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Gericht: Finanzgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 14.12.2005
Aktenzeichen: 4 K 1812/04 Erb
Rechtsgebiete: AO 1977


Vorschriften:

AO 1977 § 150 Abs. 2 S. 1
AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 1
AO 1977 § 370 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf

4 K 1812/04 Erb

Tenor:

Der Erbschaftsteuerbescheid vom 14. November 2002 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Februar 2004 wird aufgehoben, soweit damit mehr als 338.500,79 EUR Steuer festgesetzt worden ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Der Vater der Klägerin, B, war Steuerberater der am 2. Juni 1930 geborenen und am 30. März 1994 verstorbenen Erblasserin A, die er auf Grund Testaments vom 9. September 1993 allein beerbt hat. In seiner am 23. November 1994 abgegebenen Erbschaftsteuererklärung gab er das Kapitalvermögen der Erblasserin wie folgt an:

 Depot bei der Bank AG:16.376 DMGuthaben bei der Bank AG:
862.453 DMZinsen aus diesen Guthaben:5.118 DM
Guthaben bei der Stadt-Sparkasse :18.567 DMSchuldbuchkonto bei der Bundesschuldenverwaltung:
12.300 DM  914.814 DM

Das Finanzamt setzte gegen den Vater der Klägerin mit Bescheid vom 3. Februar 1995 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung 224.440 DM Erbschaftsteuer fest. Dabei ging es auf der Grundlage der abgegebenen Erbschaftsteuererklärung von einem Erwerb von Todes wegen von 564.144 DM aus. Der Vater der Klägerin verstarb am 7. November 1997 und ist ausweislich des Erbscheins des Amtsgerichts vom 11. Dezember 1997 von der Klägerin allein beerbt worden. Mit an den Vater der Klägerin gerichtetem Bescheid vom 6. März 1998 setzte das Finanzamt die Erbschaftsteuer 229.120 DM neu fest und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Dabei ging es von einem Erwerb von Todes wegen von 575.806 DM aus.

Im September 2001 begann das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung mit Ermittlungen bei der Klägerin. Über das Ergebnis der Ermittlungen fertigte es einen Bericht vom 6. August 2002 an, der auszugsweise folgenden Inhalt hat:

"Tz. 8 Durch die Ermittlungen der Steuerfahndung ist bekannt geworden, dass die am 30. März 1994 verstorbene A ... im Jahr 1992 Wertpapiere und Barmittel in Höhe von insgesamt 706.559,50 DM anonym zur Bank in Luxemburg transferiert hat. A konnte eindeutig über korrespondierende Buchungen sowie über einen Geldrückfluss in 1993 über 15.000 DM, der per Scheck erfolgt ist, enttarnt werden. Der Scheck weist auf der Rückseite ihre Unterschrift und Personalausweisnummer aus.

Tz. 9 Aus der Einkommensteuerakte der A ergibt sich, dass diese in 1991 aus einer Veräußerung eines Firmenanteils Mittel in Höhe von rd. 724.000 DM bezogen hat. Diesen Gewinn hat sie offensichtlich bei einer inländischen Bank angelegt, da ab 1991/92 hierzu korrespondierende Kapitalerträge erklärt worden sind.

Tz. 10 Die für die Vorjahre erklärten Kapitalerträge liegen im Bereich von 2.700 bis 4.700 DM. Diese Erträge und der nach Luxemburg transferierte Betrag stehen offensichtlich nicht in einem direkten Verhältnis zueinander.

Tz. 11 Es ist daher davon auszugehen, dass A bereits vor dem Mittelzufluss aus der Geschäftsveräußerung (Anlage bei inländischer Bank) über den nach Luxemburg transferierten Betrag verfügt hat und die Erträge hieraus steuerlich nicht erklärt hat. Über Mittelrückflüsse aus Luxemburg, ausgenommen die bereits angesprochenen 15.000 DM, ist nichts bekannt...

Tz. 13 B hat in den Jahren 1994 bis 1997 erhebliche Kapitaleinkünfte erklärt. Die Einkünfte sind dezidiert aufgeschlüsselt. Einkünfte, die bei der Bank in Luxemburg erzielt worden sind, sind in den Aufschlüsselungen nicht enthalten. Ein bedeutender Kapitalzuwachs ist in dieser Zeit ebenfalls nicht erkennbar.

Tz. 14 Die Erbschaftsteuererklärung (Erblasserin A) enthält kein Vermögen bei der Bank in Luxemburg... Dahingegen sind Engangements der verstorbenen A bei der Bundesschuldenverwaltung und der Stadtsparkasse über Kontrollmitteilungen bekannt geworden, deren Erträge keinen Eingang in die Einkommensteuererklärung gefunden haben...

Tz. 25 Im Erbschaftsteuerbescheid über den Erwerb des B von Todes wegen nach A sind folgende Vermögenswerte bisher unberücksichtigt geblieben...

 Vermögen amin DMErtrag zeitanteiligSumme
31.12.1993758.258,72 DM15.165,17 DM773.423,89 DM"

Das zwischenzeitlich zuständig gewordene beklagte Finanzamt folgte dem Bericht und setzte die Erbschaftsteuer gegen die Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin ihres Vaters mit auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) gestütztem Bescheid vom 14. November 2002 auf 344.150,57 EUR neu fest. Dabei ging es nunmehr von einem Erwerb von Todes wegen von insgesamt 1.349.230 DM (575.806 DM + 773.424 DM) aus.

Mit ihrem hiergegen eingelegten Einspruch machte die Klägerin geltend: Der angefochtene Bescheid beruhe nicht auf nachgewiesenen neuen Tatsachen, sondern nur auf Vermutungen des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung. Der Transfer der Gelder durch die Erblasserin im Oktober 1992 sei nicht nachgewiesen worden. Im Übrigen sei Festsetzungsverjährung eingetreten, weil auch eine Steuerhinterziehung nicht nachgewiesen worden sei.

Das beklagte Finanzamt wies den Einspruch mit Entscheidung vom 24. Februar 2004 zurück und führte aus: Auf Grund der Beweismittel zum Fahndungsbericht sei der Transfer der Gelder durch die Erblasserin im Oktober 1992 auf ein Konto bei der Bank in Luxemburg belegt. Die Erblasserin habe im August 1993 von dem Konto 15.000 DM per Scheck abgehoben. Unter Berücksichtigung der positiven Vermögensentwicklung der Erblasserin sei es wenig wahrscheinlich, dass sie die Gelder nach ihrem Transfer nach Luxemburg noch vor ihrem Tode verbraucht habe. Sie habe noch über erhebliche inländische Guthaben verfügt, auf die sie jederzeit habe zurückgreifen können. Geldrückflüsse neben dem Scheck über 15.000 DM seien weder festzustellen noch vorgetragen worden. Da die Klägerin bei der Aufklärung des Sachverhalts nicht mitgewirkt habe, sei eine Schätzung zulässig. Zweifel hinsichtlich des Verbleibs der Gelder in Luxemburg gingen zu ihren Lasten. Die Festsetzungsfrist sei bei Erlass des angefochtenen Bescheids nicht abgelaufen gewesen. Der Vater der Klägerin habe in der von ihm abgegebenen Erbschaftsteuererklärung die Guthaben der Erblasserin in Luxemburg nicht angegeben. Hierdurch sei die Erbschaftsteuer verkürzt worden, so dass eine zehnjährige Festsetzungsfrist gelte.

Die Klägerin hat am 25. März 2004 Klage erhoben, mit der sie vorträgt: Es sei völlig offen, ob die Erblasserin jemals Gelder nach Luxemburg transferiert habe und ob dort Zinsen angefallen seien. Es sei gleichfalls offen, ob die Erblasserin die Gelder, falls es sie gegeben habe, gehortet oder ausgegeben habe. In ihrem Testament seien die Gelder nicht erwähnt worden. Es sei zudem völlig unklar, ob die vermeintlichen Gelder in den Nachlass gefallen seien oder eine Einzelrechtsnachfolge angeordnet worden sei. Das beklagte Finanzamt habe auch nicht nachgewiesen, dass dem Vater der Klägerin die vermeintliche Anlage von Geldern in Luxemburg bekannt gewesen sei und er die Erbschaftsteuererklärung im Bewusstsein ihrer Unvollständigkeit abgegeben habe. Es gebe keinen Erfahrungssatz, nach dem im Ausland ansässige Banken von sich aus in einem Erbfall inländische Erben benachrichtigen würden. Die bei ihr durchgeführte Durchsuchung habe zu keinerlei Hinweisen oder Verdachtsmomenten geführt. Jedenfalls sei das Verfahren im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des Finanzgericht (FG) Köln vom 22. September 2005 10 K 1880/05 auszusetzen.

Die Klägerin beantragt,

den Erbschaftsteuerbescheid vom 14. November 2002 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Februar 2004 aufzuheben.

Das beklagte Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt es vor: Es sei wenig wahrscheinlich, dass die Erblasserin die nach Luxemburg transferierten Gelder verbraucht oder verschenkt habe. Es widerspreche jeglicher Lebenserfahrung, dass ein über ein ganzes Leben hinweg angespartes Vermögen innerhalb von eineinhalb Jahren ausgegeben werde. Die Verweigerung der Mitwirkung bei der Aufklärung des Sachverhalts durch die Klägerin begründe den Verdacht, dass die Gelder am Todestag der Erblasserin noch vorhanden gewesen seien.

Der Senat hat die Einkommensteuer- und Vermögensteuerakten des Finanzamts für die Erblasserin beigezogen und die Klägerin am 14. Dezember 2005 zur Person vernommen. Angaben zur Sache hat sie verweigert.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nur zu einem geringen Teil begründet. Der Bescheid vom 14. November 2002 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Februar 2004 ist nur insoweit rechtswidrig und verletzt die Klägerin nur insoweit in ihren Rechten, als damit mehr als 338.500,79 EUR Erbschaftsteuer festgesetzt worden ist. Im Übrigen ist der Bescheid vom 14. November 2002 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Februar 2004 rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Bestimmung liegen im Streitfall dem Grunde nach vor. Auf Grund der vom Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung durchgeführten Ermittlungen sind Tatsachen nachträglich bekannt geworden, die zu einer höheren Steuer führen.

Nach der vom Senat aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) hat die Erblasserin im Oktober 1992 Kapitalvermögen von insgesamt 706.559,50 DM von der inländischen Bank zur Bank in Luxemburg transferiert. Dies ergibt sich unzweifelhaft aus den vom beklagten Finanzamt vorgelegten Beweismittelheftern zum Bericht des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung vom 6. August 2002. Hiernach hat sich die Erblasserin am 12. Oktober 1992 von ihrem Konto bei der inländischen Bank 340.000 DM auszahlen lassen. Dieser Geldbetrag wurde bei der Bank in Luxemburg gutgeschrieben. Am 19. Oktober 1992 wurden von ihrem Konto inländischen Bank 159.559,50 DM abgebucht, die am selben Tage bei der Bank in Luxemburg gutgeschrieben wurden. Ferner befinden sich in den Beweismittelordnern an die inländische Bank übersandte Einlieferungsbelege, wonach die Bank in Luxemburg festverzinsliche Wertpapiere mit Nennbeträgen von 57.000 DM, 50.000 DM und 100.000 DM in Verwahrung genommen hat. Die Anlage der Geldbeträge durch die Erblasserin bei der Bank in Luxemburg wird dadurch bestätigt, dass die inländische Bank ausweislich des hierüber vorliegenden Abrechnungsbelegs am 19. August 1993 einen von der Erblasserin eingereichten und von ihr mit einem Indossament versehenen sowie von der Bank in Luxemburg ausgestellten Scheck über 15.000 DM angekauft hat.

Das nachträglich bekannt gewordene Kapitalvermögen der Erblasserin bei der Bank in Luxemburg führt auch zu einer höheren Steuer. Nach Überzeugung des Senats gehörte dieses Kapitalvermögen - mit Ausnahme des Rückflusses vom 19. August 1993 über 15.000 DM - am Bewertungsstichtag (§§ 9 Abs. 1 Nr. 1, 11 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes - ErbStG -) zum Nachlass, so dass es als Erwerb des Vaters der Klägerin von Todes wegen (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) zu erfassen ist. Ein Verlust, eine Ausgabe oder ein über den Betrag von 15.000 DM hinausgehender Rückfluss des Kapitalvermögens von der Bank in Luxemburg in das Inland ist bis zum Todestag der Erblasserin am 30. März 1994 weder ersichtlich noch von der Klägerin dargelegt worden. Es ist ferner weder ersichtlich noch von der Klägerin dargelegt worden, dass hinsichtlich des Kapitalvermögens der Erblasserin eine Einzelrechtsnachfolge in Gestalt eines Vertrags zugunsten eines Dritten (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) stattgefunden hat. Der Senat kann auch nicht davon ausgehen, dass die Klägerin in Ermangelung einer Kenntnis von dem Kapitalvermögen der Erblasserin nicht zu einer entsprechenden Darlegung in der Lage war. Sie hat in ihrer Vernehmung durch den Senat vom 14. Dezember 2005 im Hinblick auf das gegen sie eingeleitete und noch nicht abgeschlossene Steuerstrafverfahren jegliche Angaben zur Sache verweigert. Der Prozessbevollmächtigten der Klägerin war nach dem Hinweis des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 30. November 2005 bekannt, dass der Klägerin im Besteuerungsverfahren und damit auch im finanzgerichtlichen Verfahren kein Mitwirkungsverweigerungsrecht zusteht (Bundesfinanzhof - BFH -, Beschluss vom 19. September 2001 XI B 6/01, BStBl II 2002, 4).

Das Verbleiben des Kapitalvermögens der Erblasserin bis zu ihrem Todestag bei der Bank in Luxemburg - mit Ausnahme des Rückflusses vom 19. August 1993 über 15.000 DM - wird überdies durch die Einkommensteuerakte des Finanzamts bestätigt. Hiernach hat die Erblasserin für die Jahre 1990 bis 1993 Einkünfte aus Kapitalvermögen von 3.423 DM (1990), 14.921 DM (1991), 51.592 DM (1992) und 63.115 DM (1993) erklärt. Diese Einkünfte hat sie weit überwiegend bei der inländischen Bank erzielt. Einkünfte aus Kapitalvermögen bei der inländischen Bank oder der Bank in Luxemburg hat sie nicht erklärt. Der Anstieg der Einkünfte aus Kapitalvermögen bereits ab dem Veranlagungszeitraum 1991 beruht nicht auf einem Rückfluss des Kapitalvermögens bei der Bank in Luxemburg. Denn im Jahr 1991 hat die Erblasserin einen von ihr mit 670.032 DM angegebenen Veräußerungsgewinn erzielt, der bei der inländischen Bank angelegt wurde und zu den erklärten höheren Einkünften aus Kapitalvermögen geführt hat. Ausweislich der Vermögensteuerakte des Finanzamts hat der Vater der Klägerin für die Erblasserin auf den 1. Januar 1992 Kapitalvermögen von 763.216 DM, auf den 1. Januar 1993 Kapitalvermögen von 795.095 DM und auf den 1. Januar 1994 Kapitalvermögen von 892.277 DM erklärt. Das Kapitalvermögen der Erblasserin bestand hiernach weit überwiegend bei der inländischen Bank und nur zu einem geringen Anteil bei der Stadt-Sparkasse. Es ist daher davon auszugehen, dass zum Nachlass der Erblasserin neben dem in der Erbschaftsteuererklärung angegebenen Kapitalvermögen von insgesamt 914.814 DM bei der inländischen Bank, der Stadt-Sparkasse und der Bundesschuldenverwaltung noch das zur Bank in Luxemburg transferierte Kapitalvermögen gehörte. Da die Erblasserin das Kapitalvermögen bei der Bank in Luxemburg zinsertragbringend angelegt hat, was sich insbesondere aus dem Erwerb festverzinslicher Wertpapiere ergibt, ist bis zum Bewertungsstichtag auch von einem Zinszufluss auszugehen. Gegenteiliges ist weder ersichtlich noch von der Klägerin dargelegt worden. Sie hat in ihrer Vernehmung durch den Senat vom 14. Dezember 2005 jegliche Angaben zur Sache verweigert und damit die Möglichkeit einer substantiierten Darlegung hierzu nicht wahrgenommen.

Anders als die Klägerin meint, war die Änderung der Festsetzung der Erbschaftsteuer nicht nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist unzulässig. Im Streitfall beträgt die Festsetzungsfrist nicht vier Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO), sondern zehn Jahre (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO), so dass der Bescheid vom 14. November 2002 noch innerhalb der mit Ablauf des 31. Dezember 1994 begonnenen (§ 170 Abs. 1 AO) Festsetzungsfrist erging. Nach Überzeugung des Senats hat der Vater der Klägerin die auf das Kapitalvermögen der Erblasserin bei der Bank entfallende Erbschaftsteuer i.S. des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO hinterzogen. Er hat dieses Kapitalvermögen in seiner am 23. November 1994 abgegebenen Erbschaftsteuerklärung nicht erwähnt und damit unvollständige Angaben i.S. des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO gemacht. Der Senat hat auch keine Zweifel daran, dass der Vater der Klägerin mit dem nach § 15 des Strafgesetzbuchs erforderlichen Vorsatz gehandelt hat. Obwohl im finanzgerichtlichen Verfahren der strafverfahrensrechtliche Grundsatz "in dubio pro reo" zu beachten ist, ist das Vorliegen dieses Tatbestandsmerkmals nicht nach der Strafprozessordnung, sondern nach den Vorschriften der AO und der FGO zu prüfen. Für die Feststellung der Steuerhinterziehung, die nach § 76 Abs. 1 Sätze 1 und 5 FGO von Amts wegen zu treffen ist, ist kein höherer Grad von Gewißheit notwendig als für die Feststellung anderer Tatsachen, für die das Finanzamt ebenfalls die Feststellungslast trägt (BFH, Urteil vom 19. März 1998 V R 54/97, BStBl II 1998, 466, 467 f.).

Nach Überzeugung des Senats muss der Vater der Klägerin als Alleinerbe Kenntnis von dem bei der Bank in Luxemburg angelegten Kapitalvermögen der Erblasserin gehabt haben. Die vom beklagten Finanzamt vorgelegten Beweismittelhefter zum Bericht des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung vom 6. August 2002 enthalten Auszahlungs- und Einzahlungsbelege, Abrechnungen über den Erwerb von Wertpapieren sowie über den Ankauf eines von der Bank in Luxemburg ausgestellten Auslandsschecks. Bei dem Umfang des Kapitalvermögens der Erblasserin müssen sich derartige Belege und Abrechnungen über die laufenden Zinserträge in den Unterlagen der Erblasserin befunden haben. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Bank in Luxemburg den Vater der Klägerin von sich aus über das bei ihr angelegte Kapitalvermögen der Erblasserin in Kenntnis gesetzt hat. Es ist zudem davon auszugehen, dass der Vater der Klägerin als Rechtsanwalt und Steuerberater wusste, dass er nach § 150 Abs. 2 Satz 1 AO verpflichtet war, vollständige Angaben in der Erbschaftsteuererklärung machen zu müssen. Er hat überdies die dahingehende Versicherung in der von ihm abgebenen Erbschaftsteuererklärung unterschrieben.

Der Bescheid vom 14. November 2002 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Februar 2004 unterliegt indessen der Aufhebung, soweit damit mehr als 338.500,79 EUR Erbschaftsteuer festgesetzt worden ist. Das beklagte Finanzamt ist hinsichtlich des bislang angesetzten Erwerbs von Todes wegen von dem in dem Erbschaftsteuerbescheid vom 6. März 1998 ausgewiesenen Betrag von 575.806 DM ausgegangen. Der Bescheid vom 6. März 1998 ist jedoch nichtig, weil er noch an den Vater der Klägerin gerichtet war, obwohl dieser bereits am 7. November 1997 verstorben war (BFH-Urteil vom 17. Juni 1992 X R 47/88, BStBl II 1993, 174). Hinsichtlich des um 11.662 DM im Vergleich zum Erbschaftsteuerbescheid vom 3. Februar 1995 angenommenen höheren Erwerbs von Todes wegen liegen auch keine neuen Tatsachen i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO vor.

Darüber hinaus kann bezüglich des von der Erblasserin erzielten Zinsertrags in Anwendung des strafrechtlichen Grundsatzes "in dubio pro reo" nicht von einer Verzinsung ihres Kapitalvermögens bei der Bank in Luxemburg von 8 % p.a. ausgegangen werden. Denn die von der Erblasserin im Oktober 1992 erworbenen Wertpapiere wiesen eine Verzinsung von nominal 5 % bis 9 % aus, was einem Durchschnittszinssatz von 7 % p.a. entspricht. Die gegen die Klägerin als Gesamtrechtsnachfolgerin ihres Vaters festzusetzende Erbschaftsteuer berechnet sich demgemäß wie folgt:

 Kapital bei der Bank in Luxemburg am 31. Oktober 1992:706.559,50 DM
+ Zinsen von 7 % p.a. vom 1. November bis zum 31. Dezember 1992:8.243,19 DM
Kapital bei der Bank in Luxemburg am 31. Dezember 1992:714.802,69 DM
+ Zinsen von 7 % p.a. vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 1993:50.036,19 DM
./. Rückfluss vom August 1993:15.000,00 DM
Kapital bei der Bank in Luxemburg am 31. Dezember 1993:749.838,87 DM
+ Zinsen von 7 % p.a. vom 1. Januar bis zum 30. März 1994:13.122,18 DM
Kapital bei der Bank in Luxemburg am 30. März 1994:762.961,05 DM
+ im Bescheid vom 3. Februar 1995 angesetzter Erwerb:564.144,00 DM
 1.327.105,05 DM
./. Freibetrag3.000,00 DM
 1.324.105,05 DM
abgerundet1.324.100,00 DM
Steuer (50 v.H.)662.050,00 DM
dies entspricht338.500,79 EUR

Den mit Schriftsätzen vom 29. November und 14. Dezember 2005 gestellten Beweisanträgen der Klägerin war nicht zu entsprechen. Der "Beweisantrag", ein Sachverständigengutachten dazu einzuholen, ob die Ausführungen des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung sowie des beklagten Finanzamts die logische Schlussfolgerung stützen, die Erblasserin habe Gelder auf ein eigenes Konto in Luxemburg transferiert, ist schon deshalb abzulehnen, weil der Senat selbst nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO zu entscheiden hat, ob der Inhalt der Akten die tatsächlichen Annahmen des beklagten Finanzamts stützen. Dass die Ermittlungen des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung bei der Klägerin zu keinerlei Hinweisen geführt haben, kann als richtig unterstellt werden. Hierauf stützt der Senat seine Entscheidung nicht. Ferner kann als richtig unterstellt werden, dass das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung keine Feststellungen zu "ungeklärten Vermögenszuwächsen" bei der Klägerin und ihrem Vater getroffen hat. Es geht im Streitfall nur um die vom Senat getroffene Feststellung des im Nachlass vorhandenen Kapitalvermögens der Erblasserin bei der C Bank in Luxemburg und nicht um andere "ungeklärte Vermögenszuwächse". Des weiteren kann als richtig unterstellt werden, dass Banken Erben bei einer Einzelrechtsnachfolge in Auslandsvermögen keine Auskunft erteilen. Es ist weder ersichtlich noch von der Klägerin schlüssig behauptet worden, dass es hinsichtlich des Kapitalvermögens der Erblasserin bei der Bank in Luxemburg eine derartige Einzelrechtsnachfolge gab. Schließlich ist es nicht entscheidungserheblich, ob die Klägerin oder ihr Vater in den Transfer des Kapitalvermögens der Erblasserin von der inländischen Bank zur Bank in Luxemburg einbezogen waren.

Der Senat sieht sich auch nicht veranlasst, dass vorliegende Verfahren im Hinblick auf den Vorlagebeschluss des FG Köln vom 22. September 2005 10 K 1880/05 (Deutsches Steuerrecht-Enetscheidungsdienst 2005, 1398) auszusetzen. Unbeschadet dessen, dass innerhalb der Frist des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes über die strafbefreiende Erklärung vom 23. Dezember 2003 (BGBl I, 2928) keine strafbefreiende Erklärung abgegeben wurde, kann sich die Klägerin schon deshalb nicht auf eine gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes verstoßende Ungleichbehandlung berufen, weil sich ihr Vater nicht in der Position eines Steuerehrlichen befand, der im Vergleich zu den Steuerunehrlichen ungünstiger besteuert wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Das beklagte Finanzamt ist nur zu einem geringen Teil unterlegen.

Ende der Entscheidung

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