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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 18.06.2009
Aktenzeichen: 15 K 37/09 Kg
Rechtsgebiete: AO, EStG


Vorschriften:

AO § 155 Abs. 4
AO § 173 Abs. 1
EStG § 31
EStG § 32
EStG § 62
EStG § 68 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte zu Recht die Kindergeldfestsetzung für die beiden Kinder "S", geb. am "..." 1992, und "Q", geb. am "..." 1994, der Klägerin mit Wirkung ab Januar 1998 aufgehoben und die geleisteten Kindergeldzahlungen zurückgefordert hat.

Der Ehemann der Klägerin bezog als Angehöriger des öffentlichen Dienstes bis zu seinem Tod am 26. September 1996 vom "M-Behörde" Kindergeld für die beiden o.g. Kinder. Nach seinem Tod beantragte die Klägerin mit Antrag vom 10. Oktober 1996 bei der Beklagten, der Familienkasse "L-Stadt", Kindergeld für die beiden Kinder. Im Rahmen des Antrags gab sie an, verwitwet zu sein. Außerdem erklärte sie auf entsprechende Fragen im Antragsvordruck, dass ihr Ehemann, "N", in den letzten sieben Monaten vor Antragstellung im öffentlichen Dienst tätig gewesen sei und Kindergeld für die beiden Kinder "S" und "Q" vom "M-Behörde" bezogen habe. Außerdem gab sie an, dass sie im Mutterschutz sei und von ihrem Arbeitgeber kein Kindergeld erhalte.

Die Beklagte richtete daraufhin am 29. Oktober 1996 eine Vergleichsmitteilung zum Kindergeld an das "M-Behörde", in der auf den Kindergeldantrag der Klägerin sowie darauf hingewiesen wurde, dass beabsichtigt sei, der Klägerin für die genannten Kinder Kindergeld "ab Monat Einstellung Ihrerseits" Kindergeld zu zahlen. Außerdem bat sie um Mitteilung, ob vom "M-Behörde" Kindergeld gezahlt werde bzw. worden sei, sowie um vorsorgliche Einstellung der Kindergeldzahlungen. Das "M-Behörde" teilte der Beklagten mit Schreiben vom 07. November 1996 mit, dass der Ehemann der Klägerin bis einschließlich September 1996 Kindergeld für die beiden Kinder bezogen habe.

Daraufhin zahlte die Beklagte ab Oktober 1996 fortlaufend Kindergeld für die beiden Kinder. Im Rahmen der von der Klägerin bezogenen Versorgungsbezüge (Witwengeld) zahlte auch das "M-Behörde", erstmals im Dezember 1996 rückwirkend zum Oktober 1996, Kindergeld an die Klägerin. Auf den Inhalt der Bezügemitteilung von Dezember 1996 (Bl. 6 d.A.) wird Bezug genommen.

Im Rahmen einer Prüfung durch "..." erlangte die Beklagte im Jahre 2008 Kenntnis von der doppelten Kindergeldzahlung an die Klägerin. Mit Bescheid vom 01. Dezember 2008 hob sie daraufhin die Kindergeldfestsetzung für die Kinder "S" und "Q" ab Januar 1998 auf und forderte das für den Zeitraum Januar 1998 bis August 2008 gezahlte Kindergeld in Höhe von insgesamt 37.033,71 EUR zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin habe als Empfängerin von Versorgungsbezügen gleichzeitig Kindergeld von ihr und von der Familienkasse des "M-Behörde" erhalten, ohne dies mitzuteilen. Die bei ihr - der Beklagten - erfolgte Kindergeldfestsetzung sei daher zu Unrecht erfolgt. Da das Verhalten der Klägerin ferner die Voraussetzungen einer Steuerhinterziehung nach § 370 der Abgabenordnung -AO- erfülle, sei im Streitfall von einer zehnjährigen Festsetzungsfrist auszugehen, so dass die Festsetzung des Kindergeldes ab dem 01. Januar 1998 aufzuheben gewesen sei.

Mit der nach erfolglos durchgeführtem Einspruchsverfahren fristgerecht erhobenen Klage hat die Klägerin zunächst vorgetragen, dass es ihr Ehemann nach seiner Verbeamtung im Oktober 1995 unterlassen habe, sie davon zu unterrichten, dass er vom "M-Behörde" Kindergeld bezogen habe. Darüber hinaus habe sie bei keiner Familienkasse Kindergeld beantragt. Nach dem Tode ihres Ehemannes seien beide Leistungen ohne ihr Zutun weitergelaufen. Im Rahmen des Klageverfahrens (vgl. Bl. 31f. d.A.) korrigierte die Klägerin ihr Vorbringen dahingehend, dass ihr der Umstand, dass ihr Ehemann Kindergeld bezogen habe, bekannt gewesen sei. Auch die Stellung ihres Kindergeldantrages bei der Beklagten am 10. Oktober 1996 sei zutreffend.

Nach dem Tode ihres Ehemanns sei sie jedoch in eine "depressive Episode" verfallen. Sie habe keine Kenntnis davon gehabt, dass es sich bei der Position "Kindergeld/Waisengeld" in der Bezügemitteilung des "M-Behörde" von Dezember 1996 um die gleiche Leistung wie die der Beklagten gehandelt habe. Aus dem Bescheid des "M-Behörde" gehe auch nicht hervor, dass es sich bei einem Bestandteil der Hinterbliebenenversorgung bzw. des Waisengeldes um den deckungsgleichen Anspruch der Beklagten handele. Eine vorsätzliche Steuerhinterziehung sei ihr daher nicht anzulasten.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 01. Dezember 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. Dezember 2008 aufzuheben,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, dass sie erst aufgrund einer Vergleichsmitteilung im Juli 2008 von der Doppelzahlung des Kindergeldes Kenntnis erlangt habe. Da das "M-Behörde" für die Festsetzung und Auszahlung des Kindergeldes die sachlich zuständige Behörde sei, habe sie, die Beklagte, die Festsetzung aufheben und die überzahlten Beträge zurückfordern müssen. Darüber hinaus sei in der Bezügemitteilung des "M-Behörde" für Dezember 1996 ein unmissverständlicher Hinweis auf die Auszahlung des Kindergeldes durch das "M-Behörde" enthalten. Auch der Einwand der Klägerin, sie habe aufgrund der Trauerphase nicht gemerkt, dass das Kindergeld doppelt gezahlt werde, überzeuge nicht. Der Klägerin sei mindestens einmal jährlich eine Bezügemitteilung durch das "M-Behörde" - auch über entsprechende Kindergelderhöhungen - übermittelt worden. Insofern könne es ihr nicht entgangen sein, dass sie zweimal Kindergeld für die Kinder erhalten habe. Indem sie die Kindergeldzahlungen des "M-Behörde" ihr gegenüber verschwiegen habe, habe sie durch Unterlassen den Tatbestand der Steuerhinterziehung verwirklicht.

Der Senat hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung persönlich angehört. Hierbei hat sie erklärt, dass ihr aufgrund der Bezügemitteilung des "M-Behörde" von Dezember 1996 die Aufnahme der Kindergeldzahlungen durch das "M-Behörde" ab Oktober 1996 zwar bekannt gewesen sei. Sie habe jedoch aufgrund ihres Antrages vom 10. Oktober 1996 bei der Beklagten darauf vertraut, dass dies seine Richtigkeit gehabt habe, nachdem sie im Rahmen der Antragstellung alle Angaben zutreffend und wahrheitsgemäß gemacht habe. Auch das Sozialamt habe ihr nach dem Tode ihres Ehemannes die Anregung gegeben, einen Kindergeldantrag bei der Familienkasse zu stellen. Ihr sei aufgrund dieser Umstände nicht bewusst gewesen, dass sich die Zahlungen des "M-Behörde" und die Leistungen der Beklagten auf den inhaltsgleichen Kindergeldanspruch bezogen hätten. Auch die ihr übersandten Bezügemitteilungen des "M-Behörde" für ihre beiden Kinder (vgl. die als Anlage zu Protokoll genommene Mitteilung) wiesen unter der Rubrik "Kindergeld/Waisengeld" den Eintrag "Betrag 0,00" aus. Zwar sei ihr, so die Klägerin weiter auf entsprechende Befragung des Senats, bewusst gewesen sei, dass nicht ihre Kinder, sondern sie selbst als Berechtigte Adressatin der Kindergeldzahlungen gewesen sei. Jedoch sei sogar einem später von ihr aufgesuchten Rentenberater die Doppelzahlung nicht aufgefallen.

Das Gericht hat die Kindergeldakte beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt sowie auf die einzelnen Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 01.12.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.12.2008 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung -FGO-. Denn die Beklagte hat zu Recht die Festsetzung des Kindergeldes für den Zeitraum vom 01. Januar 1998 bis zum 31. August 2008 aufgehoben und die erbrachten Kindergeldzahlungen zurückgefordert.

1. Die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung lässt sich entgegen der Ansicht der Beklagten zwar nicht auf die Vorschrift des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO stützen.

Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide - wozu gemäß § 31 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes -EStG- i.V.m. § 155 Abs. 4 AO auch Kindergeldbescheide zählen - aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer bzw. zu einer niedrigeren Steuervergütung führen. Tatsache ist jeder Lebenssachverhalt, der insgesamt oder teilweise den gesetzlichen Steuertatbestand oder ein einzelnes Merkmal dieses Tatbestandes erfüllt (vgl. Tipke/Kruse, AO und FGO, § 173 AO, Tz. 2 m.w.N.).

Als Tatsache ist im Streitfall der Umstand anzusehen, dass die Klägerin vom "M-Behörde" im Rahmen der Versorgungsbezüge auch Kindergeld für ihre beiden Kinder erhalten hat. Diese Tatsache war der Beklagten im Zeitpunkt der erstmaligen Kindergeldfestsetzung im November 1996 auch noch nicht bekannt. Allerdings berührt dieser Umstand nicht den gesetzlichen Kindergeldtatbestand, der sich ausschließlich nach den Vorschriften §§ 32ff., 62ff. EStG bestimmt. Denn die Frage, ob die Klägerin auch Versorgungsbezüge von Seiten des "M-Behörde" erhielt, hatte lediglich Auswirkungen darauf, welche Familienkasse für die Festsetzung des Kindergeldes sachlich zuständig war (vgl. §§ 67 Satz 1, 72 Abs. 1 EStG). Für die materielle Berechtigung zum Bezug von Kindergeld war dies ebenso wenig von Bedeutung wie der Gesichtspunkt der Erfüllung des Kindergeldanspruchs (parallel) durch eine andere Behörde.

2. Die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung durch die Beklagte erfolgte aber zu Recht nach § 174 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 AO.

Nach dieser Vorschrift ist ein fehlerhafter Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zu Gunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist. Der Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhaltes auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist, § 174 Abs. 2 Satz 2 AO. Dies ist nach der Rechtsprechung des BFH dann der Fall, wenn der durch die widerstreitende Steuerfestsetzung begünstigte Steuerpflichtige den Erhalt des Steuervorteils durch eine objektiv unzutreffende Darstellung des Sachverhalts veranlasst hat. Denn in diesem Fall verdient er im Hinblick auf die Bestandskraft des Steuerbescheides keinen Vertrauensschutz (Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 21. Oktober 1980 VIII R 186/78, BFHE 132, 182, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1981, 388).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Denn die fehlerhafte (doppelte) Berücksichtigung der Kinder der Klägerin durch die Beklagte ist ursächlich auf deren Kindergeldantrag zurückzuführen.

a) Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sich dies schon daraus ergibt, dass bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung am 10. Oktober 1996 dem Grunde nach feststand, dass die Klägerin Versorgungsbezüge nach beamtenrechtlichen Vorschriften und mithin auch Kindergeld vom "M-Behörde" erhielt, auch wenn diese Bezüge erstmals im Dezember 1996 - rückwirkend ab Oktober 1996 - ausgezahlt wurden. Denn die Angaben der Klägerin zu Frage 9 im Kindergeldantrag ("Erhalten oder erhielten Sie, Ihr Ehegatte oder eine andere Person für die eingetragenen Kinder in den letzten 7 Monaten vor der Antragstellung Kindergeld oder Auslandskinderzuschlag von einer öffentlich-rechtlichen Dienststelle oder Einrichtung?") stellten sich jedenfalls ab dem Zeitpunkt der tatsächlichen Aufnahme der Kindergeldzahlungen durch das "M-Behörde", d.h. ab Dezember 1996, als unrichtig bzw. unvollständig heraus. Aus ihrem Antrag ging nämlich lediglich ihr Ehemann und nicht auch sie selbst als Empfängerin von Kindergeldzahlungen einer öffentlich-rechtlichen Dienststelle oder Einrichtung hervor. Soweit man mit der Klägerin annimmt, dass ihre Angaben im Zeitpunkt der Antragstellung am 10. Oktober 1996 objektiv zutreffend und vollständig gewesen seien, steht dies der Annahme eines unrichtigen Antrages ab Dezember 1996 nicht entgegen. Dass die Klägerin im Dezember 1996 keinen gesonderten Antrag gestellt hat, ist insoweit unbeachtlich. Denn gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 EStG war sie ab dem Zeitpunkt der Aufnahme der Kindergeldzahlungen durch das "M-Behörde" verpflichtet, dies gegenüber der Beklagten anzuzeigen. Ihr diesbezügliches Unterlassen steht nach dieser Vorschrift der Abgabe einer unrichtigen Erklärung ab Dezember 1996 gleich.

Nach § 68 Abs. 1 Satz 1 EStG hat derjenige, der Kindergeld beantragt oder erhält, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich der zuständigen Familienkasse mitzuteilen. Dieser Hinweis ist zudem ausdrücklich im Antragsformular (unmittelbar über dem Unterschriftsfeld) enthalten.

Die Voraussetzungen von § 68 Abs. 1 Satz 1 EStG sind im Streitfall erfüllt. Bei dem Erhalt der Versorgungsbezüge und der Kinderzahlungen vom "M-Behörde" dürfte es sich um einen für den Kindergeldbezug von der Beklagten "erheblichen" Umstand im Sinne der Vorschrift handeln, ungeachtet der Tatsache, dass dies für die materielle Berechtigung zum Kindergeldbezug - wie dargelegt - ohne Bedeutung war. Denn der Erhalt der Versorgungsbezüge vom "M-Behörde" führte wegen § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG dazu, dass im Verhältnis zur Beklagten kein Anspruch auf eine "Leistung" in Form von Kindergeldzahlungen bestand. Die Vorschrift des § 68 Abs. 1 Satz 1 EStG ist unabhängig hiervon aber bereits deswegen erfüllt, weil die Klägerin im Rahmen ihrer Antragstellung gegenüber der Beklagten im Oktober 1996 Erklärungen über Kindergeldzahlungen des "M-Behörde" abgegeben hatte. Die Klägerin hatte nämlich in ihrem Antrag lediglich ihren Ehemann als Bezieher von Kindergeld angegeben. Zum Inhalt dieser Erklärung ergaben sich im Dezember 1996 Änderungen, weil die Klägerin selbst Bezieherin von Kindergeld wurde. Dies begründete eine Mitteilungspflicht nach § 68 EStG.

Dass die Verletzung dieser Mitteilungspflicht der Stellung eines unrichtigen Antrages ab Dezember 1996 gleichsteht, folgt nach Ansicht des Senates auch aus der Rechtsnatur der Kindergeldfestsetzung als Dauerverwaltungsakt (vgl. hierzu: BFH-Beschluss vom 18. Dezember 1998 VI B 215/98, BFHE 187, 559, BStBl II 1999, 231). Denn der Festsetzungsbescheid aktualisiert sich mit dem jedem Monat der Kindergeldauszahlung auf der Grundlage des ursprünglich gestellten Antrags, der in der Festsetzung fortwirkt. Im Hinblick auf den Dauerverwaltungsaktscharakter kann der Fall nicht anders beurteilt werden, als wenn jeden Monat ein neuer Antrag gestellt und daraufhin das Kindergeld festgesetzt würde. Die Ausgestaltung der Festsetzung als Dauerverwaltungsakt führt also nicht dazu, dass sich die Erklärungspflichten des Antragstellers auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Antragstellung beschränken, was sich auch aus § 68 EStG ergibt.

b) Die Aufhebungsbefugnis der Beklagten nach § 174 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 AO entfiel hier auch nicht deswegen, weil im Zeitpunkt der Antragstellung im Oktober 1996 noch von der Unkenntnis der Klägerin von der bevorstehenden Zahlung der Versorgungsbezüge und des Kindergeldes durch das "M-Behörde" auszugehen ist. Denn im Rahmen des § 174 Abs. 2 Satz 2 AO kommt es auf die Kenntnis bzw. vorwerfbare Nichtkenntnis des Steuerpflichtigen oder sonstige Verschuldensgesichtspunkte nicht an. Die Beurteilung der Unrichtigkeit des Antrages bestimmt sich vielmehr nach rein objektiven Kriterien (vgl. BFH-Urteil vom 21. Oktober 1980, VIII R 186/78, BStBl II 1981, 388, 38; FG Sachsen, Beschluss vom 02. August 2002 5 V 525/02, zitiert nach [...]).

c) Auch der Umstand, dass der Beklagten aufgrund der Angaben der Klägerin in ihrem Kindergeldantrag die vormalige Zugehörigkeit ihres verstorbenen Ehemannes zum öffentlichen Dienst bekannt war, ließ ihre Aufhebungsbefugnis nach § 174 Abs. 2 AO unberührt. Etwas anderes ergäbe sich nur dann, wenn die Beklagte trotz ihrer Kenntnis von dieser Information unzureichende Ermittlungen zu der Frage des Erhalts von Versorgungsbezügen mit der Folge der Zahlung von Kindergeld angestellt hätte und darüber hinaus dieser Verletzung der Ermittlungspflicht im Verhältnis zu den unzutreffenden Angaben der Klägerin ein erhebliches Gewicht beizumessen wäre (BFH-Urteil vom 22. September 1983 IV R 227/80, BStBl II 1984, 510 und vom 13. November 1985 II R 208/82, BStBl II 1986, 241; Klein/Rüsken, AO, 9. Aufl. 2006, § 174, Tz. 33). Dafür ist im Streitfall jedoch nichts ersichtlich. Es liegen bereits keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beklagte ihrer Ermittlungspflicht nicht hinreichend Genüge getan hätte. Nach Stellung des Kindergeldantrages der Klägerin vom 10. Oktober 1996 richtete sie eine Vergleichsmitteilung an das "M-Behörde", in der sie auf deren Antrag sowie darauf hinwies, dass beabsichtigt sei, der Klägerin Kindergeld ab dem "Monat (der) Einstellung Ihrerseits" auszuzahlen. Zugleich bat sie das "M-Behörde" um vorsorgliche Einstellung der Kindergeldzahlungen. Im Hinblick auf die daraufhin erfolgte Mitteilung des "M-Behörde", dass der Ehemann bis einschließlich September 1996 Kindergeld bezogen habe, durfte die Beklagte von einer ausreichenden Aufklärung der tatsächlichen Umstände ausgehen. Dass sie in der Annahme der eigenen Zuständigkeit für die Festsetzung des Kindergeldes einem Rechtsirrtum erlegen war, begründet für sich genommen keine Verletzung der Ermittlungspflicht. Jedenfalls aber wäre diesem Umstand im Verhältnis zu den unterlassenen Angaben der Klägerin ein geringes Gewicht beizumessen.

3. Die Beklagte hat die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung auch zu Recht auf den Zeitraum rückwirkend bis zum 01. Januar 1998 erstreckt, denn für die auf diesen Zeitraum entfallenden Kindergeldansprüche war die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen.

a) Gemäß § 169 Abs. 1 Satz 1 AO darf die Festsetzung einer Steuervergütung nach Ablauf der Festsetzungsfrist nicht mehr aufgehoben werden. Die Festsetzungsfrist für Steuervergütungen beträgt grundsätzlich vier Jahre gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO, bei leichtfertiger Steuerverkürzung (§ 378 AO) fünf Jahre und im Falle der Steuerhinterziehung (§ 370 AO) zehn Jahre, vgl. § 169 Abs. 2 Satz 2 AO. Nach § 170 Abs. 1 AO beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer bzw. die Steuervergütung entstanden ist. Da das Kindergeld nach § 66 Abs. 1 EStG monatlich gezahlt wird, begann die Festsetzungsfrist für das in den einzelnen Monaten des jeweiligen Kalenderjahres gezahlte Kindergeld somit mit Ablauf dieses Kalenderjahres.

Der Beginn der Festsetzungsfrist war dabei nicht schon nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO hinausgeschoben. Nach dieser Vorschrift beginnt die Festsetzungsfrist abweichend von der Grundregel des § 170 Abs. 1 Nr. 1 AO, wenn eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuererklärung, Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer beginnt, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Abs. 1 später beginnt. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Denn die Mitteilung über Änderungen in für das Kindergeld erheblichen Umständen, zu der die Klägerin als Kindergeldberechtigte nach § 68 Abs. 1 Satz 1 EStG verpflichtet war, ist nach der Rechtsprechung keine "Anzeige" im Sinne von § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO( BFH-Urteil vom 18. Mai 2006 III R 80/04, BFH/NV 2006, 2323). Aus diesem Grund kommt hier eine Anlaufhemmung der Festsetzungsfrist nicht in Betracht.

b) Dies führt vorliegend jedoch nicht dazu, dass die Festsetzungsfrist für die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung (teilweise) bereits abgelaufen war. Denn im Streitfall liegen die Merkmale einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung nach § 370 AO vor, so dass gemäß § 170 Abs. 2 Satz 2 AO eine zehnjährige Festsetzungsfrist zugrunde zu legen war.

aa) Der objektive Tatbestand einer Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1, 2 AO ist erfüllt.

Dieser setzt voraus, dass der Steuerpflichtige den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht bzw. die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt. Hierfür ist nach der ständigen Rechtsprechung erforderlich, aber auch ausreichend, dass eine Handlung vorliegt, durch die Steuern verkürzt oder andere nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt werden. Als Handlung kommt dabei nicht nur ein positives Tun, sondern im Falle einer Rechtspflicht zum Handeln auch ein Unterlassen in Betracht (vgl. BFH-Urteile vom 16. Januar 1973 VIII R 52/69, BStBl II 1973, 273; vom 21. Oktober 1998 III R 194/84, BStBl II 1989, 216 und vom 13. Februar 2008 IX R 61/07, BFH/NV 2008, 1485-1486).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Denn infolge der von der Klägerin unterlassenen Mitteilung der Kindergeldzahlungen des "M-Behörde" erlangte sie aufgrund der doppelten Kindergeldfestsetzung einen nicht gerechtfertigten Steuervorteil. Die von der Rechtsprechung für die Annahme eines unechten Unterlassungsdelikts geforderte weitere Voraussetzungen, nämlich das Vorliegen einer Garantenstellung des Unterlassenden, ist hier ebenfalls erfüllt. Denn die Klägerin war aus § 68 Abs. 1 Satz 1 EStG verpflichtet, ihre im nachhinein unvollständigen Angaben gegenüber der Beklagten zu korrigieren. Dieser Rechtspflicht zum Handeln hat sie nicht entsprochen.

bb) Auch der subjektive Tatbestand einer Steuerhinterziehung lässt sich vorliegend feststellen.

Dieser setzt voraus, dass der Steuerpflichtige mit zumindest bedingtem Vorsatz gehandelt hat. Hierfür genügt es, wenn der Steuerpflichtige es für möglich hält und zugleich billigend in Kauf nimmt, dass er durch sein Verhalten eine Steuerhinterziehung verwirklicht (BFH-Urteil vom 16. Januar 1973 a.a.O.). Die eine Steuerhinterziehung ausfüllenden Tatbestandsmerkmale muss er dabei im Rahmen einer "Parallelwertung in der Laiensphäre" zutreffend erfassen; bezogen auf den Fall der Steuerhinterziehung durch Erlangung nicht gerechtfertigter Steuervorteile bedeutet dies, dass er es zumindest für möglich halten muss, dass er auf die Gewährung oder Belassung der Vergünstigung keinen Rechtsanspruch hat bzw. dass die Voraussetzungen für die Gewährung nachträglich weggefallen sind (Hellmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler -HHSp-, AO und FGO, § 370 AO, Tz. 243). Die Vorsatzfeststellung setzt dabei eine Gesamtschau aller Tatumstände des Einzelfalls voraus (vgl. BFH-Urteil vom 19. März 1998 V R 54/97, BStBl II 1998, 466; ferner: Urteil des Bundesgerichtshofs -BGH- vom 21. September 2000 1 StR 236/00, NStZ 2001, 86).

Diese Voraussetzungen sind hier feststellbar.

Aufgrund der persönlichen Anhörung der Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung ist der Senat davon überzeugt, dass ihr aufgrund der Bezügemitteilung des "M-Behörde" von Dezember 1996 die Aufnahme der Kindergeldzahlungen durch das "M-Behörde" ab diesem Zeitpunkt bewusst war. Dies hat die Klägerin auf entsprechende Befragung durch den Senat ausdrücklich eingeräumt. Unabhängig hiervon ergibt sich dies nach Ansicht des Senates aber auch daraus, dass die fragliche Bezügemitteilung unter der Rubrik "Monatliche Bezüge" den Eintrag "Kindergeld 400 DM" und unter der Rubrik "Kindergeld/Waisengeld" die Einträge ""S" 200 DM" und ""Q" 200 DM" enthielt. Diese Einträge wurden von der Klägerin zur Kenntnis genommen und konnten von ihr nur so verstanden werden, dass das "M-Behörde" Kindergeldleistungen an sie erbracht hatte. Dass die Klägerin die Adressatin der Kindergeldzahlungen des "M-Behörde" war, hat sie im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung auch zugestanden. Dass die Beklagte auf ihren Antrag hin ebenfalls das Kindergeld ab Oktober 1996 festgesetzt und ausgezahlt hatte, was vorliegend unstreitig ist, war der Klägerin, wie sie ebenfalls eingeräumt hat, ebenso bewusst; die Überweisungen der Beklagten enthielten den Zusatz "Kindergeld". Damit hat die Klägerin den Umstand der doppelten Kindergeldfestsetzung in der für den Eventualvorsatz erforderlichen Art und Weise in ihr Bewusstsein aufgenommen.

Der Senat ist ferner davon überzeugt, dass es die Klägerin für zumindest möglich hielt und auch in Kauf nahm, dass ihr ein Rechtsanspruch auf eine solche doppelte Kindergeldfestsetzung nicht zustand. Die Klägerin hat sich zwar dahingehend eingelassen, dass sie keine Kenntnis davon gehabt habe, dass es sich bei den Kindergeldzahlungen des "M-Behörde" um die Erfüllung des gleichen Kindergeldanspruchs gehandelt habe, auf den auch die Beklagte ihre Kindergeldleistungen erbrachte. Insbesondere aufgrund der aus der Bezügemitteilung ersichtlichen Rubrik "Kindergeld/Waisengeld" habe sie vielmehr davon ausgehen können, dass die Zahlungen des "M-Behörde" als Teil der Hinterbliebenenversorgung erbracht worden seien. Dass es sich insoweit um den deckungsgleichen Anspruch der Beklagten gehandelt habe, sei für sie nicht erkennbar gewesen. Dies überzeugt nach Ansicht des Senates jedoch nicht. Dass Kindergeld je Kind nur einmal und nicht etwa mehrfach gewährt werden kann, ist allgemein bekannt und ergibt sich auch aus dem Merkblatt über Kindergeld, das die Klägerin - ausweislich ihrer Unterschrift - bei Stellung des Kindergeldantrags am 10. Oktober 1996 erhalten hat. Darüber hinaus geht bereits aus der als Anlage zu Protokoll gereichten Bezügemitteilung des Sohnes der Klägerin hinreichend klar hervor, dass das Waisengeld separat abgerechnet und ausgezahlt wurde (vgl. Rubrik "Zustehende Bezüge"). Auch aufgrund des dort unter der Überschrift "Kindergeld/Waisengeld" enthaltenen Eintrags "Wegfall Kindergeld "S" 03/10" bzw. "Wegfall Kindergeld "Q" 12/12" stand für die Klägerin fest, dass die laufenden Kindergeldzahlungen getrennt von dem Waisengeld an sie geleistet wurden. Es kommt hinzu, dass sie im Rahmen ihrer Antragstellung gegenüber der Beklagten am 10. Oktober 1996 selbst darauf hingewiesen hatte, dass sie aufgrund ihres Mutterschutzes kein Kindergeld von Seiten ihres Arbeitgebers erhalte (vgl. Bl. 1 R Kg-Akte). Diese Angabe ergab nur dann einen Sinn, wenn ihr bekannt war, dass ihr das Kindergeld nur einmal zusteht. Denn bei laufender Kindergeldzahlung durch den Arbeitgeber hätte sie offenkundig auch keinen dahingehenden Antrag bei der Beklagten eingereicht. Auch die weiteren Angaben der Klägerin in dem Antrag legen diesen Schluss nahe. Denn auch aufgrund von Frage 9 im Antragsvordruck ("Erhalten oder erhielten Sie (...) Kindergeld (...) von einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung oder Dienststelle?") war ihr bewusst, dass eine Berechtigung zu zweifachem Bezug des Kindergeldes nicht bestand.

Darüber hinaus handelte die Klägerin auch zumindest bedingt vorsätzlich bezüglich ihrer unterlassenen Mitteilung gegenüber der Beklagten über die ab Dezember 1996 aufgenommenen Zahlungen des "M-Behörde". Denn der Klägerin waren die Umstände bekannt, aufgrund derer sie gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 EStG zu einer Änderungsmitteilung verpflichtet war. Ob sie ihrerseits davon ausging, wegen der zunächst zutreffenden Angaben im Kindergeldantrag zu keinerlei weiteren Erklärungen gegenüber der Beklagten verpflichtet zu sein, ist nicht entscheidungserheblich. Denn die Annahme des bedingten Vorsatzes erfordert nicht die Feststellung, dass der Steuerpflichtige für sich eine Rechtspflicht zum Handeln bejaht hat. Die erforderliche Parallelwertung in der Laiensphäre ist bereits dann erfüllt, wenn er alle Umstände kennt, aus denen sich diese Rechtspflicht ergibt (Hellmann, in: HHSp, AO und FGO, § 370 AO, Tz. 235). So liegt der Fall hier. Denn nach den vorliegend feststellbaren Gesamtumständen - insbesondere aufgrund der von der Klägerin zuvor beantworteten Frage 9 im Antragsvordruck - war ihr bekannt, dass es sich bei dem Erhalt von Kindergeldzahlungen durch das "M-Behörde" um einen gegenüber der Beklagten anzeigepflichtigen Umstand handelte. Ob die Klägerin nichtsdestoweniger annahm, die erfolgten Zahlungen hätten aufgrund ihres ursprünglichen Antrages ihre Richtigkeit, kann für die Vorsatzfeststellung dahinstehen.

4. Schließlich erfolgte auch die Rückforderung der im streitigen Zeitraum erbrachten Kindergeldzahlungen durch die Beklagte zu Recht gemäß § 37 Abs. 2 AO.

Voraussetzung für die Rückforderung von Kindergeld nach § 37 Abs. 2 AO ist, dass dieses ohne rechtlichen Grund gezahlt wurde. Der Rechtsgrund entfällt, wenn der Festsetzungsbescheid der Familienkasse zu Lasten des Anspruchsberechtigten aufgehoben oder geändert wird (vgl. BFH-Urteil vom 18. Mai 2006 III R 80/04, BFH/NV 2006, 2323). Dies ist vorliegend aufgrund der Aufhebung der Kindergeldfestsetzung durch die Beklagte nach § 174 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 AO - wie dargelegt - der Fall.

Nach alledem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Gründe für eine Zulassung der Revision waren nicht ersichtlich, da die Voraussetzungen von § 115 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 FGO hier nicht gegeben sind.

Ende der Entscheidung

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