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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 13.02.2008
Aktenzeichen: 2 K 2222/07 StB
Rechtsgebiete: StBerG, Dienstleistungsrichtlinie


Vorschriften:

StBerG § 46 Abs. 2
StBerG § 57 Abs. 1
Dienstleistungsrichtlinie Art. 9
Dienstleistungsrichtlinie Art. 10
Dienstleistungsrichtlinie Art. 14
Dienstleistungsrichtlinie Art. 15
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Beklagte zu Recht die Bestellung des Klägers als Steuerberater gem. § 46 Abs. 2 Nr. 4 Steuerberatungsgesetz (StBerG) widerrufen hat.

Der Beklagte erhielt im Dezember 2006 eine Mitteilung der Oberfinanzdirektion, dass lt. einer Mitteilung des Finanzamts A der Kläger seine steuerlichen Verpflichtungen nicht oder nur verspätet erfülle. Der Kläger habe Steuerschulden i.H.v. 374.850 EUR, deren Einzelheiten sich aus einer Erhebungsauskunft vom 13.11.2006 ergäben. Auf diese Erhebungsauskunft Bl. 6 ff. der Akte des Beklagten wird Bezug genommen. Außerdem sei der Kläger mit der Abgabe seiner Einkommensteuer- und Umsatzsteuererklärung für 2005 in Verzug. Lohnsteueranmeldungen und Umsatzsteuer-Voranmeldungen habe er für die Zeiträume April bis Oktober 2006 nicht mehr eingereicht. Ferner reichte die OFD ein Schreiben des Klägers an das FA B vom 21.02.2006 in Kopie ein, aus dem sich u.a. ergibt, dass der Kläger keinerlei finanzielle Verpflichtungen mehr erfüllen könne und die eidesstattliche Versicherung beim Amtsgericht A abgegeben habe. Weiter heißt es in dem Schreiben, dass er aktuell über keinerlei Einkommen und auch über keine nicht gepfändete Bankverbindung verfüge.

Auf Grund einer Anfrage des Beklagten teilte das Amtsgericht A dem Beklagten am 27. Dezember 2006 mit, dass der Kläger die eidesstattliche Versicherung am .......2006 abgegeben habe. Der Obergerichtsvollzieher X aus B teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 22.12.2006 mit, dass bei ihm eine Vielzahl von Zwangsvollstreckungsaufträgen gegen den Kläger eingegangen seien. Wegen der Einzelheiten dieser Zwangsvollstreckungsaufträge wird auf Bl. 33 ff. der Akte des Beklagten Bezug genommen. Der Obergerichtsvollzieher Y aus A teilte dem Beklagten mit Schreiben vom 05.01.2007 mit, dass bei ihm eine Vielzahl von Zwangsvollstreckungsaufträgen gegen den Kläger eingegangen seien. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 41 ff. der Akte des Beklagten Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 10.01.2007 gewährte der Beklagte dem Kläger unter Bezugnahme auf die Mitteilung der OFD und die zahlreichen Zwangsvollstreckungsaufträge der beiden Gerichtsvollzieher rechtliches Gehör, um die Vermutung des Vermögensfalls zu widerlegen oder darzulegen, dass Auftraggeberinteressen nicht gefährdet seien.

Mit Schreiben vom 12.01.2007 informierte der Kläger den Beklagten, wie es auf Grund der Trennung von seiner zweiten Ehefrau Ende 1998, seinen gesundheitlichen Problemen, die zu einer Arbeitsunfähigkeit vom Sommer 2002 bis Februar 2003 geführt hätten, der Insolvenz des Bauunternehmers seines Hauses im Februar 2003 und seiner im Oktober 2003 erlittenen Herzinfarkte zu seinen finanziellen Problemen gekommen sei. Die Partner der damaligen Steuerberater-GbR hätten sein Entnahmekonto wegen mehr als sechswöchiger Erkrankung in 2003 gesperrt. Krankengeld habe er nicht erhalten, da das Attest nicht innerhalb einer bestimmten Frist weggeschickt worden sei. Seine Lebensgefährtin habe seine ....sammlung veräußert, ein Verhältnis mit seinem Freund angefangen und dafür gesorgt, dass sie dann Anfang 2004 gut versorgt mit diesem habe zusammenziehen können. Außerdem habe sie, die für die Privatpost zuständig gewesen sei, sämtliche eigentlich abzuheftenden Belege weggeworfen. Anfang 2004 habe ihm dann die erste Bank seinen privaten Dispositionskredit gekündigt. All dies zusammen habe dazu geführt, dass er in 2004 an schwersten Depressionen erkrankt sei. Mangels eigener Leistungsfähigkeit habe er die Fa. M damit beauftragt, die Kapitaldienste mit den Banken zu regeln. Die Firma habe jedoch nichts getan. Nach einem Suizidversuch und anschließender psychoanalytischer und psychotherapeutischer Behandlung sei er seit Beginn 2005 zunehmend und heute wieder voll umfänglich in der Lage zu arbeiten. Er sei aber nicht in der Lage, "alles, was in den fünf schrecklichen Jahren immer gehäufter passiert sei, in einem Jahr zu reparieren". Zum Schutz seiner Mandanten habe er seine selbstständige Tätigkeit Anfang 2006 eingestellt. Seither sei er damit beschäftigt, die neu gegründete Steuerberatungsgesellschaft aufzubauen. Da diese zunächst ohne Fremdfinanzierung ihren Geschäftsbetrieb und ihren Forderungsbestand finanzieren müsse, werde er erstmals im Jahr 2007 ein Gehalt beziehen. Er habe vier unterhaltspflichtige Kinder und sei gegenüber seiner "Ex-Ehefrau" ebenfalls unterhaltspflichtig. Sein Nettoeinkommen übersteige trotzdem die Pfändungsfreigrenze von rd. 2.400 EUR, sodass ihm Mittel für die weitere Regulierung der Verbindlichkeiten blieben. Sollte ihm seine Zulassung entzogen werden, müsse er mit einer Entlassung aus der Steuerberatungsgesellschaft, mindestens aber mit einer deutlich geringeren Entlohnung rechnen.

Der Vortrag der OFD "wimmle" von Fehlern. Sämtliche betrieblichen Steuern, Sozialabgaben und andere Verbindlichkeiten seien bezahlt worden. Soweit die Rückstandsanzeige "Lohnsteuer März 2006" und "Umsatzsteuer Februar/März 2006" als offen ausweise, gehe er von einer Fehlbuchung einer Zahlung aus. Die Einkommensteuerfestsetzung 1999 sei bezüglich der "Mindestbesteuerung" beim FG anhängig, die Verfahren bezüglich 2000 und 2001 ruhten oder stünden unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Seit Jahren habe er Verluste aus Vermietung und Verpachtung in einem weit höheren Umfang als nach § 2 EStG verrechenbar seien. Die Belege zur Einkommensteuer 2003 seien weitestgehend zusammengetragen worden.

Er habe in 2006 nur in zwei Monaten Einkünfte erzielt und von der Unterstützung seiner Freundin und Darlehen von Freunden gelebt. Die Steuererklärung für 2006 werde er kurzfristig erstellen.

Sämtliche Angelegenheiten, die zu Vollstreckungsaufträgen geführt hätten, seien rein privater Natur gewesen und hätten mit seiner beruflichen Tätigkeit nichts zu tun gehabt. Die allermeisten in den Aufstellungen enthaltenen Verbindlichkeiten seien mittlerweile bezahlt oder es sei mit den Gläubigern Ratenzahlung vereinbart worden.

Mit Schreiben vom 30.01.2007 forderte der Beklagte den Kläger ohne Erfolg u.a. auf, folgende Unterlagen vorzulegen: ein aktuelles Vermögensverzeichnis, eine Gegenüberstellung aller (d.h. beruflichen und privaten) monatlichen Einnahmen und Ausgaben, eine aktuelle DATEV-Auswertung (oder gleichwertige Auswertung) für die steuerberatende Tätigkeit, eine Gewinnermittlung für das Jahr 2005 und einen Tilgungsplan.

Mit Schreiben vom 22. April 2007 teilte der Kläger dem Beklagten u.a. mit, dass er nicht beurteilen könne, ob er letztendlich mit den verbliebenen Gläubigern Einigungen herbeiführen könne. Außerdem vertrat der Kläger die Ansicht, dass nach der bis 2009 in nationales Recht umzusetzenden Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (Dienstleistungsrichtlinie) zukünftig die Überprüfung der Vermögensverhältnisse von Berufsangehörigen entfalle.

Mit Schreiben vom 15.05.2007 widerrief der Beklagte die Bestellung des Klägers als Steuerberater. Zur Begründung berief sich der Beklagte u.a. darauf, dass durch die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts A die Vermutung des Vermögensverfalls ausgelöst worden sei. Die Vermutung werde erhärtet durch die Mitteilung der OFD über die Steuerschulden sowie die Aufstellungen der Obergerichtsvollzieher X und Y. Eine Wiederlegung der gesetzlichen Vermutung sei dem Kläger nicht gelungen. Die mit Schreiben vom 30.01.2007 geforderten Nachweise habe er nicht erbracht. Seine Darlegungen seien im Wesentlichen allgemein und nicht nachprüfbar. Ausführungen dazu, dass die Auftraggeberinteressen nicht gefährdet seien, fänden sich in seinen Einlassungen nicht. Dass aus der Dienstleistungsrichtlinie eine zwingende Änderung des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG folge, sei nicht ersichtlich.

Der Kläger hat am 14.06.2007 Klage erhoben.

Zur Begründung der Klage beruft er sich darauf, dass die Voraussetzungen des Widerrufs der Bestellung zum Steuerberater gem. § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG nicht vorlägen.

Die gesetzliche Vermutung, dass ein Steuerberater in Vermögensverfall geraten sei, könne durch den Nachweis widerlegt werden, dass seine wirtschaftlichen Verhältnisse gleichwohl geordnet seien und er in der Lage sei, seinen Verpflichtungen nachzukommen.

Der Kläger behauptet mit Schriftsatz vom 24. September 2007, dass er sich in geordneten Verhältnissen befinde, da er über regelmäßige Einkünfte verfüge und die Ausgaben die Einnahmen nicht überstiegen. Schulden für sich allein gesehen seien unschädlich, wenn der Schuldendienst gesichert sei und die Schuld nach Art und Höhe in Ansehung der gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse in einem überschaubaren Rahmen getilgt werden könne. Die Interessen der Auftraggeber seien nicht gefährdet, wenn der Schuldner mit den Gläubigern Vereinbarungen getroffen habe, die erwarten ließen, dass es zu keinen Zwangsvollstreckungen mehr komme. Der Kläger habe mit einem Großteil seiner Gläubiger Ratenzahlungsvereinbarungen getroffen und diese auch vollständig erfüllt.

Mandanteninteressen seien nicht gefährdet, da der Druck der Gläubiger durch Stillhalteabkommen oder verbindliche Tilgungsabreden im Wesentlichen beseitigt sei. Nach Verwertung der Immobilien des Klägers hätten sich die Verbindlichkeiten erheblich reduziert, sodass erst jetzt Vergleichsverhandlungen angestrebt werden könnten.

Der Kläger habe keine endgültig festgestellten Steuerschulden. Gegen die Steuerfestsetzungen der Jahre 1999 bis 2003 habe der Kläger Rechtsbehelfe eingelegt. Noch im Jahre 2007 habe die Finanzverwaltung auf Anregung des FG zur Erledigung des Klageverfahrens einen Vorläufigkeitsvermerk bezüglich der Berücksichtigung der Verluste in den Steuerbescheid aufgenommen. Es wäre ermessensfehlerhaft, dem Kläger die Berufsausübung wegen angeblicher Steuerschulden zu untersagen, deren "Rechtmäßigkeit" noch vor dem Bundesverfassungsgericht geprüft werde. Zu den geschätzten Besteuerungsgrundlagen für die Einkommensteuerfestsetzung 2004 sei es nur deshalb gekommen, weil die damalige Lebensgefährtin des Klägers vor der Trennung sämtliche Post des Klägers weggeworfen habe, sodass der Kläger sämtliche Belege erneut habe beschaffen müssen, was nahezu abgeschlossen sei.

Ein Verbraucher-Insolvenzverfahren befinde sich derzeit in Vorbereitung und werde bis Ende 2007 offiziell beantragt werden. Wenn ein Schuldenbereinigungsplan abgeschlossen worden sei, seien die Mandanteninteressen nicht gefährdet, wie der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 06.11.2000 Anwz (B) 1/00 entschieden habe.

Die Interessen der Mandanten seien auch bereits deshalb nicht gefährdet, weil der Kläger sämtliche Steuerberatungsaktivitäten über die von ihm gegründete Steuer......gesellschaft mbH erbringe. Der Kläger sei Geschäftsführer und mit 8 % an der GmbH beteiligt. Einen Zugriff auf das Vermögen der GmbH hätten die persönlichen Gläubiger des Klägers nicht. Die GmbH sei finanziell völlig gesund und erwirtschafte Überschüsse in Höhe von mehr als 250.000 EUR pro Jahr. Sie beschäftige 14 Mitarbeiter, darunter eine weitere Steuerberaterin. Diese Umstände seien bei der Beurteilung des Gefährdungskriteriums im Rahmen des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG zu berücksichtigen. Sinn und Zweck der Regelung sei es, die Mandanten vor unberechtigten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in etwaig vom Steuerberater betreute Fremdgelder zu verhindern. Weiterhin solle der Mandant vor überhöhten Gebührenrechnungen des Steuerberaters geschützt werden.

Im Falle von Steuerschulden würde eine Gefährdung der Mandanteninteressen möglicherweise angenommen, weil der Steuerberater in eigenem Interesse den Finanzbehörden gegenüber zurückhaltend auftrete und nicht alle Möglichkeiten wahrnehme, die sonst im Interesse seiner Mandanten geboten seien. Zum einen habe der Kläger jedoch keine Steuerschulden, zum anderen bestehe auf Grund der Abwicklung über die GmbH kein Grund zur Zurückhaltung.

Zu berücksichtigen sei, dass der Kläger seit über 25 Jahren zum Steuerberater bestellt sei. Während dieser Zeit sei es zu keinen Beanstandungen durch Mandanten gekommen.

Ferner ist der Kläger der Ansicht, dass der Widerruf der Bestellung zum Steuerberater gegen die Rechtsprechung des Anwaltssenats des Bundesgerichtshofs verstoße. Denn die aktuelle Situation des Klägers stelle keine etwaige Gefahr für Mandanteninteressen dar. Der Bundesgerichtshof stelle zutreffend auf die besonderen Umstände der Mandatsabwicklung durch eine GmbH ab. Im Streitfall wickele die Steuer........gesellschaft mbH sämtliche steuerberatende Tätigkeit ab. In einem derartigen Fall sehe der Bundesgerichtshof die Mandanteninteressen nicht als gefährdet an. Außerdem berücksichtige der Bundesgerichtshof zum einen das einwandfreie und tadellose Verhalten des Rechtsanwalts bzw. des Steuerberaters während der gesamten Dauer der Berufstätigkeit und zum anderen die konkrete Situation der Mandanten (BGH-Beschluss vom 25.06.2007 AnwZ (B) 101/05, NJW 2007, 2924).

Der Kläger ist außerdem der Ansicht, dass der Beklagte den Widerrufsbescheid ermessensfehlerhaft erlassen habe. Er habe unter grober Missachtung der geltenden Rechtslage die erforderlichen Ermessenskriterien nicht beachtet und fehlerhaft gewichtet. Zu Unrecht habe er die konkreten Mandanteninteressen, die konkreten Gläubiger sowie die tadellose langjährige Berufsausübung des Klägers nicht berücksichtigt. Der Widerruf sei darüber hinaus nicht erforderlich und unangemessen. Der Beklagte hätte weniger einschneidende Mittel berücksichtigen müssen. Es gehe vorliegend um die berufliche und finanzielle Existenz des Klägers und seiner 12 Mitarbeiter. Der leichtfertige, völlig überzogene Widerruf der Bestellung als Steuerberater entziehe dem Kläger die einzige Möglichkeit zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes. Es bestehe die Möglichkeit, Auflagen zu verhängen oder eine unabhängige, objektive Prüfung der Mandatsverhältnisse durchzuführen, um sicherzustellen, dass die Mandanten keine Nachteile erlitten. Warum an dieser Stelle zur Ultima Ratio gegriffen geworden sei, könne der Beklagte selbst nicht darlegen. Der absolute, konkrete Eingriff in die grundgesetzlich verankerte Freiheit der Berufsausübung im Sinne des Artikels 12 Grundgesetz (GG) könne nicht durch eine rein theoretische, abstrakte Gefährdung der Eigentumsrechte der Mandanten im Sinne des Artikel 14 GG gerechtfertigt werden. Es sei unzulässig, dem Kläger per se ein strafbares Verhalten zu unterstellen. Diese altertümliche Stigmatisierung des "Schuldners" könne in einer modernen Rechtsordnung keinen Bestand mehr haben. Es sei völlig widersinnig, dem "Schuldner" seine verbleibende Erwerbsgrundlage vollständig zu entziehen und ihm damit die einzige Möglichkeit zu nehmen, sein Vermögen wieder aufzubauen.

Außerdem verstoße der Widerruf gegen Gemeinschaftsrecht. Der Widerruf sei vor dem Hintergrund der Dienstleistungsrichtlinie rechtswidrig. Nach Artikel 44 der Richtlinie müssten die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft setzen, die erforderlich seien, um dieser Richtlinie bis spätestens zum 28.12.2009 nachzukommen. Von der Richtlinie werde ausschließlich das Vorhalten einer ausreichenden Berufshaftpflichtversicherung gefordert. Der Widerruf auf Grund ungeordneter Vermögensverhältnisse sei vor dem Hintergrund einer abzuschließenden Berufshaftpflichtversicherung obsolet. Es wäre grob unbillig, wenn man einen Widerruf trotz Kenntnis des geltenden Gemeinschaftsrechts und trotz eindeutiger Erwartung einer Gesetzesänderung aufrechterhalten würde.

Gemäß Artikel 14 Nr. 5 der Dienstleistungsrichtlinie sei es unzulässig, die Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit abhängig zu machen von einer wirtschaftlichen Überprüfung im Einzelfall, bei der die Erteilung der Genehmigung vom Nachweis eines wirtschaftlichen Bedarfs oder einer Marktnachfrage abhängig gemacht werde, oder von der Beurteilung der tatsächlichen oder möglichen wirtschaftlichen Auswirkung der Tätigkeit. Artikel 15 Abs. 1 und 2 der Dienstleistungsrichtlinie stelle ferner darauf ab, dass an den Dienstleister keine diskriminierenden Anforderungen gestellt werden dürfen. Es stelle jedoch eine offensichtliche Diskriminierung des Schuldners dar, wenn dieser ohne konkrete Anhaltspunkte einer Gefährdung von Mandanteninteressen seiner Existenzgrundlage durch die bürokratische und willkürliche Auslegung einer "unfortschrittlichen" Rechtsnorm beraubt werde.

Außerdem ist der Kläger der Ansicht, dass die durch § 46 StBerG gestellten Anforderungen gegen Art. 9 und 10 der Dienstleistungsrichtlinie verstoßen. § 46 StBerG verstoße sowohl gegen das Prinzip der Nichtdiskriminierung (Diskriminierung durch Unterstellung eines Fehlverhaltens wegen konkreter eigener Überschuldung) als auch gegen die Prinzipien der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit. Welche Anforderungen an die Berufsausübungen nicht diskriminierend seien, bestimme die Dienstleistungsrichtlinie selbst, so z.B. die Berechtigung eine Berufshaftpflichtversicherung zu fordern oder wegen Wirtschaftsdelikten Vorbestrafte von der Erbringung von Dienstleistungen auszuschließen. Nirgendwo sei jedoch bestimmt, dass Anforderungen an den Vermögensstatus der betroffenen Dienstleister gestellt werden dürften. In anderen Staaten der Europäischen Gemeinschaft, wie z.B. in den Niederlanden, spiele die Vermögenssituation des Steuerberaters keine Rolle. Es verstoße gegen die Grundsätze von Treu und Glauben, einem Dienstleister in der Phase nach Verabschiedung und vor der Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht auf Grund der der Richtlinie nicht entsprechenden Vorschrift des § 46 StBerG die Zulassung zu entziehen.

Der Kläger beantragt,

1. den Widerrufsbescheid des Beklagten vom ......2007 aufzuheben;

2. ferner, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage als unbegründet abzuweisen.

Zur Begründung seines Antrags beruft sich der Beklagte u.a. darauf, dass der Kläger die eidesstattliche Versicherung abgegeben habe und nach wie vor im Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts A eingetragen sei. Die daraus resultierende Vermutung des Vermögensverfalls habe der Kläger nicht widerlegt. Obwohl dem Kläger im Widerrufsbescheid aufgezeigt worden sei, dass seine nicht nachprüfbaren Aussagen nicht geeignet seien, von geordneten wirtschaftlichen Verhältnisse auszugehen, seien auch die Ausführungen im Klageverfahren nicht nachprüfbar. Angeblich habe sich der Kläger mit einem "Großteil" seiner Gläubiger geeinigt. Im Übrigen würden "erst jetzt Vergleichsverhandlungen angestrebt". Gerade der letzte Hinweis zeige, dass eben nicht mit allen Gläubigern Vereinbarungen getroffen worden seien, sodass nicht ausgeschlossen sei, dass es zu keinen Zwangsvollstreckungen mehr kommen werde. Um den Nachweis geordneter wirtschaftlicher Verhältnisse zu führen, bedürfe es weiterer Nachweise, wie sie im Schreiben vom 30.01.2007 angefordert worden seien.

Auch hinsichtlich der Steuerschulden seien die Verhältnisse nach wie vor ungeordnet, da die Finanzverwaltung eine Stundung ebenso wie die Aussetzung der Vollziehung der streitigen Steuern verweigert habe, sodass auch insoweit die Zwangsvollstreckung drohe.

Der Hinweis, ein Verbraucher-Insolvenzverfahren befinde sich in Vorbereitung und werde Ende 2007 offiziell beantragt, rechtfertige derzeit ebenfalls keine den Kläger begünstigende Entscheidung. Erst nach rechtskräftiger Ankündigung der Rechtsschuldbefreiung und Aufhebung des Insolvenzverfahrens gem. §§ 291 Abs. 1, 289 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO) könne von geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen ausgegangen werden, da während der sog. Wohlverhaltensperiode gem. § 294 Abs. 1 InsO Zwangsvollstreckungsmaßnahmen einzelner Gläubiger unzulässig seien. Zur Begründung dieser Rechtsansicht beruft sich der Beklagte auf das BGH-Urteil vom 07. Dezember 2004 AnwZ (B) 40/04, NJW 2005, 1271.

Der Hinweis auf die ausschließliche Mandatsabwicklung über die Steuer........gesellschaft mbH rechtfertige ebenfalls keine den Kläger begünstigende Entscheidung. Mit diesem Sachvortrag habe der Kläger nicht substantiiert dargetan und bewiesen, dass Mandanteninteressen nicht gefährdet seien. Mandanten wären nur dann einer Gefährdung ihrer Vermögensinteressen durch den Kläger als Steuerberater nicht ausgesetzt, wenn dieser seine wirtschaftliche Lage beherrsche und der Druck der Gläubiger soweit gemindert wäre, dass mit Vollstreckungsmaßnahmen nicht weiter gerechnet werden müsse. Dies könne nach Aktenlage nicht festgestellt werden, da der Kläger seine finanzielle Gesamtlage bislang im Einzelnen nicht offengelegt habe. Die konkrete Gefahr einer Gefährdung von Vermögensinteressen von Mandanten liege darin, dass der Kläger auch wenn er nur als Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft tätig sei - seine eigenen Steuerangelegenheiten nicht in Ordnung halte. Zur Begründung dieser Rechtsansicht beruft sich der Beklagte auf das Urteil des FG Düsseldorf vom 16.06.2004 2 K 3969/03 StB .

Der Widerruf der Bestellung verstoße auch nicht gegen Gemeinschaftsrecht. Richtig sei, dass die Dienstleistungsrichtlinie der EG am 12.12.2006 verabschiedet und am 28.12.2006 in Kraft getreten sei und die Mitgliedstaaten sie innerhalb von drei Jahren in nationales Recht umsetzen müssten. Art. 23 der Richtlinie zu Berufshaftpflichtversicherung und Sicherheiten regele, dass die Mitgliedstaaten sicher stellen können, dass die Dienstleistungserbringer, deren Dienstleistungen ein unmittelbares und besonderes Risiko für die Gesundheit oder Sicherheit des Dienstleistungsempfängers oder eines Dritten oder für die finanzielle Sicherheit des Dienstleistungsempfängers darstellten, eine der Art und dem Umfang des Risikos angemessene Berufshaftpflichtversicherung abschließen oder eine auf Grund ihrer Zweckbestimmung im Wesentlichen vergleichbare Sicherheit oder gleichwertige Vorkehrungen vorsehen müssten. Da für Steuerberater in Deutschland der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung bereits jetzt obligatorisch sei, habe diese Regelung keine Auswirkungen. Insbesondere ergebe sich aus ihr nicht, dass vor dem Hintergrund einer abzuschließenden Berufshaftpflichtversicherung ein Widerruf auf Grund ungeordneter Vermögensverhältnisse obsolet sei.

Die vom Kläger angeführte Entscheidung des BGH vom 25.06.2007 AnwZ (B) 101/05, NJW 2007, 2924 lasse sich auf seinen Fall nicht übertragen, da ein völlig anderer Lebenssachverhalt zu beurteilen sei. Im dortigen Verfahren sei der Betroffene ausschließlich als angestellter Rechtsanwalt in einer Rechtsanwaltsgesellschaft mbH tätig gewesen. Er sei weder Geschäftsführer noch Gesellschafter dieser Rechtsanwaltsgesellschaft gewesen. Es sei darüber hinaus sichergestellt gewesen, dass der Betroffene keinen Zugriff auf die Konten der Gesellschaft gehabt habe. Durch Sicherheitsvorkehrungen und Vertretungsregelungen sei ausgeschlossen gewesen, dass er mit Mandantengeldern in Berührung gekommen sei.

Aus einem vom Gericht angeforderten Kontoauszug des Finanzamtes C vom 14.01.2008 ergeben sich Steuerschulden des Klägers in Höhe von ca. 420.000 EUR. Wegen der Einzelheiten dieses Kontoauszugs wird auf Blatt 57 ff. der FG-Akte Bezug genommen.

Mit Berichterstatterschreiben vom 7.01.2008 ist der Kläger gemäß § 79b Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne Erfolg aufgefordert worden, substantiiert darzulegen und nachzuweisen, dass seine wirtschaftlichen Verhältnisse geordnet sind und er in der Lage ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen.

Mit Schriftsatz vom 04.02.2008 legte der Kläger dar, dass ein privates Insolvenzverfahren bis Ende 2007 nicht habe durchgeführt werden können, da in einer Beteiligungssache ein Schadensersatzprozess gegen eine Bank anhängig gewesen sei. Für den Fall des Obsiegens in diesem Verfahren habe er eine quotale Vergleichsbefriedigung aller Gläubiger für möglich gehalten. Außerdem seien die Zwangsversteigerungen des ehemaligen Immobilienbesitzes teilweise erst Ende 2007 abgeschlossen worden, sodass erst jetzt die Restforderungen der Immobilienbank hätten beziffert werden können. Mit der Regelung seiner privaten Vermögensverhältnisse habe er Herrn Rechtsanwalt S beauftragt. Sollten die Vergleichsverhandlungen scheitern, werde das Insolvenzverfahren beantragt.

Sein Nettogehalt betrage zur Zeit 2.759 EUR. Davon entrichte er auf Grund eines Ehevertrages und der Unterhaltsvereinbarungen mit den Jugendämtern an seine geschiedene Frau und für seine Kinder 1.660 EUR und an seinen studierenden Sohn aus erster Ehe 670 EUR monatlich. Ihm verblieben somit rd. 430 EUR monatlich für seinen Lebensunterhalt, wovon er für seine Unterkunft 80 EUR aufwende. Von dem verbleibenden Betrag, der Unterstützung seiner Eltern und seiner Verlobten könne er seinen Lebensunterhalt bestreiten.

Nachdem sich sein Gesundheitszustand Ende 2007 erneut nicht unerheblich verschlechtert habe, habe er am 09. Januar 2008 seinen Anteil an der Steuer.......gesellschaft mbH auf die Steuerberaterin L übertragen. Aus dem notariellen Kauf- und Abtretungsvertrag des Notars vom 09.01.2008 ergibt sich u.a., dass der Kläger seinen voll eingezahlten Stammanteil in Höhe von 2.000 EUR an der Steuer......gesellschaft mbH an Frau L für 1 EUR veräußert hat. Außerdem ergibt sich aus diesem Vertrag, dass der Gesellschaftsanteil von der F-Bank gepfändet ist. Der Kläger behauptet, dass diese Pfändung nur zur Sicherung von Forderungen der G-Bank bestehe, die durch seine Verlobte in Raten beglichen würden. Ebenfalls am 09. Januar 2008 sei er als Geschäftsführer der Gesellschaft abberufen und Frau L zur Geschäftsführerin bestellt worden. Wegen einer Krankheit des Gesellschafters R sei das Protokoll der Gesellschafterversammlung von diesem bisher nicht unterzeichnet worden, sodass die Anmeldung zur Steuerberaterkammer und zum Handelsregister bisher nicht habe erfolgen können. Er sei seitdem angestellter Steuerberater der Gesellschaft. Obwohl diese keine Teuhandgelder verwalte, habe Zugriff auf die Konten der Gesellschaft ausschließlich Frau L als Geschäftsführerin.

Ferner legt der Kläger dar, dass sich seine persönliche Integrität aus seiner Tätigkeit als Präsident des .........e.V. und seiner ebenfalls ehrenamtlichen und unentgeltlichen Tätigkeit als Geschäftsführer der gemeinnützigen ............. GmbH und seit .....2007 auch als Präsident des .............e.V. ergebe. In beiden Vereinen habe er als Präsident alleinigen Zugriff auf das Vereinsvermögen. In der ......... werde ein Treuhandvermögen von mehr als 2 Mio. EUR verwaltet. Trotz seiner auch im .....-sport bekannten Vermögenssituation gelte er als Garant für Ehrlichkeit und Sicherheit.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet.

Der Widerrufsbescheid vom .....2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Denn die Voraussetzungen für den Widerruf der Bestellung des Klägers zum Steuerberater lagen sowohl im Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides vom .......2007 als auch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vor.

Der Beklagte hat die Bestellung des Klägers als Steuerberater zu Recht widerrufen. Der Kläger befindet sich in Vermögensverfall; eine Gefährdung der Auftraggeberinteressen ist nicht ausgeschlossen.

Gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG ist die Bestellung als Steuerberater zu widerrufen, wenn der Steuerberater in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall wird nach Halbsatz 2 der Vorschrift vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerberaters eröffnet oder der Steuerberater in das vom Insolvenzgericht oder vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 der InsO; § 915 der ZPO) eingetragen ist. In das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis werden Haftbefehle zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und abgegebene eidesstattliche Versicherungen eingetragen (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 3 der Schuldnerverzeichnisverordnung - SchuVVO -). Im Übrigen liegt ein Vermögensverfall vor, wenn der Steuerberater in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und er außer Stande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen (vgl. BFH-Urteil vom 22.08.1995 VII R 63/94, BFHE 178, 504, BStBl. II 1995, 909).

§ 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG sieht bei einem Vermögensverfall des Steuerberaters den Widerruf der Bestellung zwingend vor, es sei denn, die Interessen der Auftraggeber sind dadurch nicht gefährdet. Das Gesetz geht damit beim Vorliegen des Vermögensverfalls des Steuerberaters grundsätzlich davon aus, dass dadurch die Interessen seiner Auftraggeber gefährdet sind und gestattet nur in Ausnahmefällen ein Absehen von dem gebotenen Widerruf der Bestellung. Aus diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis folgt, dass die Darlegungs- und Feststellungslast für diesen gesetzlichen Ausnahmetatbestand beim betroffenen Steuerberater liegt (vgl. BFH-Urteil vom 22.09.1992 VII R 43/92, BFHE 169, 286, BStBl II 1993, 203; BFH-Beschluss vom 26.07.2007 VII B 27/07, BFH/NV 2007, 2150).

Der Nachweis der Nichtgefährdung der Auftraggeberinteressen bezieht sich auf die nach den Besonderheiten des Einzelfalles zu beurteilende konkrete Gefährdungssituation für die Mandanten des in Vermögensverfall geratenen Steuerberaters. Erforderlich ist ein substantiierter glaubhafter Vortrag, auf Grund dessen mit hinreichender Gewissheit die grundsätzlich beim Vermögensverfall zu unterstellende Gefahr ausgeschlossen werden kann, dass der Steuerberater seine Berufspflichten unter dem Druck seiner desolaten Vermögenslage verletzen wird. Die Beantwortung der Frage, ob dieser Entlastungsbeweis gelungen ist, erfordert eine zusammenfassende Beurteilung der komplexen Verhältnisse des Einzelfalls, bei der eine Reihe gesetzlich nicht abschließend festgelegter Kriterien zu berücksichtigen sind, die je nach dem Einzelfall in unterschiedlicher Gewichtung für oder gegen die Möglichkeit einer Gefährdung von Auftraggeberinteressen sprechen können (vgl. BFH-Beschluss vom 04.03.2004 VII R 21/02, BFHE 204, 563, BStBl. II 2004, 1016).

Im finanzgerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren gegen die Widerrufsverfügung ist einerseits zu prüfen, ob diese nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung rechtmäßig ergangen ist, zum anderen muss aber eine im Zeitpunkt der Entscheidung bestehende veränderte Sachlage berücksichtigt werden, wenn sich aus dieser eine Rechtspflicht zur sofortigen Wiederbestellung ergibt. Denn die Aufrechterhaltung einer Widerrufsverfügung durch die beklagte Behörde würde gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn sie den Widerruf noch in einem Zeitpunkt verteidigte, in dem sie einem Antrag auf Wiederbestellung stattgeben müsste (vgl. BFH-Urteil vom 22.08.1995 VIII R 63/94, BFHE 178, 504, BStBl. II 1995, 909).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass der Kläger im Zeitpunkt des Widerrufs in Vermögensverfall war, der im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch andauert.

Der Beklagte ist bei Erlass der Widerrufsverfügung zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger im Zeitpunkt der angefochtenen Widerrufsentscheidung i. S. d. § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG in Vermögensverfall geraten war. Da der Kläger am ......2006 die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat, ist die gesetzliche Vermutung begründet worden, dass er in Vermögensverfall geraten ist. Die Eintragungen im Schuldnerverzeichnis waren im Zeitpunkt der Entscheidung der Verwaltungsbehörde noch nicht gelöscht worden. Der Kläger hatte im Widerrufszeitpunkt erhebliche Schulden und Vollstreckungsmaßnahmen waren erfolglos. Der Kläger war und ist nach den erkennbaren Umständen auch außer Stande, seine finanziellen Verhältnisse in absehbarer Zeit zu ordnen. Ein aktuelles Vermögensverzeichnis, eine Gegenüberstellung aller (d. h. beruflichen und privaten) monatlichen Einnahmen und Ausgaben und einen Tilgungsplan für die offenen und beitreibbaren Verbindlichkeiten hat der Kläger trotz Aufforderung nicht vorgelegt.

Die Bestellung des Klägers als Steuerberater könnte nur dann bestehen bleiben, wenn auf Grund seines substantiierten glaubhaften Vorbringens mit hinreichender Gewissheit die grundsätzlich bei Vermögensverfall zu unterstellende, weil vom Gesetz unterstellte Gefahr ausgeschlossen werden kann, dass er seine Berufspflicht unter dem Druck seiner desolaten Vermögenslage verletzen wird (vgl. BFH-Beschluss vom 04.03.2004 VII R 21/02, BFHE 204, 563, BStBl. II 2004, 1016).

Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass der Kläger unter dem Druck seiner desolaten Vermögenslage seine Berufspflicht nicht verletzen wird.

Hohe Steuerschulden, wie der Kläger sie hat, können die Unabhängigkeit eines Steuerberaters, zu der er gemäß § 57 Abs. 1 StBerG auch im Interesse seiner Mandanten verpflichtet ist, gemäß der Rechtsprechung des BFH beeinträchtigen. Denn durch die Steuerschulden wird der Handlungsrahmen, den der Kläger als Steuerberater und Bevollmächtigter seiner Mandanten gegenüber der Finanzverwaltung braucht, entscheidend eingeschränkt. Es ist nicht auszuschließen, dass er im eigenen Interesse gegenüber der Finanzverwaltung zurückhaltender auftritt und nicht alle Möglichkeiten wahrnimmt, die im Interesse seiner Mandanten geboten wären (vgl. BFH-Beschluss vom 08.02.2000 VII B 245/99, BFH/NV 2000, 992). Anhaltspunkte dafür, dass dies im Streitfall ausnahmsweise nicht so ist, hat der Kläger weder dargelegt noch nachgewiesen.

Entgegen der Ansicht des Kläger ist es für die Beurteilung der Gefährdung von Mandanteninteressen ohne Bedeutung, dass er nicht selbst und inzwischen auch nicht mehr als Geschäftsführer der Steuer..........gesellschaft mbH, sondern nur noch als angestellter Steuerberater dieser GmbH tätig wird. Nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, kann die Vermutung einer Gefährdung von Mandanteninteressen nicht dadurch widerlegt werden, dass ein Steuerberater nur als Angestellter tätig wird (vgl. BFH-Beschlüsse vom 29. Mai 2002 VII B 262/01, BFH/NV 2002, 1344; vom 08. Februar 2000 VII B 245/99, BFH/NV 2000, 992). Eine konkrete Gefährdung der Auftraggeberinteressen ist im Streitfall nach der Rechtsprechung des BFH schon deshalb nicht auszuschließen, weil der Kläger ausweislich der Erhebungsauskunft des Beklagten die von den Arbeitslöhnen seiner Mitarbeiter einbehaltene Lohnsteuer für März 2006 nicht abgeführt hat (BFH-Urteil vom 4. April 2000 VII R 24/99, BFH/NV 2000, 1141). Außerdem hat der Kläger erhebliche Umsatzsteuerschulden.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem BGH-Beschluss vom 25.06.2007 AnwZ (B) 191/05, NJW 2007, 2924, denn dieser Entscheidung lag, worauf der Beklagte zu Recht hinweist, ein anderer Sachverhalt zugrunde (vgl. auch Mutschler DStR 2007, 2184). Der BGH hat nicht entschieden, dass allein der Umstand, dass ein Rechtsanwalt als Angestellter tätig ist, für die Annahme ausreicht, dass eine Gefährdung der Mandanteninteressen trotz des eingetretenen Vermögensverfalls ausnahmsweise ausgeschlossen werden könne. In dem vom BGH zu beurteilenden Fall hatte der Rechtsanwalt keinen Zugriff auf die Konten der Rechtsanwaltsgesellschaft und es war durch Sicherungsvorkehrungen und Vertretungsregelungen sichergestellt, dass der Rechtsanwalt mit Mandantengeldern nicht in Berührung kam. Außerdem hatte der Rechtsanwalt den für eine Ordnung seiner Vermögensverhältnisse erforderlichen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über sein Vermögen sowie den Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt (vgl. auch BGHBeschluss vom 18.10.2004 AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511).

Der Senat kann offenlassen, ob die Rechtsprechung des BGH auf einen Steuerberater mit hohen Steuerschulden übertragbar ist. Bedenken gegen eine Übertragbarkeit ergeben sich daraus, dass nach ständiger Rechtsprechung des BFH der Handlungsrahmen eines Steuerberaters mit hohen Steuerschulden gegenüber der Finanzverwaltung eingeschränkt ist, wie oben bereits dargelegt. Für den Streitfall entscheidend ist, dass er in wesentlichen Punkten nicht mit den vom BGH entschiedenen Fällen vergleichbar ist.

Zum einen ist der Kläger nicht Mitglied einer größeren Sozietät, deren Mitglieder auch während der Urlaubszeit oder bei einer etwaigen Erkrankung eines Sozius sicherstellen und dies auch gegenüber dem Beklagten garantieren, dass der Kläger überwacht wird, wie im Fall des BGHBeschlusses vom 18.10.2004 AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511. Zum anderen ist anders als in den vom BGH entschiedenen Fällen nicht erkennbar, dass der Kläger sich bemüht, seine finanziellen Schwierigkeiten in den Griff zu bekommen. Er hat immer noch nicht den für eine Ordnung seiner Vermögensverhältnisse erforderlichen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen gestellt, obwohl er bereits im ....... 2006 die eidesstattliche Versicherung abgegeben hat. Die von ihm dafür genannten Gründe, wie Unklarheiten über die Höhe der Verbindlichkeiten und Beauftragung eines Rechtsanwalts mit Vergleichsverhandlungen, ändern nichts daran, dass im Streitfall angesichts der sehr hohen Steuerschulden nicht erkennbar ist, dass der Kläger seine finanziellen Schwierigkeiten in einem überschaubaren Zeitraum in den Griff bekommen wird.

Entgegen der Ansicht des Klägers stellt § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG auch keine gemeinschaftsrechtswidrige Diskriminierung deutscher Steuerberater dar. Fragen sogenannter Inländerdiskriminierung sind keine Angelegenheiten des Gemeinschaftsrechts, sondern allein des nationalen Rechts (BFH-Beschluss vom 15.10.2003 X B 82/03, BFH/NV 2004, 671). Die Behauptung des Klägers, der Widerruf seiner Bestellung zum Steuerberater verstoße gegen Artikel 14 Nr. 5 und Artikel 15 Abs. 1 und 2 der Dienstleistungsrichtlinie, ist nicht nachvollziehbar. Artikel 14 Nr. 5 der Dienstleistungsrichtlinie bezieht sich nur auf die Regelung des Marktzugangs aufgrund wirtschaftlicher Ziele. Artikel 15 der Dienstleistungsrichtlinie bezieht sich auf bestimmte diskriminierende Regelungen, zu denen der Schutz der Dienstleistungskunden vor im Vermögensverfall befindlichen Dienstleistern nicht gehört. § 46 StBerG verstößt auch nicht gegen Art. 9 und Art. 10 der Dienstleistungsrichtlinie. Der Ausschluss von in Vermögensverfall geratenen Steuerberatern, die nicht nachweisen können, dass durch den Vermögensverfall die Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet sind, vom Beruf des Steuerberaters ist durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses i.S.d. Art. 9 Abs. 1 Buchst. b der Dienstleistungsrichtlinie, zu denen auch der Schutz der Dienstleistungsempfänger gehört (vgl. Art. 4 Nr. 8 Dienstleistungsrichtlinie), gerechtfertigt und diskriminiert den Dienstleistungserbringer nicht i. S. des Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Dienstleistungsrichtlinie. Es ist auch nicht erkennbar, durch welches mildere Mittel ein effektiver Schutz der Mandanteninteressen erreicht werden kann, sodass auch ein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 Buchst. c der Dienstleistungsrichtlinie nicht vorliegt. § 46 StBerG erfüllt auch die Voraussetzungen des Art. 10 Abs. 2 der Dienstleistungsrichtlinie, denn er ist klar und unzweideutig, objektiv, im Voraus bekannt gemacht worden, transparent und zugänglich.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 FGO nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH.

Ende der Entscheidung

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