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Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 30.11.2006
Aktenzeichen: 15 K 637/04 F
Rechtsgebiete: AO 1977, KStG, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 181 Abs. 5 S. 1
KStG § 8 Abs. 1
KStG § 8 Abs. 3 S. 2
FGO § 101 S. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

15 K 637/04 F

Tenor:

Der Beklagte wird verpflichtet, den verbleibenden Verlustabzug zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.1990 mit 19.983.856,05 DM (10.217.583,86 EUR), auf den 31.12.1991 mit 23.572.104,19 DM (12.052.225,50 EUR), auf den 31.12.1992 mit 27.217.624,65 DM (13.916.150,51 EUR) und auf den 31.12.1993 mit 31.273.219,04 DM (15.989.742,99 EUR) gesondert festzustellen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin ist eine Gebietskörperschaft, die seit 1975 einen Betrieb gewerblicher Art (BgA) Stadtbibliothek als Regiebetrieb unterhält. Der BgA erzielte von Beginn an dauerhaft Verluste. Die nach der Kameralistik (ohne Abschreibungen und Zinsen) ermittelten Verluste beliefen sich auf 2 bis 4 Mio DM jährlich. Wegen der Höhe der Verluste im einzelnen wird auf die Aufstellung auf S. 2 der Klagebegründung (Bl. 13 FG-Akte) Bezug genommen. Im Hinblick auf die Dauerverluste unterblieben zunächst Veranlagungen zur Körperschaftsteuer. Erstmals für den Veranlagungszeitraum 1994 erfolgte eine Körperschaftsteuerfestsetzung, nachdem die Klägerin in diesem Jahr Wertpapiere (Aktien der "S" AG) in den BgA eingelegt hatte.

Am 25.10.2003 beantragte die Klägerin die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Verlustes auf den 31.12.1990 bis einschließlich 31.12.1993. Der Beklagte lehnte den Antrag zunächst mit der Begründung ab, die erklärten Verluste seien im Hinblick auf verdeckte Gewinnausschüttungen nicht zu berücksichtigen. Die hiergegen eingelegten Einsprüche wies der Beklagte anschließend mit dem Hinweis zurück, dass wegen eingetretener Feststellungsverjährung in den Streitjahren keine gesonderte Verlustfeststellung mehr in Betracht komme.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, mit der Klägerin verfahrensrechtliche Hindernisse für den Erlass der beantragten Verlustfeststellungsbescheide verneint und im übrigen ausführlich dazu Stellung nimmt (vgl. die gutachterliche Stellungnahme Bl. 76 bis 89 FG-Akte), warum das bloße Unterhalten eines dauerdefizitären BgA zu keiner verdeckten Gewinnausschüttung führt.

Die Klägerin beantragt (Bl. 2 FG-Akte),

unter Aufhebung des Bescheids vom 5.3.2003 und der Einspruchsentscheidung vom 27.1.2004 folgende verbleibende Verlustabzüge festzustellen:

auf den 31.12.1990 19.983.856,05 DM (10.217.583,86 EUR),

auf den 31.12.1991 23.572.104,19 DM (12.052.225,50 EUR),

auf den 31.12.1992 27.217.624,65 DM (13.916.150,51 EUR),

auf den 31.12.1993 31.273.219,04 DM (15.989.742,99 EUR),

hilfsweise

für den Unterliegensfall Zulassung der Revision.

Der Beklagte beantragt Klageabweisung und ebenfalls hilfsweise Revisionszulassung.

Er hält daran fest, dass die beantragte Verlustfeststellung nicht vorgenommen werden könne, weil wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung kein Körperschaftsteuerbescheid für die Streitjahre mehr ergehen könne. Zudem seien steuerlich berücksichtigungsfähige Verluste nicht angefallen, da diesen rechnerischen Verlusten verdeckte Gewinnausschüttungen in zumindest gleicher Höhe gegenüber stünden.

Vorsorglich weist der Beklagte darauf hin, dass die geltend gemachten Verluste von ihm bislang nicht auf ihre sachliche Richtigkeit überprüft worden sind.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Die Ablehnung der begehrten Verlustfeststellung verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 101 Satz 1 FGO). Entgegen der Auffassung des Beklagten ist im Streitfall keine Feststellungsverjährung eingetreten. Die geltend gemachten Verluste sind in der beantragten Höhe festzustellen, da in den Streitjahren keine verdeckten Gewinnausschüttungen vorgenommen worden sind.

1.

Dem Erlass der begehrten Verlustfeststellungsbescheide stehen keine verfahrensrechtliche Hindernisse entgegen.

Nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO kann eine Feststellung auch nach Ablauf der für sie geltenden Feststellungsfrist insoweit erfolgen, als die gesonderte Feststellung noch für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist. Diese Voraussetzung ist im Streitfall gegeben, die begehrten Verlustfeststellungen haben Bedeutung für die Körperschaftsteuerfestsetzungen in nach den Streitjahren liegenden Veranlagungszeiträumen, in denen im Zeitpunkt der Antragstellung noch keine Festsetzungsverjährung eintreten war (vgl. hierzu S. 8 der Klagebegründung; Bl. 19 FG-Akte).

Dass für die Streitjahre selbst Festsetzungsverjährung eingetreten ist, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Nachdem der BFH bereits mit Urteil vom 1.03.2006 XI R 33/04, BFH/NV 2006, 1204 entschieden hat, dass ein (erstmaliger) Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs nach § 10d EStG auch dann noch ergehen, wenn eine Veranlagung zur Einkommensteuer vom FA wegen Ablaufs der zweijährigen Antragsfrist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG bestandskräftig abgelehnt worden ist hat er mit Urteil vom 2.8.2006 XI R 65/05, DStR 2006, 2082, klar gestellt, dass ein verbleibender Verlustabzug auch dann festzustellen ist, wenn im Verlustfeststellungszeitraum keine Steuerfestsetzung erfolgt ist und die Steuer für diesen Veranlagungszeitraum aufgrund Festsetzungsverjährung nicht mehr festgesetzt werden kann. Der negative Gesamtbetrag der Einkünfte muss nicht zuvor Gegenstand einer Veranlagung gewesen sein, um gesondert festgestellt werden zu können. Vielmehr ist das Verfahren der Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs insoweit selbständig. Der BFH hat im Urteil in DStR 2006, 2082 auch eine eindeutige Abgrenzung von seinen Entscheidungen vom 9.12.1998 XI R 62/97, BStBl II 2000, 3 und vom 9. Mai 2001 XI R 25/99, BStBl II 2002, 817 vorgenommen und damit die Zweifel zur Bedeutung der Festsetzungsfrist im Verlustfeststellungszeitraum beseitigt, die zwischenzeitlich in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. z.B. FG Köln. Urteil vom 11.5.2005, EFG 2005, 1679 mit Anmerkung Pfützenreuter) und in der Literatur aufgetreten waren.

2.

Die Unterhaltung des strukturell dauerdefizitären BgA durch die Klägerin ohne Verlustausgleich und angemessenen Gewinnaufschlag führte zu keiner verdeckten Gewinnausschüttung.

a) Eine verdeckte Gewinnausschüttung im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist bei einer Kapitalgesellschaft eine durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, die sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gem. § 4 Abs. 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden, d. h. offenen Ausschüttung steht (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, z.B. BFH Urteile vom 15.09.2004 I R 62/03, BStBl II 2005, 176 und vom 22.10.2003 I R 37/02, BStBl II 2004, 121). Eine Veranlassung der Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis liegt im Allgemeinen vor, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter unter sonst gleichen Umständen nicht gewährt hätte (vgl. BFH vom 19.05.1998 I R 36/97, BStBl II 1998, 689; vom 19.03.1997 I R 75/96, BStBl II 1997, 577).

Eine verdeckte Gewinnausschüttung kommt insbesondere auch in Betracht, wenn eine Kapitalgesellschaft ohne angemessenes Entgelt Geschäfte tätigt, die im privaten Interesse ihrer Gesellschafter liegen und bei der Gesellschaft selbst zu Verlusten führen (vgl. BFH-Urteil vom 15. 05. 2002 I R 92/00, BFH/NV 2002, 1538 m.w.N.). Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen sind die von der Gesellschaft erzielten Verluste außerbilanziell um die angefallenen Verlustbeträge sowie einen angemessenen Gewinnaufschlag zu erhöhen. Ein gedachter ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter wäre nicht bereit, einen fortdauernden Verlust aus Leistungen hinzunehmen, die an sich dem Gesellschafter der Kapitalgesellschaft obliegen (vgl. z.B. BFH Urteil vom 27. 06. 2001 I R 82-85/00, BStBl II 2001, 773).

b) Diese Grundsätze des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG finden nach ständiger Rechtsprechung auch auf die Beziehungen zwischen der Klägerin (als Trägerkörperschaft) und ihrem BgA Anwendung (z.B. BFH-Urteile vom 10.07.1996 I R 108-109/95, BStBl II 1997, 230 und vom 14.07.2004 I R 9/03, BFH/NV 2004, 1689). Soweit bei der Ermittlung des Einkommens, das die Trägerkörperschaft durch den BgA erzielt, Minderungen des dem BgA gewidmeten Vermögens zugunsten des übrigen Vermögens der Trägerkörperschaft zu beurteilen sind, ist das Einkommen so zu ermitteln, als ob der BgA ein selbständiges Steuerrechtssubjekt in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft und die Trägerkörperschaft deren Alleingesellschafter wäre (z.B. BFH-Urteil vom 03.02.1993 I R 61/91, BStBl II 1993, 459, m.w.N.).

Einer verdeckte Gewinnausschüttung des BgA an seine Trägerkörperschaft hat der BFH beispielsweise angenommen, wenn dieser Leistungen für einen Hoheitsbetrieb der Trägerkörperschaft erbringt, ohne hierfür ein im Geschäftsverkehr übliches Entgelt zu verlangen (BFH-Urteile vom 10. 07. 1996 I R 108-109/95, BStBl II 1997, 230 und vom 28.01.2004 I R 87/02, BFH/NV 2004, 736).

c) In Anlehnung an diese Rechtsprechungsgrundsätze hat es der BFH im Beschluss vom 25.01.2005 I R 8/04, BStBl II 2006, 190 für möglich erachtet, dass bereits das bloße Unterhalten eines strukturell dauerdefizitären BgA durch eine Gebietskörperschaft ohne Verlustausgleich und angemessenen Gewinnaufschlag durch die Trägerkörperschaft zur Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung führen kann. Das zwischenzeitlich durch Klagerücknahme erledigte Verfahren betraf einen kommunalen Bäderbetrieb, bei dem die Dauerverluste nach Lage der Dinge nur durch einen monetären Verlustausgleich durch die Trägerkörperschaft aufgefangen werden konnten. Auf einen derartigen Verlustausgleich würde, so der BFH, ein gedachter ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter, nicht verzichten. Er wäre auch nicht bereit, Leistungen zu erbringen, die an sich der Trägerkörperschaft obliegen und dafür auf Dauer Verluste hinzunehmen; vielmehr würde er für die Erbringung der Leistungen zusätzlich einen angemessenen Gewinnaufschlag in Rechnung stellen.

Der BFH hat in der vorgenannten Entscheidung allerdings zugleich selbst erhebliche Zweifel am Vorliegen verdeckter Gewinnausschüttungen geäußert, da der BgA mit der Unterhaltung des Bäderbetriebs allgemeine öffentliche Leistungen an die Bürger erbringt und nicht im engeren Sinne (kommunale Pflicht)Aufgaben der Trägerkörperschaft wahrnimmt, die geeignet wären, bei dieser einen Vorteil auszulösen. Er hat zudem erkannt, dass ein Gewinnaufschlag zumindest bei einem BgA, der durch die öffentlichrechtliche Regelungen zur Einhaltung des Kostendeckungsprinzips verpflichtet ist, nicht gefordert werden kann.

d) Nach Auffassung des erkennenden Senats führen die Dauerverluste des BgA Stadtbibliothek zu keinen verdeckten Gewinnausschüttungen.

aa) Im Streitfall sind keine Anhaltspunkte für eine außerbetriebliche, d.h. gesellschaftsrechtliche (trägerschaftliche) Veranlassung der dauerdefizitären Tätigkeit des BgA erkennbar.

(1) Eine - steuerschädliche - Verlagerung von Verlusten aus dem hoheitlichen in den erwerbswirtschaftlichen Bereich kann im Streitfall ausgeschlossen werden.

Der BgA Stadtbibliothek hat keine Leistungen für einen Hoheitsbetrieb der Klägerin erbracht, durch die dieser Kosten erspart hat, die dem BgA hätten erstattet werden müssen. Soweit der Klägerin die Aufgabe obliegt, das soziale und kulturelle Wohl ihrer Einwohner durch die Unterhaltung öffentlicher Einrichtungen zu fördern, wird sie im Rahmen der Daseinsvorsorge tätig. Hierbei handelt es sich jedoch um keine hoheitliche Tätigkeit. Ob die streitige Tätigkeit in den Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes fällt und sich aus dieser Vorschrift zugleich der Zwang zur Gewinnlosigkeit ergibt, wie die Klägerin meint, kann dahinstehen. Soweit der BgA Stadtbibliothek allgemeine öffentliche Leistungen an die Bürger erbringt, nimmt er damit jedenfalls im engeren Sinne keine (kommunale Pflicht-)Aufgaben der Trägerkörperschaft wahr, die geeignet wären, bei dieser einen gesellschaftsrechtlichen (trägerschaftlichen) Vorteil auszulösen.

(2) Es kann im Streitfall auch nicht davon ausgegangen werden, dass ein gedachter ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter die Dauerverluste nicht hingenommen oder gar einen angemessenen Gewinnaufschlag in Rechnung gestellt hätte.

Einer besonderen Vereinbarung über die Verlustabdeckung bedurfte es im Streitfall ohnehin nicht. Die Klägerin führt den BgA Stadtbibliothek als sogenannten Regiebetrieb ohne organisatorische Selbständigkeit im Rahmen der allgemeinen Verwaltung. Die Betriebsergebnisse schlagen sich unmittelbar im Haushalt der Klägerin nieder, die "Verluste" sind damit auch ohne die sich aus § 10 der Eigenbetriebsverordnung NW ergebende Verpflichtung zur Verlustabdeckung zwangsläufig aus Haushaltsmitteln zu tilgen.

Nach kommunalem Haushaltsrecht war zudem allenfalls eine kostendeckende Führung des BgA Stadtbibliothek anzustreben. Die Klägerin übt mit diesem BgA keine wirtschaftliche Betätigung im Sinne der Gemeindeordnung NW (GemO-NW) aus, für die die Erwirtschaftung einer zumindest marktüblichen Verzinsung des Eigenkapitals gefordert wird (§ 109 der GemO NW). Der Betrieb von öffentlichen Einrichtungen, die für die soziale und kulturelle Betreuung der Einwohner erforderlich sind, zu denen insbesondere auch Bibliotheken rechnen, gilt nach § 107 Abs. 2 GemO NW nicht als wirtschaftliche Betätigung im Sinne dieser Vorschrift.

bb) Eine Einkommenskorrektur bei dauerdefizitären BgA stünde auch im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung wie auch zu allgemein anerkannten Rechtsprechungsgrundsätzen.

(1) Nach der spezialgesetzlichen Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 2 KStG ist der BgA auch ohne Gewinnerzielungsabsicht körperschaftsteuerpflichtig. Die Qualifizierung der Verluste eines dauerdefizitären BgA als verdeckte Gewinnausschüttung würde zu einem nicht auflösbaren Wertungswiderspruch zu dieser gesetzlichen Regelung führen, der gerade nicht verlangt, dass der BgA einen Gewinn erzielt (vgl. hierzu auch FG Düsseldorf, Urteil vom 10. 07. 2003 10 K 2561/00 G, EFG 2003, 1408 m.w.N). Der erkennende Senat sieht, wie auch vom BFH im Beschluss in BStBl II 2006, 190 angedeutet, in dem ausdrücklichen Verzicht auf das Merkmal der Gewinnerzielungsabsicht in § 4 Abs. 1 Satz 2 KStG die gesetzliche "Akzeptanz" eines dauerdefizitärem BgA.

Berücksichtigt man ferner, dass entscheidender Grund für die körperschaftsteuerliche Erfassung der BgA die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen ist (vgl. hierzu Gosch/Heger, KStG, § 4 Rdnr. 1 und 28 mit weiteren Nachweisen), so ist eine Einkommenskorrektur zumindest im Streitfall nicht geboten. Denn anders als etwa bei kommunalen Bäderbetrieben gibt es im Tätigkeitsbereich einer Stadtbibliothek durchweg keine privaten Wettbewerber.

(2) Selbst für Kapitalgesellschaften, die kraft Rechtsform als Gewerbebetrieb gelten (§ 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG), gilt nach der Rechtsprechung kein allgemeiner Rechtssatz des Inhalts, dass Gewinnlosigkeit zwingend zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führt. So hat der BFH in seiner jüngeren Rechtsprechung ausdrücklich klar gestellt, dass § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG keine allgemeine Ermächtigung zur pauschalen Einkommenskorrektur nach Maßgabe branchendurchschnittlicher Gewinnvorgaben beinhaltet. Vielmehr bleiben unternehmerische Fehlentscheidungen und hierdurch ausgelöste Verluste einer Kapitalgesellschaft betrieblich veranlasst und sind grundsätzlich auch steuerlich anzuerkennen (vgl. BFH-Urteil vom 8.7.1998 I R 123/97, BFH/NV 1999, 269). Für den Fall einer strukturellen (satzungsmäßigen) Gewinnlosigkeit gilt nichts anderes. Eine Gewinnkorrektur kommt nur dort in Betracht, wo Verluste oder Gewinnlosigkeit auf gesellschaftlichen und damit ertragsteuerlich unbeachtlichen Beweggründen beruhen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 19.8.1998 I R 21/98, BStBl II 1999, 99 und vom 13.8.1997 I R 85/96, BStBl II 1998, 161; ferner Dötsch/ Eversberg/ Jost/ Witt, Die Körperschaftsteuer, KStG n. F. Anhang zu § 8 Abs. 3, Stichwort Gewinnaufschlag).

Die verlustbringende Tätigkeit des BgA ist vergleichbar mit der Tätigkeit einer GmbH, bei der die satzungsmäßige Gewinnlosigkeit nur dann verdeckte Gewinnausschüttungen nach sich zieht, wenn für den Verzicht auf angemessene Gewinnaufschläge gesellschaftliche Gründe maßgebend sind. Daran fehlt es jedoch gerade, wenn ausschließlich Leistungen erbracht, die als solche im öffentlichen Interesse liegen (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 17.11.1999, I R 4/99, BFH/NV 2000, 1502).

(3) Der Ansatz verdeckter Gewinnausschüttungen stünde schließlich im unauflösbaren Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung zur Zulässigkeit der Zusammenfassung von Gewinn- und Verlustbetrieben in einem BgA, einer Kapitalgesellschaft oder in einer Organschaft mit dem Ziel des Ausgleichs der Gewinne und Verluste in einem Querverbund (vgl. hierzu z.B. BFH-Urteil vom 4.12.1991 I R 74/89, BStBl II 1992, 432 m.w.N.). Im Ergebnis hat die höchstrichterliche Rechtsprechung damit schon bislang die Verluste dauerdefizitärer kommunale Betriebe ohne Einkommenskorrektur anerkannt.

3.

Der gesonderten Feststellung der geltend gemachten Verluste steht nicht entgegen, dass der BgA von Beginn an nur Verluste erwirtschaftet hat.

Allerdings wird die Auffassung vertreten, dass auch bei einem BgA Tätigkeiten, die objektiv auf Dauer nur zu Verlusten führen, bei der Gewinnermittlung außer Ansatz zu lassen sind (vgl. Gosch/Heger, KStG § 4 Rdnr. 57 mit weiteren Nachweisen). Dies wird damit begründet, dass anderenfalls das Ziel des § 4 KStG, Wettbewerbsverzerrungen zu vereiteln, beeinträchtigt würde (vgl. auch Blümich/Erhard, KStG § 4 Rdnr. 36). Diesem Umstand kommt jedenfalls bei dem BgA Stadtbibliothek mangels privater Wettbewerber keine Bedeutung zu. Im Übrigen ist bei einem Betrieb, der nach der Definition in § 4 Abs. 1 Satz 2 KStG strukturell nur auf Einnahme-, nicht aber auf Gewinnerzielung angelegt ist, die Möglichkeit auch dauerhafter systemimmanent. Einer abschließenden Entscheidung dieser Frage bedarf es im vorliegenden Verfahren schon deshalb nicht, weil sich die Ertragssituation des BgA durch die im Jahre 1994 eingelegten Aktien grundlegend geändert hat.

Es kann allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass sich durch die Einlage der Finanzanlagen ein Strukturwandel des BgA dergestalt vollzogen hat, dass aus einem Verlustbetrieb ein nunmehr mit Gewinnerzielungsabsicht betriebener Gewerbetrieb entstanden ist (vgl. hierzu Senatsurteil vom 22.06.2006 15 K 2567/03 BB, EFG 2006, 1769. Über die Frage, ob die aus den Kapitalerträgen resultierenden Gewinne der Wiedererlangung des durch vorausgegangene Verluste verlorenen Vermögens dienten, ist nicht im vorliegenden Verfahren, sondern erst im Zeitpunkt der Verlustverrechnung zu entscheiden. Ein Grund, der gegen die gesonderte Feststellung der geltend gemachten Verluste sprechen könnte, ergibt sich hieraus nicht.

4.

Der Senat hält schließlich eine Überprüfung der geltend gemachten Verluste der Höhe nach, wie von dem Beklagten erstmals in der mündlichen Verhandlung vorsorglich angeregt, für entbehrlich. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin höhere als die im BgA tatsächlich angefallenen Verluste festgestellt haben will. Das entsprechende Zahlenwerk ist der kameralistischen Buchführung entnommen, die einer umfassenden und ständigen internen Rechnungsprüfung unterliegt. Für die steuerliche Gewinnermittlung wären die erklärten Verluste zudem um die bislang nicht berücksichtigten Abschreibungen und Zinsen zu erhöhen; außerdem hat die Klägerin die vor dem Jahr 1985 angefallen Verluste gänzlich außer Ansatz gelassen.

5.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

6.

Der Senat lässt die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und gibt dem BFH damit noch einmal Gelegenheit, die im Beschluss vom 25.01.2005 I R 8/04, BStBl II 2006, 190 aufgeworfenen Fragen trotz Erledigung dieses Verfahrens abschließend zu beantworten.



Ende der Entscheidung

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