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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 08.01.2003
Aktenzeichen: 18 K 9060/99 AO
Rechtsgebiete: AO


Vorschriften:

AO § 152 Abs. 1
AO § 152 Abs. 2 S. 2
AO § 233a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

18 K 9060/99 AO

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Streitig ist die Festsetzung eines Verspätungszuschlags zur Einkommensteuer.

Der Kläger, der als Syndikus nichtselbständig und als Rechtsanwalt selbständig tätig ist, wird mit seiner Ehefrau, der Klägerin, einer Lehrerin, zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Da die Kläger wie für das Vorjahr auch für das Streitjahr 1996 trotz Mahnung keine Einkommensteuererklärung abgegeben hatten, schätzte der Beklagte -das Finanzamt- die Besteuerungsgrundlagen (§ 162 Abs. 1 Abgabenordnung 1977 -AO-) und setzte die Einkommensteuer 1996 auf 112.182 DM (Nachzahlungsbetrag von 56.410 DM) und einen Verspätungszuschlag hierzu von 7.000 DM fest (Bescheid vom 4. August 1998). Hiergegen erhoben die Kläger Einspruch. Sie trugen vor, die Schätzung sei ohne Grundlage, deutlich überhöht und willkürlich. Die Festsetzung eines Verspätungszuschlags sei nach Einführung der Vollverzinsung unzulässig, im übrigen sei der festgesetzte Zuschlag der Höhe nach völlig unangemessen. Im August 1999 entschied das Finanzamt über den Einspruch gegen die Einkommensteuerfestsetzung; hiergegen erhoben die Kläger Klage (Az.: 11 K 5233/99 E). Eine Entscheidung über den Einspruch gegen den Verspätungszuschlag stellte das Finanzamt zurück.

Die Kläger gaben im September 1999 im Rahmen des gegen den Einkommensteuerbescheid 1996 gerichteten Klageverfahrens ihre Einkommensteuererklärung für 1996 ab. Das Finanzamt änderte daraufhin den Einkommensteuerbescheid 1996 und setzte die Einkommensteuer auf 96.492 DM (bei anzurechnenden Lohnsteuerbeträgen von insgesamt 63.329 DM) herab; den festgesetzten Verspätungszuschlag ließ das Finanzamt zunächst bestehen (Einkommensteuer-Änderungsbescheid vom 4. Februar 2000). Die Kläger erklärten daraufhin den Änderungsbescheid zum Gegenstand des Klageverfahrens (§ 68 FGO a. F.). Zugleich haben sie ihre Klage auf den beibehaltenen Verspätungszuschlag erweitert.

Mit Bescheid vom 9. Februar 2001 setzte das Finanzamt den Verspätungszuschlag zur Einkommensteuer 1996 auf 2.000 DM herab und wies anschließend den aufrechterhaltenen Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus, die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 152 Abs. 1 AO für die Festsetzung des Verspätungszuschlags lägen vor. Die Kläger hätten ihre Einkommensteuererklärung, die bis Ende Mai 1997 einzureichen gewesen sei, trotz mehrer Aufforderungen zunächst nicht abgegeben. In der Folgezeit habe das Finanzamt die Kläger mehrmals an die Abgabe der Erklärung erinnert, unter letztmaliger Fristsetzung zum 27.12.1997. Demgegenüber sei die Erklärung erst mehr als 20 Monate später eingereicht worden. Gründe für eine Entschuldbarkeit der Säumnis seien nicht erkennbar. Angesichts des bereits in den Vorjahren wiederholt unpünktlichen Erklärungsverhaltens sei die Festsetzung eines Verspätungszuschlags geboten. Der Verspätungszuschlag von 2.000 DM sei auch der Höhe nach (gemessen an den Kriterien des § 152 Abs. 2 Satz 2 AO) gerechtfertigt. Im vorliegenden Fall habe allerdings der Aspekt des Vorteilsausgleichs wegen der Vollverzinsung keine Rolle gespielt. Vielmehr sei für die Bemessung des Verspätungszuschlags maßgeblich gewesen, dass die Fristüberschreitung erheblich sei und hierdurch die Erledigung der Veranlagungsarbeit deutlich gestört werde und dass die Kläger ihrer Erklärungspflicht schon in früheren Jahren nicht fristgerecht nachgekommen seien. Das Verschulden der Kläger sei unter den gegebenen Umständen als erheblich anzusehen. Es sei angesichts dessen ein Zuschlag festzusetzen gewesen, der unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Kläger für diese zwar keine wesentlich Belastung, jedoch einen Anstoß i. S. einer "Erinnerung" darstelle, ihrer Steuererklärungspflicht in Zukunft pünktlich nachzukommen. Der Zuschlag liege im übrigen mit ca. 2 % der festgesetzten Steuer im unteren Bereich des bis zu 10 % reichenden Ermessensrahmens.

Die Kläger haben ihre Klage gegen den geänderten Verspätungszuschlag in der Gestalt der Einspruchsentscheidung aufrechterhalten. Der 11. Senat hat die Klage wegen Verspätungszuschlags abgetrennt und zuständigkeitshalber an den 18. Senat abgegeben. Der Senat hat das nunmehr unter dem Aktenzeichen 18 K 9060/99 AO geführte Verfahren sodann dem Berichterstatter zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen.

Die Kläger sind der Ansicht, nach Einführung der Vollverzinsungsregelung (§ 233 a AO) sei für Zinsersatzregelungen wie "Verspätungszuschläge" und "Säumniszuschläge" kein Raum. Durch deren Beibehaltung komme es im Falle einer verzögerten Steuerzahlung zu einer exorbitanten Belastung des Steuerpflichtigen, die durch nichts gerechtfertigt sei, im gesamten Recht keine Parallelen habe und deshalb wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsgebot und das Übermaßverbot verfassungswidrig sei. Außerdem sei die Höhe des Verspätungszuschlags völlig unangemessen. Wenn man -wie offenbar das Finanzamt- den Zuschlag als Geldstrafe für die verspätete Abgabe einer Steuererklärung verstehe, stehe der hier festgesetzte Verspätungszuschlag, verglichen mit Strafen für Delikte aus dem Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht, völlig außer Verhältnis. Für diesen Betrag (2.000 DM) könne man einen Fußgänger anfahren, seinen Nachbarn verprügeln, einen größeren Ladendiebstahl begehen oder 10mal die Höchstgeschwindigkeit um mehr als 35 km/h übertreten. Im Vergleich zu diesen Delikten sei die verspätete Abgabe einer Steuererklärung völlig unbedeutend. Der Unwert einer Erklärungsverspätung sei allenfalls mit 10 DM zu bemessen.

Die Kläger sind, ordnungsmäßig geladen, nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen. Schriftsätzlich beantragen sie,

die Festsetzung des Verspätungszuschlags zur Einkommensteuer 1996 mit Bescheid vom 4. August 1998 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 9. Februar 2001 und der Einspruchsentscheidung vom 12. Februar 2001 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält die in der Einspruchsentscheidung getroffenen Erwägungen für rechtmäßig, insbesondere ermessensgerecht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Steuerakte des Finanzamts verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Der vom Finanzamt festgesetzte Verspätungszuschlag ist rechtmäßig.

Ob die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Festsetzung eines Verspätungszuschlags (§ 152 Abs. 1 AO) erfüllt sind, ist eine vom Gericht voll überprüfbare Rechtsentscheidung. Die Entscheidung, ob und ggf. in welcher Höhe ein Verspätungszuschlag tatsächlich festgesetzt wird, ist demgegenüber eine Ermessensentscheidung (§ 5 AO), die von den Gerichten nur in den von § 102 FGO gezogenen Grenzen überprüft werden kann (Beschluss des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GmS OGB 3/70, Bundessteuerblatt -BStBl- 1972 II, 603). Nach dieser Vorschrift ist die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob die Behörde bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 18. August 1988 V R 19/83, BStBl 1988 II, 929, 931).

1. Im Streitfall hat das Finanzamt zu Recht die Tatbestandsvoraussetzungen für die Festsetzung eines Verspätungszuschlags (§ 152 Abs. 1 AO) bejaht. Die Kläger haben ihre Einkommensteuererklärung für 1996 verspätet abgegeben (§ 152 Abs. 1 Satz 1 AO). Entschuldigungsgründe (§ 152 Abs. 1 Satz 2 AO) sind weder dargetan noch sonst ersichtlich.

2. Das Finanzamt hat ohne Ermessensfehler die Festsetzung eines Verspätungszuschlags für erforderlich gehalten (Entschließungsermessen), um die Kläger für die Zukunft zur fristgerechten Abgabe der Einkommensteuererklärungen anzuhalten. Immerhin waren Einkommensteuererklärungen bereits in den Vorjahren erheblich verspätet (erst im Rahmen von Klageverfahren) abgegeben worden. Angesichts der wiederholten und erheblichen Verspätung ist die Entscheidung des Finanzamts, einen Verspätungszuschlag festzusetzen, nicht zu beanstanden, zumal die Veranlagungsarbeit des Finanzamts durch die verspätete Abgabe offensichtlich beeinträchtigt worden ist (Mahnungen, Überwachung, Schätzungserfordernis, Einspruchsverfahren).

3. Die Festsetzung der Höhe des Verspätungszuschlags (2.000 DM) ist auch, gemessen an den Maßstäben des § 152 Abs. 2 Satz 2 AO, ermessensgerecht.

Das Finanzamt hat den Verspätungszuschlag unter Hinweis auf § 233 a AO nicht zur Abschöpfung von aus der verspäteten Abgabe gezogenen (Zins-) Vorteilen festgesetzt, sondern zu dem Zweck, die Kläger zukünftig zur fristgerechten Abgabe ihrer Einkommensteuererklärung anzuhalten. Damit sind die für die Bemessung des Verspätungszuschlags erheblichen Gesichtspunkte gemäß § 152 Abs. 2 Satz 2 AO: die Dauer der Fristüberschreitung, die Höhe des Zahlungsanspruchs, das Ausmaß des Verschuldens und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kläger. Hinsichtlich der tatsächlichen Verhältnisse kommt es auf den Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung (Februar 2001) an.

Diese Gesichtspunkte hat das Finanzamt in seiner Einspruchsentscheidung ermessensfehlerfrei gewürdigt: Es ist zutreffend von einer erheblichen Fristüberschreitung ausgegangen. Der sich -nach Abzug der Anrechnungsbeträge (ca. 63.000 DM) verbleibende- ergebende Nachzahlungsanspruch ist im Streitfall hoch: er beträgt über 33.000 DM. Nichtsdestoweniger hat das Finanzamt die Höhe des Verspätungszuschlags noch nicht einmal auf diesen Gesichtspunkt gestützt. Es hat in erster Linie auf den schwerwiegenden Grad des Verschuldens der Kläger abgestellt und dieses darin gesehen, dass die Kläger nachhaltig ihrer Einkommensteuererklärungspflicht nur mit erheblicher Verspätung nachgekommen sind und sich auch durch die in den Vorjahren festgesetzten (deutlich niedrigeren) Verspätungszuschläge nicht zu einem gesetzeskonformen (vgl. § 149 Abs. 2 Satz 1 AO) Verhalten haben bewegen lassen. Insofern hat das Finanzamt gerade angesichts der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Kläger einen Verspätungszuschlag von 2.000 DM (ca. 2% der festgesetzten Steuer und damit noch am unteren Ende des in § 152 Abs. 2 Satz 1 AO vorgegebenen Bereichs) für erforderlich gehalten, um die Kläger in Zukunft zu einer Änderung ihres Abgabeverhaltens zu bewegen und die mit der verspäteten Abgabe der Erklärungen regelmäßig verbundene Störung der Veranlagungsarbeit in Zukunft zu unterbinden. Diese Erwägungen sind nicht zu beanstanden.

4. Die von den Klägern erhobenen Einwendungen greifen nicht durch.

Der Verspätungszuschlag ist keine Strafe im Sinne des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts, sondern ein vom Gesetz vorgesehenes spezifisches Druckmittel der Steuerverwaltung, eine Verwaltungssanktion, die anknüpfend an vergangenes unkorrektes Verhalten präventiv die künftig ordnungsgemäße Erfüllung der Erklärungspflichten und damit die Sicherung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung bezweckt (Tipke/ Kruse, Kommentar zur AO und FGO, § 152 Tz. 1ff.). Die Regelung über den Verspätungszuschlag ist verfassungsgemäß (BVerfG-Beschluss vom 19. Oktober 1966 2 BvR 652/65, BStBl II 1967, 166 zur Vorgängervorschrift des § 168 Abs. 2 Reichsabgabenordnung; BVerfG StRK AO 1977 § 152 R 2; BVerfG HFR 1988, 34).

An der Verfassungsmäßigkeit des Verspätungszuschlags ändert die Einführung des § 233a AO nichts (BFH-Beschlüsse vom 30. November 2001 IV B 30/01, BFH/NV 2002, 475 undvom 22. Dezember 2000 IV B 5/00, BFH/NV 2001, 746). Im Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist allenfalls darauf zu achten, dass ein bereits durch § 233a AO abgeschöpfter Zinsvorteil nicht bei der Festsetzung eines Verspätungszuschlags nochmals erhöhend angesetzt wird. Im Streitfall hat das Finanzamt den Verspätungszuschlag ausdrücklich nicht zur Abgeltung von etwaigen Zinsvorteilen herangezogen. die die Kläger durch die verspätete Abgabe der Einkommensteuererklärung hatten.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs.1 FGO.



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