe von 20.470,00 EUR. Der dagegen eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg. Die Einspruchsentscheidung datierte vom 15.12.2004. Sie wurde mit Zustellungsurkunde am 17.12.2004 an die Kanzleianschrift des Klägers zugestellt.

Mit seiner am 19.01.2005 beim Finanzgericht gegen den Haftungsbescheid eingegangenen Klage trägt der Kläger vor, dass der Haftungszeitraum lediglich einen Zeitraum vom 03.07.2003 (Leistungsgebot des Änderungsbescheids) bis zum 14.11.2003 (Stellung des Insolvenzantrags) umfasse. Denn der Rückforderungsanspruch sei erst mit der Bekanntgabe des geänderten Bescheids zum 26.06.2003 und dem darin enthaltenen Leistungsgebot auf den 03.07.2003 fällig geworden. Der Haftungszeitraum beginne daher erst am 03.07.2003. Im Haftungszeitraum vom 03.07.2003 bis zum 14.11.2003 seien aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten der GmbH aber keine Verbindlichkeiten, insbesondere keine Verbindlichkeiten privater Gläubiger mehr getilgt worden. Eine Pflichtverletzung aufgrund der Bevorzugung anderer Gläubiger und der Nichtbeachtung des Grundsatzes quotaler Befriedigung der Finanzbehörde bestehe daher nicht. Er habe auch als Geschäftsführer weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt. Er habe keine positive Kenntnis vom Eingabefehler des Beklagten gehabt. § 69 AO begründe aber keine Haftung für Eingabefehler der Finanzverwaltung. Er habe auch den Erstattungsbetrag der Umsatzsteuer völlig korrekt in seiner Buchhaltung passivisch auf dem Finanzbuchhaltungskonto Nr. "14" "Umsatzsteuervorauszahlungen" erfasst und sei sich des Rückforderungsanspruchs bewusst gewesen. Außerdem habe die Gesellschaft bis Anfang Juli 2003 noch Zahlungen der "U-AG" in Höhe von 262.000,00 EUR sowie Zahlungen der "Q-GmbH" über 1.500.000,00 EUR erwartet. Er habe daher zum Zeitpunkt der Erstattung am 05.02.2003 davon ausgehen können, dass der erst zukünftig entstehende Rückforderungsanspruch des Beklagten von ihm erfüllt werden könne. Zu diesem Zeitpunkt sei folglich mit der erfolgreichen Fortführung des Geschäftsbetriebs der Gesellschaft zu rechnen gewesen. Erst am 11.07.2003 habe sich herausgestellt, dass die Forderung gegen die "U-AG" nicht realisierbar sein werde. Ein Geschäftsführer sei jedoch vom Schuldvorwurf zu entlasten, wenn zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Steuern eine unvorhersehbare Verschlechterung der Liquidität eingetreten sei. Dass eine unvorhersehbare Verschlechterung eingetreten sei, stehe bei einem Zahlungsausfall über 1,8 Millionen EUR wohl außer Zweifel. Zudem habe der Gesellschaft aufgrund der Verpflichtung zur Rückgewähr einer Anzahlung der Fa. "Q-GmbH" ein Erstattungsanspruch in Höhe von 64.000,00 EUR zugestanden, der bislang seitens des Beklagtes noch nicht berücksichtigt worden sei. Der Ausweis der Forderung gegenüber der "Q-GmbH" als "zweifelhafte Forderung" sei auch nur aus Gläubigerschutzgründen vor dem Hintergrund einer Veröffentlichung des Abschlusses im Handelsregister gewählt worden. Grund für die Kennzeichnung als "zweifelhafte Forderung" sei allein gewesen, dass die "Q-GmbH" einen der Höhe nach identischen Betrag in der Vergangenheit durch Hereingabe von Kfz an den Gläubiger zur Tilgung der Schuld verwendet habe. Hätte die "Q-GmbH" auch den in Frage stehenden zukünftig zu zahlenden Betrag durch die Hereingabe von Kfz aufgerechnet, sei der Ausweis als "Zweifelhafte Forderung" zu wählen, weil er nicht habe wissen können, wann und in welchem Zeitraum er durch Veräußerung der Kfz dann flüssige Mittel habe realisieren können. Hätten zu diesem Zeitpunkt ernstliche Zweifel an der Werthaltigkeit der Forderung gegenüber der Fa. "Q-GmbH" bestanden, hätte er diese wertberichtigt. Erst mit der fruchtlosen Pfändung seines Anspruchs gegen die "Q-GmbH" am 20.09.2003 habe diese eine Möglichkeit gesehen, den gesamten Vertrag anzufechten und sich auf Nichtigkeit zu berufen. Des weiteren lasse die Bilanz zum 30.06.2003 eine Überschuldung der GmbH nicht erkennen. An den Feststellungen des Insolvenzverwalter hierzu bestünden daher erhebliche Zweifel. Denn ein Gutachten der "A-GmbH" komme zu dem Ergebnis, dass am 05.02.2003 eine Überschuldung und ein Insolvenzantragsgrund nicht vorgelegen hätten.

Seine Klage sei auch zulässig. Er habe diese am 12.01.2005 verfasst und persönlich in "S-Stadt" um 18.10 Uhr in den Briefkasten "J" eingeworfen. Die Tagesleerung erfolge dort um 16.45 Uhr, die Spätleerung um 18.45 Uhr und die Nachtleerung um 23.10 Uhr. Auf dem Briefkasten finde sich ein Hinweis der Post, dass bei Tages- und Spätleerung die Zustellung bundesweit am nächsten Tage erfolge. Die Klageschrift sei auch nicht vorab per Telefax versandt worden, weil bis zum Ablauf der Klagefrist am 17.01.2006 genug Zeit verblieben sei. Die übliche Postlaufzeit betrage einen Tag. Die Verzögerung der Postlaufzeit könne ihm nicht angelastet werden. Nachdem sein Büro am 20.01.2005 von einem Mitarbeiter der Poststelle auf das Nichtvorliegen der Klage angesprochen worden sei, habe seine Büroangestellte die Klage nochmals an das Gericht - diesmal per Fax - übermittelt. Ihn treffe daher kein Verschulden an der Versäumung der Klagefrist.

Der Kläger beantragt,

ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und den Haftungsbescheid vom 07.10.2004 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, dem Kläger sei bereits anhand des Berichts über die Umsatzsteuersonderprüfung klar gewesen, dass die GmbH einen Mehrumsatz in Höhe von 38.500,00 EUR zu versteuern gehabt habe und somit ein Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid mit einer Erstattung von rund 210.000,00 EUR nicht dem Willen des Finanzamts entsprechen konnte. Der Haftungszeitraum beginne daher nicht erst mit der Bekanntgabe des Änderungsbescheids vom 23.06.2003, sondern bereits am 05.02.2003. Denn der Kläger habe damit rechnen müssen, dass das Finanzamt seinen Fehler bemerken und den Bescheid entsprechend ändern würde. Die Verwendung der zu Unrecht ausgezahlten Beträge zur Tilgung anderer Verbindlichkeiten, insbesondere gegenüber seiner eigenen Person sowie gegenüber dem weiteren Gesellschafter, stelle eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung der ihm auferlegten Pflichten dar. Im Übrigen sei die Klage auch verfristet erhoben.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Das Gericht hat die Steuerakten der GmbH sowie die Handakte der Umsatzsteuersonderprüfung zu dem Verfahren beigezogen. Ein Original der Klageschrift ist bis zum heutigen Tage nicht bei Gericht eingegangen. In der mündlichen Verhandlung vom 01.06.2006 hat der Senat die (präsente) Zeugin "K" vernommen. Hinsichtlich des Inhalts der Zeugenaussage wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

1. Die Klage ist zulässig. Der Kläger hat zwar die Klagefrist versäumt. Ihm ist jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 Finanzgerichtsordnung - FGO -) zu gewähren.

a. Die Wiedereinsetzung in eine versäumte Frist - wie hier die Klagefrist - setzt nach § 56 Abs. 1 FGO voraus, dass der Kläger ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten. Ein solches Verschulden ist, jedenfalls wenn es sich wie hier um die Fristversäumnis eines Rechtsanwalts handelt, nur zu verneinen, wenn die äußerste, den Umständen des Falles angemessene und vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt angewendet worden ist. Dies hat der Kläger gemäß § 56 Abs. 2 Satz 2 FGO durch die Vorlage präsenter Beweismittel glaubhaft zu machen. Wird der Wiedereinsetzungsantrag wie hier mit der fristgerechten Absendung eines beim Empfänger nicht eingegangenen Schriftstücks begründet, ist deshalb im Einzelnen darzulegen, wann und von wem und in welcher Weise es zur Post aufgegeben wurde.

b. Nach diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung nach § 56 Abs. 1 FGO hier vor. Der Kläger hat die Umstände für eine fristgerechte Versendung der Klageschrift und ein fehlendes Verschulden an der Fristversäumnis glaubhaft gemacht. Der Kläger hat vorgetragen, die Klageschrift am 12.01.2005 abends in den Briefkasten in "S-Stadt" eingeworfen zu haben und dies am nächsten Tag der Zeugin "K" mitgeteilt zu haben. Die Zeugin "K" hat mitgeteilt, dass sie die vorbereitete Klageschrift dem damaligen Sozius des Klägers zur Unterschrift vorgelegt hat. Sie hat zudem gesagt, sie habe am 13.01.2005 vom Kläger einen Anruf erhalten mit der Mitteilung, die Klageschrift sei versandt und sie könne den entsprechenden Eintrag im Fristenkontrollbuch streichen. Dies hat die Zeugin im Termin widerspruchsfrei und ohne größere Erinnerungslücken vorgetragen. Sie konnte ihre Aussage zudem durch Vorlage der von ihr gefertigten Telefonprotokolle bekräftigen. Obwohl für den Senat weiterhin nicht nachvollziehbar ist, warum der Sozius des Klägers mit Schriftsatz vom 17.1.2005, der übrigens nach Ablauf der Klagefrist (am 19.1.2005) bei Gericht eingegangen ist, die Klageschrift "ergänzt" und den irrigen Eindruck erweckt hat, es handele sich insoweit um einen vom Kläger diktierten Schriftsatz, hat er jedenfalls aufgrund der glaubhaften Zeugenaussage die Überzeugung gewonnen, dass die Klageschrift vom Kläger am 12.01.2005 zur Post gegeben worden ist und er die Frist damit ohne Verschulden versäumt hat.

2. Die Klage ist nur zu einem geringen Teil begründet.

Der gegenüber dem Kläger gemäß §§ 34 Abs. 1, 69 AO erlassene Haftungsbescheid ist lediglich rechtswidrig, soweit der Kläger für nach November 2003 entstandene Säumniszuschläge in Haftung genommen worden ist. Im Übrigen ist der Haftungsbescheid rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

a. Gemäß § 191 Abs. 1 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet. Nach § 69 AO i.V.m. § 34 Abs. 1 AO haftet der Geschäftsführer einer GmbH, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihm obliegenden Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt worden sind. Zu den Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis gehören als steuerliche Nebenleistungen (§ 37 Abs. 1, 3 Abs. 3 AO) auch die infolge der Pflichtverletzung zu zahlenden Säumniszuschläge (§ 69 Satz 2 AO).

b. Daran gemessen ist die angefochtene Inhaftungnahme des Klägers tatbestandsmäßig und ermessensgerecht.

aa. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte den Kläger als den im Haftungszeitraum für die GmbH allein verantwortlich handelnden gesetzlichen Vertreter zur Verwirklichung der streitbefangenen Abgabenforderungen in persönliche Haftung genommen hat, nachdem ein entsprechender Vollstreckungsversuch bei der GmbH ergebnislos verlaufen war (§ 219 Satz 1 AO). Da der Kläger im Streitzeitraum der alleinige Geschäftsführer war, ist für eine nur anteilige Inanspruchnahme neben dem Mitgesellschafter Dr. "G" kein Raum.

bb. Indem der Kläger die zu Unrecht erstatteten Beträge nicht aus dem von ihm verwalteten Mitteln der GmbH (§ 34 Abs. 1 AO) zurückgezahlt hat, hat er seine Vertreterpflichten im Sinne des § 69 Satz 1 AO i.V.m. §§ 34, 35 AO verletzt. Zu diesen Pflichten gehört insbesondere die Pflicht des Geschäftsführers, den Steuerfiskus nicht gegenüber anderen Gläubigern zu benachteiligen und die Steuern aus den von ihm verwalteten Mitteln zu entrichten. Der Kläger, der nicht nur promovierter Volljurist, sondern auch niedergelassener Rechtsanwalt ist, hatte, wie er selbst einräumt, erkannt, dass die zu Unrecht erfolgte Erstattung seitens des Beklagtes durch den Erlass eines geänderten Bescheids jederzeit zurückgefordert werden konnte. Gleichwohl hat der Kläger die der GmbH zur Verfügung stehenden Mittel, mit deren jederzeitigen Rückforderung er rechnen musste, auf seine Privatkonten überwiesen. Ein sich am Maßstab des ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns orientierender Geschäftsführer (§ 43 Abs. 1 GmbH-Gesetz) aber hätte Abstand von der Weiterleitung der Mittel an die Gesellschafter genommen, da er die tatsächliche Lage der GmbH unschwer hätte erkennen können und müssen. Denn die wirtschaftliche Lage der GmbH rechtfertigte unter Berücksichtigung der Möglichkeit der Rückforderung des zu Unrecht erstatteten Betrags im Februar 2003 keine Zahlungen in Höhe von 202.073,80 EUR an die Gesellschafter. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter hätte vielmehr die Mittel für die zu erwartende Rückzahlung an das Finanzamt bereitgehalten.

Die Pflichtverletzung des Klägers im Zeitpunkt des Mittelzuflusses wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Beklagte erst am 23.06.2004 einen geänderten Vorauszahlungsbescheid erlassen hat und der Betrag erst anschließend zur Rückzahlung fällig wurde. Denn die Verpflichtung des Geschäftsführers, für die Entrichtung der Steuerschulden der Gesellschaft Sorge zu tragen, ist in zeitlicher Hinsicht nicht eingeschränkt (Kruse/Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 34 AO, Rz. 23). Sie kann bereits vor Fälligkeit der Steuerschulden (Urteil des BFH vom 26.04.1984 V R 128/79, BStBl II 1984, 776), ja sogar vor deren Entstehung begründet sein. Insoweit ist es ausreichend, dass das Entstehen der Steuerschulden für den Geschäftsführer absehbar ist und er sich hierauf in Ansehung der sonstigen Aufgaben und Verpflichtungen der GmbH einrichten kann. Eine Pflichtverletzung ist daher zu bejahen, wenn die vorhandenen Mittel der Gesellschaft zur Verteilung an die Gesellschafter Verwendung finden, ohne hierbei die bestehenden und künftigen Verbindlichkeiten zu berücksichtigen. Dies gilt erst recht, wenn infolge der Verteilung der Mittel an die Gesellschafter sich die Überschuldung oder die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft abzeichnet oder wenn sich der Geschäftsführer durch Vorwegbefriedigung anderer Gläubiger oder in sonstiger Weise vorsätzlich außer Stande setzt, eine zwar noch nicht entstandene, aber unschwer erkennbar künftig fällig werdende Steuerforderung im Zeitpunkt der Fälligkeit zu tilgen. War der Kläger auch nicht verpflichtet, den Beklagten auf den diesem unterlaufenen Fehler hinzuweisen und mag auch darauf gehofft haben, dass dieser Fehler unentdeckt bleibt, so hatte er in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer gleichwohl dafür Sorge zu tragen, dass der offenkundige Rückforderungsanspruch im Fälligkeitszeitpunkt auch erfüllt werden konnte.

cc. Dem Kläger ist ein vorsätzlicher Pflichtverstoß vorzuhalten. Obwohl er bereits seit Februar 2003 damit rechnen musste, dass die Gesellschaft die zu Unrecht erstatteten Steuern zurückzuzahlen hatte, hat er diese gezielt entreichert und das Geld auf Privatkonten überwiesen. Mit der Weiterleitung der Beträge an die Gesellschafter verfolgte er ersichtlich das Ziel, den Rückforderungsanspruch des Finanzamts zu vereiteln und dieses auf ein masseloses Insolvenzverfahren zu verweisen.

dd. Die dem Kläger zuzurechnende Pflichtverletzung ist auch ursächlich für die Nichtentrichtung der Umsatzsteuerschuld durch die GmbH. Denn es besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Mittelverwendung zugunsten der Gesellschafter und der Unfähigkeit der GmbH zur Tilgung der Steuerschuld. Der GmbH sind in 2003 keine weiteren Mittel zugeflossen. Hätte der Kläger der GmbH nicht die Mittel entzogen, hätte diese den Rückforderungsanspruch auch erfüllen können.

2. Die vom Kläger gegen die Inhaftungnahme vorgebrachten Einwendungen greifen nicht durch.

a. Soweit der Antragsteller vorträgt, dass er im Zeitpunkt der Erstattung am 05.02.2003 davon ausgehen konnte, die entstandene Verbindlichkeit trotz Weiterleitung der Mittel erfüllen zu können, folgt der Senat diesem Vortrag nicht. Zur Überzeugung des Senats konnte die Gesellschaft nicht mit (sicheren) Forderungseingängen aus einer Provision in Höhe von 260.000,00 EUR seitens der "U-AG" rechnen. Der Kläger trägt mit seinen Schriftsätzen vom 01.02.2005 und vom 31.05.2006 hierzu selbst vor, dass ein die Provision begründender Vertrag zivilrechtlich nie zustandegekommen war. Ein Ausweis der Provisionsforderung in der Bilanz der GmbH war daher folgerichtig auch nicht erfolgt. Die GmbH hatte auch die entsprechende Forderung nicht in ihren Voranmeldungen erfasst und keine Umsatzsteuer abgeführt. Bestand jedoch zu keinem Zeitpunkt ein zivilrechtlicher Anspruch auf eine Provision, so erübrigt sich auch eine Vernehmung der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 01.06.2006 dazu benannten Zeugen "M" und "N".

Der Senat vermag auch nicht dem Vortrag des Klägers zu folgen, er habe seitens der Fa. "Q-GmbH" mit einer Zahlung von 1,5 Millionen EUR rechnen können. In der Bilanz der GmbH auf den 30.06.2003 war nur eine Forderung in Höhe von 232.000,00 EUR als "zweifelhafte Forderung" ausgewiesen. Zu dieser Forderung hat der Kläger vorgetragen, dass sie möglicherweise durch die Hingabe von Kfz getilgt werde, er jedoch Schwierigkeiten habe, sich die erforderlichen liquiden Mittel durch die Veräußerung der Kfz zu beschaffen. Von dieser Erläuterung zur Bilanzposition "zweifelhafte Forderung" ist der Kläger weder im Schriftsatz vom 31.05.2006 noch in der mündlichen Verhandlung abgerückt. Unstreitig ist zudem zwischen den Beteiligten, dass ein Vertrag mit der Fa. "Q-GmbH" abgeschlossen worden war und sich die Forderung später aufgrund der von Beginn an vorliegenden Nichtigkeit der Vereinbarung als wertlos herausgestellt hat. Schon deshalb erübrigt sich eine Vernehmung der vom Kläger am 01.06.2006 zum Vertragsabschluss mit der "Q-GmbH" benannten Zeugen. Denn den Sachvortrag des Klägers als wahr unterstellt, hätte auch ein sich am Maßstab des ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns orientierender Geschäftsführer diese Unwägbarkeiten im Rahmen der Geschäftsführung für die GmbH berücksichtigen müssen und ausreichende andere Mittel für die Begleichung der Verbindlichkeit gegenüber dem Finanzamt bereithalten müssen.

b. Hinsichtlich des vom Kläger eingereichten Gutachtens der "A-GmbH" weist der erkennende Senat darauf hin, dass dieses als Stichtag den 06.02.2003 zugrundelegt. Die für die Frage des Verschuldens des Geschäftsführers nach §§ 69, 34 Abgabenordnung maßgeblichen Vorgänge, insbesondere die Umbuchung vom 07.02.2003 in Höhe von 210.247,56 EUR von Gesellschaftskonto "111" bei der "E-Bank" auf das private Konto des Antragstellers, spielten für die von der "A-GmbH" zu untersuchende Frage einer insolvenzrechtlichen Überschuldung auf den 06.02.2003 keine Rolle. Aus diesem Grunde bedarf es nicht der vom Kläger als Zeugen benannten Mitarbeiter der "A-GmbH" - ungeachtet der Tatsache, dass der Kläger hier keine ladungsfähigen Anschriften benennt.

c. Ohne Erfolg beruft sich der Kläger darauf, allenfalls zu einer anteiligen Tilgung des Rückforderungsanspruchs in der Lage gewesen zu sein. Die entsprechende Anfrage des Beklagten vom 11.05.2004 hat der Kläger zunächst nur unzureichend beantwortet, in dem er sich auf die Lage der Gesellschaft ab dem 24.06.2003 beschränkt und eine Haftung für den davor liegenden Zeitraum pauschal bestritten hat. Soweit der Kläger nunmehr das Vorhandensein von schriftlichen Vereinbarungen über Büromiete, Jahresabschlusskosten, Rechts- und Beratungskosten sowie Tätigkeitsvergütungen behauptet und die Beiziehung dieser Urkunden zu Beweiszwecken sowie die Vernehmung der Vertragsbeteiligten als Zeugen beantragt, führt dies zu keinem anderen Ergebnis.

aa. Der Senat weist zunächst darauf hin, dass es - auch ohne ausdrückliche Aufforderung durch das Gericht - Sache des Klägers gewesen wäre, diese Unterlagen spätestens in der mündlichen Verhandlung vorzulegen. Er kann sich insbesondere nicht mit Erfolg darauf berufen, an der Vorlage der entsprechenden Unterlagen gehindert zu sein, weil sich diese im Besitz des Insolvenzverwalters befinden. Denn es handelt sich durchweg um Vereinbarungen, an denen der Kläger und/oder sein Sozius selbst als Vertragspartner beteiligt waren. Sowohl bei den Positionen Büromiete, Jahresabschlusskosten, Rechts- und Beratungskosten sowie Tätigkeitsvergütungen ist die Sozietät des Klägers Vertragspartner gewesen. Zudem hätten sämtliche Unterlagen und Verträge, die der vom Kläger beauftragte Rechtsanwalt "M" dem Insolvenzverwalter übermittelt hat (Anlage 1 zum Schriftsatz vom 31.5.2006) auch dem Gericht vorgelegt werden können und müssen. Schließlich hätte sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung ohne weiteres zu diesem Themenkomplex äußern und sachdienliche Angaben machen können. Da der Kläger somit die Nichtvorlage der Unterlagen und Verträge zu vertreten hat, und sich insoweit ersichtlich nicht auf einen Beweisnotstand berufen kann, besteht für den Senat weder Veranlassung noch Verpflichtung, im Wege des Hilfsbeweises den näheren Inhalt angeblicher Urkunden und Verträge durch Einvernahme von Zeugen zu ermitteln.

Soweit der Kläger oder die Sozietät möglicherweise nicht Vertragspartner war oder sein sollte, hat er weder das konkrete Beweisthema noch eine ladungsfähige Anschrift des als Zeugen zu vernehmenden Vertragspartners benannt.

bb. Hiervon abgesehen hat der Senat die Überzeugung gewonnen, dass die behaupteten Vereinbarungen, soweit sie überhaupt abgeschlossen wurden, tatsächlich nicht durchgeführt worden sind, sondern lediglich Scheingeschäfte zur Gläubigerbenachteiligung waren. So stellen insbesondere die vereinbarten Tätigkeitsvergütungen den erkennbaren Versuch dar, der Entnahme von Geldern aus der Gesellschaft einen - vorgeschobenen - Rechtsgrund zu geben. Denn anderenfalls wäre unverständlich, warum der Kläger gegenüber dem Insolvenzverwalter das Vorhandensein derartiger Vereinbarungen zuerst ausdrücklich verneint hat, sondern sich auf eine Vorabgewinnausschüttung im Hinblick auf das "erfolgreiche" Wirtschaftsjahr 2002/2003 berufen hat. Folglich fand der Insolvenzverwalter auch keine entsprechenden Unterlagen vor; vielmehr sind erst später vom Kläger entsprechende Urkunden vorlegt worden. Der Kläger hat schließlich auch keinen plausiblen Grund dafür zu benennen vermocht, warum allein im Geschäftsjahr 2002/2003, nicht aber im Geschäftsjahr 2001/2002 Tätigkeitsvergütungen vereinbart worden sind.

3. Form- oder Ermessensfehler des Haftungsbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.

4. Die Klage ist allerdings begründet, soweit der Beklagte den Kläger für die verwirkten Säumniszuschläge in Anspruch genommen hat. Insoweit kann der Haftungsbescheid teilweise keinen Bestand haben. Nach § 69 Satz 1 AO erstreckt sich die Haftung zwar auch auf die infolge der Pflichtverletzung verwirkten Säumniszuschläge. Dies gilt aber nur für diejenigen Beträge, die bis zum Zeitpunkt der Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit des Hauptschuldners verwirkt sind. Für die in der Zeit danach entstandenen Säumniszuschläge begründen die Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung des Hauptschuldners für diesen einen Anspruch auf Erlass der Säumniszuschläge aus sachlichen Billigkeitsgründen, der wegen der Akzessorietät der Haftung auch dem Haftungsschuldner zugute kommt. Im Streitfall ergibt sich aus der Stellung des Insolvenzantrags am 18.11.2002, dass die GmbH spätestens von diesem Zeitpunkt an zahlungsunfähig und überschuldet war. Da die dem Haftungsbetrag zugrunde gelegten Säumniszuschläge in voller Höhe erst ab dem 6. August 1990 entstanden sind, kommt eine Haftung des Klägers für diese Beträge nicht in Betracht.

Hiernach vermindert sich die Haftungsschuld wie folgt:

 Haftungsbetrag lt. angefochtenem Bescheid225.040,69 EUR
davon Säumniszuschläge20.470,00 EUR
Ergibt204.570,69 EUR
+ Säumniszuschläge für vier Monate8.182,00 EUR
= Haftungsschuld212.752,69 EUR

Auf diesen Betrag ist die Haftungsschuld herabzusetzen (§ 100 Abs. 2 Satz 1 FGO). Im übrigen war die Klage abzuweisen.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Mit einer anteiligen Quote von lediglich 5,46 v.H. ist der Beklagte im Sinne dieser Vorschrift nur geringfügig unterlegen.

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Ende der Entscheidung

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