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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 30.04.2009
Aktenzeichen: 15 K 4357/08 E
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 8 Abs. 2
EStG § 8 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Einkommensteuerbescheide 2000 vom 12.11.2001 und 2002 vom 19.12.2003, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.10.2008, werden dahin geändert, dass die Einkommensteuer 2000 auf 20.808,56 EUR und die Einkommensteuer 2002 auf 25.096,00 EUR herabgesetzt werden.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war notwendig.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

Die Beteiligten streiten über die Bewertung des geldwerten Vorteils für einen sog. Jahreswagen.

Der mit seiner Ehefrau, der Klägerin, zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Kläger erzielt aus seiner Tätigkeit bei der Fa. "E-AG" Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. In dem Bruttolohn der Streitjahre sind geldwerte Vorteile von 5.966 DM (2000) und 5.253 EUR (2002) aus der Gewährung von Jahreswagenrabatten enthalten. Der Arbeitgeber hatte den Rabatt nach Maßgabe des Schreibens des Bundesministeriums für Finanzen -BMF - vom 30.01.1996 ermittelt, nach dem als Endpreis i.S.v. § 8 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes -EStG- der Preis anzunehmen sei, der sich ergebe, wenn die Hälfte des üblicherweise an Letztverkäufer gewährten Preisnachlasses vom Bruttolistenpreis abgezogen werde.

Gegen die antragsgemäß erlassenen Einkommensteuerbescheide 2000 vom 12.11.2001 und 2002 vom 19.12.2003 legten die Kläger Einsprüche ein und machten geltend, nicht nur den halben, sondern den vollen durchschnittlichen Preisnachlass in Abzug zu bringen. Das Einspruchsverfahren wurde im Hinblick auf die Revision VI R 41/02 zunächst zum Ruhen gebracht. Nach Ergehen des Urteils des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 05.09.2006 VI R 41/02, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2007, 309, und des sog. Nichtanwendungserlasses mit BMF-Schreiben vom 28.03.2007, BStBl I 2007, 464, wies der Beklagte die Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 15.10.2008 als unbegründet zurück. Der geldwerte Vorteil sei hier zwingend nach der typisierenden (Spezial-)Vorschrift des § 8 Abs. 3 EStG zu bewerten; ein Wahlrecht auf Durchführung einer günstigeren Bewertung nach § 8 Abs. 2 EStG bestehe entgegen der Ansicht des BFH nicht.

Mit der Klage machen die Kläger geltend, den geldwerten Vorteil durch Abzug des vollen durchschnittlichen Preisnachlasses herabzusetzen; entsprechend sei der Arbeitslohn - über den bereits berücksichtigten hälftigen Preisnachlass hinaus - zu mindern um Beträge von 2.893,34 DM (1.479,34 EUR; 2000) und 2.323,98 EUR (2002). Hinsichtlich der Berechnung wird auf den Schriftsatz der Kläger vom 14.04.2009 Bezug genommen. Die Grundsätze lt. BFH-Urteil vom 05.09.2006 VI R 41/02, BStBl II 2007, 309, seien - so die Kläger - hier entsprechend anzuwenden.

Die Kläger beantragen,

unter Änderung der Einkommensteuerbescheide 2000 vom 12.11.2001 und 2002 vom 19.12.2003, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.10.2008, die Einkünfte des Klägers aus nichtselbstständiger Arbeit um 2.893,34 DM (1.479,34 EUR; 2000) und 2.323,98 EUR (2002) herabzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Der Senat entscheidet gemäß § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO- im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.

Die Klage ist begründet.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten ( § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO); der geldwerte Vorteil aus den sog. Jahreswagenrabatten ist um den geltend gemachten Betrag herabzusetzen.

Wie die Beteiligten zu Recht übereinstimmend annehmen, stellt der vom Arbeitgeber gewährte Preisnachlass im vorliegenden Fall dem Grunde nach Arbeitslohn dar.

Die Rabattbewertung richtet sich nach Abs. 2 oder Abs. 3 der Vorschrift des § 8 EStG. Zum Verhältnis dieser Bewertungsvorschriften gilt Folgendes: Grundnorm ist § 8 Abs. 2 EStG, der in Übereinstimmung mit dem Lohnbegriff Rabatte des Arbeitgebers erst dann bzw. in der Höhe als geldwerten Vorteil erfasst, als der Preis unterschritten wird, der für das gleiche Produkt am Markt von fremden Dritten zu entrichten ist. Vergleichspreis ist dabei grundsätzlich der günstigste Preis am Markt. Abweichend hiervon geht § 8 Abs. 3 EStG als Spezialnorm grundsätzlich von einem unabhängig von Rabattgewährungen anzugebenden bzw. auszuzeichnenden Vergleichspreis aus, wobei die Vorschrift deswegen tendenziell begünstigenden Charakter hat, weil noch ein Bewertungsabschlag von 4 v.H. und ein Rabattfreibetrag abgezogen werden können. Die beabsichtigte Vorteilhaftigkeit der Norm kann aber verfehlt werden, wenn der auszuzeichnende Preis und der günstigste Preis am Markt so stark voneinander abweichen, dass trotz des Bewertungsabschlags und des Rabattfreibetrags ein geldwerter Vorteil erfasst wird, der nach dem Maßstab der Grundnorm tatsächlich nicht vorliegt. In diesem Fall hat der Arbeitnehmer jedenfalls im Rahmen seiner Veranlagung die Wahl, die Höhe des geldwerten Vorteils entweder nach der Regelung des § 8 Abs. 2 EStG ohne Bewertungsabschlag und Rabattfreibetrag, oder mit diesen nach der Regelung des § 8 Abs. 3 EStG bewerten zu lassen (BFH-Urteil vom 05.09.2006 VI R 41/02, BStBl II 2007, 309).

Der Senat hält diese Grundsätze, nach denen Arbeitnehmern ein Wahlrecht auf Bewertung des geldwerten Vorteils nach Abs. 2 oder Abs. 3 des § 8 EStG zusteht, für überzeugend; der gegenteiligen Verwaltungsauffassung (vgl. sog. Nichtanwendungserlass mit BMF-Schreiben vom 28.03.2007, BStBl I 2007, 464) schließt er sich nicht an. Das Wahlrecht wird dem Zweck der Norm des § 8 Abs. 3 EStG gerecht, den Steuerpflichtigen unter den dortigen - im vorliegenden Fall unstreitig erfüllten - Tatbestandsvoraussetzungen zu begünstigen; ergibt sich im - auch hier vorliegenden - Ausnahmefall, dass die Anwendung dieser tendenziell begünstigenden Bewertungsvorschrift nachteiliger ist als die Grundregel des § 8 Abs. 2 EStG, gelangt zum Vorteil des Steuerpflichtigen wahlweise letztere Bestimmung zur Geltung. Zwar handelt es sich - wie der BMF a. a. O. ausführt - nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 3 EStG "... so gelten als deren Werte abweichend von Absatz 2 ..." um eine Spezialvorschrift, die zudem der Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens dienen soll; es handelt sich um eine Art fiktive Bemessungsgrundlage zur Vermeidung einer Scheinlohnbesteuerung (Thomas in Die Information über Steuer und Wirtschaft -INF- 2006, 846). Deren Anwendung ist indes nach dem genannten Sinn und Zweck der Bestimmung nicht sachgerecht in den Fällen, in denen die Bewertung nach § 8 Abs. 3 EStG nicht mehr dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit entspräche; um hier Abhilfe zu schaffen, hat auch die Finanzverwaltung im Rahmen des § 8 Abs. 3 EStG mit BMF-Schreiben vom 30.01.1996, BStBl I 1996, 114, den Abzug eines - allerdings nur hälftigen und insoweit dem Wortlaut des Gesetzes (erst recht) kaum zu entnehmenden - Preisnachlasses zugelassen (Bergkemper in jurisPR-SteuerR 46/2006; Drenseck in Schmidt, EStG, 27. A., § 8 Rdn. 71; Thomas in INF 2006, 846; ebenso im Ergebnis Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts -FG- vom 07.03.2007 3 K 386/04, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2007, 1866, Rev. VI R 18/07; Pust in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 8 Rdn. 565).

Nach diesen Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann vorliegend die Besteuerung des geldwerten Vorteils in beiden Streitjahren entsprechend der von den Klägern getroffenen Wahl mit dem "günstigsten Preis am Markt" i. S. von § 8 Abs. 2 EStG, hier unstreitig dem Listenpreis des Fahrzeugs abzgl. 100 % des durchschnittlichen Händlerrabattes, erfolgen.

Die Einkommensteuer berechnet sich wie folgt:

2000

 zvE bisher155.773,00 DM
zweite Hälfte des Preisnachlasses- 2.893,34 DM
zvE lt. Urteil152.879,66 DM
ESt40.698,00 DM
ESt EUR20.808,56 EUR

2002

 zvE bisher93.826,00 DM
zweite Hälfte des Preisnachlasses- 2.323,98 EUR
zvE lt. Urteil91.502,02 EUR
ESt25.096,00 EUR

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war wegen der Schwierigkeit der Sache in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erforderlich, vgl. § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.

Die Zulassung der Revision erfolgt gemäß § 115 Abs. 1 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache; der sog. Nichtanwendungserlass des BMF vom 28.03.2007 bringt gegen das BFH-Urteil vom 05.09.2006 VI R 41/02 in der dortigen Entscheidung noch nicht berücksichtigte Gesichtspunkte (Gesetzeswortlaut; typisierender und vereinfachender Charakter der Vorschrift) vor.

Ende der Entscheidung

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