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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 08.01.2003
Aktenzeichen: 18 K 3984/02 AO
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 5
AO § 233a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Streitig ist die Festsetzung von Verspätungszuschlägen.

Der Kläger, der als Syndikus nichtselbständig und als Rechtsanwalt selbständig tätig ist, wird mit seiner Ehefrau, der Klägerin, einer Lehrerin, zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Da die Kläger für das Streitjahr 1998 trotz Mahnung keine Einkommensteuererklärung abgegeben hatten, schätzte der Beklagte das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen (§ 162 Abs. 1 Abgabenordnung 1977 -AO-) und setzte die Einkommensteuer 1998 auf 210.876 DM und einen Verspätungszuschlag hierzu von 4.000 DM fest (Bescheid vom 6. Oktober 2000).

Da der Kläger für 1998 auch keine Umsatzsteuererklärung abgegeben hatte, setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer 1998 im Schätzungsweg auf 57.100 DM fest; zugleich setzte das Finanzamt einen Verspätungszuschlag hierzu von 2.280 DM fest (Bescheid vom 6. Oktober 2000).

Gegen den Einkommensteuerbescheid erhoben die Kläger auch hinsichtlich des festgesetzten Verspätungszuschlags Einspruch. Sie trugen vor, die Schätzung sei ohne Grundlage, deutlich überhöht und willkürlich. Am 5. Dezember 2000 gaben die Kläger die Einkommensteuererklärung für 1998 ab. Im Zusammenhang damit verblieben zwischen Klägern und Finanzamt weitere Streitpunkte. Im Rahmen der Einspruchsentscheidung zur Einkommensteuer vom 7. Januar 2002 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer der Kläger für 1998 auf 67.958,87 EUR (entspricht 132.916 DM) herab (bei anzurechnenden Lohnsteuerbeträgen von ca. 62.000 DM); den festgesetzten Verspätungszuschlag in Höhe von 4.000 DM ließ das Finanzamt bestehen. Zur Begründung führte es aus, die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 152 Abs. 1 AO für die Festsetzung des Verspätungszuschlags lägen vor. Die Kläger hätten ihre Einkommensteuererklärung, die bis Ende Mai 1999 einzureichen gewesen sei, erst im Dezember 2000 und damit verspätet abgegeben. Entschuldigungsgründe hierfür seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Das wiederholte erhebliche Überschreiten der Abgabefrist habe im Falle der Kläger zu "eklatanten Störungen der Veranlagungsarbeiten" geführt. Angesichts dessen sei die Festsetzung eines Verspätungszuschlags geboten. Der Verspätungszuschlag von 4.000 DM sei auch der Höhe nach (gemessen an den Kriterien des § 152 Abs. 2 Satz 2 AO) gerechtfertigt. Er sei im Streitfall in besonderem Maße unter dem Gesichtspunkt zu bemessen gewesen, die Kläger angesichts der erheblichen Fristüberschreitung von 18 Monaten und der nachhaltigen deutlich verspäteten Erklärungsabgaben in der Vergangenheit für die Zukunft endlich zu einer fristgerechten Abgabe ihrer Steuererklärungen zu bewegen. Der Zuschlag sei spürbar, überfordere die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kläger jedoch nicht.

Am 5. Dezember 2000 gab der Kläger auch eine Umsatzsteuererklärung für 1998 ab; daraufhin änderte das Finanzamt die Umsatzsteuerfestsetzung auf 23.064 DM und setzte den Verspätungszuschlag zur Umsatzsteuer auf 1.260 DM herab. Hiergegen erhob der Kläger Einspruch. Im Rahmen der Einspruchsentscheidung zur Umsatzsteuer vom 7. Januar 2002 setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer des Klägers für 1998 auf 11.881,40 EUR (entspricht 23.238 DM) fest (bei geleisteten Vorauszahlungen von 4.820 DM); den festgesetzten Verspätungszuschlag in Höhe von 1.260 DM ließ das Finanzamt unverändert. Zur Begründung führte es aus, die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 152 Abs. 1 AO für die Festsetzung des Verspätungszuschlags lägen vor. Der Kläger habe seine Umsatzsteuererklärung, die bis Ende Mai 1999 einzureichen gewesen sei, erst im Dezember 2000 und damit verspätet abgegeben. Entschuldigungsgründe hierfür seien weder vorgetragen noch ersichtlich. Angesichts der erheblichen Verspätung und der erheblichen Störungen der Veranlagungsarbeiten sei die Festsetzung eines Verspätungszuschlags geboten. Der Verspätungszuschlag von 1.260 DM sei auch der Höhe nach (gemessen an den Kriterien des § 152 Abs. 2 Satz 2 AO) gerechtfertigt. Er sei im Streitfall in besonderem Maße unter dem Gesichtspunkt zu bemessen gewesen, den Kläger angesichts der erheblichen Fristüberschreitung "von 19 Monaten" und der nachhaltigen deutlich verspäteten Erklärungsabgaben in der Vergangenheit für die Zukunft zu einer fristgerechten Abgabe seiner Steuererklärungen zu bewegen. Der Zuschlag sei spürbar, überfordere die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Klägers jedoch nicht.

Gegen die Einspruchsentscheidungen wegen Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Nebenabgaben, unter anderem wegen Verspätungszuschlägen haben die Kläger Klage erhoben (Aktenzeichen 11 K 755/02 E, U, AO). Der 11. Senat hat die Klage wegen Verspätungszuschlägen abgetrennt und zuständigkeitshalber an den 18. Senat abgegeben. Der Senat hat das nunmehr unter dem Aktenzeichen 18 K 3984/02 AO geführte Verfahren sodann dem Berichterstatter zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen.

Die Kläger sind der Ansicht, nach Einführung der Vollverzinsungsregelung (§ 233 a AO) sei die Festsetzung von Verspätungszuschlägen kein Raum, die Vorschrift des § 152 AO sei verfassungswidrig geworden, weil es hierdurch im Falle einer verzögerten Steuerzahlung zu einer unverhältnismäßigen Belastung des Steuerpflichtigen komme, die durch nichts gerechtfertigt sei. Außerdem sei die Höhe der im Streitfall festgesetzten Verspätungszuschläge völlig unangemessen. Für diesen Betrag könne man im Bereich des Strafrechts z. B. den Nachbarn verprügeln oder ein Auto aufbrechen und ausrauben. Für das bloße Überschreiten eines Termins für die Abgabe eines ausgefüllten Steuerformulars eine solche Strafe zu verhängen, sei schikanös.

Die Kläger sind, ordnungsmäßig geladen, zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen. Schriftsätzlich beantragen sie sinngemäß,

die Festsetzung des Verspätungszuschlags zur Einkommensteuer 1998 mit Bescheid vom 6. Oktober 2000 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 7. Januar 2002 aufzuheben sowie

die Festsetzung des Verspätungszuschlags zur Umsatzsteuer 1998 mit Bescheid vom 21. Dezember 2000 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 7. Januar 2002 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält die in der Einspruchsentscheidung getroffenen Erwägungen für rechtmäßig, insbesondere ermessensgerecht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogene Steuerakte des Finanzamts verwiesen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Klage der Klägerin gegen den Verspätungszuschlag zur Umsatzsteuer 1998 ist unzulässig. Die Klägerin ist hierdurch nicht in eigenen Rechten verletzt (§ 40 Abs. 2 FGO), weil der Verspätungszuschlag nur gegenüber dem Kläger festgesetzt ist.

2. Die Klage des Klägers gegen den Verspätungszuschlag zur Umsatzsteuer 1998 und die Klage der Kläger gegen den Verspätungszuschlag zur Einkommensteuer 1998 ist unbegründet. Die vom Finanzamt festgesetzten Verspätungszuschläge sind rechtmäßig.

Ob die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Festsetzung eines Verspätungszuschlags (§ 152 Abs. 1 AO) erfüllt sind, ist eine vom Gericht voll überprüfbare Rechtsentscheidung. Die Entscheidung, ob und ggf. in welcher Höhe ein Verspätungszuschlag tatsächlich festgesetzt wird, ist demgegenüber eine Ermessensentscheidung (§ 5 AO), die von den Gerichten nur in den von § 102 FGO gezogenen Grenzen überprüft werden kann (Beschluss des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GmS OGB 3/70, Bundessteuerblatt BStBl 1972 II, 603). Nach dieser Vorschrift ist die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob die Behörde bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 18. August 1988 V R 19/83, BStBl 1988 II, 929, 931).

a) Im Streitfall hat das Finanzamt zu Recht die Tatbestandsvoraussetzungen für die Festsetzung eines Verspätungszuschlags zur Einkommensteuer wie zur Umsatzsteuer 1998 (§ 152 Abs. 1 AO) bejaht. Die Kläger haben ihre Einkommensteuererklärung für 1998 verspätet abgegeben (§ 152 Abs. 1 Satz 1 AO); ebenso hat der Kläger seine Umsatzsteuererklärung für 1998 verspätet abgegeben. Entschuldigungsgründe (§ 152 Abs. 1 Satz 2 AO) sind in beiden Fällen weder dargetan noch sonst ersichtlich.

b) Das Finanzamt hat in beiden Fällen ohne Ermessensfehler die Festsetzung eines Verspätungszuschlags für erforderlich gehalten (Entschließungsermessen), um die Kläger für die Zukunft zur fristgerechten Abgabe der Einkommensteuererklärungen bzw. den Kläger zur fristgerechten Abgabe der Umsatzsteuererklärungen anzuhalten. Immerhin waren die Einkommensteuererklärungen bereits in den Vorjahren erheblich verspätet abgegeben worden. Dies gilt auch für die Umsatzsteuererklärungen des Klägers. Angesichts der wiederholten und erheblichen Verspätungen ist die Entscheidung des Finanzamts, jeweils einen Verspätungszuschlag festzusetzen, nicht zu beanstanden, zumal die Veranlagungsarbeit des Finanzamts durch die verspätete Abgabe beeinträchtigt worden ist (Mahnungen, Überwachung, Schätzungserfordernis, Einspruchsverfahren).

c) Die Festsetzung der Höhe des Verspätungszuschlags zur Einkommensteuer (4.000 DM) und des Verspätungszuschlags zur Umsatzsteuer (1.260 DM) ist jeweils auch, gemessen an den Maßstäben des § 152 Abs. 2 Satz 2 AO, ermessensgerecht.

Das Finanzamt hat die Verspätungszuschläge unter Hinweis auf § 233 a AO nicht zur Abschöpfung von aus der verspäteten Abgabe gezogenen (Zins-) Vorteilen festgesetzt, sondern zu dem Zweck, die Kläger zukünftig zur fristgerechten Abgabe ihrer Einkommensteuererklärung bzw. den Kläger zur fristgerechten Abgabe seiner Umsatzsteuererklärung anzuhalten. Damit sind die für die Bemessung des Verspätungszuschlags erheblichen Gesichtspunkte gemäß § 152 Abs. 2 Satz 2 AO: die Dauer der Fristüberschreitung, die Höhe des Zahlungsanspruchs, das Ausmaß des Verschuldens und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kläger bzw. des Klägers.

Diese Gesichtspunkte hat das Finanzamt in seinen Einspruchsentscheidungen ermessensfehlerfrei gewürdigt: Es ist zutreffend von einer erheblichen Fristüberschreitung (über 18 Monate) ausgegangen; dass es die Fristüberschreitung in der Einspruchsentscheidung zur Umsatzsteuer mit "19 Monaten" statt zutreffend mit "über 18 Monaten" bezeichnet hat, ist unwesentlich und ändert an der Tatsache einer erheblichen Fristüberschreitung nichts. Der sich nach Abzug der Anrechnungsbeträge verbleibende jeweils ergebende Nachzahlungsanspruch ist im Streitfall erheblich: bei der Umsatzsteuer hatte der Kläger lediglich Vorauszahlungen von weniger als 5.000 DM geleistet, so dass sich eine Abschlusszahlung von über 18.000 DM ergab. Bei der Einkommensteuer waren angesichts anzurechnender Lohnsteuerbeträge von ca. 62.000 DM weitere ca. 70.000 DM nachzuzahlen. Nichtsdestoweniger hat das Finanzamt die Höhe des Verspätungszuschlags nicht auf diesen Gesichtspunkt gestützt. Es hat in erster Linie abgestellt auf den schwerwiegenden Grad des Verschuldens der Kläger, die nachhaltig (seit mehreren Jahren) ihrer Einkommensteuererklärungspflicht nur mit erheblicher Verspätung nachgekommen sind, bzw. auf das Verschulden des Klägers, der nachhaltig seiner Umsatzsteuererklärungspflicht nur mit erheblicher Verspätung nachgekommen ist. Die Kläger haben sich durch die in den Vorjahren festgesetzten Verspätungszuschläge zur Einkommensteuer von 150 DM (für 1995), 1.000 DM (für 1997) und 2.000 DM (für 1996) bzw. der Kläger durch festgesetzte Verspätungszuschläge zur Umsatzsteuer von 150 DM (für 1995) und 300 DM (für 1996) nicht zu einer Verhaltensänderung und zu einer Beachtung der gesetzlichen Verpflichtung zur rechtzeitigen Abgabe von Steuererklärungen (vgl. § 149 Abs. 2 Satz 1 AO) bewegen lassen. Angesichts dessen ist es nicht zu beanstanden, dass das Finanzamt absolut (4.000 DM bzw. 1.260 DM) und relativ (ca. 3% der festgesetzten Einkommensteuer bzw. ca. 5% der festgesetzten Umsatzsteuer) höhere Verspätungszuschläge für erforderlich gehalten hat, um die Kläger zu einer Verhaltensänderung zu bewegen und um die mit der verspäteten Abgabe der Erklärungen regelmäßig verbundene Störung der Veranlagungsarbeit in Zukunft zu unterbinden. Anhaltspunkte dafür, dass die Verspätungszuschläge die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kläger überbeanspruchen, bestehen angesichts des Gesamtbetrags der Einkünfte von deutlich über 300.000 DM nicht.

d) Die von den Klägern erhobenen Einwendungen greifen nicht durch.

Der Verspätungszuschlag ist keine Strafe im Sinne des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts, sondern ein vom Gesetz vorgesehenes spezifisches Druckmittel der Steuerverwaltung, eine Verwaltungssanktion, die anknüpfend an vergangenes unkorrektes Verhalten präventiv die künftig ordnungsgemäße Erfüllung der Erklärungspflichten und damit die Sicherung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung bezweckt (Tipke/ Kruse, Kommentar zur AO und FGO, § 152 Tz. 1ff.). Die Regelung über den Verspätungszuschlag ist verfassungsgemäß (BVerfG-Beschluss vom 19. Oktober 1966 2 BvR 652/65, BStBl II 1967, 166 zur Vorgängervorschrift des § 168 Abs. 2 Reichsabgabenordnung; BVerfG StRK AO 1977 § 152 R 2; BVerfG HFR 1988, 34).

An der Verfassungsmäßigkeit des Verspätungszuschlags ändert die Einführung des § 233a AO nichts (BFH-Beschlüsse vom 30. November 2001 IV B 30/01, BFH/NV 2002, 475 und vom 22. Dezember 2000 IV B 5/00, BFH/NV 2001, 746). Im Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist allenfalls darauf zu achten, dass ein bereits durch § 233a AO abgeschöpfter Zinsvorteil nicht bei der Festsetzung eines Verspätungszuschlags nochmals erhöhend angesetzt wird. Im Streitfall hat das Finanzamt den Verspätungszuschlag ausdrücklich nicht zur Abgeltung von etwaigen Zinsvorteilen herangezogen, die die Kläger durch die verspätete Abgabe der Einkommensteuererklärung bzw. der Kläger durch die verspätete Abgabe der Umsatzsteuererklärung hatten.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs.1 FGO.

Ende der Entscheidung

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