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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 08.11.2007
Aktenzeichen: 4 K 1248/06 Z
Rechtsgebiete: EG, Kombinierte Nomenklatur


Vorschriften:

EG Art. 234
Kombinierte Nomenklatur Zusätzliche Anm. 2a) zu Kapitel 20
Kombinierte Nomenklatur Zusätzliche Anm. 5a) zu Kapitel 20
Kombinierte Nomenklatur Zusätzliche Anm. 5b) zu Kapitel 20
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

4 K 1248/06 Z

Das Verfahren wird ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden nach Art. 234 EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist die Zusätzliche Anmerkung 5 b) zu Kapitel 20 der Kombinierten Nomenklatur dahingehend zu verstehen, dass mit dem Begriff Fruchtsäfte mit zugesetztem Zucker auch Fruchtsäfte gemeint sind, denen zwar tatsächlich kein Zucker zugesetzt wurde, deren jeweiliger Gehalt an zugesetztem Zucker aber rechnerisch nach der Zusätzlichen Anmerkung 5 a) zu Kapitel 20 der Kombinierten Nomenklatur ermittelt wurde.

2. Ist die Zusätzliche Anmerkung 5 b) zu Kapitel 20 der Kombinierten Nomenklatur dahingehend zu verstehen, dass der dort genannte "Fruchtsaft in seinem natürlichen Zustand" durch die Formulierung "hergestellt aus Früchten oder durch Verdünnen von konzentriertem Fruchtsaft" nur näher erläutert wird, tatsächlich aber auf alle Arten von Fruchtsäften (nicht gegoren und ohne Zusatz von Alkohol) im jeweiligen Zustand ihrer Gestellung Anwendung findet.

Bei Bejahung der beiden vorgenannten Fragen: Ist die Zusätzliche Anmerkung 5 b) zu Kapitel 20 der Kombinierten Nomenklatur gültig?

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob das von der Klägerin eingeführte reine Apfelsaftkonzentrat als Fruchtsaft in die Position 2009 oder als anderweit weder genannte noch inbegriffene Lebensmittelzubereitung in die Position 2106 einzureihen ist.

Die Klägerin beantragte am 27.10.2005 beim Zollamt X des Beklagten die Überführung von 500 kg reinem konzentrierten Apfelsaft ohne zugesetzten Zucker mit einem Brixwert von 66,8 in den zollrechtlich freien Verkehr, wobei sie die Ware unter der Unterposition 2009 7999 der Kombinierten Nomenklatur (KN) anmeldete. Dem Apfelsaft war nur Wasser entzogen worden. Die Zollstelle nahm die Zollanmeldung ohne Beanstandungen an.

Mit Bescheid vom 15.03.2006 erhob der Beklagte von der Klägerin Zoll in Höhe von 58,85 EUR nach, da der eingeführte Apfelsaft nach den Zusätzlichen Anmerkungen 2 a), 5 a) und 5 b) zu Kapitel 20 KN nicht der Position 2009 zuzuweisen sei, weil er den ursprünglichen Charakter eines Fruchtsafts verloren habe. Die Ware gehöre als anderweit weder genannte noch inbegriffene Lebensmittelzubereitung in die Unterposition 2106 9098 KN.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin fristgerecht Sprungklage, der der Beklage ebenfalls fristgerecht zustimmte.

Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor, die vom Beklagten vertretene Auslegung verstoße gegen das Internationale Übereinkommen über das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung von Waren vom 14.06.1983 (ABl. EG 1987 Nr. L 198/3, Übereinkommen über das HS ). Nach den Erläuterungen zum Harmonisierten System (HS) zu Kapitel 20 Rz. 06.0 und zur Position 2009 Rz. 11.5 gehörten konzentrierte Säfte in die Position 2009. Aufgrund der Unterposition 2009 79 gehörten auch konzentrierte Apfelsäfte unabhängig von ihrem Brixwert in die Position 2009. Ausnahmen gebe es nur bei zugesetzten Süßungsmitteln (Erläuterungen zum HS zur Position 2009 Rz. 14.0).

Innerhalb der Unterposition 2009 79 des HS unterscheide die KN zwischen Apfelsäften mit einem Brixwert von bis zu 67 und über 67. Damit fielen Apfelsäfte mit Brixwerten zwischen 66,4 und 67 aufgrund der vom Beklagten angewendeten Berechnungsmethode aus dieser Position heraus. Eine derartige Auslegung sei unschlüssig und widerspreche dem Wortlaut der Tariflinien. Deshalb verstoße auch die Zusätzliche Anmerkung 5 zu Kapitel 20 gegen Art. 9 der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23.07.1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den gemeinsamen Zolltarif (ABl. EG Nr. L 256/1 mit späteren Änderungen) - VO Nr. 2658/87 , denn sie habe nicht nur klarstellenden Charakter.

Der eingeführte Apfelsaft habe auch seinen Fruchtsaftcharakter behalten (s. Erläuterungen zum HS zu Position 2009 Rz. 12.0), denn der hier eingeführte natürliche Apfelsaft sei keiner anderen Bearbeitung als dem Entzug von Wasser unterzogen worden. Dies sei auch bei anderen Waren, nämlich bei Apfelsäften unter 66,4 und über 67 Brix nicht der Fall.

Der ursprüngliche Charakter eines Fruchtsafts ergebe sich nach dem Urteil des EuGH vom 18.04.1991, C219/89, allein aufgrund des Geruchs und des Geschmacks.

Die Zusätzliche Anmerkung 5 b) zu Kapitel 20 KN gelte für die eingeführte Ware nicht, denn der zu beurteilende Fruchtsaft müsse dazu wieder verdünnt worden sein. Die darin enthaltene Bestimmung "hergestellt aus Früchten oder durch Verdünnen aus konzentriertem Fruchtsaft" beziehe sich auf die zu beurteilenden Fruchtsäfte selbst und sei keine Erläuterung des unmittelbar zuvor genannten Begriffs "Fruchtsaft in seinem natürlichen Zustand". Bezöge sich die Bestimmung "hergestellt aus Früchten oder durch Verdünnen aus konzentriertem Fruchtsaft" auf den unmittelbar zuvor genannten Begriff "Fruchtsaft in seinem natürlichen Zustand", wäre regelmäßig eine Rückverdünnung vorzunehmen. Das Maß der Rückverdünnung ergebe sich aus dem Brixwert und sei nötig, um bei reinen konzentrierten Säften festzustellen, ob sie einem bestimmten Saft entsprächen.

Die Zusätzliche Anmerkung 5 b) diene nur der Feststellung, wann ein ursprünglicher Fruchtsaftcharakter verloren gehe. Reine Konzentrate wie die eingeführte Ware könnten ihren Fruchtsaftcharakter aber nicht verlieren. Aus den Erwägungsgründen zur VO (EWG) Nr. 1776/2001 der Kommission zur Änderung des Anhangs I der VO Nr. 2658/87 - VO (EWG) Nr. 1776/2001 ergebe sich, dass mit der Zusätzlichen Anmerkung 5 b) zu Kapitel 20 eine Abgrenzung zwischen Fruchtsäften einerseits und aromatisierten Sirupen andererseits habe getroffen werden sollen. Insoweit könne nicht ernsthaft angenommen werden, reiner konzentrierter Apelsaft sei ein Sirup. Der Fruchtsaftcharakter gehe nur bei einem Zusatz fremden Zuckers verloren, bei dem die Waren weniger als 50 GHT Fruchtsaft in ihrem natürlichen Zustand enthielten (Erläuterungen zur KN zu Position 2009 Rz. 03.0). Fruchteigener Zucker sei insoweit unschädlich (s. Protokoll der Sitzung der AD-HOC-Gruppe zur Überarbeitung der Position 2009 vom 17.06.2005, TAXUD/0663/ 2005-EN).

Zudem würden vergleichbare Waren in der Gemeinschaft ausweislich vorgelegter Unterlagen, Zollbelege und verbindlicher Zolltarifauskünfte, unterschiedlich eingereiht.

Daher empfehle sich, dem Europäischen Gerichtshof Fragen zur Einreihung reinen konzentrierten Apfelsafts ohne zugesetzten Zucker mit einem Brixwert von 66,8 vorzulegen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 15.03.2006 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

die Klage abzuweisen.

Er hält sich an die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegende Einreihungspraxis, für die es auch entsprechende Erlasse des Bundesministeriums der Finanzen gibt, gebunden.

II.

Die Position 2009 des Harmonisierten Systems erfasst in dem hier interessierenden Zusammenhang Fruchtsäfte, auch mit Zusatz von Zucker. Innerhalb dieser Position ist Apfelsaft in der Unterposition 2009 7 namentlich genannt, und zwar in der Unterposition 2009 71 als Apfelsaft mit einem Brixwert von 20 oder weniger und in der Unterposition 2009 79 für anderen Apfelsaft.

Der Brixwert, d.h. die Angabe in Grad Brix, ist nach dem in der Unterpositions-Anmerkung 3 zu Kapitel 20 genannten Verfahren zu ermitteln. Grad Brix bezeichnet die Dichte einer Flüssigkeit verglichen mit einer entsprechenden, definierten Saccharoselösung.

Die KN, die hier in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1810/2004 der Kommission vom 07.09.2004 zur Änderung des Anhangs I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif anzuwenden ist, unterteilt die Unterposition 2009 79 in Waren mit einem Brixwert von mehr als 67 (Unterpositionen 2009 79 1 KN) und in Waren mit einem Brixwert von mehr als 20, jedoch nicht mehr als 67 (Unterpositionen 2009 79 30 bis 2009 79 99 KN). Diese Unterpositionen der KN unterscheiden nach dem Warenwert und dem Gehalt an zugesetztem Zucker.

Ausgangspunkt für die Feststellung des zugesetzten Zuckers ist der Brixwert, der nach der in der Zusätzlichen Anmerkung 2 b) zu Kapitel 20 genannten Methode zu ermitteln ist.

Der Zuckergehalt für Apfelsaft ist nach der Zusätzlichen Anmerkung 2 a) zu Kapitel 20 festzustellen. Dazu ist der zuvor ermittelte Brixwert mit dem Faktor 0,95 zu multiplizieren.

Der Umfang des zugesetzten Zuckers ergibt sich weiter aus der Zusätzlichen Anmerkung 5 a) zu Kapitel 20. Danach sind von dem für den Zuckergehalt ermittelten Wert je nach Art des Saftes bestimmte Werte abzuziehen. Bei Apfelsaft ist ein Wert von 13 abzuziehen.

Ausgehend vom Brixwert von 66,8 ergibt sich für den Streitfall nach der Zusätzlichen Anmerkung 2 a) zu Kapitel 20 ein Zuckergehalt von 63,46 Gewichtshundertteilen (GHT). Hieraus ist nach der Zusätzlichen Anmerkung 5 a) zu Kapitel 20 der Gehalt an zugesetztem Zucker zu errechnen, indem der Zuckergehalt um den Wert 13 gekürzt wird, so dass 50,46 GHT als zugesetzter Zucker anzusehen ist.

Nach der Zusätzlichen Anmerkung 5 b) zu Kapitel 20 verlieren bestimmte Waren ihren Charakter als Fruchtsaft und fallen damit nicht mehr in die Position 2009. Träfe dies auf das eingeführte Apfelsaftkonzentrat zu, würde es im Streitfall in die Position 2106 einzureihen sein und innerhalb dieser Position in die vom Beklagten im angefochtenen Bescheid genannte Unterposition.

Zur 1. Frage:

Nach der von der Klägerin vertretenen Auffassung betrifft die Zusätzliche Anmerkung 5 b) zu Kapitel 20 nach ihrem Wortlaut nur Waren mit zugesetztem Zucker, wohingegen der eingeführte Apfelsaft keinen zugesetzten Zucker aufweist, sondern seinen Zuckergehalt nur durch den Wasserentzug erhalten hat.

Dem gegenüber liegt der Rechtsauffassung des Beklagten eine Auslegung zugrunde, nach der sich der Zusatz von Zucker rein rechnerisch aus der Zusätzlichen Anmerkung 5 a) zu Kapitel 20 ergibt.

Diese Auffassung wird auch von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs vertreten. Nach dessenUrteil vom 17.10.2006, VII R 5/06, BFH/NV 2007, 522, ist der Gehalt zugesetzten Zuckers nach der Zusätzlichen Anmerkung 5 a) zu Kapitel 20 aufgrund des Wortlauts dieser Bestimmung zu berechnen und nicht im Wege der (für ein Massenprodukt wie Apfelsaft möglicherweise zu aufwendigen) Analyse festzustellen.

Dafür spricht die Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift. Mit der VO (EG) Nr. 1776/2001 wurde erstmals mit dem Ziel der Unterscheidung zwischen Fruchtsäften der Position 2009 einerseits und Zubereitungen zur Herstellung von Getränken der Position 2106 andererseits eine besondere Regelung eingeführt. Diese hatte die Teilung der bisherigen Zusätzlichen Anmerkung 5 zu Kapitel 20 KN (s. Verordnung (EG) Nr. 2263/2000 der Kommission vom 13.10.2000 zur Änderung des Anhangs I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur und den Gemeinsamen Zolltarif, ABl. EG Nr. L 264/1) in die Buchstaben a) und b) zur Folge, wobei Buchstabe a) die bisherige Zusätzliche Anmerkung 5 zu Kapitel 20 KN und Buchstabe b) bis auf die Definition des Zuckergehalts, nämlich Dichte in g/cm³ statt Grad Brix, die hier anzuwendende Fassung der Zusätzlichen Anmerkung 5 b) zu Kapitel 20 KN enthielt. Sowohl aus der Zielrichtung der VO (EG) Nr. 1776/2001, wie sie im ersten Erwägungsgrund dieser Verordnung deutlich wird, als auch im beabsichtigten Ausschluss der Waren, deren Gehalt an natürlichem Fruchtsaft weniger als 50 GHT beträgt (5. Erwägungsgrund der VO (EG) Nr. 1776/2001), liegt eine Auslegung, nach der der zugesetzte Zucker rein rechnerisch ermittelt wird, näher.

Gleiches ergibt sich auch aus dem 4. Erwägungsgrund zur Verordnung (EG) Nr. 1340/2004 der Kommission vom 22.07.2004 zur Änderung des Anhangs I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur und den Gemeinsamen Zolltarif, ABl. EG Nr. L 249/5, und den Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur zu Position 2009 Rz. 04.0 ff. (ABl. EG 2001 Nr. C 316/12 v. 10.11.2001).

Zur 2. Frage:

Nach der von der Klägerin vertretenen Auffassung beziehen sich alle in der Zusätzlichen Anmerkung 5 b) zu Kapitel 20 genannten Voraussetzungen auf den Fruchtsaft selbst. Danach wäre von der Vorschrift neben weiteren Voraussetzungen nur Fruchtsaft erfasst, wenn er aus Früchten oder durch Verdünnen konzentrierten Fruchtsafts hergestellt worden ist.

Dem gegenüber liegt der Rechtsauffassung des Beklagten eine Auslegung zugrunde, nach der die Bestimmung "hergestellt aus Früchten oder durch Verdünnen von konzentriertem Fruchtsaft" nur eine Erläuterung des vor diesem Nebensatz aufgeführten Begriffs "Fruchtsaft in seinem natürlichen Zustand" darstellt.

Dies erscheint eher zutreffend zu sein. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofsvom 17.10.2006, VII R 5/06, aaO., ist der in der Zusätzlichen Anmerkung 5 b) zu Kapitel 20 enthaltene Nebensatz "hergestellt aus Früchten oder durch Verdünnen von konzentriertem Fruchtsaft" erkennbar nur eine Erläuterung des vor diesem Nebensatz aufgeführten Begriffs "Fruchtsaft in seinem natürlichen Zustand". Die Zusätzliche Anmerkung 5 b zu Kapitel 20 findet nämlich auf alle Arten von Fruchtsäften im jeweiligen Zustand ihrer Gestellung, also auch auf Konzentrate, Anwendung. Eine Beschränkung ihrer Anwendbarkeit allein auf trinkbare, direkt aus Früchten oder durch Verdünnen von konzentriertem Saft hergestellte Fruchtsäfte würde auch keinen Sinn machen, weil die Brixwerte solcher Fruchtsäfte weit unter dem Wert 67 lägen.

Zur 3. Frage:

Weist ein konzentrierter Apfelsaft zwischen 66,4 und 67 Grad Brix auf, führt die rechnerische Ermittlung des Gehalts an zugesetztem Zucker gemäß den Zusätzlichen Anmerkungen 2 a) und 5 a) zu Kapitel 20 dazu, dass der Gehalt an zugesetztem Zucker 50 GHT übersteigt. Ist die Zusätzlichen Anmerkung 5 b) zu Kapitel 20 dahin auszulegen, dass der Zusatz an zugesetztem Zucker rein rechnerisch zu ermitteln und die Zusätzliche Anmerkung 5 b) zu Kapitel 20 KN auf alle Arten von Fruchtsäften im jeweiligen Zustand ihrer Gestellung anzuwenden ist, folgt daraus weiter, dass konzentrierter Apfelsaft zwischen 66,4 und 67 Grad Brix seinen ursprünglichen Charakter als Fruchtsaft verliert.

Insoweit bestehen Zweifel an der Gültigkeit der Zusätzlichen Anmerkung 5 b) zu Kapitel 20 KN.

Die Zusätzliche Anmerkung 5 b) zu Kapitel 20 KN ist von der Kommission nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. a, b, d oder e VO (EWG) Nr. 2658/87 erlassen worden. Bei einer derartigen Maßnahme hat die Kommission nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ein weites Ermessen bei der näheren Angabe des Inhalts der Tarifpositionen, die für die Einreihung einer bestimmten Ware in Frage kommen. Die Kommission hat jedoch aufgrund dieser Befugnis zum Erlass bestimmter Maßnahmen nicht das Recht, den Inhalt der Tarifpositionen zu ändern, die auf der Grundlage des durch das Übereinkommen eingeführten HS geschaffen worden sind, denn die Gemeinschaft hat sich gemäß Art. 3 dieses Übereinkommens verpflichtet, die Tragweite dieser Tarifpositionen nicht zu verändern (EuGH Urteil v. 18.07.2006 C310/06, Rz. 21 m.w.N.).

Die Position 2009 erfasst Fruchtsäfte auch mit dem Zusatz von Zucker und führt in der Unterposition 2009 7 Apfelsaft namentlich auf. Dabei unterscheidet sie zwischen Apfelsaft mit einem Brixwert von 20 oder weniger (Unterposition 2009 71), dem im Regelfall nicht konzentrierten Apfelsaft, und anderem Apfelsaft (Unterposition 2009 79).

Zur Unterposition 2009 79 gehören auch konzentrierte Säfte, denen in großem Umfang Wasser entzogen worden ist, so dass sie hohe Brixwerte erreichen. Selbst der Zusatz von Zucker - auch rein rechnerisch ist solange unschädlich, wie der ursprüngliche Charakter der Säfte erhalten bleibt (s. Erläuterungen zum HS zu Position 2009 Rzn. 12.0 und 13.0). Der ursprüngliche Charakter wird auch nicht dadurch beeinträchtigt, dass bei der Saftgewinnung Stoffe verloren gehen oder geschädigt werden, denn derartige Stoffe können ohne weiteres ersetzt werden (s. Erläuterungen zum HS zu Position 2009 Rzn. 16.0).

Hiervon geht auch die KN aus, denn sie sieht die weiteren Unterpositionen 2009 79 11 KN und 2009 79 99 KN für Apfelsäfte mit einem Brixwert von mehr als 67 vor. Derartige Apfelsäfte bleiben - solange ihr ursprünglicher Charakter erhalten bleibt in der Position 2009. Im Hinblick auf die Unterpositionen 2009 7911 KN und 2009 79 99 KN ist bei konzentriertem Apfelsaft, der mehr als 67 Grad Brix aufweist, schon aufgrund der dadurch zu Tage tretenden Systematik der Unterposition 2009 79 nicht davon auszugehen, dass diese Säfte ihren Charakter als Apfelsaft verloren haben. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob dem Urteil des EUGH vom 18.04.1991 C324/89, Rzn. 8 f., entnommen werden kann, dass jede Konzentration eines Fruchtsafts dessen ursprünglichen Charakter unberührt lässt, wie die Klägerin meint, denn allein die Existenz der Unterpositionen 2009 7911 KN und 2009 79 99 KN legt nahe, dass Apfelsäfte mit Brixwerten von 67 diesen Charakter noch nicht verloren haben.

Damit stehen alle Regelungen, die Apfelsäfte mit Brixwerten über 67 der Unterposition 2009 79 zuweisen, in Widerspruch zur Zusätzlichen Anmerkung 5 b) zu Kapitel 20 KN, denn diese weist, wie oben dargelegt, konzentrierte Apfelsäfte mit Brixwerten von 66,4 bis 67 aus der Position 2009 aus und - wie vom Beklagten angenommen - der Position 2106 zu.

Aufgrund dieses Widerspruchs muss entweder die Zusätzliche Anmerkung 5 b) zu Kapitel 20 oder aber die Unterteilung der Unterposition 2009 79 des HS in die weiteren Unterpositionen 2009 79 11 KN und 2009 79 99 KN ungültig sein. Im Hinblick darauf, dass sich aus den Erläuterungen zum HS zu Position 2009 keine Grenzen für den Zuckergehalt, der eine Ausweisung aus dieser Position zur Folge hätte, finden, spricht mehr dafür, dass mit der Zusätzlichen Anmerkung 5 b) zu Kapitel 20 die Tarifposition 2009 79 des HS in rechtswidriger Weise geändert wurde.



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