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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 19.01.2006
Aktenzeichen: 15 K 3320/04 E
Rechtsgebiete: EStG, AO


Vorschriften:

EStG § 19
EStG § 21
EStG § 46 Abs. 2 Nr. 8
AO § 110
AO § 150
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

15 K 3320/04 E

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um den Ablauf und die Wiedereinsetzung in die zweijährige Antragsfrist für die Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 Einkommensteuergesetz - EStG -.

Die Einkünfte der verheirateten und zusammenveranlagten Kläger bestanden im Streitjahr 2001 aus nichtselbständigen Einkünften des Klägers nach § 19 EStG, von denen ein Steuerabzug vorgenommen worden ist, sowie Vermietungseinkünften des Klägers nach § 21 EStG, die aus verschiedenen Grundstücksgemeinschaften stammten. Die dem Beklagten - dem Finanzamt "F-Stadt" - vorliegenden Mitteilungen über die anteiligen Vermietungseinkünfte des Klägers beliefen sich im Streitjahr insgesamt auf einen Verlust.

Mit Schreiben vom 20.12.2003, das den Eingangsstempel des Finanzamtes vom 22.12.2003 trug, reichten die Kläger mehrere Anlagen V für 2001 für das Objekt "T-Straße 1" in "T-Stadt" mit den notwendigen Anlagen ein. Die Begleitschreiben zu dieser Anlage V waren nur vom Ehemann unterschrieben. Mit Eingangstempel vom 30.12.2003 ging beim Beklagten eine weitere Anlage V 2001 für das Objekt ""I-Straße 2" in "I-Stadt" nebst Anlagen ein. Auch das Begleitschreiben zu diesen Unterlagen war nur vom Kläger unterschrieben. Mit Eingangsstempel vom 02.01.2004 ging die Einkommensteuererklärung für 2001 nebst weiteren Anlagen V beim Beklagten ein. Diese war ebenfalls nur vom Kläger unterschrieben. In der Einkommensteuererklärung wurden Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit des Ehemanns i.H.v. 142.100,00 DM erklärt. Die Lohnsteuer (30.306,07 DM) wurde nach den Eintragungen in der Lohnsteuerkarte gemäß Steuerklasse III einbehalten. Für die Klägerin wurde eine leere Lohnsteuerkarte eingereicht, die die Steuerklasse V auswies.

Mit Bescheid vom 08.01.2004 lehnte der Beklagte den Antrag der Kläger auf erklärungsgemäße Veranlagung wegen Versäumnis der Antragsfrist gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG ab. Die Kläger erhoben mit Schreiben vom 22.01.2004 dagegen Einspruch und beantragten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 110 Abgabenordnung - AO -. Zur Begründung führten sie aus, dass sie die Einkommensteuererklärung in der 52. Kalenderwoche 2003 erstellt und durch eigenhändigen Posteinwurf am 22.12.2003 und 31.12.2003 beim Beklagten eingereicht hätten. Die durch die Feiertage verzögerte Abholung der Postsendungen aus den Postfächern könnte nicht ihnen angelastet werden. Zudem beantragten sie die Durchführung der Einkommensteuerveranlagung gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 3a EStG, da die Lohnsteuerkarte der Klägerin die Steuerklasse V ausweise und durch den Arbeitgeber dort kein Arbeitslohn bescheinigt worden sei, weil die Klägerin sich ganzjährig in Erziehungsurlaub befunden habe. In den Erläuterungsvordrucken zur Steuererklärung werde ausgeführt, dass eine Einkommensteuerveranlagung von Amts wegen durchzuführen sei, wenn ein ungekündigtes Beschäftigungsverhältnis bestehe und hierfür die Steuerkarte mit Steuerklasse V ausgestellt worden sei. Auch die erheblichen Verluste aus Vermietung und Verpachtung ließen die Schlussfolgerung zu, dass die Einkunftsgrenze von 800,00 DM überschritten worden sei. In den Erläuterungen werde schließlich nicht auf positive Einkünfte abgestellt. In den Vorjahren seien bei zudem nahezu gleichen Einkommensverhältnissen die Einkommensteuererklärungen stets von Seiten des Beklagten angefordert worden oder sogar Schätzungen durchgeführt worden. Sie hätten auch für das Jahr 2001 auf diese Veranlagungspraxis vertraut und seien davon ausgegangen, dass das Finanzamt für das Jahr 2001 von Amts wegen tätig werden würde. Ihnen sei daher die Abgabefrist zum 31.12.2003 bei Antragsveranlagungen nicht bekannt gewesen. Darüber hinaus seien für den Veranlagungszeitraum 2001 Einkommensteuervorauszahlungen festgesetzt gewesen und auch im geänderten Einkommensteuervorauszahlungsbescheid seien die Vorauszahlungen nicht rückwirkend für den gesamten Veranlagungszeitraum auf 0,00 DM herabgesetzt worden. Die Festsetzung von Vorauszahlungen stehe im Widerspruch zu einer Antragsveranlagung. Darüber hinaus seien sie steuerlich nicht beraten gewesen und einem steuerlichen Laien sei es nicht zumutbar, die Antragsfrist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG zu kennen. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der im Rahmen der Lohnsteuerkarten und Einkommensteuererklärungsvordrucke übersandten Lohnsteuerratgeber und Informationsquellen, da diese so unübersichtlich seien, dass die Erklärungsfrist und die unterschiedlichen Voraussetzungen für die Antrags- und Pflichtveranlagungen nicht ohne steuerliche Kenntnisse erkennbar gewesen seien. Ihnen könne daher ein schuldhaftes Verhalten, das zur Versäumung der Antragsfrist geführt habe, nicht angelastet werden. Da Teile der Erklärung bereits im Dezember im Finanzamt eingegangen seien, hätte vielmehr das Finanzamt im Rahmen seiner Fürsorgepflicht sie darauf hinweisen müssen, dass eine Fristversäumnis drohe, wenn die Erklärung nicht noch vor Ablauf des Jahres eingereicht werde.

Mit Einspruchsentscheidung 12.05.2004 wies der Beklagte den Einspruch der Kläger als unbegründet zurück. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die in der Gerichtsakte (Bl. 6 ff. enthaltene Einspruchsentscheidung) verwiesen.

Mit ihrer dagegen erhobenen Klage halten die Kläger an ihrem bisherigen Vorbringen fest. Sie seien hinsichtlich der Abgabe der Einkommensteuererklärung 2001 von keiner zeitlichen Begrenzung ausgegangen. Auch für das Vorjahr 2000 sei die Abgabe der Einkommensteuererklärung nicht angemahnt worden. Auf eine besondere Abgabefrist sei auch nicht hingewiesen worden.

Die Kläger beantragen,

unter Aufhebung des Nichtveranlagungsbescheids vom 06.04.2004 und der Einspruchsentscheidung vom 12.05.2004 den Beklagten zu verpflichten, sie unter Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Maßgabe der Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2001 zur Einkommensteuer zu veranlagen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er führt zur Begründung aus, die Voraussetzungen für eine Veranlagung nach § 46 Abs. 2 EStG lägen nicht vor. Die Frist des Abs. 2 Nr. 8 sei versäumt worden. Post, die vor 8.00 Uhr am 31.12.2003 in den Hausbriefkasten eingeworfen worden sei, erhalte noch den Stempel des vorherigen Werktags. Er ist im Übrigen der Ansicht, die Frist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG sei aus öffentlichen Bekanntmachung der Finanzverwaltung, der Tagespresse und aus Broschüren, die mit den Lohnsteuerkarten 2001 versandt worden seien, ohne weiteres erkennbar gewesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die Klage ist nicht begründet.

Der Beklagte hat die Durchführung einer Einkommensteuerveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG zu Recht abgelehnt.

1. Gemäß § 46 Abs. 2 EStG wird in Fällen, in denen das Einkommen ganz oder teilweise aus Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit besteht, von denen ein Steuerabzug vorgenommen worden ist, eine Veranlagung von Amts wegen nur unter den in § 46 Abs. 2 Nr. 1 bis 7 genannten Voraussetzungen durchgeführt. Darüber hinaus ist gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG eine Veranlagung auf Antrag des Steuerpflichtigen - insbesondere zur Anrechnung von Lohnsteuer auf die Einkommensteuer - möglich, wenn der Antrag bis zum Ablauf des auf den Veranlagungszeitraum folgenden 2. Kalenderjahres durch Abgabe einer Einkommensteuererklärung gestellt wird. Seit Einführung des § 46 Abs. 2 Satz 2 in der Fassung des Steuerreformgesetzes 1990, also für Veranlagungszeiträume seit 1990, kann der Antrag nicht mehr formlos gestellt werden, sondern nur in Form einer Einkommensteuerklärung. Bei der zweijährigen Frist zur Durchführung einer Antragsveranlagung handelt es sich dabei um eine nicht verlängerbare Ausschlussfrist. Deshalb kommt nach Ablauf der Frist - unabhängig vom Stand der Veranlagungsarbeiten - eine Veranlagung nur noch bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht.

2. Im Streitfall haben die Kläger die Frist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG versäumt. Die Frist lief für den Veranlagungszeitraum 2001 am 31.12.2003 ab. Die Kläger haben jedoch ihre Einkommensteuererklärung erst am 02.01.2004 vollständig und damit verspätet beim Beklagten einreicht. Die Einreichung der Anlagen V im Jahr 2003 reicht insoweit nicht zum Anstoßen einer Antragsveranlagung aus. Denn nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 ist der Antrag durch "Abgabe einer Einkommensteuererklärung" zu stellen. Ob bereits die Abgabe von Teilen einer Einkommensteuererklärung als "Abgabe einer Einkommensteuererklärung" ausreicht, braucht hier nicht entschieden zu werden. Auch wenn man darunter die Abgabe von Teilen einer Erklärung fallen lässt, müssen diese der Form des § 150 AO entsprechen und gemäß § 25 Abs. 3 EStG eigenhändig unterschrieben sein. Nach § 25 Abs. 3 Satz 5 ist eine gemeinsame Einkommensteuerklärung von beiden Ehegatten eigenhändig zu unterschreiben. Dies ist hinsichtlich der beiden noch in 2003 eingereichten Anlagen V aber nicht der Fall.

3. Auch die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegen nicht vor.

a. Nach § 110 Abs. 1 AO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Der Wiedereinsetzungsantrag ist nach Abs. 2 der Vorschrift innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Die Wiedereinsetzung kann allerdings auch ohne Antrag gewährt werden, wenn die versäumte Handlung innerhalb der Antragsfrist nachgeholt wird.

b. Diese Voraussetzungen lagen im Streitfall nicht vor, weil die Fristversäumung durch die Kläger nicht schuldlos war. Schuldlos handelt, wer diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften, seine Rechte und Pflichten sachgerecht wahrnehmenden Bürger geboten und ihn nach den Gesamtumständen des konkreten Einzelfalls zumutbar ist. Dabei sind die vorauszusetzenden Kenntnisse, Möglichkeiten und Fähigkeiten des Betroffenen zu berücksichtigen.

aa. Der Senat folgt nicht der Behauptung der Kläger, sie hätten als steuerliche Laien die gesetzliche Veranlagungsfrist von zwei Jahren nicht gekannt. Vielmehr war diesen nach Überzeugung des Senats die Zweijahresfrist durchaus bekannt. Denn ansonsten ließe sich die (übereilte) Abgabe der Anlagen V Ende 2003 sowie die Abgabe der restlichen Unterlagen Anfang 2004 nicht schlüssig erklären. Die vom Kläger gegen Jahresende bereits vor Abgabe der Steuererklärung eingereichten Unterlagen sowie die Tatsache, dass das Anschreiben zur Einkommensteuererklärung am 31.12.2003 verfasst und auch zur Post gegeben worden ist, spricht vielmehr dafür, dass die Kläger die Voraussetzungen für die Durchführung der Veranlagung noch vor Fristablauf herbeiführen wollten und ihnen die Bedeutung der Ausschlussfrist bekannt war. Auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob den Klägern schon aufgrund der Hinweise im Lohnsteuerratgeber 2001 und den Hinweisen zur Einkommensteuer 2001 die Frist hätte bekannt sein müssen (vgl. dazu Urteile des FG Köln vom 23.04.2004 10 K 766/04, EFG 2005, 788; des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 10.12.2003 4 K 508/01, EFG 2004, 506 und des FG Münster vom 10.11.2005 8 K 4606/02 E, juris), kommt es aufgrund der positiven Kenntnis der Kläger daher nicht mehr an.

bb. Diese Annahme wird unterstützt durch die Tatsache, dass der Kläger als Immobilienkaufmann in steuerlichen Dingen durchaus als erfahren anzusehen ist und auch im Vorjahr die Einkommensteuererklärungen nebst sämtlichen Anlagen V eigenhändig erstellt und fristgerecht beim Beklagten eingereicht hat. Der Senat vermag deshalb auch dem Vortrag der Kläger nicht zu folgen, sie seien fälschlich davon ausgegangen, es liege eine Pflichtveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG vor und die Grenze von 800,00 DM erfasse sowohl positive als auch negative Einkünfte. Davon abgesehen, dass die steuerlich nicht beratenen Kläger die Erklärung 2001 dann bereits bis zum 31.05.2002 hätten abgegeben müssen, wurden die Kläger auch für das Vorjahr nur auf Antrag zur Einkommensteuer veranlagt. Ob den Klägern die Unterscheidung zwischen positiven und negativen Einkünften und deren unterschiedliche Auswirkung auf das Vorliegen einer Pflicht- oder einer Antragsveranlagung bekannt war, kann schon deshalb dahinstehen, weil sie sich mit den Voraussetzungen der Antragsveranlagung ohnehin nicht konkret befasst haben wollen, so dass es insoweit an der Ursächlichkeit eines möglichen Rechtsirrtums fehlt.

4. Auch nach § 46 Abs. 2 Nr. 3a EStG kommt eine Veranlagung nicht in Betracht. Nach § 46 Abs. 2 Nr. 3a wird eine Veranlagung durchgeführt, wenn von Ehegatten, die nach §§ 26, 26b zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, beide Arbeitslohn bezogen haben und einer für den Veranlagungszeitraum oder einen Teil davon nach der Steuerklasse V oder VI besteuert worden ist. Für den Veranlagungszeitraum 2001 liegen zwar Steuerkarten mit den Steuerklassen III und V vor. Jedoch weist die Steuerkarte mit der Steuerklasse V der Klägerin keinen Arbeitslohn und mithin keine einbehaltene Lohnsteuer aus. Voraussetzung für eine Pflichtveranlagung nach § 46 Abs. 2 Nr. 3a EStG ist jedoch, dass ein Lohnsteuereinbehalt nach Steuerklasse V tatsächlich erfolgt ist. Die bloße Ausstellung einer Steuerkarte mit der entsprechenden Steuerklasse ist nicht ausreichend. Dies ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut, der ausdrücklich davon spricht, dass beide Ehegatten "Arbeitslohn bezogen haben" und "einer für den Veranlagungszeitraum...nach der Steuerklasse V besteuert worden ist".

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

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