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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 07.04.2006
Aktenzeichen: 16 K 3970/04 H(U)
Rechtsgebiete: AO, FGO


Vorschriften:

AO § 34
AO § 69 S. 1
AO § 166
FGG § 141a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

16 K 3970/04 H(U)

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Der Kläger war Mitgesellschafter und alleiniger Geschäftsführer der A GmbH. Das Amtsgericht (AG) Z-Stadt bestellte mit Beschluss vom 10.9.2002 63 IN 160/02 einen vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der A GmbH und ordnete einen Zustimmungsvorbehalt an; diese Sicherungsmaßnahmen wurden bereits mit Beschluss vom 18.9.2002 63 IN 160/02 wieder aufgehoben. Mit Beschluss vom 22.5.2003 63 IN 10/03 wurde ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH mangels Masse abgelehnt. Dementsprechend wurde die A GmbH am 19.3.2004 im Handelsregister gemäß § 141a des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöscht.

Der Beklagte (das Finanzamt --FA--) nahm den Kläger mit Haftungsbescheid vom 18.9.2003 in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der A GmbH wegen rückständiger Umsatzsteuer (USt) sowie steuerlicher Nebenleistungen zur USt und zur Lohnsteuer(LSt)/Solidaritätszuschlag(SolZ) in Höhe eines Gesamtbetrags von 37.806,05 EUR in Haftung (lt. Zahlungsaufforderung 37.806,15 EUR). Der Gesamtbetrag lt. Deckblatt des Bescheids sowie der Bescheidanlage (Kontoauszug mit Stand Erhebung 16.9.2003) betraf überwiegend USt-Vorauszahlungen 2001 und 2002, und zwar Folgendes (Beträge in EUR; Monate = 01 -12):

 Steuerart/ZeitraumHauptschuldSäumniszuschlagVerspätungszuschlag
LSt 03/2002 35,00 
LSt 11/2002 34,50 
SolZ LSt 11/2002 1,50 
USt 06/2001 992,83203,92
USt 07/2001 61,36 
USt 08/2001 1.008,28 
USt 09/2001 1.040,27 
USt 10/20017.345,691.643,16 
USt 11/20014.487,25934,50 
USt 01/20025,8855,00 
USt 02/2002 12,00 
USt 03/2002 180,00 
USt 04/2002 58,00 
USt 06/2002 114,00100,00
USt 07/2002 81,00 
USt 08/2002 56,00 
USt 09/2002 35,50 
USt 10/20026.781,42675,00 
USt 11/20024.000,00280,00 
USt 12/2002531,0030,00 
USt 20025.901,991.121,00 
Summen29.053,238.848,90303,92

Dagegen richtete sich der fristgerecht eingelegte Einspruch. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens im Vorverfahren wird auf die Schreiben vom 9.12.2003 und 27.2.2004 verwiesen. Der Kläger machte zunächst (s. Schreiben vom 9.12.2003) im Wesentlichen geltend: Im Haftungszeitraum hätten insges. Verbindlichkeiten von 1.106.832,51 EUR vorgelegen. Diese seien zu rd. 22% (249.532,27 EUR) nicht bedient worden. Im Gegensatz dazu seien die Forderungen des FA (einschl. der LSt) zu 29% nicht bedient worden. Mithin komme insges. lediglich eine Haftung i.H. von (Rückstände LSt 9.594,94 EUR + USt 37.806,15 EUR = 47.401,09 EUR x 7% =) 3.318,08 EUR in Betracht. In Bezug auf das vom FA nachzuweisende Verschulden komme hinzu, dass er, der Kläger, noch im Jahre 2002 einen Betrag von 20.000 EUR aus seinem Privatvermögen an das FA gezahlt habe und diesen als Einlage in die GmbH eingebracht habe.

Das FA erklärte sich mit Schreiben vom 12.2.2004 aufgrund der Ausführungen im Schreiben vom 9.12.2003 damit einverstanden, den Haftungsbescheid gegen Zahlung des ermittelten Betrages von 3.318,08 EUR sowie Abgabe der noch ausstehenden USt-Erklärungen 2001 bis 2003 auf 3.318,08 EUR zu ändern.

Der Kläger machte nunmehr geltend (Schreiben vom 27.2.2004): Bei Berücksichtigung der Quote würde eine "Gesamtabrechnung" (USt und LSt) zuungunsten des FA ausfallen. Er, der Kläger, könne die USt-Erklärungen nicht erstellen, da sich die erforderlichen Unterlagen/Belege noch beim vorläufigen Insolvenzverwalter befänden.

Das FA vertrat im Schreiben vom 9.3.2004 nunmehr die Ansicht, dass der Haftungsbescheid nur auf eine Haftungssumme von (Rückstände ohne Nebenleistungen 15.140 EUR + Nebenleistungen 3.277,25 EUR =) 18.417,25 EUR zurückgenommen werden könne. Bei der Ermittlung der Tilgungs- bzw. Haftungsquote sei gezahlte LSt nicht zu berücksichtigen. Da im Haftungszeitraum Verbindlichkeiten von insges. 1.106.832,51 EUR i.H. von 857.300,24 EUR getilgt worden seien, betrage die Tilgungsquote 77,46%. In Bezug auf die USt 10/2001 bis 12/2002 sowie die USt-Sondervorauszahlung 2002 hätten Verbindlichkeiten von insges. 61.726,88 EUR bestanden. Demzufolge ergebe sich nach dem Grundsatz der quotalen Tilgung ein vertretbarer Rückstand von (61.726,88 EUR x 22,54% =) 13.913,24 EUR sowie bezogen auf den Rückstand ohne Nebenleistungen lt. Haftungsbescheid (29.053,23 EUR) ein verbleibender Haftungsbetrag von insges. 15.140 EUR.

Die Nebenleistungen seien wegen nachgewiesener (offenkundiger) Insolvenzreife nur bis zum 10.9.2002 (Beschluss im Insolvenzeröffnungsverfahren) zu berücksichtigen. Danach verblieben nur noch bestimmte Nebenleistungen i.H. von insges. 4.230,90 EUR; auch für diese sei die Haftung nach Maßgabe der Tilgungsquote (77,46%) auf 3.277,25 EUR zu beschränken. In Bezug auf das Entfallen bzw. die Beschränkung der Haftung für Nebenleistungen (vor Kürzung nach Maßgabe der Tilgungsquote) ging das FA von Folgendem aus:

 SäumniszuschlägeBishernunmehr
LSt 03/200235,000,00
LSt 11/200234,500,00
SolZ LSt 11/20021,500,00
USt 06/2001992,83840,08
USt 07/200161,3661,36
USt 08/20011.008,28792,00
USt 09/20011.040,27650,16
USt 10/20011.643,16669,38
USt 11/2001934,50356,00
USt 01/200255,0055,00
USt 02/200212,0012,00
USt 03/2002180,00120,00
USt 04/200258,0058,00
USt 06/2002114,000,00
USt 07/200281,000,00
USt 08/200256,000,00
USt 09/200235,500,00
USt 10/2002675,000,00
USt 11/2002280,000,00
USt 12/200230,000,00
USt-Sondervorauszahlung 20021.121,00413,00
Verspätungszuschlag USt 06/2001203,92203,92
Verspätungszuschlag USt 06/2002100,000,00
Summen8.752,324.230,90

Das FA setzte mit Einspruchsentscheidung vom 8.6.2004 unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 9.3.2004 die Haftungssumme auf 18.417,25 EUR herab und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.

Dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene Klage. Der Kläger hat die Klage mit Schriftsatz vom 13.8.2004 zunächst wie folgt begründet:

Er habe in der Einspruchsbegründung vom 9.12.2003 dargelegt, dass unter Berücksichtigung der insgesamt im streitgegenständlichen Zeitraum bestehenden Verbindlichkeiten sowie der darauf tatsächlich erfolgten Zahlungen die Forderungen des FA in einem Umfang von ca. 7 % geringer bedient worden seien als die Forderungen der übrigen Gläubiger. Ferner habe er darauf hingewiesen, dass er persönlich noch im Jahr 2002 einen Betrag von 20.000 EUR aus seinem Privatvermögen an das FA gezahlt und diesen Betrag als Einlage in die GmbH eingebracht habe, was gegen eine grob fahrlässige oder sogar vorsätzliche Vorgehensweise spreche.

Mit Schreiben vom 12.2.2004 habe das FA zunächst erklärt, es sei zu einer Herabsetzung des Haftungsbescheides auf 3.318,08 EUR gegen Zahlung eines entsprechenden Betrages und Abgabe der noch ausstehenden USt-Erklärungen 2001 bis 2003 bereit. Auf ein strafrechtliches Verfahren zur Feststellung von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit könne verzichtet werden. Durch die im Jahr 2002 freiwillig aus dem Privatvermögen geleistete Zahlung i.H. von 20.000 EUR sei der Haftungsanspruch entsprechend gemindert worden.

Nachdem er, der Kläger, mit Schreiben vom 27.2.2004 darauf hingewiesen habe, dass bezüglich der LSt tatsächlich ein deutlich höherer Betrag als nach der ermittelten Tilgungsquote an das FA gezahlt worden sei, und die angeforderten USt-Erklärungen nicht abgegeben werden könnten, weil sich die Belege noch beim vorläufigen lnsolvenzverwalter befänden, habe das FA mit Schreiben vom 9.3.2004 erwidert. Darin habe sich das FA nunmehr nur noch zur Teilrücknahme des Haftungsbescheides auf eine Summe von 18.417,25 EUR bereit erklärt. Dies entspreche auch dem in der klagebefangenen Einspruchsentscheidung festgesetzten Betrag. Der Kläger erstrebe mit seiner Klage die völlige Aufhebung des Haftungsbescheides, weil nach seiner Auffassung das in § 69 der Abgabenordnung (AO) vorausgesetzte Verschulden tatsächlich nicht vorliege.

In der Einspruchsentscheidung sei --zumindest lasse sich dies der Begründung nicht entnehmen-- das Vorbringen in der Einspruchsbegründung nicht gewürdigt worden, dass der Kläger den Betrag von 20.000 EUR aus seinem Privatvermögen an das FA gezahlt und diese als Einlage in seine Firma eingebracht habe. Das FA stelle stattdessen fest, die Pflichtverletzung des Klägers sei zumindest als grob fahrlässig zu bewerten und verweise sodann pauschal auf den Ausgangsbescheid. Ferner sei der Auffassung des FA nicht zu folgen, die gezahlte LSt scheide für die Frage aus, inwieweit der Haftungsschuldner quotal die Forderungen des FA getilgt habe. Das FA habe dies damit begründet, dass es sich bei der LSt um für den Arbeitgeber fremde Gelder handele. Dies sei jedoch unzutreffend, denn der Arbeitnehmer habe nie Eigentum an den LSt-Beträgen erhalten. Er sei lediglich verpflichtet, die LSt unmittelbar an das FA zu zahlen. Bis zur Fälligkeit am 10. des Folgemonats könne der Arbeitgeber frei über diese Beträge verfügen, und Gläubiger könnten auf die für die LSt-Zahlung bestimmten Gelder Zugriff nehmen, ohne dass die Finanzbehörde sich dagegen wehren könne.

Wie der Aufstellung der Zahlungen in der Einspruchsbegründung vom 9.12.2003 zu entnehmen sei, habe die GmbH im Haftungszeitraum insgesamt Zahlungen i.H. von 111.870,27 EUR (an das FA) geleistet. Lt. Schreiben des FA vom 9.3.2004 seien im Haftungszeitraum insgesamt USt-Zahlungen i.H. von 61.726,88 EUR zu entrichten gewesen. Da sich lt. Haftungsbescheid ein Rückstand ohne Nebenleistungen i.H. von 29.053,23 EUR ergeben habe, bedeute dies zugleich, dass insgesamt ein Betrag von (61.726,88 EUR ./. 29.053,23 EUR =) 32.673,65 EUR im Haftungszeitraum auf die USt gezahlt worden sei. Ziehe man diesen Betrag von den insgesamt an das FA geleisteten Zahlungen i.H. von 111.870,27 EUR ab, ergebe sich ein Betrag von 79.196,62 EUR, der auf die LSt gezahlt worden sei. Da bezogen auf den Haftungszeitraum wegen der LSt (incl. Säumniszuschläge) noch ein Rückstand i.H. von 9.594,94 EUR bestanden habe, bedeute dies, dass auf die LSt insgesamt (79.196,62 EUR + 9.595,94 EUR =) 88.791,56 EUR im Haftungszeitraum zu zahlen gewesen seien. Bezogen auf die Gesamtforderung von 88.791,56 EUR entsprächen die geleisteten Zahlungen i.H. von 79.196,62 EUR einer Tilgungsquote von 89,19 %. Demgegenüber habe die zuvor errechnete allgemeine Tilgungsquote von 77,46 % einem Betrag von 68.777,94 EUR entsprochen. Demnach habe insoweit bezüglich der LSt eine Überzahlung i.H.v. (79.196,62 EUR ./. 68.777,94 EUR =) 10.418,68 EUR stattgefunden. Selbst wenn man tatsächlich zu der Auffassung gelange, der Kläger habe seine Pflichten als Geschäftsführer grob fahrlässig verletzt, müsse der vom FA zuletzt geltend gemachte Haftungsbetrag zumindest noch um den vorgenannten Betrag gekürzt werden.

Nach Ergehen des abschlägigen Aussetzungsbeschlusses des Finanzgerichts (FG) vom 15.10.2004 16 V 5338/04 A(H(U)) hat der Kläger sein Vorbringen wie folgt ergänzt (s. Schriftsätze vom 14.10.2005 und 15.11.2005):

Er habe zwischenzeitlich durch einen Steuerberater die USt für den Haftungszeitraum berechnen lassen. Danach seien die Schätzungsbescheide grob falsch. Die USt-Erklärungen seien dem FA eingereicht worden. Das FA habe jedoch mitgeteilt, dass die Bescheide rechtskräftig seien und eine Änderung der Festsetzungen, die Grundlage für den Haftungsbescheid seien, nicht in Betracht komme. Dies stehe aber einer Änderung des Haftungsbescheides im Streitfall nicht entgegen; denn der Haftende brauche sich nicht entgegenhalten zu lassen, dass die Erstschuld bestandskräftig festgesetzt worden ist (Hinweis auf Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 191 AO Rz. 132; Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH-- in Bundessteuerblatt --BStBl-- II 1998, 319). In diesem Zusammenhang sei noch darauf hinzuweisen, dass die Schätzungsbescheide seinerzeit dem vorläufigen Insolvenzverwalter übergeben worden seien. Dieser habe jedoch keinen Einspruch eingelegt. Deshalb seien die Bescheide bestandskräftig geworden. Wegen der Insolvenz hätten finanzielle Mittel gefehlt, um einen Steuerberater mit der Erstellung der Erklärungen zu beauftragen. Unabhängig von einer "eventuellen Befugnis" sei es ihm - dem Kläger - schon aus faktischen Gründen nicht möglich gewesen, die Bestandskraft der Bescheide zu verhindern. Deshalb sei der Haftungsbescheid zumindest in dem Umfang aufzuheben, als sich aufgrund der inzwischen abgegebenen USt-Erklärungen (2001 und 2002) eine niedrigere USt ergebe.

Es sei zutreffend, dass er, der Kläger, seinerzeit Einspruch gegen die USt-Schätzungsbescheide vom 25.6.2003 eingelegt habe. Soweit er bei Abgabe der USt-Erklärungen 2001 bis 2003 vorgetragen habe, dass er die Schätzungsbescheide für 2001 und 2002 nicht erhalten habe, sei das mit einer zu jenem Zeitpunkt fehlenden Erinnerung zu erklären. Soweit das FA ausführe, dass eine Änderung des Haftungsbescheides nicht in Betracht komme, sei nochmals auf den bisherigen Vortrag in Bezug auf die fehlenden Mittel zur Beauftragung eines Steuerberaters hinzuweisen.

Der Kläger beantragt,

den Haftungsbescheid vom 18.9.2003 und die Einspruchsentscheidung vom 8.6.2004 ersatzlos aufzuheben.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das FA hat in der Klageerwiderung im Wesentlichen ausgeführt:

Das FA habe dem Kläger im Schreiben vom 12.2.2004 einen Vorschlag zur Erledigung des Einspruchs unterbreitet. Der Kläger habe diesen Vorschlag jedoch offensichtlich nicht annehmen wollen; er habe weder den von ihm im Schreiben vom 9.12.2003 selbst errechneten "Haftungsbetrag" gezahlt noch die angeforderten USt-Erklärungen 2001 bis 2003 bis zum 31.5.2004 eingereicht. Im Schreiben vom 27.2.2004 habe er mitgeteilt, hinsichtlich der LSt liege eine "nicht unerhebliche Überzahlung an das FA vor". Auf die USt-Forderungen werde daher keine Zahlung mehr erfolgen. Zur Abgabe der geforderten USt-Erklärungen sehe er sich außer Stande. Daher sei der streitige Sachverhalt nochmals in vollem Umfang überprüft worden. Die Berechnung der Haftungssumme ergebe sich aus dem Schreiben des FA vom 9.3.2004. Der Kläger habe bisher nicht vorgetragen, dass diese Berechnung grundsätzlich falsch sei. Einwendungen würden lediglich hinsichtlich der Nichteinbeziehung der LSt in die "Quoten-Berechnung" erhoben. Das FA halte jedoch daran fest, dass der Grundsatz der anteiligen Tilgung nach allgemein herrschender Rechtsauffassung keine Anwendung bei der Haftung für einzubehaltende und abzuführende LSt finde. Der Berechnung des Klägers hinsichtlich scheinbar überzahlter LSt könne daher nicht gefolgt werden. Auch der Umstand, dass der Kläger als Gesellschafter-Geschäftsführer in 2002 aus seinem Privatvermögen 20.000 EUR zur Tilgung der Steuerschulden der GmbH an das FA überwiesen haben soll, ändere an der Berechnung der Haftungssumme nichts. Dieser Betrag sei als Tilgung berücksichtigt worden. Dabei sei es unerheblich, ob insoweit eine verdeckte Einlage in die GmbH gegeben sei. Die Berücksichtigung von verdeckten Einlagen sei ggf. im Rahmen des § 17 des Einkommensteuergesetzes zu prüfen. Der Gesellschafter-Geschäftsführer habe die Zahlung im Hinblick auf seine Gesellschafterstellung erbracht; er werde dadurch nicht der Geschäftsführer-Haftung enthoben. Diese Zahlung des Gesellschafters bewirke auch dem Grunde nach nicht das Erlöschen der Geschäftsführer-Haftung. Als Geschäftsführer habe der Kläger dafür zu sorgen, dass die von der GmbH geschuldeten Steuern --in diesem Fall die USt-- rechtzeitig angemeldet bzw. erklärt und termingerecht aus den Mitteln der Gesellschaft entrichtet werden. Dieser Verpflichtung sei er --wie die Berechnung zur anteiligen Tilgung im Schreiben des FA vom 9.3.2004 ergebe-- nicht im erforderlichen Umfang nachgekommen. Die Inanspruchnahme des Klägers als Haftungsschuldner sei daher dem Grunde nach und in der lt. Einspruchsentscheidung festgesetzten Höhe ermessensfehlerfrei.

Wegen der Ausführungen des FA betreffend die USt-Bescheide 2001 und 2002 vom 25.6.2003, das vom Kläger unterzeichnete Einspruchsschreiben vom 2.7.2003, die abschlägige Einspruchsentscheidung vom 14.11.2003 sowie die am 15.3.2005 beim FA eingegangenen USt-Erklärungen 2001 bis 2003 wird auf den Schriftsatz vom 15.11.2005 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der Haftungsbescheid i.d.F. der Einspruchsentscheidung ist weder aus formellen noch aus materiell-rechtlichen Gründen rechtsfehlerhaft.

1.

a) Der Haftungsbescheid i.d.F. der Einspruchsentscheidung ist nicht aus formellen Gründen (mangelnde Bestimmtheit in Bezug auf die erforderliche Aufgliederung der Haftungsbeträge) rechtswidrig. Aus der Einspruchsentscheidung und dem dort in Bezug genommenen Schreiben vom 9.3.2004 war hinreichend erkennbar, für welche Hauptschulden (lt. Haftungsbescheid) und für welche noch verbliebenen Nebenleistungen (lt. Schreiben vom 9.3.2004) der Kläger im Einzelnen --nunmehr jeweils um dieselbe Quote gekürzt-- in Haftung genommen wurde. Ein gesonderter Ausweis der einzelnen, jeweils quotal gekürzten Haftungsbeträge (Hauptschulden/Nebenleistungen) war entbehrlich (vgl. BFH-Urteil vom 16.7.1992 VII R 59/91, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH --BFH/NV-- 1993, 146).

b) Der Umstand, dass im Haftungsbescheid die USt-Sondervorauszahlung 2002 mit "USt 2002" bezeichnet war, ist ebenfalls unschädlich. Soweit darin ein zur Rechtswidrigkeit führender Fehler liegen sollte, wäre derselbe jedenfalls durch die zutreffende Bezeichnung im Schreiben vom 9.3.2004, auf das die Einspruchsentscheidung ausdrücklich Bezug genommen hat, geheilt worden.

2.

Materiell-rechtlich gehen die Beteiligten übereinstimmend und zutreffend davon aus, dass der Kläger als Geschäftsführer der GmbH gemäß § 34 AO verpflichtet war, deren steuerliche Pflichten zu erfüllen, und nach § 69 Satz 1 AO u.a. die in § 34 AO bezeichneten Personen haften, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Pflichtverletzung nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Da sich die Haftung nach § 69 Satz 1 AO nur auf diejenigen Steuerschulden erstreckt, die bei ordnungsgemäßer Erfüllung der sich aus § 34 AO ergebenden Pflichten von der GmbH beglichen worden wären, findet für die USt der Grundsatz Anwendung, dass im Fall einer wirtschaftlichen Krise einer Kapitalgesellschaft der Geschäftsführer nur zu einer "anteiligen" Berücksichtigung der Steuerschulden verpflichtet ist. Dieser Grundsatz besagt, dass aus den zur Verfügung stehenden Mitteln der GmbH die fälligen Steuerforderungen zwar nicht vorrangig, jedoch zumindest im gleichen Verhältnis wie die Ansprüche sonstiger Gläubiger der GmbH bedient werden müssen. Eine Haftung des Geschäftsführers besteht hiernach nur hinsichtlich desjenigen Betrags, um den die tatsächlich entrichteten Steuerbeträge hinter demjenigen zurückbleiben, der bei gleichmäßiger Bedienung von Steuer- und sonstigen Forderungen getilgt worden wäre (vgl. BFH-Urteil vom 7.11.1989 VII R 34/87, BStBl II 1990, 201 m.w.N.; BFH-Beschluss vom 18.8.1999 VII B 106/99, BFH/NV 2000, 541, 543, m.w.N.).

3.

Nach diesen Grundsätzen greifen die beiden in der Klagebegründung vom 13.8.2004 erhobenen Einwendungen in Bezug auf die "Überzahlung von LSt" sowie die "Einlage" von 20.000 EUR nicht durch.

a) Betreffend den Einwand der "Überzahlung von LSt" verweist der Senat auf die diesbezüglichen Ausführungen im Beschluss gleichen Rubrums vom 15.10.2004 16 V 5338/04 A(H(U)), wonach zwar Tilgungen von LSt-Verbindlichkeiten bei der Ermittlung der durchschnittlichen Haftungsquote zu berücksichtigen sind, aber die so ermittelte durchschnittliche Haftungsquote nicht auf die LSt-Verbindlichkeiten anzuwenden ist. Der Senat hält diese Ausführungen auch bei abschließender Prüfung der Hauptsache für zutreffend und verweist deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf. Demzufolge hat die GmbH bei der Zahlung auf die hier maßgeblichen Verbindlichkeiten (USt und Nebenleistungen) das FA gegenüber anderen Gläubigern benachteiligt. Soweit die Beteiligten nämlich inzwischen übereinstimmend und zutreffend von der für den Haftungszeitraum errechneten "allgemeinen Tilgungsquote" von 77,46 % ausgehen, ist diese entgegen der Ansicht des Klägers für die LSt-Verbindlichkeiten nicht maßgeblich. Demzufolge berührt auch eine "Überzahlung von LSt" nicht die Annahme des Verschuldens, die sich nach dem Grundsatz der anteiligen Tilgung auf die USt-Verbindlichkeiten bzw. die insoweit --unstreitig-- eingetretene Benachteiligung des FA bezieht.

b) In Bezug auf das Verschulden ist auch die behauptete "Einlage" von 20.000 EUR zum Zwecke der Tilgung von Steuerverbindlichkeiten im Jahre 2002 unerheblich.

In diesem Zusammenhang kann offen bleiben, ob in Bezug auf Steuerzahlungen, die der Geschäftsführer aus seinem Vermögen für die GmbH leistet, von "verwalteten Mitteln" i.S. des § 34 Abs. 1 Satz 2 AO auszugehen ist (so Urteil des FG Brandenburg vom 1.7.1999 4 K 1925/98 H, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1999, 1114). Wenn man diese Frage verneint, so verbleibt es gleichwohl bei der in Bezug auf den Haftungstatbestand maßgeblichen Annahme, dass das FA --und zwar ausgehend von den Mitteln der GmbH-- in Bezug auf die USt-Verbindlichkeiten benachteiligt worden ist. Soweit mit den hier in Rede stehenden Mitteln USt-Verbindlichkeiten getilgt worden sein sollten, sind diese Tilgungen vom FA jedenfalls zutreffend berücksichtigt worden.

4.

Die Haftung für USt-Vorauszahlungen betreffend die Jahre 2001 und 2002 wurde auch durch die (bestandskräftigen) Festsetzungen in den USt-Jahresbescheiden 2001 und 2000 vom 25.6.2003 nicht berührt.

a) Wie der BFH im Urteil vom 12.10.1999 VII R 98/98 (BStBl II 2000, 486) zum Zusammenwirken von festgesetzter USt-Vorauszahlung und USt-Jahresbescheid entschieden hat, kann der Haftungsschuldner auch nach Ergehen des USt-Jahresbescheids gegenüber dem Steuerschuldner noch durch Haftungsbescheid für rückständige USt-Vorauszahlungen in Anspruch genommen werden, wenn die Haftungsvoraussetzungen (nur) bezüglich der USt-Vorauszahlungen vorlagen.

b) Soweit danach allerdings das endgültige Schicksal der USt-Vorauszahlungsschuld als Haftungsgrundlage ungeachtet ihrer wirksamen Festsetzung und Eigenständigkeit von der Höhe der Steuerschuld nach dem Jahressteuerbescheid abhängt (s. BFH-Urteil in BStBl II 2000, 486 unter Ziff. 4. der Gründe), blieben im Streitfall die Haftungsgrundlagen vom Erlass der Jahressteuerbescheide "unberührt". Denn die USt-Vorauszahlungsansprüche (lt. sog. Ü-Bögen 144.429,69 DM für 2001 und 49.706,16 EUR) wurden durch die Festsetzungen der Jahressteuerschulden (144.429 DM für 2001 und 49.705,41 EUR für 2002) bestätigt.

5.

Schließlich kann der Kläger auch nicht mit Erfolg einwenden, dass die vom FA in den Jahressteuerbescheiden geschätzten Steuerbeträge unzutreffend seien, da die der GmbH gegenüber --ohne Vorbehalt der Nachprüfung-- ergangenen Steuerbescheide nach Aktenlage unanfechtbar geworden sind und der Kläger sich dies entgegenhalten lassen muss (§ 166 AO).

a) Nach § 166 AO entfaltet die Bestandskraft eines Bescheides auch gegenüber demjenigen Wirkung, der in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten. Nach der Rechtsprechung des BFH betreffend GmbH-Geschäftsführer führt § 166 AO jedoch nur dann zum Ausschluss von Einwendungen gegen die Steuerfestsetzung, wenn der gesetzliche Vertreter während der gesamten Dauer der Rechtsbehelfsfrist Vertretungsmacht und damit das Recht gehabt hat, namens der GmbH zu handeln (vgl.Urteil vom 21.1.1986 VII R 196/83, BFH/NV 1986, 512, sowieBeschluss vom 28.3.2001 VII B 213/00, BFH/NV 2001, 1217).

Maßgebend ist, ob der Geschäftsführer als gesetzlicher Vertreter der GmbH hierzu rechtlich befugt war. Diese rechtliche Befugnis des Geschäftsführers entfällt erst mit der Löschung der GmbH im Handelsregister. Denn erst die Löschung einer GmbH wegen Vermögenslosigkeit (§ 141a FGG) hat zur Folge, dass ihr bisheriger gesetzlicher Vertreter (Geschäftsführer), sofern er nicht zum Liquidator bestellt worden ist, seine Vertretungsbefugnis verliert (s. BFH-Beschluss in BFH/NV 2001, 1217 unter 2. a der Gründe m.w.N.).

b) Danach kommt es im Streitfall für die Anwendung des § 166 AO nur darauf an, dass der Kläger rechtlich befugt war, gegen die abschlägige Einspruchsentscheidung wegen USt 2001 und 2002 vom 14.11.2003 Klage zu erheben; denn die GmbH wurde erst am 19.3.2004 wegen Vermögenslosigkeit gelöscht.

Der mit Schriftsätzen vom 14.10.2005 und 15.11.2005 geltend gemachte Umstand, wonach finanzielle Mittel zur Erstellung der USt-Erklärungen gefehlt hätten, ist in rechtlicher Hinsicht unerheblich, weil es nur auf die rechtliche Befugnis zur Anfechtung ankommt. Es kann deshalb auch offen bleiben, ob diesem VorbrIngen des Klägers in tatsächlicher Hinsicht zu folgen wäre.

c) Demzufolge kommt es wegen der Bestandskraft der Jahressteuerbescheide auf die USt-Erklärungen 2001 und 2002 nicht an. Der Senat gestattet sich in diesem Zusammenhang gleichwohl den Hinweis, dass sich aus der USt-Erklärung 2001 eine verbleibende USt von 148.865,10 EUR ergibt, die sowohl das Vorauszahlungssoll (einschließlich Sondervorauszahlung) als auch die festgesetzte Jahressteuer übersteigt.

6.

Der Haftungsbescheid i.d.F. der Einspruchsentscheidung ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden. Der Senat hält insbesondere die Ausführungen des FA in Bezug auf die Ausübung der (Entschließungs-)Ermessen für ausreichend und ermessensfehlerfrei.

7.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).



Ende der Entscheidung

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