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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 19.02.2008
Aktenzeichen: 17 K 894/05 E
Rechtsgebiete: AStG, AO, EStG, EGV


Vorschriften:

AStG § 1
AStG § 21 Abs. 4 S. 2
AO § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a
EStG § 13
EStG § 15
EStG § 18
EStG § 21
EGV Art. 43 Abs. 1 S. 2
EGV Art. 56 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

17 K 894/05 E

Tenor:

Der Beklagte wird verpflichtet, den Einkommensteuerbescheid für 1996 vom 10. Januar 2005 dahin zu ändern, dass die Einkommensteuer auf 510.147,10 EUR herabgesetzt wird.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen die Zurechnung von fiktiven Zinseinnahmen nach § 1 Außensteuergesetz AStG .

Der Kläger ist zu 75 % an der A Ltd. in Großbritannien beteiligt. Die A Ltd. ist eine Gesellschaft nach britischem Recht mit Sitz in Großbritannien. Das Stammkapital der A Ltd. beträgt 2 £. Die A Ltd. betreibt Landwirtschaft auf einem Farmgelände, das sie von der B AG mit Sitz in der Schweiz gepachtet hat.

Der A Ltd. wurden bei der Gründung (16. August 1982) zinslose Gesellschafterdarlehen in Höhe von 120.000 £ aus dem Privatvermögen ihrer Gesellschafter gewährt. Der Anteil des Klägers betrug 90.000 £ ("?200.000 DM). Ein schriftlicher Darlehensvertrag wurde nicht geschlossen. Sicherheiten wurden nicht gestellt.

Nach einer Außenprüfung rechnete der Beklagte dem Kläger unter Berufung auf § 1 AStG fiktive Zinseinnahmen von 9.000 DM im Streitjahr 1996 zu. Der Beklagte legte hierbei in Abstimmung mit dem Kläger einen Zinssatz von 4,5 % zu Grunde. Der Einkommensteuerbescheid wurde von den Klägern nicht angefochten. Die Einkommensteuer für das Jahr 1996 belief sich auf 510.147,10 EUR.

Im Jahr 2004 erließ der Beklagte auf Grund eines Bescheides über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften aus einer anderen Beteiligung des Klägers nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung AO einen Änderungsbescheid zur Einkommensteuer 1996, in dem er die Steuer auf 511.083,79 EUR heraufsetzte. Die Kläger beantragten nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a AO vor Ablauf der Einspruchsfrist die Änderung dieses Bescheides und die Saldierung der vorgenommenen Erhöhung mit den zugerechneten fiktiven Zinseinnahmen nach § 177 AO. Sie vertraten die Auffassung, die Hinzurechnung der fiktiven Zinseinnahmen nach § 1 AStG verstoße gegen EGRecht. Der Beklagte lehnte diese Änderung ab mit der Begründung, die Zurechnung der Zinsen sei nach § 1 AStG zu Recht erfolgt.

Die Kläger haben hierauf Klage erhoben. Sie vertreten die Auffassung, die Voraussetzungen des § 1 AStG für eine Hinzurechnung von fiktiven Zinseinnahmen seien nicht erfüllt. Die erfolgte unentgeltliche Fremdkapitalüberlassung sei als ein durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasster Gesellschafterbeitrag zu sehen und keine Leistung im Rahmen einer "Geschäftsbeziehung". Nach dem Grundsatz der Finanzierungsfreiheit habe ein Gesellschafter das Recht, Eigen- oder Fremdkapital zur Verfügung zu stellen. So wie ein Gesellschafter als Geschäftsführer für seine Gesellschaft unentgeltlich oder teilentgeltlich tätig werden könne, könne er auch Fremdkapital teilentgeltlich oder unentgeltlich überlassen. Dem entsprechend habe auch der Bundesfinanzhof BFH in seinemUrteil vom 29. November 2000 (I R 85/99, amtliche Sammlung der Entscheidungen des BFH BFHE 194,57) bestimmte hybride Formen der Gesellschafterfremdfinanzierung, die der Eigenkapitalzufuhr nahe stehen, aus dem Begriff der "Geschäftsbeziehung" des § 1 AStG ausgenommen. Auf dieses Urteil habe die Finanzverwaltung mit einem Nichtanwendungserlass reagiert (BMF vom 17. Oktober 2002 IV B 4S 134114/02, Bundessteuerblatt BStBl I 2002, 1025) und eine Gesetzesänderung veranlasst (Wassermeyer in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff Außensteuerrecht, § 1 Abs. 1 AStG Rdnr. 222.1). Im Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 16. Mai 2003 (Bundesgesetzblatt BGBl I 2003, 660) sei § 1 Abs. 4 AStG dahin geändert worden, dass nunmehr Geschäftsbeziehung im Sinne der Abs. 1 und 2 jede "schuldrechtliche" Beziehung sei, die keine gesellschaftsrechtliche Vereinbarung darstelle. Hierin sei eine Verschärfung der Regelung zur Einkünfteberichtigung zu sehen (so auch Rödder Deutsches Steuerrecht DStR 2003, 816; Wassermeyer in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 1 Abs. 1 AStG Rdnr. 912) und nicht lediglich eine Klarstellung. Vor 2003 habe jede Beziehung Gegenstand einer Geschäftsbeziehung sein können. Da die Gesetzesänderung erst ab 2003 gelte, sei sie für den streitgegenständlichen Veranlagungszeitraum irrelevant.

Die Kläger sind außerdem der Auffassung, die vom Beklagten vorgenommene Hinzurechnung nach § 1 Abs. 1 AStG verstoße gegen Art. 43 f. und Art. 56 f. des EGVertrages. Sie verweisen hierzu auf den Beschluss des BFH vom 21. Juni 2001 (I B 141/00, Der Betrieb DB 2001, 1648), in dem der BFH ernstliche Zweifel an der EG-Konformität der Hinzurechnungsbesteuerung nach § 1 AStG geäußert habe, sowie auf die einschlägige Literatur.

Die Kläger beantragen,

den Beklagten zu verpflichten, den Änderungsbescheid zur Einkommensteuer 1996 in der Gestalt des Bescheides vom 10. Januar 2005 über 511.057,20 EUR dahin zu ändern, dass die Einkommensteuer auf 510.147,10 EUR herabgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, er sei bei der Ablehnung der von den Klägern beantragten Änderung davon ausgegangen, dass als Grundlage für eine Änderung § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a AO in Betracht komme und eine Ermessensreduzierung auf Null vorliege, da kein Anhalt für die Annahme bestanden habe, die Kläger treffe an ihrem erst nachträglichen Vorbringen ein Verschulden. Die Ablehnung der Änderung sei jedoch zu Recht erfolgt, da die Hinzurechnung der Zinsen durch § 1 AStG gedeckt sei.

Der Beklagte meint, die unentgeltliche Überlassung des Fremdkapitals führe trotz einer unzureichenden Eigenkapitalausstattung der A Ltd. nicht dazu, dass die Darlehenshingabe als durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasster Gesellschafterbeitrag zu verstehen sei. Es habe vielmehr eine schuldrechtliche Beziehung im Sinne des § 1 Abs. 4 AStG vorgelegen, die ihre Eigenschaft als Geschäftsbeziehung nicht dadurch verloren habe, dass sie betriebswirtschaftlich einen eigenkapitalersetzenden Zweck erfüllt habe. Wortlaut und Sinn und Zweck des § 1 AStG schlössen es aus, seinen Anwendungsbereich entsprechend einzuschränken. Zwar habe der BFH am 29. November 2000 (BStBl II 2002, 720) zum Rechtszustand bis 1991 geurteilt, dass eine Konzernobergesellschaft, welche zu Gunsten eines anderen konzernangehörigen Unternehmens eine Garantieerklärung abgebe, keine Geschäftsbeziehung im Sinne von § 1 Abs. 4 AStG mit diesem Unternehmen begründe, wenn die begünstigte Gesellschaft mangels ausreichender Eigenkapitalausstattung ohne die Garantieerklärung ihre konzerninterne Funktion nicht erfüllen könne. Damit habe der BFH in Übereinstimmung mit Wassermeyer (vgl. Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 1 AStG, Rdnr. 891 bis 893) den Grundsatz der Finanzierungsfreiheit betont. Diesen Aussagen des BFH sei die Finanzverwaltung allerdings entgegengetreten (vgl. BMFSchreiben vom 17. Oktober 2002, BStBl I 2002, 1025). Dies sei auch durch den Gesetzgeber mittels einer Verschärfung des § 1 Abs. 4 AStG durch das Steuervergünstigungsabbaugesetz bestätigt worden, indem dort seither als Geschäftsbeziehung jede den Einkünften zu Grunde liegende Beziehung, die keine gesellschaftsrechtliche Vereinbarung sei, definiert werde. Der Gesetzgeber gehe dabei von einer reinen Klarstellung aus und eben nicht von einer Änderung des Gesetzes.

Der Beklagte ist außerdem der Auffassung, dass § 1 AStG nicht gegen EGRecht verstoße. Er verweist darauf, dass der Europäische Gerichtshof EuGH sich bei der Prüfung der Frage, ob die Grundfreiheiten des EGVertrages verletzt seien, nach international anerkannten Besteuerungsgrundsätzen richte. ImUrteil vom 12. Mai 1998 (Rs 336/96, Gilly, EuGHE 1998, 2793) führe der EuGH aus, dass die Mitgliedstaaten sich für die Zwecke der Aufteilung der Steuerhoheit an der völkerrechtlichen Praxis und dem OECDMusterabkommen orientierten.

Der Beklagte vertritt die Ansicht, durch § 1 Abs. 1 AStG werde der Grundsatz des Fremdvergleichs des Art. 9 OECDMusterabkommen (bzw. der entsprechenden Vorschrift des konkret anzuwendenden Doppelbesteuerungsabkommens DBA ) im deutschen Steuerrecht umgesetzt. Der Grundsatz des Fremdvergleichs als Maßstab für die Gewinnabgrenzung und Einkünftezuordnung zwischen den Staaten sei international anerkannt.

Wenn der EuGH eine Aufteilung von Steuersubstrat zwischen Mitgliedstaaten auf Grund eines international anerkannten Grundsatzes (hier des Fremdvergleichspreises) nach dem EGVertrag für zulässig halte, folge daraus, dass auch § 1 Abs. 1 AStG mit dem Gebot der Niederlassungsfreiheit und der Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar sei.

Die Außensteuerreferatsleiter des Bundes und der Länder verträten die Auffassung, dass "der BFH die Grenzen des EGVertrages verkannt habe" und wollten die Grundsätze des Beschlusses nicht anwenden (vgl. im Einzelnen Internationales Steuerrecht IStR Kurzinformation Nr. 18/2002 der Oberfinanzdirektion OFD Düsseldorf vom 4. März 2002).

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet. Die Ablehnung der von den Klägern beantragten Änderung war rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten.

Die Kläger haben einen Anspruch auf Änderung des Einkommensteuerbescheides nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a AO. Der Beklagte hat es bei der Änderung des Einkommensteuerbescheides nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO zu Unrecht unterlassen, nach § 177 Abs. 1 AO die materiell fehlerhafte Zurechnung der Darlehenszinsen zu korrigieren, soweit die Änderung zu Ungunsten der Kläger reicht. Die Kläger haben den Antrag auf Änderung nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a AO vor Ablauf der Einspruchsfrist gestellt. Der Senat geht in Übereinstimmung mit dem Vortrag des Beklagten insoweit von einer Ermessensreduzierung auf Null aus.

Die Zurechnung der Darlehenszinsen ist rechtswidrig, da die Voraussetzungen des § 1 AStG nicht erfüllt sind und auch keine andere Ermächtigungsgrundlage in Betracht kommt.

I. Nach § 1 AStG sind, wenn ein Steuerpflichtiger Geschäftsbeziehungen zum Ausland unterhält, seine Einkünfte unter bestimmten Voraussetzungen für Zwecke der Besteuerung abweichend von der tatsächlich angefallenen Höhe anzusetzen. Voraussetzung für die von der Vorschrift angeordnete Berichtigung der Einkünfte ist, dass es um ein Verhältnis zwischen dem Steuerpflichtigen hier dem Kläger als unbeschränkt einkommensteuerpflichtiger natürlicher Person (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EStG) und einer ihm nahe stehenden Person (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG) hier der A Ltd., an der er im Streitjahr zu 75 % beteiligt war geht, das als "Geschäftsbeziehung" qualifiziert werden kann (BFH vom 29. November 2000 I R 85/99, BFHE 194, 53, BStBl II 2007, 720; BFH vom 30. Mai 1990 I R 97/88, BFHE 160, 567, BStBl II 1990, 875).

Im Streitfall beurteilt sich die Frage nach dem Vorliegen einer "Geschäftsbeziehung" zwischen dem Kläger und der A Ltd. nach § 1 Abs. 4 AStG. Diese Vorschrift ist durch das Standortsicherungsgesetz (StandOG) vom 13. September 1993 (BGBl I 1993, 1569) in das AStG eingefügt worden und mit Wirkung zum 1. Januar 1992 in Kraft getreten (§ 21 Abs. 4 Satz 2 AStG i. d. F. des StandOG). Nach § 1 Abs. 4 AStG liegen Geschäftsbeziehungen vor, wenn die den Einkünften zu Grunde liegende Beziehung entweder beim inländischen Steuerpflichtigen oder bei der nahe stehenden Person Teil einer Tätigkeit ist, auf welche die §§ 13, 15, 18, 21 EStG anzuwenden sind oder wären, wenn die Tätigkeit im Inland vorgenommen würde. § 1 Abs. 4 AStG wurde zwar durch das Steuervergünstigungsabbaugesetz (StVergAbG) vom 16. Mai 2003 (BGBl I 2003, 660) geändert. Es wurde als Geschäftsbeziehung jede den Einkünften zu Grunde liegende "schuldrechtliche Beziehung" definiert, die keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung ist und entweder beim Steuerpflichtigen oder bei der nahe stehenden Person Teil einer Tätigkeit ist, auf die §§ 13, 15, 18 oder 21 EStG anzuwenden ist oder anzuwenden wäre. Diese Neufassung gilt jedoch nach § 21 Abs. 11 Satz 1 AStG erstmals für den Veranlagungszeitraum 2003.

Im Streitfall fehlt es an einer Geschäftsbeziehung im Sinne von § 1 Abs. 4 AStG. Die unentgeltliche Kapitalüberlassung stellt sich als Gesellschafterbeitrag und nicht als nach § 1 AStG zu korrigierende Leistung im Rahmen eines Leistungsaustausches dar.

Die Legaldefinition der Geschäftsbeziehung des § 1 Abs. 4 AStG erschöpft sich in der Umschreibung des Zusammenhangs, in dem eine Beziehung zu einer bestimmten Einkunftsart des Steuerpflichtigen oder der nahe stehenden Person stehen muss, um "Geschäftsbeziehung" zu sein. Es bedarf deshalb zunächst der Konkretisierung, welche Anforderungen an eine Beziehung zu stellen sind, um sie als Geschäftsbeziehung bezeichnen zu können. Erst danach ist der Zusammenhang mit einer bestimmten Einkunftsart zu prüfen (Wassermeyer in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 1 AStG Rdnr. 892).

Aus dem Umstand, dass § 1 Abs. 1 AStG neben der Existenz einer nahe stehenden Person eine Geschäftsbeziehung zu ihr verlangt, folgt, dass die das Nahestehen einer Person im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG zum Steuerpflichtigen begründenden Beziehungen für sich genommen keine Geschäftsbeziehungen im Sinne des § 1 Abs. 1 und Abs. 2 AStG sind (BFH BStBl II 2002, 720 unter Hinweis auf BFH BStBl II 1990, 875). Deshalb ist insbesondere eine wesentliche unmittelbare oder mittelbare Beteiligung als solche keine Geschäftsbeziehung. § 1 Abs. 1 AStG greift vielmehr nur dann ein, wenn über die Beteiligung hinaus ein selbstständiges Leistungsverhältnis zwischen Gesellschafter und Gesellschaft zu beurteilen ist (BFH BStBl II 2002, 720).

1. Nach dem Sinn und Zweck des § 1 AStG kann die Gewährung von Eigenkapital keine Geschäftsbeziehung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter darstellen. Die Vorschrift soll lediglich bei einem grenzüberschreitenden Leistungsaustausch zwischen nahe stehenden Personen, dessen Bedingungen einem Fremdvergleich nicht standhalten, den steuerlichen Ansatz eines angemessenen Entgelts ermöglichen. Sie will jedoch nicht darüber hinaus diejenigen Vorgänge erfassen, die nicht als Leistungsaustausch zu qualifizieren, sondern im privaten Bereich oder im Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind. Diese sind deshalb nicht nach § 1 AStG, sondern ausschließlich nach den allgemein geltenden Regeln zu behandeln (BFH BStBl II 2002, 720).

Im Streitfall hat der Kläger die A Ltd. nicht mit Eigenkapital ausgestattet. Bei Kapitalgesellschaften entsteht Eigenkapital, wenn ein Gesellschafter einen einlagefähigen Vermögenswert dem gebundenen Haftungskapital zuführt. Die Frage, ob diese Voraussetzung im Einzelfall erfüllt ist, ist nach Zivilrecht zu beurteilen (BFH BStBl II 1990, 875) und im Streitfall zu verneinen.

2. Zu den Vorgängen, die im vorstehenden Sinne durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind, gehört jedoch nicht nur die Ausstattung einer Gesellschaft mit Eigenkapital. Vielmehr sind auch unentgeltliche wirtschaftliche Stützungsmaßnahmen im Gesellschaftsverhältnis begründet, wenn der Gesellschafter dadurch eine funktionsgerechte Ausstattung einer Gesellschaft mit Eigenkapital ersetzt. Es macht im Zusammenhang mit § 1 AStG keinen Unterschied, ob die Gesellschaft eine für ihren Gesellschaftszweck ausreichende Kapitalausstattung erhält oder ob der Gesellschafter sie nur mit unzureichendem Eigenkapital versieht, zum Ausgleich hierfür aber die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft durch unentgeltliche wirtschaftliche Stützungsmaßnahmen ermöglicht. Auch dann handelt er nicht als Partner eines Austauschverhältnisses, sondern nur in seiner Eigenschaft als Gesellschafter. Ein solches Verhalten ist nicht in einem schuldrechtlichen Leistungsaustausch, sondern allein in der Nahestehensbeziehung begründet und unterfällt deshalb dem Anwendungsbereich des § 1 AStG nicht (so auch: Finanzgericht FG BadenWürttemberg vom 4. Dezember 2001 1 K 250/99, EFG 2002, 381; FG Hamburg vom 13. März 2007 6 K 120/05, EFG 2007, 1314; BFH BStBl II 2002, 720).

Der Gesellschafter bestimmt nach eigenem Ermessen, ob und in welcher Höhe er seinem Unternehmen Eigen- oder Fremdkapital zur Verfügung stellt (Grundsatz der Finanzierungsfreiheit). Diesen Grundsatz anerkennt auch das Steuerrecht (BFH vom 8. Dezember 1997 GrS 1 2/95, BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193), sodass der Gesellschafter auch frei ist, Mischformen zur Finanzierung des Unternehmens zu wählen. Deshalb kann der Gesellschafter seiner Gesellschaft auch Fremdkapital zinslos zur Verfügung stellen, ohne dass dieses Verhalten unter Fremdvergleichsgesichtspunkten zu korrigieren ist (Baumhoff, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 1 AStG, Rdnr. 732; Wassermeyer in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 1 AStG, Rdnr. 893). Maßgeblich ist insoweit nicht das äußere Erscheinungsbild, etwa eine schuldrechtliche Darlehensvereinbarung, sondern der wirtschaftliche Gehalt der zu beurteilenden unentgeltlichen wirtschaftlichen Stützungsmaßnahme. Der Unternehmer will durch die unentgeltliche Kapitalüberlassung seiner oder der von ihm beherrschten Gesellschaft kein Kapital auf Dauer, sondern nur solches auf Zeit zur Verfügung stellen. Er wählt die Darlehensbeziehung in der Regel nur deshalb, weil die andere Möglichkeit (Kapitalerhöhung und spätere Kapitalherabsetzung), die ihm das Zivilrecht zur Verfügung stellt, zu kompliziert erscheint (Wassermeyer in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 1 AStG, Rdnr. 893). Derartige unentgeltliche Leistungen werden nur im Verhältnis zwischen Gesellschaft und Gesellschafter erbracht und sind durch die Besonderheiten dieses Verhältnisses gekennzeichnet (ebenso für den Fall eines zinslosen Darlehens: FG BadenWürttemberg EFG 2002, 381; FG Münster vom 24. August 2006 6 K 2655/03 E, EFG 2007, 92; vgl. auch FG Hamburg EFG 2007, 1314).

Im Streitfall beruht die unentgeltliche Überlassung des Kapitals nicht auf einem schuldrechtlichen Leistungsaustausch, sondern ist als unentgeltliche wirtschaftliche Stützungsmaßnahme im Gesellschaftsverhältnis begründet. Die A Ltd. war mit einem Stammkapital von nur 2 £ unzureichend ausgestattet. Die Kapitalausstattung erfolgte durch die zinslosen Gesellschafterdarlehen in Höhe von 120.000 £. Die Gesellschafter haben dieses Kapital der Gesellschaft zinslos und ohne Sicherheiten überlassen und sich damit für eine Mischform der Kapitalüberlassung entschieden. Gegen einen ernst gemeinten schuldrechtlichen Leistungsaustausch spricht, dass es an einem schriftlichen Darlehensvertrag fehlt, das Kapital unentgeltlich zur Nutzung überlassen wurde und Vereinbarungen zu Sicherheiten, Laufzeiten und Rückzahlung fehlen.

II. Aus der Neufassung, die § 1 Abs. 4 AStG durch das StVergAbG erfahren hat, folgt nicht, dass das Darlehensverhältnis zwischen dem Kläger und der A Ltd. entgegen den vorstehenden Ausführungen als Geschäftsbeziehung im Sinne von § 1 Abs. 4 AStG zu interpretieren ist. § 1 Abs. 4 AStG definiert zwar nunmehr als Geschäftsbeziehung jede den Einkünften zu Grunde liegende schuldrechtliche Beziehung, die keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung ist. § 1 Abs. 4 AStG in der Fassung des StVergAbG gilt jedoch erst ab dem Veranlagungszeitraum 2003 und enthält entgegen der Gesetzesbegründung (BRDrucks 866/02, S. 86) und der Auffassung der Finanzverwaltung keine bloße Klarstellung. Aus der Änderung der Formulierung im Vergleich zu der voraufgegangenen Fassung wird ersichtlich, dass vorher eine entsprechende Differenzierung zwischen schuldrechtlicher und gesellschaftsvertraglicher Vereinbarung nicht getroffen wurde (FG Münster EFG 2007, 92; vgl. auch Rödder DStR 2003, 816).

III. Für eine einschränkende Auslegung von § 1 Abs. 4 AStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung sprechen auch die EGrechtlichen Bedenken gegen § 1 AStG (so auch BFH BStBl II 2000, 720) unter gleichzeitiger Berücksichtigung des verhältnismäßig niedrigen Streitwertes von 910 EUR.

1. In der Rechtsprechung der deutschen Finanzgerichte sind schon in der Vergangenheit Zweifel an der Vereinbarkeit von § 1 AStG und EGRecht geäußert worden.

Der BFH hat in einer Entscheidung vom 29. November 2000 bei einer von einer KonzernObergesellschaft abgegebenen Garantieerklärung eine "Geschäftsbeziehung" im Sinne von § 1 AStG verneint. Er hat ausgeführt, dass die Annahme einer "Geschäftsbeziehung" und eine hierauf gestützte Erhöhung der Einkünfte der Klägerin aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht bedenklich wäre, wenn die leistende Muttergesellschaft im Inland und die Tochtergesellschaft im EGAusland ansässig sei. Denn bei einem vergleichbaren reinen Inlandsfall könnte der Gewinn der Klägerin nicht um ein fiktives Entgelt für die Abgabe der Garantieerklärung erhöht werden. Eine Schlechterstellung der Klägerin allein deshalb, weil es sich bei der Tochtergesellschaft um eine niederländische Gesellschaft handele, wäre im Hinblick auf die gemeinschaftsrechtlich garantierte Niederlassungsfreiheit nicht zu rechtfertigen. Ggf. könnte sie zudem gegen die Freiheit des Kapitalverkehrs verstoßen. Jedenfalls entspreche die Annahme, dass es sich bei dem zu beurteilenden Vorgang nicht um eine "Geschäftsbeziehung" handele, den Anliegen des Gemeinschaftsrechts besser als die ansonsten vorzunehmende Erhöhung der Einkünfte nach § 1 AStG. Es handele sich mithin um eine "gemeinschaftsrechtsfreundliche" Handhabung, die auch unter diesem Gesichtspunkt den Vorzug verdiene (vgl. BFHUrteil vom 29. November 2000 I R 85/99, BFHE 194, 53, BStBl II 2002, 720).

Das FG Münster hat mit einem Beschluss vom 31. August 2000 die Aussetzung der Vollziehung eines auf § 1 AStG gestützten Bescheides abgelehnt. Der Bescheid war gegen einen französischen Staatsbürger gerichtet, der in Deutschland einen Gewerbebetrieb unterhielt und Waren an seine Betriebe in Frankreich und auf Martinique zu Preisen geliefert hatte, die unter den Preisen fremder Dritter lagen. Das FG verneinte ernstliche Zweifel an der Vereinbarkeit von § 1 Abs. 1 AStG mit der Niederlassungsfreiheit und der Freiheit des Kapitalverkehrs. Zwar liege ein Eingriff in die EUGrundfreiheiten vor. Das sei jedoch so das FG aus Gründen der "nationalen Funktionsfähigkeit der steuerlichen Systeme in den einzelnen Mitgliedstaaten der EU erforderlich". § 1 Abs. 1 AStG wahre die Interessen Deutschlands gegenüber Mitgliedstaaten mit niedrigeren direkten Steuern (FG Münster, Beschluss vom 31. August 2000, 8 V 4639/00 E, Entscheidungen der Finanzgerichte EFG 2000, 1389).

In dem Beschwerdeverfahren, das sich an die Entscheidung des FG Münster anschloss, setzte der BFH in einer Entscheidung vom 21. Juni 2001 die Vollziehung aus. Der BFH bejahte ernstliche Zweifel an der Vereinbarkeit des § 1 Abs. 1 AStG mit der Niederlassungsfreiheit nach Art. 52 ff. des Vertrages über die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft EGV a. F. (= Art. 43 ff. nach der Zählung des Vertrages von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, Amtsblatt Abl Nr. C340/173/1977 EGV n. F.) und der Freiheit des Kapitalverkehrs nach Art. 73 b ff. EGV a. F. (= Art. 56 ff. EGV n. F.). Die Erwägungen des FG könnten die auch vom FG konstatierte Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. Ausschlaggebend für die darin liegende Diskriminierung sei vielmehr allein, dass derjenige Steuerpflichtige, der Geschäfte mit einem nahestehenden Geschäftspartner in einem anderen EUMitgliedstaat tätige, steuerlich ungünstiger behandelt werde als ein solcher Steuerpflichtiger, der entsprechende Geschäfte im Inland betreibe. Dem einen werde ein fiktives Entgelt als Gewinnaufschlag hinzugerechnet, dem anderen hingegen nicht. Zwar könnte eingewandt werden, dass bei einem innerstaatlichen Vorgang zugleich eine entsprechende Gewinnminderung auf Seiten des nahestehenden Geschäftspartners entfalle; die fehlende Gewinnerhöhung bei dem leistenden Steuerpflichtigen und die fehlende Gewinnminderung beim Leistungsempfänger glichen sich also aus. Es lasse sich jedoch so der BFH zumindest ernstlich bezweifeln, dass mit einer derartigen Gesamtwürdigung die abweichende Behandlung von Auslandssachverhalten gemeinschaftsrechtlich gerechtfertigt werden könne. Der Rechtsprechung des EuGH sei eher zu entnehmen, dass beim Vergleich der Gebietsansässigen und der Gebietsfremden auf die Belastung des jeweiligen Steuerpflichtigen abgestellt werden müsse. Schließlich werde die Schlechterstellung desjenigen, der mit einem Gebietsfremden kontrahiere, nicht durch die Gewinnkorrekturvorschrift in Art. 5 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuer und der Grundsteuern legitimiert. Zum einen begründe diese Art. 9 OECDMusterabkommen nachgebildete Regelung selbst keine Steuerpflicht, sondern beschränke lediglich eine nach dem Steuerrecht des Anwenderstaates bestehende Berichtigungsmöglichkeit. Zum anderen gehe das Gemeinschaftsrecht ohnehin sowohl dem Völkervertragsrecht als auch dem innerstaatlichen Recht vor (BFHBeschluss vom 21. Juni 2001 I B 141/00, BFHE 195, 398, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH BFH/NV 2001, 1169).

2. In der Literatur wurde schon vor der Entscheidung des BFH vom 21.06.2001 die Auffassung vertreten, § 1 AStG sei mit EGRecht nicht vereinbar. Vor allem aber wurde im Anschluss an die BFHEntscheidung durchweg die Ansicht geäußert, § 1 AStG verstoße gegen EGRecht (vgl. Dautzenberg/Gocksch BB 2000, S. 904; Brenner, Kommentierte FinanzRechtsprechung KFR F 11 AStG § 1, 2/01 S. 383; Herlinghaus FR 2001, S. 240; Dölker/Ribbrock IStR 2005, 533 ; Wassermeyer, IStR 2001, S. 113, Wassermeyer in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, § 1 AStG, Rdnr. 8161; Borstell/Brüninghaus/Dvoraczek, IStR 2001, S. 757; Köplin/Sedemund, IStR 2002, S. 120; dies IStR 2000, S. 305 unter Hnweis auf EuGH vom 18. November 1999, C200/98, X AB, Y AG; Scheuerle IStR 2002, S. 798, Schön IStR 2004, 289, 299; Schaumburg DB 2005, S. 1129; Wöhrle/Schelle/Gross, Außensteuergesetz, Kommentar, § 1 AStG Rdnr. 16; Rödder DStR 2004, S. 1629, 1632).

3. Der Senat teilt die Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit von § 1 AStG mit EGRecht.

Art. 43 ff. EGV schützen die Niederlassungsfreiheit, die sich nach Art. 43 EGVertrag auf die Aufnahme und Ausübung selbstständiger Erwerbstätigkeiten durch eine Niederlassung und die Gründung und Leitung von Unternehmen im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats erstreckt. Unter einer Niederlassung wird eine auf Dauer angelegte Berufsbetätigung an einem festen Standort verstanden. Die Niederlassungsfreiheit soll die Freiheit der Standortwahl gewährleisten. Dies schließt nach Art. 43 Abs. 1 Satz 2 EGV ausdrücklich auch die Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften mit ein. In diesem sachlichen Schutzbereich verbietet Art. 43 EGV jede Beschränkung der freien Niederlassung.

Art. 56 Abs. 1 EGV gewährleistet die Kapitalverkehrsfreiheit und verbietet alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten der EU und im Verhältnis der Mitgliedstaaten zu Drittländern. Auf den Schutz durch die Kapitalverkehrsfreiheit können sich alle Staatsangehörigen eines EUMitgliedstaats und alle juristischen Personen, die ihren Sitz in einem Mitgliedstaaten haben, berufen. Die Kapitalverkehrsfreiheit schützt den grenzüberschreitenden Geld- und Sachkapitaltransfer, und zwar vorwiegend zu Anlage- oder Investitionszwecken.

Beide Freiheiten der Niederlassung und des Kapitalverkehrs zeichnen sich durch eine Doppelnatur aus. Sie wirken in ihrem spezifischen Schutzbereich einerseits als Diskriminierungsverbote, die das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV für bestimmte, spezielle Schutzbereiche flankieren und andererseits als Beschränkungsverbote (EuGH vom 27. September 1988 81/87, Recht der internationalen Wirtschaft REW1989, 304, 306 Tz. 16). Während durch das Verbot der Diskriminierung Ungleichbehandlungen zwischen In- und Ausländern erfasst werden, bezieht sich das Beschränkungsverbot auf Eingriffe, die das Ausnutzen der Grundfreiheiten behindern oder weniger attraktiv machen. Das Beschränkungsverbot zielt auf eigene Staatsangehörige des Staates ab, von dem die behindernde Maßnahme ausgeht. Die eigenen Staatsangehörigen sollen sich im EUAusland wirtschaftlich betätigen können, ohne dabei durch Regelungen des Ansässigkeitsstaats beschränkt zu werden (Birk in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur AO und FGO, § 2 AO Rdnr. 224; Schönfeld in Wassermeyer/Andresen/Ditz, BetriebsstättenHandbuch, S. 579 f. Rz. 11.3).

Die Frage, ob im konkreten Einzelfall ein Eingriff in den Schutzbereich der Grundfreiheiten vorliegt, lässt sich für Beschränkungen durch einen Vergleich des grenzüberschreitenden Sachverhalts mit dem reinen Inlandsfall beantworten. Die Schlechterstellung muss letztlich aus einer spezifischen Schlechterstellung des grenzüberschreitenden Sachverhalts gegenüber dem innerstaatlichen Sachverhalt resultieren (Englisch, Steuer und Wirtschaft StuW 2003, S. 88, 90).

Ein Eingriff in den Schutzbereich einer Grundfreiheit kann gerechtfertigt sein. Für die Niederlassungsfreiheit existiert ein geschriebener Rechtfertigungsgrund in Art. 46 Abs. 1 EGVertrag, der sowohl bei Diskriminierungen, als auch bei Beschränkungen wirkt. Für die Kapitalverkehrsfreiheit bestehen kodifizierte Schrankenregelungen in den Art. 57 bis 59 EGVertrag. Als ungeschriebener Rechtsfertigungsgrund bzw. immanente Schrankenregelung besteht die Möglichkeit der Rechtfertigung auf Grund eines vierstufigen Rechtfertigungsstandards, der für alle im EGV gewährten Grundfreiheiten gilt (vgl. Herdegen, Europarecht, 8. Aufl., S. 262 f. Rdnr. 4 ff; Arndt, Europarecht, 8. Aufl., S. 192 ff.). Nach der Rechtsprechung des EuGH kann die Beschränkung einer Grundfreiheit durch nationale Maßnahmen, die die Ausübung der Grundfreiheiten behindern oder weniger attraktiv machen, unter vier Voraussetzungen gerechtfertigt sein: Sie müssen in nicht diskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie müssen geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist (EuGH vom 30. November 1995 C55/94, Gebhard RIW 1996, 160, 161 Tz. 37).

§ 1 AStG greift nach Auffassung des Senates in die Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit ein. § 1 AStG sieht eine Einkünftekorrektur nur bei Geschäftsbeziehungen zum Ausland, nicht bei reinen Inlandssachverhalten vor. Eine andere Rechtsgrundlage, die eine Einkünftekorrektur auch bei Inlandssachverhalten erlauben würde, ist nicht gegeben. Nach der Rechtsprechung des BFH erzielt bei der Gewährung eines zinslosen Darlehens der die Nutzung Gewährende im Inlandsfall keine fiktiven Einkünfte (vgl. BFH vom 16. Oktober 1987 GrS 2/86, BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348). Die Gründung und die Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft (Niederlassung) ist damit weniger attraktiv als die Gründung und die Beteiligung an einer inländischen Kapitalgesellschaft (Niederlassung). Außerdem wird der grenzüberschreitende Geldkapitalverkehr zu Anlage- oder Investitionszwecken beschränkt.

Die Finanzverwaltung weist zur Rechtfertigung der von ihr vorgenommenen Einkünftezurechnung darauf hin, dass mit § 1 AStG der Grundsatz des Fremdvergleichs des Art. 9 OECDMusterabkommen im deutschen Steuerrecht umgesetzt werde und der Grundsatz der Gewinnabgrenzung und Einkünftezuordnung zwischen den Staaten international anerkannt sei. Der Senat hat Bedenken, ob damit die Benachteiligung der Auslandsinvestition gegenüber der Inlandsinvestition zu rechtfertigen ist, ob zwingende Gründe des Allgemeininteresses § 1 AStG gerechtfertigt erscheinen lassen und ob § 1 AStG nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des von Deutschland angestrebten Zieles erforderlich ist. Es ist möglicherweise im Hinblick auf die Niederlassungs- und Kapitalverkehrfreiheit geboten, die von § 1 AStG vorgesehene Korrektur auch für den Inlandsfall vorzusehen und damit eine Ungleichbehandlung von Inlands- und Auslandssachverhalt zu vermeiden. Die Behandlung auch von Inlandssachverhalten nach dem Fremdvergleichsmaßstab wäre sehr kompliziert (vgl. Wassermeyer, IStR 2001, S. 113). Eine derartige Ausdehnung der Berichtigung von Einkünften erlaubte aber nicht nur eine Gleichbehandlung von Auslands- und Inlandssachverhalt, für eine derartige Berichtigung nach Fremdvergleichsgrundsätzen spräche auch, dass die Steuersätze bei den Beteiligten unterschiedlich sein können, die Hinzurechnung bei dem die Nutzung Gewährenden also nicht der unterlassenen Kürzung der Einkünfte bei dem Nutzenden entsprechen muss. Hinzu kommt beim Inlandssachverhalt die Auswirkung auf die Gewerbesteuer. Die Hinzurechnung kann bei der Gewerbesteuer ähnlich wie beim grenzüberschreitenden Sachverhalt einen anderen Steuergläubiger betreffen als die Kürzung der Einkünfte bei dem Nutzenden.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung FGO . Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen.

Ende der Entscheidung

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