Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 27.04.2007
Aktenzeichen: 18 K 2132/06 Kg
Rechtsgebiete: EStG, BKGG


Vorschriften:

EStG § 52 Abs. 61 a S. 2
EStG § 62 Abs. 2
BKGG § 1 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

18 K 2132/06 Kg

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger ist nach eigenen Angaben libanesischer Staatsbürger kurdischer Abstammung und Vater der Kinder "A", "B", "C" und "D" (geboren im Januar 1986, Januar 1987, Januar 1988 und April 1994).

Der Kläger reiste im Oktober 1989 in das Bundesgebiet ein. Sein Asylantrag wurde im März 1991 abgelehnt; gleichzeitig wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes (AuslG) nicht vorliegen. Die dagegen gerichtete Klage nahm der Kläger im April 1992 zurück. Der Aufenthalt des Klägers war bis Juni 1992 gestattet.

Mit Ordnungsverfügung vom 19.6.1992 wurde der Kläger zur Ausreise aufgefordert. Seither verfügt er über eine regelmäßig verlängerte (befristete) Duldung, insb. weil er nicht über einen libanesischen Pass verfügte. Eine selbständige Erwerbstätigkeit oder vergleichbare nichtselbständige Erwerbstätigkeit war ihm nicht gestattet, eine arbeitserlaubnispflichtige Tätigkeit nur gemäß einer gültigen Arbeitserlaubnis. Seit September 2005 verfügt er über eine Duldung nach § 60 a Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG); seine Erwerbstätigkeit als Küchenhilfe ist gestattet; sonstige Erwerbstätigkeit nur mit Genehmigung der Ausländerbehörde.

Der Kläger ist seit dem 1.5.1991 geringfügig als Aushilfe bzw. Küchenhelfer beschäftigt und erhielt ergänzende Sozialhilfe bzw. Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Für diese Tätigkeit erhielt er jeweils eine befristete Arbeitserlaubnis. Die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach §§ 30-32 AuslG lehnte die zuständige Ausländerbehörde ab. Zur Begründung verwies sie insb. auf § 7 Abs. 2 AuslG: Der Kläger übe keine Erwerbstätigkeit aus, durch die der Unterhalt der Familie gesichert sei.

Der Kläger beantragte am 14.3.2005 Kindergeld für seine vier Kinder. Die Kindesmutter stimmte der Auszahlung des Kindergeldes an den Kläger zu. Die Beklagte lehnte den Antrag unter Hinweis auf § 62 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab. Der Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg. Die Einspruchsentscheidung wurde am 13.4.2006 (Gründonnerstag) zur Post gegeben und an den Prozessbevollmächtigten adressiert.

Der Kläger erhob am 19.5.2006 Klage. Zur Begründung trägt er vor: Die Einspruchsentscheidung habe der Prozessbevollmächtigte, wie der Eingangsstempel der Kanzlei belege, am 19.4.2006 erhalten. Der Kläger ist der Auffassung, ihm stünde Kindergeld zu.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 27.09.2005 und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 13.04.2006 die Beklagte zu verpflichten, Kindergeld ab Januar 2001 für vier Kinder bis Januar 2004 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Senat hat die Ausländerakten des Klägers beigezogen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

1. Die Klage ist rechtzeitig am 19.5.2006 erhoben worden. Es ist glaubhaft, dass der Prozessbevollmächtigte die Einspruchsentscheidung erst am 19.4.2006 erhalten hat. Dies wird durch den Posteingangsstempel der Kanzlei belegt; zudem ist eine Verzögerung des Postlaufs über die Ostertage nicht gerade unwahrscheinlich. Die Klagefrist (§ 47 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO) begann somit gem. § 54 Abs. 1 und 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) und § 187 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) am 20.4.2006 und endete gem. § 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 19.5.2006.

2. Dem Kläger steht gem. § 62 Abs. 2 EStG i.d.F. des Gesetzes über die Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld (u.a.) vom 13.12.2006 (AuslAnsprG, BGBl. I S. 2915) kein Kindergeldanspruch zu. Die neue Fassung ist gem. § 52 Abs. 61 a S. 2 EStG in allen Fällen anzuwenden, in denen das Kindergeld noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden ist. Die Ablehnung der Kindergeldfestsetzung ist rechtmäßig.

a) Gem. § 62 Abs. 2 EStG hat ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer nur unter den in den Nrn. 1 bis 3 genannten Voraussetzungen Anspruch auf Kindergeld. Der Kläger verfügte weder über die in Nr. 1 vorausgesetzte Niederlassungserlaubnis noch über die in Nrn. 2 und 3 vorausgesetzte Aufenthaltserlaubnis, sondern nur über eine Duldung. Ein Aufenthalt aufgrund einer Duldung berechtigt auch nach neuem Recht nicht zum Bezug von Kindergeld (Bundesfinanzhof - BFH - Urteil vom 15.3.2007 III R 93/03 bei [...]).

b) Die gesetzliche Neuregelung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (so auch BFH a.a.O. Tz. 23 ff. bei [...]). Der Senat schließt sich insoweit den Ausführungen des Bundesfinanzhofs an: Der Ausschluss geduldeter Ausländer vom Kindergeldbezug verstößt unter Beachtung der vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zu § 1 Abs. 3 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) a.F. aufgestellten Rechtsgrundsätze (Beschluss vom 6.7.2004 1 BvL 4/97, BVerfGE 111, 160) nicht gegen Art. 3 oder 6 des Grundgesetzes (GG). Für die im Gesetz vorgesehene Differenzierung zwischen Ausländern mit einer Niederlassungserlaubnis bzw. Aufenthaltserlaubnis und Ausländern, die nur geduldet werden, besteht ein hinreichender sachlicher Grund. Die Duldung stellt nach ihrer gesetzgeberischen Konzeption nur eine befristete, zeitweise Aussetzung der Abschiebung dar (vgl. § 60 a AufenthG). Sie ist daher kein Indiz für einen voraussichtlich dauerhaften Aufenthalt oder die Integration des Ausländers, während jede Aufenthaltserlaubnis grundsätzlich einer Verfestigung des Aufenthaltsstatus zugänglich ist (so auch Finanzgericht Düsseldorf Urteil vom 23.1.2007 10 K 5107/05 Kg, EFG 2007, 600).

c) Der Prozessvertreter hat in der mündlichen Verhandlung auf die unterschiedliche Praxis der Erteilung von Aufenthaltstiteln in den Kommunen hingewiesen und darauf, dass der Kläger in anderen Kommunen schon längst eine Aufenthaltserlaubnis erhalten hätte. Auch dieser Gesichtspunkt stellt die Anknüpfung des Kindergeldrechts an den Besitz eines Aufenthaltstitels nicht in Frage: Sofern einem Ausländer ein Aufenthaltstitel zusteht, der gem. § 62 Abs. 2 EStG zum Kindergeldbezug berechtigen würde, kann von ihm erwartet werden, seine Rechte durchzusetzen. Inwieweit dem Kläger in der Vergangenheit zu Unrecht ein Aufenthaltstitel (bspw. eine Aufenthaltsbefugnis nach §§ 30, 32 AuslG aufgrund der sogenannten "Altfallregelungen") versagt wurde, kann der Senat nicht überprüfen.

d) Der Gesetzgeber hat im Übrigen das Problem langjährig geduldeter Ausländer erkannt, die erwerbstätig sind ("Kettenduldungen", vgl. bereits Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 27.1.2006, Bundesrats-Drucksache 68/06, S. 8). Sie wurden bei der Neuregelung durch das AuslAnsprG nicht berücksichtigt, weil für diesen Personenkreis eine "befriedigende Lösung nach dem Aufenthaltsgesetz" geschaffen werden sollte. Der Senat hält diesen Ansatz für verfassungsrechtlich unbedenklich. Geduldete Ausländer erhalten auf diesem Wege die Möglichkeit, einen Aufenthaltstitel und damit auch die Anspruchsberechtigung für Kindergeld zu erlangen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wurde gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, weil zum Zeitpunkt der Entscheidung die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (Urt. vom 15.3.2007 a.a.O.) noch nicht bekannt war.

Ende der Entscheidung

Zurück