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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 10.08.2006
Aktenzeichen: 15 K 3204/04 K, G, F
Rechtsgebiete: KStG, StrWG NRW, VerpackV


Vorschriften:

KStG § 1 Abs. 1 Nr. 6
KStG § 4 Abs. 1
KStG § 4 Abs. 5
StrWG NRW § 18 Abs. 1 Satz 3
StrWG NRW § 19a Abs. 1
VerpackV § 6 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tatbestand

Die Klägerin ist eine kommunale Gebietskörperschaft. Sie hat sich gegenüber einer von mehreren Entsorgungsunternehmen gegründeten "Vereinigung" ("B") vertraglich zum Einsammeln von Altglas, Papier und Leichtverpackungen durch Aufstellen entsprechender Depotcontainer an verschiedenen Standorten im Stadtgebiet sowie durch Zurverfügungstellung von Papiertonnen und Kunststoffsäcken verpflichtet (Tätigkeit im Rahmen des § 6 Abs. 3 der Verpackungsverordnung - sog. Duales System). Die Leerung der Container erfolgt durch beauftragte Unternehmen, die Sammlung bzw. Leerung der sonstigen Behälter durch eigene Bedienstete der Klägerin. Die Klägerin behandelt diese gegen Entgelt ausgeübte Tätigkeit für die "B" als Betrieb gewerblicher Art. Sie ermittelt den Gewinn dieses Betriebes gewerblicher Art nach § 4 Abs. 1 EStG.

Für die Nutzung der Standflächen der Glascontainer auf öffentlichen Straßen und Plätzen erteilte die Klägerin dem Betrieb gewerblicher Art eine Sondernutzungserlaubnis nach § 18 Abs. 1 des Straßen- und Wegegesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen i.d.F. vom 23.09.1995 (StrWG NRW) und erhob zugleich Sondernutzungsgebühren nach Maßgabe der einschlägigen Gebührensatzung. In den Jahren 1997 bis 2000 (Streitjahren) fielen Sondernutzungsgebühren von 504.880 DM in 1997 sowie jeweils 503.700 DM in den Jahren 1998 bis 2000 an. Bei der Gewinnermittlung des Betriebes gewerblicher Art wurden die erhobenen Sondernutzungsgebühren als Betriebsausgaben angesetzt.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung für die Streitjahre durch das zuständige Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung wurde der Betriebsausgabenabzug für die Sondernutzungsgebühren versagt und die entsprechenden Zahlungen als verdeckte Gewinnausschüttungen behandelt. Der Prüfer vertrat die Auffassung, dass die gewinnmindernde Berücksichtigung dieser Gebühren zu einer Ungleichbehandlung gegenüber privaten Entsorgungsunternehmen führen würde. Die Standflächen für die Glascontainer stellten wesentliche Betriebsgrundlagen dar; nach Betriebsaufspaltungsgrundsätzen seien die Entgelte für die Überlassung dieser Flächen als gewerbliche Einkünfte zu versteuern (vgl. hierzu Tz. 9 des Prüfungsberichts vom 7.10.2002).

Der Beklagte folgte den Prüfungsfeststellungen und erhöhte die gewerblichen Einkünfte entsprechend.

Die Klägerin hat nach erfolglosen Einsprüchen gegen die hierauf beruhenden Änderungsbescheide (Gewerbesteuermessbescheide 1997 bis 2001, Bescheide zur gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts auf dem 31.12.1997 bis 2000, Körperschaftsteuerbescheid 2001 sowie Bescheide über die gesonderten Feststellungen des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31.12. 1997 bis 2000) Klage erhoben, die sie wie folgt begründet:

Der Vergleich mit der Behandlung von Alleingesellschaftern einer Kapitalgesellschaft gehe schon deshalb fehl, weil die Sondernutzungsgebühren im Streitfall nicht auf einer vertraglichen Grundlage, sondern aufgrund allgemein gültigen Satzungsrechts erhoben würden. In der einschlägigen Satzung sei ausdrücklich bestimmt, dass die Einräumung von Rechten zur Benutzung des Eigentums an Straßen sich nur innerhalb des Gemeingebrauchs nach zivilrechtlichen Vorschriften richte. Die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung bei der entgeltlichen Überlassung einer wesentlichen Betriebsgrundlage setze zwingend voraus, dass die Nutzungsüberlassung aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags erfolge. Die Erhebung von Sondernutzungsgebühren sei dagegen eine hoheitliche Tätigkeit. Würde man hier eine verdeckte Gewinnausschüttung annehmen, würde man im Ergebnis die Einnahmen des Hoheitsbetriebs der Trägerkörperschaft besteuern.

Die Betriebsaufspaltungsgrundsätze kämen aber auch deshalb nicht zur Anwendung, weil es sich bei den jeweiligen Standflächen ohnehin um keine wesentlichen Betriebsgrundlagen des Betriebes gewerblicher Art gehandelt habe. Denn die Containerstandorte würden sich laufend verändern, nur zeitweise genutzt und seien zudem nicht für die besonderen Bedürfnisse des Betriebes gewerblicher Art hergerichtet gewesen.

Die Klägerin beantragt, die Körperschaftsteuer 2001 auf 0 Euro herabzusetzen sowie die Gewerbesteuermessbescheide 1997 bis 2001, die Bescheide zur gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts auf dem 31.12.1997 bis 2000 und die Bescheide über die gesonderten Feststellungen des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer auf den 31.12. 1997 bis 2000 dahingehend zu ändern, dass die in Höhe der Sondernutzungsgebühren angesetzten verdeckten Gewinnausschüttungen rückgängig gemacht werden.

Der Beklagte beantragt Klageabweisung, hilfsweise Zulassung der Revision.

Er hält daran fest, dass die Sondernutzungsgebühren die Einkünfte des Betriebes gewerblicher Art Duales System nicht mindern dürfen und nimmt insoweit auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung Bezug. Hiernach seien die Standplätze für die Glascontainer unbeschadet ihrer Zuordnung zum Hoheitsvermögen der Klägerin wesentliche Betriebsgrundlage des Betriebes gewerblicher Art, da er ohne diese Standplätze nicht hätte betrieben werden können. Ein Grundstück sei wesentliche Betriebsgrundlage, wenn es zur Erreichung des Betriebszwecks erforderlich sei. Auch bei einer nur zeitweise Nutzung oder Änderung blieben die jeweiligen Standorte von besonderem Gewicht für den Betrieb gewerblicher Art.

Ob die Zahlung des Nutzungsentgelts im Rahmen eines Miet- oder Pachtvertrags oder aufgrund einer gemeindlichen Satzungsordnung durch Sondernutzungsgebühren erfolge, sei unerheblich und dürfe für die grundsätzliche Frage der Abzugsfähigkeit als Betriebsausgaben auch keine Rolle spielen.

Gründe

Die Klage ist begründet.

Die angefochtenen Steuerbescheide sind rechtswidrig und verletzten die Klägerin in ihren Rechten, soweit der Beklagte das Einkommen des Betriebes gewerblicher Art Duales System um die Sondernutzungsgebühren erhöht hat.

1. Die Verfahrensbeteiligten gehen zutreffend davon aus, dass die Mitwirkung der Klägerin bei der Entsorgung im Rahmen des sog. Dualen Systems gegen Entgelt als ein Betrieb gewerblicher Art i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 4 Abs. 1 KStG 1984 zu beurteilen ist und die Klägerin als dessen Trägerkörperschaft mit dem durch diesen Betrieb erzielten Einkommen der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer unterliegt. Zwar wurde die Entsorgung des Hausmülls durch juristische Personen des öffentlichen Rechts ursprünglich als Hoheitsbetrieb gewertet (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 23. 10.1996 I R 1-2/94, BStBl II 1997, 139, für die Jahre 1984 bis 1986). Ob an dieser Auffassung auch für die Streitjahre noch festgehalten werden könnte, kann offen bleiben. Denn jedenfalls handelt es sich bei der Müllentsorgung im Rahmen des sog. Dualen Systems nach § 6 Abs. 3 der Verpackungsverordnung um keine Aufgabe, die juristischen Personen des öffentlichen Rechts als Träger öffentlicher Gewalt eigentümlich und vorbehalten ist. Die hiermit zusammenhängenden Tätigkeiten dienen nicht der Ausübung der öffentlichen Gewalt und stellen somit keinen einen Betrieb gewerblicher Art ausschließenden Hoheitsbetrieb i.S. des § 4 Abs. 5 KStG dar.

2. Die durch die Entrichtung der Sondernutzungsgebühren eingetretene Vermögensminderung des Betriebes gewerblicher Art löst keine verdeckte Gewinnausschüttung aus.

a) Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung sind Minderungen des Betriebsvermögens eines Betriebes gewerblicher Art zugunsten des übrigen Vermögens der Trägerkörperschaft bei der Gewinnermittlung nach den für Leistungen einer Kapitalgesellschaft an ihren Alleingesellschafter geltenden Grundsätzen zu beurteilen. Der Betrieb gewerblicher Art wird insoweit als ein selbständiges Steuerrechtssubjekt in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft und die Trägerkörperschaft als deren Alleingesellschafterin fingiert (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 17.05.2000 I R 50/98, BStBl II 2001, 558 mit weiteren Nachweisen). Allerdings dürfen Vereinbarungen, aufgrund derer eine Trägerkörperschaft ihren Betrieb gewerblicher Art mit Nutzungsentgelten für ihr gehörende Wirtschaftsgüter belastet, die zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen des Betriebes gewerblicher Art rechnen, nach dem BFH-Urteil vom 14.3.1984 I R 223/80, BStBl II 1984, 496 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden, da anderenfalls Betriebe der öffentlichen Hand gegenüber den Gewerbebetrieben der Privatwirtschaft steuerlich begünstigt würden. Die zu vermeidende Begünstigung soll darin bestehen, dass der Alleingesellschafter einer Kapitalgesellschaft, der der Gesellschaft wesentliche Betriebsgrundlagen vermietet oder verpachtet, nach den Grundsätzen der Betriebsaufspaltung die durch die Vermietung oder Verpachtung erzielten Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu versteuern hat, während die Trägerkörperschaft den durch den Betrieb gewerblicher Art erzielten Gewinn um Nutzungsentgelte mindern könnte, die sie in der Regel nicht versteuern müsste.

b) Der erkennende Senat teilt zwar die Auffassung des Beklagten, dass es sich bei den Standflächen für die Glascontainer dem Grunde nach um eine wesentliche Betriebsgrundlage des Betriebes gewerblicher Art Duales System handelt, da der Entsorgungsbetrieb ohne diese Standflächen nicht hätte betrieben werden können. Insbesondere steht der Umstand, dass die Flächen nicht besonders hergerichtet und jederzeit austauschbar waren, nach nunmehr einhelliger Auffassung des BFH der Annahme einer wesentlichen Betriebsgrundlage nicht entgegen (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 10.11.2005 IV R 7/05, BStBl II 2006, 176 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Im Streitfall liegt jedoch keine schuldrechtliche Vereinbarung zwischen der Klägerin als Trägerkörperschaft und ihrem Betrieb gewerblicher Art über die entgeltliche Überlassung der Standflächen vor; die Erlaubnis zur Nutzung dieser Standflächen gegen Sondernutzungsgebühren fällt vielmehr in den Hoheitsbereich der Klägerin.

aa) Zwischen den Beteiligten besteht Einvernehmen darüber, dass sich die Nutzung öffentlicher Straßenflächen als Stellfläche für die Glascontainer nicht mehr im Rahmen der Widmung und der verkehrsrechtlichen Vorschriften (Gemeingebrauchs) vollzieht. Eine derartige Benutzung der Straßen über den Gemeingebrauch hinaus stellt eine Sondernutzung dar, die nach § 18 Abs. 1 Satz 3 StrWG NRW innerhalb von Ortschaften der Erlaubnis der Gemeinde bedarf. Für die Sondernutzungen können nach § 19a Abs. 1 StrWG NRW Gebühren erhoben werden.

bb) Im Streitfall hat die Klägerin die Erlaubnis zur Nutzung der Standflächen für die Glascontainer durch Einräumung der entsprechenden Sondernutzung erteilt und Sondernutzungsgebühren nach der einschlägigen Gebührensatzung festgesetzt. Ein Ermessensspielraum bestand insoweit nicht. Die Einräumung der Sondernutzung ist dem Hoheitsbereich der Klägerin zuzuordnen.

Das hoheitliche Handeln der Klägerin und die Rechtsnatur der Sondernutzungsentgelte als öffentlich rechtliche Gebühr werden auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Sondernutzungsgebühren ihrem wirtschaftlichen Gehalt nach eine Art Miete für die Benutzung öffentlicher Straßen sind, weil sie darauf gerichtet sind, den wirtschaftlichen Vorteil abzuschöpfen, den der Sondernutzer durch eine Privilegierung gegenüber dem sonstigen Straßenbenutzer infolge seiner übermäßigen Inanspruchnahme der öffentlichen Verkehrsfläche erlangt (vgl. Stuchlik, Straßenrechtliche Sondernutzungen, Gewerbearchiv 2004, 143). Entscheidend ist, dass es im Hinblick auf die abschließende, auf Satzungsrecht beruhende Regelung über die Sondernutzung der Klägerin weder möglich war, mit ihrem Betrieb gewerblicher Art eine zivilrechtliche Vereinbarung über die entgeltliche Nutzung der Standflächen zu treffen, noch hierfür eine Notwendigkeit bestand.

Hierin unterscheidet sich der Streitfall von dem BFH-Urteils vom 17.5.2000 I R 50/98, BStBl II 2001, 558 Dort hatte die Trägerkörperschaft ihrem Betrieb gewerblicher Art Marktbetrieb öffentliche Verkehrsflächen pachtweise zur Durchführung von Wochenmärkten überlassen. Der erkennende Senat geht davon aus, dass ein Pachtvertrag vereinbart worden war, weil neben der Grundstücksüberlassung weitere (Neben) Leistungen geschuldet waren und/oder wegen des räumlich bzw. zeitlich schwankenden Umfangs der (Sonder) Nutzung eine Anwendung der Gebührensatzung nicht in Betracht kam.

cc) Ist die Überlassung der Standplätze an den Betrieb gewerblicher Art dem Hoheitsbereich der Trägerkörperschaft zuzurechnen, so konnte sie hierdurch nicht zugleich eine gewerbliche, d.h. ertragsteuerlich relevante Tätigkeit ausüben. Die von der Klägerin vereinnahmten Sondernutzungsgebühren konnten damit auch nicht im Rahmen eines - weiteren - Betriebs gewerblicher Art "Verpachtung" der Körperschaftsteuer unterworfen werden. Dies ist jedoch unabdingbare Voraussetzung für die Hinzurechnung der (Sonder) Nutzungsentgelte als verdeckte Gewinnausschüttung. Denn diese Hinzurechnung ist die nach den Grundsätzen des BFH-Urteils in BStBl II 1984, 496 lediglich aus Vereinfachungsgründen vorzunehmen, um eine "weitere Komplizierung des Steuerrechts" durch die steuerliche Erfassung des Betriebes gewerblicher Art Verpachtung zu vermeiden.

3. Eine Hinzurechnung der Sondernutzungsgebühren als verdeckte Gewinnausschüttung ist schließlich auch nicht aus Wettbewerbsgesichtspunkten geboten. Die Wettbewerbsneutralität wird im Streitfall vielmehr gerade dadurch sichergestellt, dass der Betrieb gewerblicher Art Duales System die durch den Betrieb veranlassten Sondernutzungsgebühren wie jedes private Entsorgungsunternehmen auch als Betriebsausgaben geltend machen kann.

Die Sondernutzungsgebühren werden von der Klägerin unabhängig davon erhoben, ob die Altglasentsorgung mittels Sammelcontainer durch private Unternehmen oder durch ihren Betrieb gewerblicher Art durchgeführt wird. Wird im letzteren Fall der Betriebsausgabenabzug versagt, so führt dies, wie die Klägerin zutreffend anmerkt, im Ergebnis dazu, dass aus einer hoheitlichen Tätigkeit resultierenden Gebühren als steuerpflichtige Einnahmen erfasst werden.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Übertragung der Neuberechnung der Gewerbesteuermessbeträge sowie der gesondert festzustellenden Verluste auf den Beklagten beruht auf § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.

5. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Die Streitfrage ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Dem BFH wird damit auch Gelegenheit für eine Abgrenzung zu seinem Urteil in BStBl II 2001, 558 gegeben. Dort wird in Leitsatz 3 die aufgrund Pachtvertrages geschuldete Nutzungsvergütung missverständlich als Sondernutzungsentgelt bezeichnet.

Ende der Entscheidung

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